Kaum aerodynamische Features, kaum Kabelintegration und keine zusätzlichen Anschraubpunkte, außer für zwei Trinkflaschen: Die Liste an Dingen, die das Specialized S-Works Aethos-Rennrad nicht hat, ist lang. Geht das Konzept der Reduktion im Test auf oder hat das Bike keine Chance gegen das Testfeld?
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Rennrad 2021 – 15 Modelle im Test
Laut Specialized standen bei der Entwicklung des S-Works Aethos vor allem die Rennrad-Fans im Fokus, die sich nach mehr sehnen als nach einer reinen Rennmaschine. Und so kommt der edle FACT 12r-Carbonrahmen unseres Test-Bikes ohne offensichtlich aerodynamisch optimierte Rohrformen daher. Im vergleichsweise filigranen Tretlagerbereich wurde eine Shimano DURA-ACE-Kurbel mit 52/36 T im Standard BSA-Lager montiert. Auch die Klemmung der Roval Alpinist Carbonsattelstütze mit einem Durchmesser von 27,2 mm mutet beinahe traditionell an. Allein der Kontrast aus dem einteiligen Roval Alpinist-Carboncockpit und den Roval C38-Laufräder aus dem Gravel-Bereich wecken die Verwunderung des geübten Betrachters. Was macht dieses Bike-Konzept also so besonders? Das Stichwort lautet Reduktion. Statt den Rahmen auf herkömmliche Weise in bestimmten Regionen wie Tretlager und Unterrohr extra zu verstärken und dadurch auch letztlich schwerer zu machen, soll der Aethos-Rahmen homogener aufgebaut sein. Einbußen in puncto Steifigkeit der neuralgischen Punkte sind dennoch kein Thema. Beim neuen S-Works ist das Oberrohr anstelle des Unterrohrs die tragende „Stütze“ im Gesamtsystem. Die Ingenieure von Specialized scheinen ein Rennrad aus Stahl als Vorbild genommen zu haben. Denn sie haben darauf geachtet, dass sich das Aethos in Kurvenlage auf der horizontalen Achse verwinden kann und so zusätzlichen Grip, Compliance und dadurch auch ein höheres Sicherheitsgefühl generiert. Eine Bike-Charakteristik, von der eingefleischte Stahlrahmen-Fanatiker nur allzu gern schwärmen.
Specialized S-Works Aethos 2021
12.999 €
Ausstattung
Sattelstütze Roval Alpinist Carbon 12 mm
Bremsen Shimano DURA-ACE BR-R9170 160/140 mm
Schaltung Shimano DURA-ACE Di2 R9150 2 x 11
Vorbau Roval Alpinist 100 mm
Lenker Roval Alpinist 420 mm
Laufräder Roval C38 12 x 100/12 x 142 mm Thru-Axle
Reifen S-Works Turbo 30-622 (700x30C) 32
Kurbeln Shimano DURA-ACE FC-R9100 172,5 mm
Kassette Shimano DURA-ACE CS-R9100 11–30
Technische Daten
Größe 49 52 54 56 58 61
Gewicht 6,49 kg
Besonderheiten
leichtestes Bike im Vergleichstest
SWAT Storage-System am Sattel
beidseitig messender Specialized-Powermeter
Alpinist-Cockpit mit integriertem GPS-Mount
Der Clou an unserem Test-Bike ist, dass Specialized all das bei einem Gewicht von gerade mal 6,49 kg in Größe 56 umgesetzt hat. Auch wenn es mit den Roval CLX Alpinist-Laufrädern des Serien-Bikes noch leichter gegangen wäre, setzt Specialized an unserem Test-Modell auf die robusten und schwereren C38-Laufräder aufgrund ihrer Tubeless-Freigabe. Trotzdem ist das Aethos 330 g leichter als das zweitleichteste Bike im Vergleichstest – das Wilier Filante. Die Accessoires unseres 12.999 € teuren Test-Bikes wie der King Cage Flaschen- und Flachmannhalter, die SWAT Road Bandit-Ersatzschlauch-Halterung oder die Gramm Tourpacking Dyneema-Top-Tube-Tasche gehören leider nicht zur üblichen Ausstattung, bekommen aber unsere absolute Kaufempfehlung!
