Mit dem Wilier Filante SLR steht ein weiteres Rennrad mit Pro-Tour-Erfahrung an der Startlinie unseres Vergleichstests. Ist es mit seinem geringen Gewicht und der optimierten Aerodynamik stark genug, um sich gegen die 14 Konkurrenten zu behaupten? Die Antwort findet ihr hier.
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Rennrad 2021 – 15 Modelle im Test
Understatement ist so eine Sache – nur eben nicht die des Wilier Filante SLR: Das ist spätestens dann klar, wenn man seine Velvet-Red-Lackierung das erste Mal in der Sonne funkeln sieht! Es ist ein Bike, das im Mittelpunkt stehen will. Hat es das geschafft, wird aber schnell deutlich, dass der Italo-Renner gar nicht oberflächlich ist, sondern auch mit inneren Werten überzeugen kann. Dafür ist unser Test-Bike mit der Top-Spec ausgestattet und bietet interessante Details. Die einzelnen Bereiche des Rahmens werden in jeder Größe speziell angepasst. Damit sollen alle Rahmengrößen bei Komfort, Steifigkeit und Fahrverhalten auf dem gleichen Level liegen. Zusätzlich sind der Hinterbau und die Gabel asymmetrisch geformt, das soll den unterschiedlich ausgeprägten Kräften Rechnung tragen. Beim Hinterbau ist die Antriebsseite verstärkt und an der Gabel die Bremsseite. In Sachen Antrieb vertraut das Wilier auf die bewährten Dienste der Shimano DURA-ACE Di2-Schaltgruppe. Die Übersetzung mit 50/34 T-Kettenblättern und 11–30 T-Kassette bietet eine gute Bandbreite, um das Einsatzgebiet des Filante SLR abzudecken: Auf schnellen Abschnitten kann man lange mittreten und in hügeligem Gelände sind genügend Reserven vorhanden. Rennrad-Tourer und Genießer würden sich an langen, steilen Anstiegen einen extra Rettungsring auf der Kassette wünschen. Bei den Bremsen gefällt optisch der hintere DURA-ACE-Bremskörper, der direkt ohne Adapter im Rahmen verschraubt ist. Das sieht gut aus und spart Gewicht, allerdings kann dadurch nur eine 140-mm-Bremsscheibe aufgenommen werden, was aus Performance-Sicht auf langen Abfahrten zu klein ist.
Wilier Filante SLR 2021
11.500 €
Ausstattung
Sattelstütze Wilier 15 mm
Bremsen Shimano DURA-ACE BR-R9170 160/140 mm
Schaltung Shimano DURA-ACE Di2 R9150 2 x 11
Vorbau Wilier Filante Bar 114 mm
Lenker Wilier Filante Bar 420 mm
Laufräder DT Swiss PRC 1100 DICUT Mon Chasseral 12 x 100/12 x 142 mm Thru-Axle
Reifen Vittoria Corsa Control Graphene 2.0 30-622 (700x30C) 30
Kurbeln Shimano DURA-ACE FC-R9100 172,5 mm
Kassette Shimano DURA-ACE CS-R9100 11–30
Technische Daten
Größe XS S M L XL XXL
Gewicht 6,82 kg
Besonderheiten
vollintegriert / keine Kabel sichtbar
3 Löcher am Unterrohr
große Reifenfreiheit
Mavic Speed Release Thru-Axle
Das Filante SLR setzt auf das einteilige Wilier Filante-Cockpit mit einem 114-mm-Vorbau und 420-mm-Lenker. Darin verlaufen die Kabel komplett intern – zusammen mit dem MERIDA REACTO teilt sich das Filante den ersten Platz als optisch aufgeräumtestes Bike im Test. Der Vorbau ist der längste der gesamten Konkurrenz, was zusammen mit einem Reach von 391 mm zu einer gestreckten Sitzposition führt und damit den sportlichen Charakter des Bikes unterstreicht. Die einzige Abweichung zum Serien-Bike gibt es bei den Laufrädern und den Reifen: Wilier stellt das Filante SLR für den Test auf 1.266 g leichte DT Swiss PRC 1100 DICUT Mon Chasseral-Laufräder und drückt das Gesamtgewicht des Bikes in Größe L damit auf 6,82 kg. Diese Laufräder sind wie für das Filante SLR gemacht. Bei den Reifen wurde die serienmäßige 25-mm-Version gegen die Vittoria Corsa Control Graphene 2.0 im Format 700 x 30C getauscht – eine Anpassung, die den Komfort des Bikes auf ein Level hebt, das für ein Race-Bike erstaunlich hoch ist. An Ort und Stelle gehalten werden die Laufräder von Mavic Speed Release-Achsen, die einen schnellen Laufradwechsel ermöglichen, ohne dass man die Achse komplett entnehmen muss. Unser Test-Bike kostet 11.500 €.
