Was genau ist eigentlich ein Allroad-Bike und welches ist das beste dieser Saison? Wir waren für euch mit 7 richtungsweisenden Rennrädern in den Prosecco Hills und haben im vergleichenden Test herausgefunden, was ein gutes Allroad-Rennrad ausmacht und auf was ihr achten solltet. Alles kann, nichts muss!

Welches ist das beste Allroad-Bike 2022? Kann es überhaupt das eine beste Bike geben? Mit 7 der richtungsweisenden Rennrädern im Gepäck haben wir uns auf den Weg nach Italien in die wunderschönen Prosecco Hills gemacht, um eben diese zwei Fragen zu beantworten. In unserem letztjährigen Rennrad-Vergleichstest (zum Artikel) haben wir aus einem sehr diversen Testfeld das Modell mit den besten Allround-Eigenschaften auserkoren und dabei wichtige Erkenntnisse darüber erlangt, was ein modernes Rennrad alles mitbringen sollte.

Für diesen Vergleichstest haben wir unser Testfeld bedeutend enger gefasst und Modelle eingeladen, die laut ihrer Hersteller alle rund um die Einsatzbereiche Endurance, Allroad und Marathon angesiedelt sind. Die Bühne ist also vorbereitet und unsere Mission klar: Wir wollen euch die wichtigsten Erkenntnisse und das nötige Fachwissen an die Hand geben, damit ihr selbstbestimmt die für euch beste Kaufentscheidung treffen könnt. Jenseits der Jagd um die absolute Bestzeit wollen wir mit euch die Weiten des modernen ​​Rennrad-Horizonts erkunden. Allroad? All right!

Die Prosecco Hills in Italien sind ein absolutes Rennradparadies. Zwischen Dolomiten und weiten Ebenen bleiben hier auf Asphalt und Schotter keine Wünsche offen!

Die Zeichen der Zeit: Vollgas vs. volles Abenteuer!

Es verdichtet sich – das Portfolio vieler Bike-Hersteller scheint die Zeiten explodierender Modellvielfalten hinter sich gelassen zu haben. Innovative Komponenten und stetige Weiterentwicklungen der Materialien machen es möglich, weniger Bike-Modelle in immer breiter werdenden Einsatzgebieten einzusetzen. Wer die Bestzeiten jagen möchte, findet im Performance-Bereich mittlerweile Bikes, die eine hervorragende Aerodynamik und ein wettkampffähiges Gewicht kombinieren können. Hierzu haben wir in einem gesonderten Test die Stoppuhren und Wattmesser ausgepackt, um herauszufinden, welches Allround-Race-Bike derzeit das schnellste ist. Den Vergleichstest von 5 Race-Bikes und das derzeit schnellste Rennrad findet ihr hier.

All dem stehen die Connaisseurs der besten Zeit gegenüber. Wer nicht nach Plan trainiert, nicht ständig eine Startnummer am Trikot trägt und beim Rennradfahren vor allem Dinge wie Freiheit schätzt, findet oft zwischen Endurance, Marathon und Gran-Fondo-Bikes etwas Passendes. Weniger „Renn“, mehr „Rad“ ist das Credo aller Abenteurer, die auf der Feierabendrunde die Zeit im Rennlenker zelebrieren. Ihr fühlt euch angesprochen? Gut, denn dieser Test ist für euch! In Zeiten, in denen alles einen neuen Namen zu brauchen scheint und Marketing-Spezialisten der Bike-Industrie nur so mit Neologismen um sich werfen, ist eine klare Linie entstanden. Was früher Endurance-, Marathon-, Gran Fondo-Bike war, lässt sich heute gerne als Allroad-Bike betiteln. Was ist neu? Naja … der Name. Und natürlich die enormen Potenziale und Performance-Reserven, die die neueste Garde eben dieser Bikes mitbringt. Egal ob kurze Runde nach der Arbeit, mehrstündige Genusstour, Fahrradreise, Hobby-Rennen oder Schotter-Abkürzung: ein modernes Rennrad, das nicht ausschließlich für Wettkämpfe gebaut ist und sich auch auf kompaktem Schotter wohlfühlt – also ein Allroad-Bike – brilliert in all jenen Situationen.

