Mit dem OPEN WI.DE. betritt der Favorit die Bühne des Vergleichstests, hat es doch den letzten souverän gewonnen. Dieses Mal rollt das Bike auf voluminösen 650B-Reifen und wechselt die Gänge mit einer elektronischen SRAM-Schaltung im Mullet-Setup. Reicht das, um die Konkurrenz auf den Plätzen zu halten und den Titel zu verteidigen?
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Gravel-Bike 2022 – 19 Modelle im Vergleichstest
Das OPEN WI.DE. weiß, wie es geht: Es hat unseren jährlichen Gravel-Vergleichstest bereits gewonnen. Nicht einmal, sondern gleich zweimal. Ein echter Siegertyp also. Der Unterschied: Bei beiden Siegen hatte das Bike aus der Schweiz Reifen im Format 700C montiert. Für diesen Test rollt es hingegen auf 650B-Reifen und noch dazu auf den voluminösesten des ganzen Testfelds.
Auf den ENVE AG28-Gravel-Laufrädern mit einer großzügigen Innenmaulweite von 28 mm sind Schwalbe G-One Bite im Format 650x54B montiert. Sie finden auf den Laufrädern sehr gute Abstützung und fallen trotz ihrer großen Breite eher in einem U als in einem Ballon-artigen O. Diese voluminöse Reifen-Laufrad-Kombination ist herausragend für verspielte Trail-Action mit dem Gravel-Bike. Doch ist sie auch in der Lage, das breite Einsatzgebiet des OPEN zu erhalten und das Bike so um den Sieg mitfahren zu lassen?
OPEN WI.DE.
7.600 €
Ausstattung
Sattelstütze ENVE Carbon Road Bike Seatpost
Bremsen SRAM Force eTap AXS HRD 160/160 mm
Schaltung SRAM Force eTap AXS mit XX1 Eagle AXS-Schaltwerk 1x12
Vorbau ENVE Road Carbon Stem 100 mm
Lenker ENVE SES AR ROAD HANDLEBAR 420 mm
Laufräder ENVE AG28
Reifen Schwalbe G-One Bite 650 x 54B
Technische Daten
Größe XS S M L XL
Gewicht 8,34 kg
Besonderheiten
Reifenfreiheit bis 650x61B oder 700x46C
Sehr weit abgesenkte Kettenstreben
160-mm-Bremsen vorne und hinten direkt in den Rahmen geschraubt
Sehr viele Anschraubpunkte – sogar vier unter dem Unterrohr/Tretlager
Ich will doch nur spielen – mit Schaltung im Mullet-Setup und voluminösen 650B-Reifen ist das OPEN für fast jeden Offroad-Spaß zu haben.
Auch bei Sattelstütze, Vorbau und Lenker vertraut OPEN auf hochwertige Carbon-Komponenten von ENVE. Der 100 mm lange ENVE Road Carbon-Vorbau hält einen 420 mm breiten ENVE SES AR Road-Lenker, der mit einem abgeflachten Oberlenker und dem leichten Flare der Drops für gute Aerodynamik, Dämpfung und Ergonomie sorgt. Antriebsseitig kommen wiederum Komponenten aus dem Mountainbike-Bereich zum Zug. Hier kombiniert OPEN die Shifter und Kurbel der SRAM Force eTap AXS mit dem SRAM XX1 Eagle-Schaltwerk zu einer 1×12-Schaltung im Mullet-Setup mit 40 T vorne und 10–50 T hinten.