Größe | XS | S | M | L | XL | XXL |
---|---|---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 432 mm | 462 mm | 482 mm | 502 mm | 522 mm | 542 mm |
Oberrohr | 515 mm | 530 mm | 543 mm | 556 mm | 570 mm | 583 mm |
Steuerrohr | 104 mm | 119 mm | 135 mm | 154 mm | 166 mm | 181 mm |
Lenkwinkel | 70,8° | 72,0° | 72,5° | 73,0° | 73,0° | 73,5° |
Sitzwinkel | 75,2° | 74,5° | 74,0° | 73,5° | 73,0° | 72,5° |
Kettenstrebe | 407 mm | 407 mm | 408 mm | 410 mm | 411 mm | 411 mm |
Radstand | 981 mm | 984 mm | 990 mm | 997 mm | 1.002 mm | 1.006 mm |
Reach | 380 mm | 384 mm | 388 mm | 391 mm | 395 mm | 399 mm |
Stack | 505 mm | 521 mm | 538 mm | 555 mm | 571 mm | 587 mm |
Das Wilier Filante SLR im Test
Das Wilier Filante SLR ist ein offenes Buch und wird euch keine Überraschungen servieren – und das ist durchaus positiv gemeint. Es fährt sich genau so, wie man es bei seinem Anblick erwartet: direkt, leichtfüßig und schnell! Für das Handling bedeutet das, dass es Lenkimpulse sehr direkt annimmt und immer bereit ist, sich in Kurven zu stürzen. Durch die steuert es dann sehr präzise hindurch. Trotz seiner hohen Agilität bleibt es ausreichend laufruhig und sichert sich mit seinem verspielten Handling einen Platz in der Spitzengruppe des Testfelds. Am Kurvenausgang wird es Zeit zu beschleunigen – eine weitere Sahneseite des Filante SLR. Sein geringes Gewicht und der steife Rahmen lassen es aus dem Stand und im Durchzug leichtfüßig nach vorne springen.
Das Wilier Filante SLR hat uns betört – und das liegt nicht nur daran, dass es die gleiche Farbe hat wie unser Campari am Vorabend. Es schreit nach Speed, will immer attackieren und belohnt dann mit wahnsinniger Beschleunigung.
Außerdem klettert es am Berg sehr effizient und hält in der Ebene mit guter Aerodynamik die Geschwindigkeit hoch. Es ist ein echter Speed-Allrounder und fährt in allen Speed-Disziplinen in der Spitzengruppe mit. Dass das Bike das macht, was man von ihm erwartet, führt zu einem berechenbaren Charakter und so kann man vor allem auf guten Untergründen ein hohes Vertrauen aufbauen. Auf schlechten, ruppigen Untergründen oder auf Hardpack braucht es hingegen die führende Hand des Fahrers. Es wirkt zwar nicht zickig, kommt auf diesen Untergründen aber nicht an die Sicherheit des S-Works Aethos heran. Allgemein ist das Filante SLR ein Bike, das sich durch seine Agilität und Geschwindigkeit in den Händen erfahrener Piloten wohler fühlt als bei Einsteigern und Genießern. Eine kleine Überraschung gibt es dann aber doch und die liegt im Komfort: Trotz straffer Abstimmung und Race-Geometrie dämpft es Vibrationen sehr gut, bietet für ein Race-Bike einen hohen Komfort und rollt insgesamt im vorderen Komfort-Drittel des Testfelds. Das verdankt es der Eigendämpfung der Reifen und des Rahmens sowie den langen Speichen des Laufradsatzes.
Tuning-Tipp: Das Bike ist in sich zu 100 % stimmig und wir würden nichts daran ändern. Nur würden wir es nicht für die weißen Schotterstraßen der Toskana benutzen, sondern für einen epischen Gipfelsturm auf den Monte Zoncolan.