Größe | 49 | 52 | 54 | 56 | 58 | 61 |
---|---|---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 431 mm | 462 mm | 481 mm | 504 mm | 532 mm | 567 mm |
Oberrohr | 508 mm | 531 mm | 540 mm | 562 mm | 577 mm | 595 mm |
Steuerrohr | 109 mm | 120 mm | 137 mm | 157 mm | 184 mm | 204 mm |
Lenkwinkel | 71,8° | 72,5° | 73,0° | 73,5° | 73,5° | 74,0° |
Sitzwinkel | 75,5° | 74,0° | 74,0° | 73,5° | 73,5° | 73,0° |
Kettenstrebe | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm |
Tretlagerabsenkung | 74 mm | 74 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm |
Radstand | 973 mm | 975 mm | 978 mm | 991 mm | 1.005 mm | 1.012 mm |
Reach | 375 mm | 380 mm | 384 mm | 395 mm | 402 mm | 408 mm |
Stack | 514 mm | 527 mm | 544 mm | 565 mm | 591 mm | 612 mm |
Das Specialized S-Works Aethos im Test
Im Antritt zeigt sich das Aethos so bereitwillig und leichtfüßig wie kein anderes Bike im Vergleichstest und lässt sich in jeder Situation direkt auf Speed bringen. Auch am Berg und auf langen Anstiegen erwidert es jede Pedalumdrehung mit konsequentem Vortrieb, selbst wenn man an sehr steilen Rampen aufgrund der Kettenblattabstufung den entsprechenden Bumms in den Beinen benötigt. In der Ebene gibt es mit dem MERIDA REACTO oder dem BMC zwar deutlich effizientere Bikes im Testfeld, aber tut das dem Fahrspaß auf dem Aethos einen Abbruch? Unsere Testcrew war sich einig: Nein!
Im Testfeld gibt es kein weiteres Bike, das die Essenz des Rennradfahrens besser mit modernster Technologie ins 21. Jahrhundert transportiert. Das Specialized S-Works Aethos ist richtungsweisend!
Denn das S-Works zaubert wie kein anderes Test-Bike mit seinem intuitiven und ausgeglichenen Handling Fahrern aller Könnensstufen ein Grinsen ins Gesicht. Die perfekte Mischung aus Direktheit und Gutmütigkeit, Laufruhe und Wendigkeit ergibt ein Fahrverhalten, das in diesem Testfeld seinesgleichen sucht: Auch auf ruppigen und aufgebrochenen Untergründen gibt sich das Bike souverän, lädt erfahrene Biker zum Spielen ein und gibt Einsteigern Sicherheit. Trotz des geringen Gewichts liegt es satt auf dem Untergrund und erinnert an ein Bike, das viel schwerer ist, und ja, auch die Parallelen zum Kurvenverhalten eines Stahl-Bikes kann man dem Specialized nicht absprechen! Während derart leichte Rennräder in der Regel im Downhill große Kompromisse mit sich bringen, fühlt man sich auf dem Aethos jederzeit sicher und kann so seine eigenen Grenzen ausloten oder den maximalen Fahrspaß genießen. In Sachen Komfort weiß das Alpinist-Setup aus dem einteiligen Cockpit und der Sattelstütze gemeinsam mit der Rahmen-Compliance zu überzeugen. Große Schläge werden angenehm entschärft, hochfrequente Vibrationen deutlich gedämpft. Auch die S-Works Turbo-Pneus im Tubeless-Setup und in einer Größe von 700 x 30C leisten durch ihre sehr gute Eigendämpfung einen wichtigen Beitrag zum Gesamtkomfort des Bikes. Neben der durchschnittlichen Effizienz in der Ebene bleiben letztlich nur die fehlenden Montagemöglichkeiten für Schutzbleche kleine Wermutstropfen im ansonsten richtungsweisenden und absolut stimmigen Gesamtkonzept.
