Orbea schickt das Gain M20i ins Rennen und will mit Zusatzpower von Ebikemotion den Testsieg holen. Kann ein E-Rennrad das beste Rennrad der Saison 2021 sein? Und wie schlägt es sich im Vergleich mit den beiden anderen E-Bikes und den 12 rein muskelbetriebenen Aspiranten? Alle Antworten findet ihr hier.

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Rennrad 2021 – 15 Modelle im Test

Orbea Gain M20i | MAHLE Ebikemotion X35+/252 Wh | 12,22 kg in Größe M | 6.299 € | Hersteller-Website

Muss es beim Rennradfahren immer um die reine Muskelkraft gehen oder sollte das Erlebnis im Vordergrund stehen? Für Orbea zählt Zweiteres mehr – und die Spanier sind der Meinung, dass unsere Sinne dieses Erlebnis besser aufnehmen können, je entspannter wir sind. Deshalb setzen sie in unserem Vergleichstest mit dem Gain M20i auf ein E-Rennrad. Das Herzstück dieses Bikes ist das MAHLE Ebikemotion X35+ System, dessen Bestandteile so unauffällig in den Rahmen integriert sind, dass sich das Orbea aus der Seitenansicht nicht als E-Bike zu erkennen gibt. Lediglich der 250 W und 40 Nm starke Nabenmotor an der Hinterachse verrät die Extra-Power. Dazu kommen der im Unterrohr versteckte Akku mit 252 Wh, die Ladebuchse auf dem Tretlager und der im Freilauf integrierte PAS-Sensor, der die Umdrehungen des Motors mit denen der Kassette abgleicht. Die Steuerungssoftware soll daraus die vom Fahrer erbrachte Leistung ermitteln und über einen Algorithmus die benötigte Motorunterstützung bereitstellen. Dieser Sensor ist notwendig, da das Ebikemotion X35+ System die Leistung vom Fahrer nicht direkt messen und die bereitgestellte Motorunterstützung darauf abstimmen kann. In der Praxis hat dieses System aber Schwächen, da es nur feststellt, wie schnell in die Pedale getreten wird – nicht jedoch, wie kraftvoll das passiert. So liefert der Motor, genau wie sein Pendant im SCOTT Addict eRIDE Premium, in manchen Situationen volle Leistung, wenn sie nicht gebraucht wird oder sogar störend ist, beispielsweise beim Wenden oder in Kurven mit sehr engem Radius.

Gut gelöst und gut zu lösen
Die Stromversorgung des Motors ist extern unter der linken Kettenstrebe verlegt, wodurch die Steckverbindung leicht zugänglich ist und man das Hinterrad problemlos ausbauen kann. Das Kabel versteckt sich in der Aussparung der Kettenstrebe – sauber gelöst!
Motor-Doping
Im Hinterrad des Orbea befindet sich der 250 W und 40 Nm starke Nabenmotor des MAHLE Ebikemotion X35+ Systems. Der Motor wiegt 2,1 kg und ist das einzige Element, das das Bike beim genauen Hinsehen als E-Bike zu erkennen gibt.
Wenn die Beine schmerzen: hier drücken
Dieser Knopf heißt iWoc ONE und erweckt die Elektro-Power des Bikes zum Leben. Über ihn wird der Motor an- und ausgeschaltet sowie zwischen den drei Fahrstufen gewechselt.

Orbea Gain M20i 2021

6.299 €

Ausstattung

Motor MAHLE Ebikemotion X35+ 40 Nm
Batterie Ebikemotion 36V/6.9A ANT+ 252 Wh
Sattelstütze OC2 Carbon 27,2 mm
Bremsen Shimano ULTEGRA BR-R8070 160/160 mm
Schaltung Shimano ULTEGRA Di2 R8050 2 x 12
Vorbau OC2 Road 100 mm
Lenker OC2 Road 420 mm
Laufräder OC2 Carbon 42 12 x 100/Nabenmotor mm Thru-Axle
Reifen Schwalbe One TLE 30-622 (700x30C) 31
Kurbeln Shimano ULTEGRA FC-R8000 170 mm
Kassette Shimano ULTEGRA CS-R8000 11–32

Technische Daten

Größe XS S M L XL
Gewicht 12,22 kg

Besonderheiten

saubere Akkuintegration und integrierter Look
ausgesprochen große Reifenfreiheit bis 700 x 40C
smarte Lichtintegration (vom zentralern Akku gespeist)
Range Extender mit 208 Wh zusätzlich erhältlich