Wer heute neu zum Rennradfahren kommt, hängt trotz dieser zwei, scheinbar klar voneinander getrennten Gedankenschulen noch immer an den elementaren Fragen: „Welches Bike passt zu mir und meinen Bedürfnissen?“ „Wo bekomme ich das für mich beste Gesamtpaket?“ „Was ist eigentlich das beste Bike überhaupt?“ So lautet der Tenor vieler begeisterten Neueinsteiger und Bike-Fans auf Radsuche, zu denen höchstwahrscheinlich auch ihr gehört – sonst würdet ihr diese Zeilen nicht lesen. Und somit richtet sich dieser Vergleichstest an euch. An alle Rennrad-Individualisten und auch an Sarah und Michael, die laut unserer GRAN FONDO-Leserumfrage 2021 (hier findet ihr die wichtigsten Ergebnisse) mit über 11.100 Teilnehmern rund 6.000 km pro Jahr fahren und die am häufigsten auftretenden Namen unserer Leserschaft sind.

Genau wie wir bewundern Sarah und Michael vermutlich die Höchstleistungen der Profis im Peloton und die Watt-Granaten, die Mathieu van der Poel regelmäßig zündet. Die Profis und ihre Bikes sind zweifelsohne außergewöhnlich, doch für die meisten von uns keine sinnvolle Orientierung für anstehende Kaufentscheidungen. Ihr verdient mit dem Radfahren eure Miete, seid auf maximale Performance aus oder feiert einfach das Material der Pros? Dann habt ihr das perfekte Hobby gewählt, denn ihr könnt euch die Bikes des Pelotons zu 99 % kaufen oder nachbauen. Für alle anderen und natürlich auch für die aufgeschlossenen Laktat-Jünger, die mehr als nur Bestzeiten auf Strava jagen möchten, wollen wir mit diesem Vergleichstest deutlich machen, dass bei der nächsten Routenplanung der Schotteranteil gerne auch etwas höher sein darf. Vollgas und volles Abenteuer!

Rennräder zwischen Wiedergeburt, Friends with Benefits und jede Menge Schotter

Die Verkaufszahlen von Gravel-Bikes schießen in die Höhe und es gibt eine Vielzahl möglicher Gründe: Liegt es an den hippen und ungezwungenen Videos der Core-Szene, welche die Freiheit auf zwei Rädern proklamieren? An den atemberaubenden Berichten über Events in fernen Ländern oder am zunehmenden Straßenverkehr? Mit Sicherheit leisten all diese Punkte ihren Beitrag zum Gravel-Boom, doch es sind vor allem der zwanglose Spirit und die Vielseitigkeit, die diesen Bikes innewohnen und sie zur besten Option für so viele Fahrer machen. Was genau hat das jedoch mit diesem Vergleichstest und den besten Rennrädern zu tun?

In Zeiten von „Friends with Benefits“, in denen sich scheinbar niemand so richtig auf irgendwas und irgendwen festlegen möchte, ist es doch offensichtlich die beste und wirtschaftlich sinnvollste Entscheidung, in ein Rad zu investieren, mit dem man möglichst viele der gehegten Träume auf einen Schlag in die Tat umsetzen kann, oder nicht? In einen treuen zweirädrigen Begleiter, bei dem „Alles kann, nichts muss“ zu jeder Zeit gilt. Und genau dieses Mindset färbt immer stärker vom Gravel-Bike auf den Rennrad-Bereich ab und macht die modernsten Bikes zu waschechten Allroundern. Sie drängen die Spezialisten in ein Nischendasein und zeigen, dass sich bisher gegensätzliche Bike-Eigenschaften nicht mehr ausschließen müssen. War man früher stets auf der Suche nach dem feinsten Flecken Asphalt, dürfen Kopfsteinpflaster, schlechter Straßenbelag und gelegentliche Schotterabschnitte heute gerne Teil einer Rennradrunde sein. Eine befreiende Vielseitigkeit und damit die zweirädrige Selbstverwirklichung und Emanzipation des Rennrads vom ultimativen Leistungsdiktat!

Back to the roots! Wenn man sich mal anschaut, wo die Jungs vor hundert Jahren bei der Tour de France rumgefahren sind … die hätten genau das Bike gebraucht, das wir jetzt suchen!