Tuning-Tipp: Montiert ein komplettes Set von Gramm Tourpacking-Bags aus Dyneema und dann auf ins große Bike-Abenteuer 2021!
Fahreigenschaften
4Agilität
- träge
- verspielt
Laufruhe
- nervös
- laufruhig
Handling
- fordernd
- ausgewogen
Fahrspass
- langweilig
- lebendig
Komfort
- straff
- komfortabel
Preis-Leistung
- schlecht
- sehr gut
Fazit
Kein anderes Modell im Testfeld weiß Leichtfüßigkeit im Antritt, intuitives Handling, Langstreckenkomfort und maximalen Fahrspaß auf allen Untergründen so zu verbinden wie das Specialized S-Works Aethos. Es ist das vielseitigste Bike im Test und die perfekte Wahl für alle vom Genießer bis zum Racer, vom Einsteiger bis zum Profi, vom Laktat-Jünger bis zum Eiscreme-Aficionado. Ein absolut stimmiges Gesamtpaket mit bewährter Charakteristik und modernen Technologien: das beste Rennrad 2021. Testsieg!
Tops
- ausgeglichenes und intuitives Handling
- leichtfüßigste und bereitwilligste Beschleunigung im Test
- minimales Gewicht ohne die Nachteile von extremem Leichtbau
- hohes Komfortlevel
Flops
- durchschnittliche Effizienz in der Ebene
- geringe Anzahl an Anschraubpunkten
Mehr Informationen findet ihr unter specialized.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Rennrad 2021 – 15 Modelle im Test
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Nein, es geht nicht um perfekte Rennstrecken – vielmehr steht der Vortrieb im Fokus. Schnell, leichtfüßig und effizient – wer die letzten Sekunden herausfahren möchte, braucht ein leichtfüßiges Bike, das stark im Antritt, effizient und definiert ist. Für den uneingeschränkten Fahrspaß sind zuverlässige Komponenten dennoch wichtig. Wir interpretieren diesen Einsatzbereich so: Kilometersammeln bei hohen Geschwindigkeiten mit einem maximal Leistungsfähigen Bike auf durchgehend gut asphaltierten Straßen. Sportlichkeits-Genuss-Verhältnis: 80 : 30 ( nicht immer muss alles 100 % ergeben!)↩
… oder kurz: Fahrradfahren. Aufgebrochene Straßen im Hinterland, festgefahrene Schotterpisten, lose Untergründe – manchmal schlammig, manchmal staubtrocken. Hierfür braucht es Bikes mit super Allround-Eigenschaften und Nehmerqualitäten bergauf wie bergab. Sportlichkeits-Genuss-Verhältnis: 50 : 50↩
Wer sein Bike nahezu täglich nutzen möchte, braucht meistens keine hochgezüchtete Rennmaschine. Solide Komponenten, die bei Wind und Wetter den Strapazen des des Dauerbetriebes gewachsen sind gehören hier zur Grundausstattung. Dabei sollte das Rad über praktikable Detaillösungen verfügen: integrierte Schutzbleche / Schutzbechmontagemöglichkeiten, Gepäckträger / Anschraubpunkte für Gepäck und eine Lichtanlage bzw. die Möglichkeit Lampen zu verbauen. Die Sitzposition und sollte entspannt, der Gesamtkomfort hoch sein, sodass der Afterwork-Ride zum Genuss und nicht zur Qual wird. Sportlichkeits-Genuss-Verhältnis: 30 : 70↩
In diesem Artikel stellen wir unser Bewertungssystem ausführlich vor: Hier klicken! ↩
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Text: Fotos: Valentin Rühl