Gut zu sehen
Das Bike verfügt über ein Tagfahrlicht und ein Rücklicht, die – unauffällig integriert – direkt an den Akku angeschlossenen sind und nicht separat geladen werden müssen. Zusammen sorgen sie für das kleine Extra an Sicherheit auf jeder Fahrt. Für die Front ist optional ein Fernlicht erhältlich, damit ihr auch bei Nacht nach Hause findet.
Unter Strom
Die Ladebuchse des Orbea Gain M20i befindet sich im unteren Winkel des Rahmendreiecks, direkt über dem Tretlager. Sie ist nicht so sauber integriert wie beim SCOTT und der Platz ist außerdem anfällig für Schmutz oder eventuellen Sabber aus den Trinkflaschen.
Integration gut – Lenker nicht
Die Orbea-eigene Einheit aus 100 mm langem OC2 Road-Vorbau und 420 mm breitem OC2 Road-Lenker ermöglicht eine saubere Integration der Kabel am Cockpit. Allerdings wirkt der Lenker sehr filigran, was nicht wirklich ins Bild des Bikes passt.

Spannend ist hingegen die Ebikemotion-App, über die man die gewünschte Motorunterstützung der drei Fahrstufen programmieren kann. Außerdem lassen sich mit ihr Touren navigieren, Fahrdaten auslesen und – bei Verwendung eines Brustgurts – Herzfrequenzzonen definieren, in denen der Motor dann eine bestimmte Unterstützung liefern soll. Bei Schaltung und Bremsen spielt das Gain M20i mit der Shimano ULTEGRA Di2-Ausstattung eine Klasse unter der E-Bike-Konkurrenz von SCOTT und Trek – wer hier auf gleichem Niveau sein will, muss zum Topmodell Gain M10i greifen. Die Übersetzung ist mit 50/34 T-Kettenblättern und 11–32 T-Kassette zusammen mit der Motorpower auch für steile Anstiege ausreichend. Für lange hügelige Touren oder hochalpine Anstiege sollte dann aber der 208-Wh-Range Extender mit an Bord sein. Abgerundet wird die Ausstattung von OC2 Carbon 42-Laufrädern, auf denen 31 mm breit bauende Schwalbe ONE TLE-Reifen mit Schlauch montiert sind – eines von nur zwei Setups im Test, das auf einen Schlauch setzt. Die Reifen lassen außerdem reichlich Platz zur maximalen Reifenfreiheit des Gain von 40 mm. Am Cockpit kommen Lenker und Vorbau der OC2 Road-Serie zum Einsatz. Vor allem der Lenker ist sehr steif und verantwortlich für die Komfort-Dysbalance des Rades, das an der Hinterachse Vibrationen und Wellen deutlich besser schluckt.

Größe XS S M L XL
Sattelrohr 455 mm 485 mm 515 mm 545 mm 575 mm
Oberrohr 507 mm 530 mm 547 mm 571 mm 589 mm
Steuerrohr 95 mm 120 mm 146 mm 172 mm 196 mm
Lenkwinkel 71,0° 71,5° 72,0° 72,0° 72,5°
Sitzwinkel 75,0° 74,5° 74,5° 74,0° 74,0°
Kettenstrebe 420 mm 420 mm 420 mm 420 mm 420 mm
Tretlagerabsenkung 76 mm 76 mm 74 mm 74 mm 74 mm
Radstand 986 mm 1.001 mm 1.022 mm 1.041 mm 1.049 mm
Reach 366 mm 377 mm 388 mm 399 mm 410 mm
Stack 525 mm 550 mm 575 mm 600 mm 625 mm
Helm POC Ventral Air SPIN | Brille 1 Glendale | Jacke Specialized Men’s Race-Series Wind Gilet
Shirt Specialized Trail-Series Thermal Jersey LS | Hose Rapha Men’s Cargo Bib Shorts
Schuhe Suplest EDGE+ Road Pro | Socken Specialized Hydrogen Vent Tall Road Socks