„Warum kommt das denn alles erst jetzt?!“, fragt ihr euch vielleicht. Wir wollen an dieser Stelle anerkennen, dass die Umwege der Hersteller über Unterkategorisierungen wie Endurance-, Aero- oder Climbing-Bikes wichtig waren, um an genau diesen Punkt zu gelangen. Denn nur so konnte die Bike-Industrie lernen, worauf es im jeweiligen Spezialgebiet ankommt. Und sich anschließend mit diesem Wissen wieder aufs große Ganze konzentrieren: Es geht jetzt nicht mehr nur um reine Performance, sondern vor allem um das Erlebnis. Mit diesem Mindset entsteht eine neue Generation an Rennrädern, die (fast) alles kann und der (fast) alle Wege offenstehen. Die Wiedergeburt des Rennrads!

Was haben wir getestet? Die besten Allroad-Bikes 2022 im Test

Allroad-Bikes – der Name sagt es – sind Rennräder, die speziell dafür konzipiert sind, auf jeder Art von Untergrund gefahren werden zu können, also vom perfekten Asphalt bis hin zu leichten Schotterpisten. Doch so leicht ist es nicht. Denn das können mittlerweile fast alle modernen Rennräder, selbst die aus der Fraktion der Aero-Bikes – breiteren Reifen und Tubeless-Technologie sei Dank. Doch was ist dann der Unterschied? Eigentlich ganz einfach: Allroad-Bikes unterscheiden sich in den meisten Fällen auch in der Geometrie und dem Komfort. Es soll bequem sein, sie zu fahren, damit man selbst auf schlechten Untergründen lange auf ihnen unterwegs sein kann, ohne, dass man danach einen Arzt aufsuchen muss, der einem die Wirbel wieder in die richtige Position rückt. Sind Allroad-Bikes dann das gleiche wie Endurance-Bikes? Ja und nein. Denn während Endurance-Bikes durch ihre Geometrie ebenfalls für eine bequemere aufrechte Sitzposition sorgen, müssen sie mit ihrer Ausstattung nicht unbedingt für schlechte Straßen oder Hardpack gemacht sein.

Nur weil man mit modernen Race-Bikes fast überall fahren kann, und Profis sie bei Paris–Roubaix oder Strade Bianche über jede Art von Untergrund prügeln, sind es noch lange keine Allroad-Bikes.

Wie man schnell merkt, ist die Abgrenzung von Allroad-Bikes nicht gerade einfach und unterschiedliche Begriffe für mehr oder weniger dieselben Sachen erschweren das Verständnis. Um es noch komplizierter zu machen: Manche Allroad-Bikes schaffen sogar das Kunststück, trotz Langstreckenkomfort und entspannter Sitzposition eine ordentliche Portion Race-Performance mit ins Rennen zu schicken. Wir definieren den Begriff Allroad-Bike deshalb so: Das Bike fürs Ungewisse. Also für all die Fahrten, die lang werden, ohne dass man weiß, was bei Topografie und Bodenbeschaffenheit auf einen wartet. Ganz einfach, oder?

Die Verwirrung bei der Definition lässt es vermuten: Unser Testfeld ist sehr divers und die Hersteller nähern sich dem Thema von unterschiedlichen Seiten: Manche versuchen, ihre klassischen Rennräder durch Modifikationen Offroad-tauglicher zu machen, andere kommen von der Gravel-Seite und wieder andere fangen mit einem weißen Blatt Papier an. Einen Überblick über die sieben Test-Bikes gibt es in der Tabelle:

Modell Schaltgruppe Laufräder Reifen-Dimension Gewicht in kg Größe Preis in €
BMC Roadmachine X ONE SRAM Force eTap AXS XPLR CRD-321 Carbon 700x32C 7,98 56 5.999 €
Cervélo Caledonia-5 Ultegra Di2 Shimano ULTEGRA Di2 Reserve 40|44 700x28C 8,05 58 7.299 €
Parapera Atmos Masterpiece Camapgnolo Super Record EPS Tune Schwarzbrenner 45 Disc Skyline 700x30C 6,88 L 9.948 €
ROSE REVEAL SIX DISC RED eTap AXS SRAM RED eTap AXS ROSE RC-Forty/Fifty Disc 700x32C 7,45 57 8.099 €
Sarto Seta Disc Camapgnolo Super Record EPS Campagnolo Bora WTO 700x32C 7,62 L 12.000 €
Specialized Aethos Expert Shimano ULTEGRA Di2 Roval C38 700x26C 7,21 56 7.000 €
Trek Domane SLR 9 Shimano DURA-ACE Di2 Bontrager Aeolus RSL 37 700x32C 7,87 58 12.099 €
Ø 7,58 8.920 €