Größe | XS | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 464 mm | 495 mm | 530 mm | 550 mm | 564 mm |
Oberrohr | 510 mm | 530 mm | 550 mm | 570 mm | 590 mm |
Steuerrohr | 99 mm | 125 mm | 150 mm | 170 mm | 196 mm |
Lenkwinkel | 68,0° | 69,0° | 71,0° | 71,5° | 71,5° |
Sitzwinkel | 72,5° | 72,5° | 72,5° | 72,5° | 72,5° |
Kettenstrebe | 420 mm | 420 mm | 420 mm | 420 mm | 420 mm |
BB Drop | 80 mm | 77 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm |
Radstand | 990 mm | 1.004 mm | 1.009 mm | 1.022 mm | 1.042 mm |
Reach | 346 mm | 358 mm | 370 mm | 382 mm | 394 mm |
Stack | 520 mm | 545 mm | 570 mm | 595 mm | 620 mm |
Mit der Schaltungsbandbreite von 500 % liegt das OPEN auf einem Level mit dem 3T Exploro Ultra und etwas hinter dem BMC URS LT ONE mit 520 %. Durch die 650B-Reifen mit etwas weniger Umfang steht aber bergauf in etwa gleich viel Übersetzungsreserve zur Verfügung wie beim BMC – auf Kosten einer höheren Trittfrequenz bei schneller Fahrt. Damit passt die Übersetzung des Bikes aber sehr gut zu seinem Charakter, der eher im verspielt quirligen als im Highspeed-Bereich liegt. Dabei beschleunigt das WI.DE. flink und willig und kann hier durchaus im vorderen Drittel des Testfelds mitschwimmen, tut sich aber aufgrund der voluminösen und im Umfang kleineren Reifen deutlich schwerer damit, die Geschwindigkeit effizient zu halten.
Sind die Reifen in puncto Top-Speed nicht oben angesiedelt, verhelfen sie aber dem Bike beim Komfort zu sehr zufriedenstellenden Ergebnissen. Mit ihrem großen Volumen und im Zusammenspiel mit der Compliance der ENVE-Komponenten schlucken sie Vibrationen und kleine Schläge komplett. Gröbere Schläge werden verlässlich und angenehm entschärft. So ist das OPEN WI.DE. durchaus ein Bike für gröberes Gelände, das es in Sachen Dämpfung mit dem BMC URS LT ONE aufnehmen kann, ohne dabei eine erhöhte Durchschlagsgefahr aufgrund schmaler Reifen in Kauf zu nehmen. Ganz nebenbei sorgen die voluminösen Schwalbe-Reifen für erstklassigen Grip auf losen Untergründen – beim Beschleunigen, beim Bremsen und auch in Kurven. All das trägt auch zum hohen Sicherheitsgefühl bei.
Tuning-Tipp: einen zweiten Laufradsatz in 700C, um das Einsatzgebiet deutlich zu erweitern
Sicherheit bringen auch die kräftigen und verlässlichen SRAM-Stopper, die vorne und hinten beim Einsatz von 160-mm-Scheiben direkt in Gabel und Rahmen verschraubt sind – sehr gut! Der Schlüssel zu den vorangegangenen Testsiegen des OPEN WI.DE. mit 700C-Bereifung war sein ausgeglichenes Handling, das Agilität und Laufruhe auf eine perfekte Art und Weise kombiniert. Und genau diese Perfektion beim Handling wird durch die kleineren 27,5”-Reifen beeinflusst. Zwar ist das Handling immer noch ausgesprochen gut und intuitiv, opfert aber etwas seiner überragenden Laufruhe für mehr quirlige Agilität und Verspieltheit in technischem Gelände oder auf dem Flowtrail. Leider tendiert das OPEN dadurch aber gerade bei langsamer Fahrt dazu, kippelig zu wirken, und verliert auch etwas seiner Präzision durch die voluminösen Reifen.
Das OPEN WI.DE. mit seinen voluminösen 650x54B-Reifen bleibt ein sehr gutes Gravel-Bike, das mit der Reifenwahl und der Schaltung im Mullet-Setup konzeptionell durchaus sinnvoll ist – allerdings eher in der Nische auf rauem Untergrund und technischem Gelände. Hier macht es richtig Laune. Gegenüber seiner Vorgänger, die auf 700C-Bereifung Testsiege einfuhren, und auch gegenüber der besten Bikes aus diesem Vergleichstest büßt es allerdings am schnelleren Ende des Einsatzspektrums deutlich an Bandbreite ein. Deshalb kann es seinen Titel nicht verteidigen und muss sich auf den Plätzen einsortieren.
Fahreigenschaften
4Agilität
- träge
- verspielt
Laufruhe
- nervös
- laufruhig
Handling
- fordernd
- ausgewogen
Fahrspass
- langweilig
- lebendig
Komfort
- straff
- komfortabel
Preis-Leistung
- schlecht
- sehr gut
Unser Fazit zum OPEN WI.DE.