Fahreigenschaften
4Agilität
- träge
- verspielt
Laufruhe
- nervös
- laufruhig
Handling
- fordernd
- ausgewogen
Fahrspass
- langweilig
- lebendig
Komfort
- straff
- komfortabel
Preis-Leistung
- schlecht
- sehr gut
Fazit
Das Wilier Filante SLR begeistert mit Speed und Beschleunigung in jeder Lebenslage. Seine Kletterfähigkeiten machen es zu einem Bike für alle, die schon immer den Ötztaler Radmarathon finishen wollten. Die breiteren 30-mm-Reifen reichen jedoch nicht, um dem Bike genügend Allroad-Reserven einzuhauchen. Daher sollten sich alle, die länger abseits vom perfekten Asphalt unterwegs sind, woanders umschauen. Wir schenken Campari nach, betrachten das Filante SLR und träumen vom Monte Zoncolan.
Tops
- sehr leichtfüßige Beschleunigung
- sportlich direktes Handling
- schneller Laufradwechsel dank Mavic Speed Release-Steckachsen
- betörender Look
Flops
- Einsatzgebiet endet sehr nah hinter dem Ende des perfekten Asphalts
- 140-mm-Bremsscheibe hinten ist zu klein für lange alpine Abfahrten
Mehr Informationen findet ihr unter wilier.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Rennrad 2021 – 15 Modelle im Test
Alle Bikes im Test: BMC Roadmachine 01 ONE (Zum Test) | Cannondale SuperSix EVO Hi-MOD Disc Ultegra (Zum Test) | Canyon Grail CF SLX 8 eTap (Zum Test) | Cervélo Caledonia-5 Dura Ace Di2 Disc (Zum Test) | Mason Resolution Ekar (Zum Test) | MERIDA REACTO TEAM-E CUSTOM (Zum Test) | MERIDA SCULTURA ENDURANCE CUSTOM (Zum Test) | OPEN MIN.D. (Zum Test) | Orbea Gain M20i (Zum Test) | ROSE REVEAL FOUR DISC Ultegra Di2 (Zum Test) | SCOTT Addict eRIDE Premium (Zum Test) | Specialized S-Works Aethos (Zum Test) | Storck Fascenario.3 Comp Disc Ultegra (Zum Test) | Trek Domane+ LT 9 (Zum Test) | Wilier Filante SLR
Nein, es geht nicht um perfekte Rennstrecken – vielmehr steht der Vortrieb im Fokus. Schnell, leichtfüßig und effizient – wer die letzten Sekunden herausfahren möchte, braucht ein leichtfüßiges Bike, das stark im Antritt, effizient und definiert ist. Für den uneingeschränkten Fahrspaß sind zuverlässige Komponenten dennoch wichtig. Wir interpretieren diesen Einsatzbereich so: Kilometersammeln bei hohen Geschwindigkeiten mit einem maximal Leistungsfähigen Bike auf durchgehend gut asphaltierten Straßen. Sportlichkeits-Genuss-Verhältnis: 80 : 30 ( nicht immer muss alles 100 % ergeben!)↩
… oder kurz: Fahrradfahren. Aufgebrochene Straßen im Hinterland, festgefahrene Schotterpisten, lose Untergründe – manchmal schlammig, manchmal staubtrocken. Hierfür braucht es Bikes mit super Allround-Eigenschaften und Nehmerqualitäten bergauf wie bergab. Sportlichkeits-Genuss-Verhältnis: 50 : 50↩
Wer sein Bike nahezu täglich nutzen möchte, braucht meistens keine hochgezüchtete Rennmaschine. Solide Komponenten, die bei Wind und Wetter den Strapazen des des Dauerbetriebes gewachsen sind gehören hier zur Grundausstattung. Dabei sollte das Rad über praktikable Detaillösungen verfügen: integrierte Schutzbleche / Schutzbechmontagemöglichkeiten, Gepäckträger / Anschraubpunkte für Gepäck und eine Lichtanlage bzw. die Möglichkeit Lampen zu verbauen. Die Sitzposition und sollte entspannt, der Gesamtkomfort hoch sein, sodass der Afterwork-Ride zum Genuss und nicht zur Qual wird. Sportlichkeits-Genuss-Verhältnis: 30 : 70↩
In diesem Artikel stellen wir unser Bewertungssystem ausführlich vor: Hier klicken! ↩
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Text: Fotos: Valentin Rühl