So unterschiedlich die Bikes auch sein mögen, es gibt auch Gemeinsamkeiten: Alle sieben Test-Bikes setzen auf elektronische Schaltungen und hydraulische Scheibenbremsen. Dabei halten sich die Hersteller der Antriebskomponenten die Waage. Während je zwei Bikes mit Schaltungen von Campagnolo und SRAM ausgestattet sind, vertrauen drei Hersteller auf Shimano-Dienste. Alle Bikes kommen außerdem mit Carbon-Laufrädern, unterscheiden sich aber beträchtlich bei den Reifenbreiten. Von 700x26C bis 700x32C ist alles dabei. Beim Gewicht liegen alle Bikes zwischen 6,88 kg und 8,05 kg, bei einem Durchschnittsgewicht von 7,58 kg. Der Durchschnittspreis der Bikes von 8.920,57 € ist kein Schnäppchen und zeigt, dass man für moderne Performance-Bikes tief in die Tasche greifen muss.

Worauf kommt es an? Die wichtigsten Eigenschaften eines Rennrads

Wer schon mal an einem Jedermann-Rennen teilgenommen hat, kann diese These höchstwahrscheinlich bestätigen: Die besten Bikes findet man nicht selten sowohl ganz vorne als auch ganz hinten im Peloton. Und genau das macht für uns die Faszination Rennrad aus. Egal ob der Grund für den Kauf die Technikaffinität, die emotionale Verbindungen zum Produkt oder der absolute Performance-Anspruch ist: Jeder hat die Möglichkeit, auf die neueste Rennrad-Hightechs zuzugreifen. Dabei ist vollkommen schnurz, ob man tatsächlich auf Sieg fährt, sich überhaupt an die Startlinie stellt oder einfach nur aus Spaß an der Freude die Sonntagsrunde mit Freunden zelebriert. Leider werden noch immer viele Bikes für den Profi konzipiert und sind parallel dazu eben auch für uns Hobby-Bike-Fans erhältlich. Reglementierungen wie beispielsweise durch die UCI sind zwar auch bei fast jedem offiziellen Jedermann-Rennen bindend, doch wird ein beachtlicher Teil der Rennrad-Gemeinde wohl nie eine Startnummer am Trikot tragen, geschweige denn Geld mit Radfahren verdienen. Aus diesem Grund zählt für uns nicht die Bestzeit, sondern die beste Zeit!

Für uns zählt die beste Zeit, nicht die Bestzeit!.

Um eine möglichst breite Zielgruppe mit denkbar diversen Einsatzgebieten anzusprechen, ist das beste Rennrad in diesem Test für uns ein Allrounder: Es eignet sich für den geübten Fahrer mit Ambitionen genauso gut wie für Genießer, Tourer, Neueinsteiger und Abenteurer.

Das heißt, dass das beste Bike möglichst viele Fahrertypen glücklich macht und für sie im Idealfall keine Kompromisslösung bedeutet. Unser Traum-Rennrad verfügt folglich über ein ausbalanciertes Handling, generiert bei Bedarf viel Speed, weiß mit angenehm gedämpften Komfort zu glänzen und vermittelt ein hohes Maß an Vertrauen und Sicherheit. Und all das kann es sowohl auf perfektem Asphalt umsetzen als auch auf schlechten Straßenbelägen und Schotterpisten/Hardpack. Auf der Suche nach dem besten Rennrad haben unsere Tester die Fahreindrücke im Praxistest gewonnen und sie anschließend ausführlich diskutiert – nicht selten ging es dabei dynamisch, hitzig und angeregt zu! Tabellarische Testergebnisse, Punktewertungen und Prozentangaben als Resultate simulierter Labortests? Fehlanzeige! Das hier ist ein handgemachter Test von Menschen mit Staub zwischen den Zähnen und vor Laktat oder Espresso berstenden, hervorstehenden Adern . Und das sind unsere Kriterien:

Handling

Das Handling ist für uns das mit Abstand wichtigste Kriterium. Wir hätten es selbst nicht besser auf den Punkt bringen können als Ex-Profi David Millar, der uns 2019 bei unserem damaligen Vergleichstest in Girona sagte: „Ein gutes Bike muss sich gut manövrieren lassen. […] Meiner Meinung nach entscheidet das Handling eines Rads darüber, ob du das Rennen gewinnst oder verlierst. Ist das Handling scheiße, ist es ein Scheißrad – zumindest für mich.“ Dem haben wir nichts hinzuzufügen. In Sachen Handling achten wir immer darauf, wie agil ein Bike auf einer Skala von quirlig/verspielt bis laufruhig/träge ist. Wie präzise ist das Kurvenverhalten? Sind Front und Heck aufeinander abgestimmt? Wie direkt werden Lenkimpulse umgesetzt? Alles Fragen, die wir auch beim diesjährigen Vergleichstest in diesem Zusammenhang beleuchtet haben. Die besten Bikes im Test finden den Sweetspot zwischen Agilität und Laufruhe und verfügen über ein direktes und präzises Verhalten in der Kurve, ohne unruhig oder schwammig zu sein. Damit eignen sie sich sowohl für den Biker mit Ambitionen wie auch für den Genuss-Radler.

Beschleunigung und Speed

Egal ob beim Antritt vor dem Café, dem Herausbeschleunigen aus Kurven oder der Sprintattacke kurz vor der Ziellinie: Ein leichtfüßig zu beschleunigendes Bike bringt in den entscheidenden Situationen einen beachtlichen Vorteil. Leichtfüßige Bikes verfügen vor allem über eine clevere Gewichtsverteilung, ein geringes Gesamtgewicht und ein niedriges Massenträgheitsmoment der rotierenden Komponenten. Es kommt allerdings gleichermaßen auf die Effizienz des Bikes in der Ebene an. Die Frage ist also auch: Wie leicht lässt sich das Rad auf Geschwindigkeit halten? Hier sind aerodynamisch optimierte Bikes trotz ihres tendenziell minimal höheren Gewichts häufig im Vorteil. Die Kombination aus geringem Luftwiderstand und einer höheren Massenträgheit von etwas schwereren und tieferen Felgen sorgt für ein hohes Momentum – für den flinken Antritt sind sie jedoch kontraproduktiv. Gleichzeitig macht der Fahrer ca. 75 % des gesamten Luftwiderstands aus. Kann er also lange aerodynamisch auf dem Bike sitzen, ist das Gesamtsystem länger schneller. Der Komfort des Bikes wirkt sich folglich auch auf seinen Speed aus. Ein perfektes Rennrad verfügt über ein ausbalanciertes Verhalten in beiden Szenarien.

Kontrolle und Vertrauen

… sind nur allzu oft unterschätzte Punkte. Ein Rad mag noch so leicht, noch so steif und noch so aerodynamisch sein – wenn es sich nicht leicht kontrollieren lässt und sich der Fahrer darauf unsicher fühlt, ist all die technischen Superlative obsolet. Außerdem kostet ein unsicheres oder unruhiges Rad viel Energie und Konzentration, weil der Fahrer unterbewusst mehr damit beschäftigt ist, das Bike auszutarieren, als es effizient nach vorn zu bewegen. Nur wer Vertrauen zum Rad aufbaut, kann sicher und mit kalkulierbarem Risiko an seine Grenzen und darüber hinaus gehen. Das Fahren auf der Straße und auf fordernden Untergründen ist bereits riskant genug – zusätzliche Unsicherheiten sind hier fehl am Platz! Schließlich wollen wir nach dem Ride alle wieder gesund zurück zu Familie und Freunden. Die besten Bikes im Test sind in ihrem Fahrverhalten berechenbare Komplizen, die sich auch im Grenzbereich ohne mehrjährige Kampfsportausbildung beherrschen lassen. Sie eint ein sportliches Understatement, das dem Fahrer das Attackieren nicht aufzwingt, ihm aber stets genügend Performance-Reserven bietet, wenn es doch mal ans Eingemachte geht.

Komfort

Da wahrscheinlich die wenigsten von uns über einen privaten Physiotherapeuten verfügen, der den geschundenen Körper nach dem Ride wieder zurechtbiegt, ist Komfort ein wichtiges und zunehmend auch von den Profis beachtetes Thema. Wer komfortabel sitzt, ist länger schnell und weniger von den Strapazen gezeichnet. Eine moderne und ergonomische Sitzposition zeichnet sich sowohl durch ihren Komfort als auch durch ihre Aerodynamik aus. Sie erlaubt dem Fahrer, die Unterlenker auch auf längeren Strecken und nicht nur für den Sprint zu nutzen. Ein komfortables Bike weist ein ausbalanciertes Maß an System-Compliance vor. Der Gesamtkomfort entstammt dabei nicht nur einer Komfortquelle, sondern ist die Summe vieler Parts mit Compliance und Dämpfung. Sowohl hochfrequente Vibrationen als auch große Schläge müssen spürbar entschärft werden. Kontaktpunkte wie Lenkerband und Sattel unterliegen persönlichen Präferenzen und bleiben bei der Bewertung außen vor.