Das OPEN WI.DE ist ein spaßiges Bike, das mit hoher Qualitätsanmutung und hochwertigen Anbauteilen vor allem auf rauem Untergrund und technischen Strecken Freude bereitet. Die Rahmenplattform spielt dabei immer noch in der Gravel-Champions-League und gibt lediglich durch die Wahl der Laufradgröße den erneuten Testsieg aus der Hand. Wer mehr Speed auf Hardpack sucht oder auch gelegentlich auf Asphalt unterwegs ist, sollte zu einem Bike mit höherer Effizienz und 700C-Bereifung greifen.
Tops
- sehr vielseitige Rahmenplattform
- voluminöse Reifen bieten Komfort und Traktion
- feine Verzahnung der Nabe für schnelles Engagement
- ENVE AG28-Reifen bieten gute Abstützung für voluminöse Reifen
Flops
- eingeschränkte Effizienz auf Hardpack und Asphalt
- Präzision durch voluminöse Reifen eingeschränkt
Mehr Informationen findet ihr unter opencycle.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Gravel-Bike 2022 – 19 Modelle im Vergleichstest
Alle Bikes im Test: 3T Exploro Ultra (Zum Test) | BMC URS LT ONE (Zum Test) | Cannondale SuperSix EVO SE (Zum Test) | Canyon Grizl CF SLX 8 eTap Suspension (Zum Test) | Cervélo Áspero GRX Di2 (Zum Test) | CUBE Nuroad C:62 SLT (Zum Test) | Curve Kevin of Steel III (Zum Test) | Falkenjagd Aristos R (Zum Test) | Felt Breed 20 (Zum Test) | FOCUS ATLAS 6.8 (Zum Test) | GIANT Revolt Advanced 0 (Zum Test) | OPEN WI.DE. | Ridley Kanzo Fast (Zum Test) | ROSE BACKROAD EKAR LTD (Zum Test) | SCOTT Addict Gravel Tuned (Zum Test) | Specialized S-Works Crux (Zum Test) | Stelbel Nina XCr (Zum Test) | Storck GRIX.2 Platinum (Zum Test) | Wilier Rave SLR (Zum Test)
Nein, es geht nicht um perfekte Rennstrecken – vielmehr steht der Vortrieb im Fokus. Schnell, leichtfüßig und effizient – wer die letzten Sekunden herausfahren möchte, braucht ein leichtfüßiges Bike, das stark im Antritt, effizient und definiert ist. Für den uneingeschränkten Fahrspaß sind zuverlässige Komponenten dennoch wichtig. Wir interpretieren diesen Einsatzbereich so: Kilometersammeln bei hohen Geschwindigkeiten mit einem maximal Leistungsfähigen Bike auf durchgehend gut asphaltierten Straßen. Sportlichkeits-Genuss-Verhältnis: 80 : 30 ( nicht immer muss alles 100 % ergeben!)↩
… oder kurz: Fahrradfahren. Aufgebrochene Straßen im Hinterland, festgefahrene Schotterpisten, lose Untergründe – manchmal schlammig, manchmal staubtrocken. Hierfür braucht es Bikes mit super Allround-Eigenschaften und Nehmerqualitäten bergauf wie bergab. Sportlichkeits-Genuss-Verhältnis: 50 : 50↩
Wer sein Bike nahezu täglich nutzen möchte, braucht meistens keine hochgezüchtete Rennmaschine. Solide Komponenten, die bei Wind und Wetter den Strapazen des des Dauerbetriebes gewachsen sind gehören hier zur Grundausstattung. Dabei sollte das Rad über praktikable Detaillösungen verfügen: integrierte Schutzbleche / Schutzbechmontagemöglichkeiten, Gepäckträger / Anschraubpunkte für Gepäck und eine Lichtanlage bzw. die Möglichkeit Lampen zu verbauen. Die Sitzposition und sollte entspannt, der Gesamtkomfort hoch sein, sodass der Afterwork-Ride zum Genuss und nicht zur Qual wird. Sportlichkeits-Genuss-Verhältnis: 30 : 70↩
In diesem Artikel stellen wir unser Bewertungssystem ausführlich vor: Hier klicken! ↩
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Text: Fotos: Benjamin Topf, Peter Walker