Das Orbea Gain M20i im Test

Trotz der ungleichen Verteilung des Komforts zwischen der strafferen Front und dem komfortableren Heck ist das Orbea Gain M20i insgesamt komfortabler als das SCOTT Addict eRIDE Premium und lädt mit seiner etwas kompakteren Sitzposition zu längeren Touren ein als der Konkurrent aus der Schweiz. An den Komfort des Trek Domane+ kommt es jedoch nicht heran. Dazu werden große Schläge zu ungefiltert an den Fahrer weitergereicht. Breitere Reifen können hier Abhilfe schaffen. Das Handling passt ebenfalls ins Bild des entspannten Langstreckenläufers, ist es doch weniger aggressiv und präzise als das des SCOTT. Vor allem das durch den schweren Nabenmotor etwas nachlaufende Heck sorgt für ein eher träges Handling, das aber immer berechenbar und niemals tückisch ist. Zusammen mit der sehr hohen Laufruhe entsteht so ein ausgesprochen sicheres Fahrverhalten, mit dem auch Einsteiger gut zurechtkommen. Lediglich der unerwartete Krafteinsatz des E-Motors beim Wenden sorgt mitunter für brenzlige Momente.

Schließ den Range-Extender an und fahr, so weit dich die Akkus tragen! Das Orbea Gain M20i lädt definitiv zum ausgedehnten Cruisen ein.

In Sachen Speed lädt das Gain M20i hauptsächlich zum Cruisen ein und nimmt das Tempo in der Ebene auch über 25 km/h gut mit – ohne dabei jedoch den sportlichen Antritt und die Pace des SCOTT zu erreichen. Denn das SCOTT hat vor allem jenseits des Motor-Support-Bereichs deutlich die Nase vorn, weil es aerodynamischer ist. Am Berg fühlt sich das Orbea wie das SCOTT zwischen 5 und 9 % Steigung am wohlsten, da man darunter meist ohne Motor schneller ist und darüber die Durchzugsstärke des Nabenmotors ausgeht. Die Zu- und Abschaltung des E-Motors um die 25-km/h-Schwelle fühlt sich hierbei unauffällig und natürlich an. Das Orbea Gain M20i kostet 6.299 €, kann mit dem MyO-Programm ohne Aufpreis farblich individuell gestaltet werden und wiegt in Größe M mittelmäßige 12,22 kg. Damit liegt es beim Gewicht etwa zwischen dem Trek Domane+ LT 9 sowie dem SCOTT Addict eRIDE Premium und gute 3,7 kg über dem Durchschnittsgewicht unseres Testfelds.

Tuning-Tipps: Lenker mit mehr Compliance, um die Komfort-Dysbalance zwischen Front und Heck auszugleichen | Reifen mit mehr Volumen und Eigendämpfung, um den Gesamtkomfort zu steigern

Fahreigenschaften

4

Agilität

  1. träge
  2. verspielt

Laufruhe

  1. nervös
  2. laufruhig

Handling

  1. fordernd
  2. ausgewogen

Fahrspass

  1. langweilig
  2. lebendig

Komfort

  1. straff
  2. komfortabel

Preis-Leistung

  1. schlecht
  2. sehr gut

Technische Daten

Orbea
Gain M20i

Größe: XS S M L XL
Gewicht: 12,22 kg
Preis: 6.299 €

Einsatzgebiet

Feiner Asphalt 1
Allroad/Gravel 2
Alltag/Commute 3

Fazit

Das Orbea Gain M20i ist ein gelungenes E-Rennrad für Genießer und Cruiser aller Könnerstufen, die auch mal auf Schotter/Hardpack unterwegs sein wollen und dabei auf absolute Präzision verzichten können. Damit positioniert es sich zwischen dem SCOTT Addict eRIDE Premium, das seinen Fokus auf Asphalt hat, und dem Trek Domane+ LT 9, das sich auch auf längeren Hardpack-Passagen wohlfühlt. Sportliche Fahrer werden allerdings etwas die Effizienz über 25 km/h und die absolute Direktheit vermissen.

Tops

  • hohe Laufruhe
  • intuitives und gutmütiges Handling
  • Licht-Integration
  • MyO-Programm für Individualisierbarkeit

Flops

  • Komfort-Dysbalance zwischen Front und Heck
  • teilweise unnatürliche Kraftentfaltung des Motors durch fehlenden Drehmomentsensor

Mehr Informationen findet ihr unter orbea.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Rennrad 2021 – 15 Modelle im Test

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Text: Fotos: Valentin Rühl