Fahrspaß

Das Handling ist für uns das mit Abstand wichtigste Kriterium. Wir hätten es selbst nicht besser auf den Punkt bringen können als Ex-Profi David Millar, der uns 2019 bei unserem damaligen Vergleichstest in Girona Wir sind uns sicher, dass es hier keiner weiteren Erklärung bedarf. 😉

Wo haben wir getestet?

Zugegeben – die Prosecco Hills kommen einem nicht als Erstes in den Sinn, wenn man auf der Suche nach der richtigen Destination für eine Rennradreise in Italien ist. Vielmehr sind sie ein Geheimtipp zwischen Venedig im Süden und den Dolomiten im Norden. Dass es hier trotzdem die richtigen Strecken zum Rennradfahren gibt, hat nicht zuletzt der Giro d’Italia gezeigt, als er einmal quer durch die Region rollte. Kein Wunder, gibt es hier doch für jeden Geschmack das Richtige: Lange und steile Berge im Norden, von denen der berühmteste wohl der Monte Grappa sein dürfte, flache Abschnitte im Süden Richtung Meer und dazwischen alles andere von Rollerbergen bis fiese Rampen. Biegt man von den großen Straßen ab und schlängelt sich auf Nebenstraßen durch die ikonischen Weinberge, dann muss man hier jedoch auch auf schlechten Asphalt oder Schotterpisten vorbereitet sein. Das optimale Testgebiet also für Allroad-Bikes.

Prosecco Hills – hier weiß man das Leben zu genießen! Spitzenmäßige Schaumweine und kulinarische Leckerbissen, garniert mit wenig befahrenen Traumstraßen. Was will man mehr?

Etwas überraschend ist es schon, dass die Region unter ausländischen Radsportlern nicht so bekannt ist wie die Radsport-Mekkas in Livigno oder Girona, sitzen hier doch einige der weltberühmten Firmen der italienischen Bike-Industrie: Basso, Wilier, Campagnolo, Selle Italia und Sarto kommen alle von hier, um nur einige zu nennen. Damit die Prosecco Hills nicht weiterhin ein Schattendasein im Bike-Tourismus fristen, kümmert sich nun die Borgoluce-Familie um frischen Wind – eine Adelsfamilie, die neben zwei Schlössern auch riesige Landflächen ihr Eigen nennt und mit den darauf angebauten Trauben zu den größten Prosecco-Produzenten der Region zählt. Doch nicht überall wird Prosecco angebaut. Ein Teil des Borgoluce-Landes steht dem Tourismus zur Verfügung: In authentisch renovierten Bauernhäusern kann man sich mitten in der Natur vom Alltag erholen und die zum Großteil auf eigenem Grund angebauten Speisen genießen. Ein perfekter Ort also, um unser Testcamp aufzuschlagen. Als Teststrecke haben wir die Straßen rund um Susegana genutzt. Anstiege aller Couleur, Highspeed-Abfahrten und alles, was dazwischen liegt, wechseln sich mit technischen Strecken und wechselnden Untergründen ab. Unsere Test-Bikes wurden gebaut, um auf genau solchen Strecken zu überzeugen. Ob sie das schaffen, zeigt kein Labortest dieser Welt – deshalb verzichten wir auch in diesem Test auf das Messen von isolierten, nichtssagenden Steifigkeitswerten. Stattdessen verlassen wir uns auf das Gefühl unserer erfahrenen Tester.

Wer hat getestet?

So unterschiedlich wie unsere Test-Bikes sind auch die Menschen, die sie fahren. Und so brachten unsere Testfahrerinnen und Testfahrer auf der Suche nach dem besten Allroad-Bike 2022 ein ganz unterschiedliches Bündel an Erwartungshaltungen und Präferenzen mit. Worauf es ihnen ankommt und wie sie für sich den Begriff Fahrspaß definieren, erfahrt ihr hier.

Ben, Chefredakteur GRAN FONDO, Gravel-Aficionado und Sprinter
„Beim Rennradfahren geht es mir vor allem darum, Neues zu entdecken. Mein perfektes Rennrad darf daher nicht von einem kleinen Ausritt auf dem Feldweg überfordert sein. Den gelegentlichen Ortsschildsprint schlage ich auch auf Erkundungsfahrten gewiss nicht aus.“
Anke, freie Journalistin und Möchtegern-Bikefluencerin mit ihrem Alter Ego @anke_is_awesome
„Da das Gravel-Bike meine Einstiegsdroge war, ist natürlich auch mein Rennrad mit etwas breiteren Schlappen ausgestattet. Ein spontaner Schlenker über Schotter muss drin sein – auch wenn das nur daran liegt, dass ich mal wieder meine, schlauer als Komoot und Wahoo zu sein.“
Matilde, Business Woman, Dolce Vita Lover und QOM
„Die Prosecco Hills sind mein Zuhause. Ich liebe das Lebensgefühl und die Menschen hier. Wenn ich mich nach dem Büro aufs Bike schwinge, muss es perfekt mit den Gegebenheiten hier zurechtkommen: Viele Hügel, lange Anstiege, schnelle Abfahrten und ständig wechselnde Bodenbeläge.“
Tobi, Redakteur GRAN FONDO, 2 % Körperfett, Yogi und Bike-Racer
„Ich trainiere seit einigen Jahren strukturiert und stehe regelmäßig bei Lizenz- und Jedermannrennen am Start. Für mich muss es beim Radfahren auch mal wehtun. Deshalb verlange ich auch von einem Allroad-Bike die nötige Prise Race-Performance.“

Die Tops und Flops unseres Vergleichstests

Oftmals sind es die Details, die den Unterschied machen: gelungene Integration, erstklassige Ergonomie und mit Bedacht gewählte Komponenten. Hier findet ihr alle Tops und Flops der Bikes aus unserem Allroad-Vergleichstest 2022.

Tops

Bereit zu mehr
Mit den Anschraubpunkten auf dem Oberrohr für eine kleine Tasche für Riegel und Gels ist das BMC Roadmachine X ONE auch bereit für längere Touren.
Kein Sonnenschein, kein Problem
Mit den integrierten Möglichkeiten zur Befestigung von Schutzblechen vorn und hinten wird das Cervélo Caledonia-5 auch zu einem robusten Allwetter-Bike für die nasse Jahreszeit.
Carbon so weit das Auge reicht …
… gibt es beim Parapera Atmos Masterpiece. Damit wird das Bike zum Sehnsuchtsobjekt für alle Carbon- und Leichtbaufetischisten.
Integration leicht gemacht
Einteilige vollintegrierte Cockpits sind für Direktversender aufgrund der Teilmontage durch den Kunden selbst meist schwer umzusetzen. Am ROSE REVEAL SIX DISC RED eTap AXS ist das aber gut und einfach gelöst.
Detailverliebt
Zum perfekten Carbon-Finish am Sarto Seta Disc gehört auch ein abgesetzter Sarto-Schriftzug auf dem Oberrohr. Da spielt schon sehr viel Pomp mit.
Platz für die Essentials …
… wie Schlauch und Werkzeug bietet das Staufach, das sich im Unterrohr hinter dem Flaschenhalter samt passendem Innenleben verbirgt – eine clevere und nützliche Detaillösung.

Flops

Wie die Verwandtschaft
Die proprietäre Bontrager-Sattelstütze des Trek Domane hat einen limitierten Einstellbereich, wodurch – wie bei den Modellen Émonda und Madone – zwei unterschiedlich lange Sattelstützen nötig sind.
Zu schmal für den Sieg
27 mm breit fällt der S-Works Turbo-Reifen in 700x26C auf den Roval C38-Laufrädern mit 21 mm Innenmaulweite auf dem Specialized Aethos Expert aus. Das ist zu schmal für ein modernes Allroad-Bike und schränkt den Einsatzbereich deutlich und unnötig ein.
Warum nicht tubeless?
Die Campagnolo Bora WTO 45 Disc-Laufräder am Sarto Seta Disc sind Tubeless-ready. Warum die Italiener gerade bei so voluminösen Reifen wie den Continental Grand Prix 5000 auf ein Setup mit Schlauch setzen, bleibt ein Rätsel.
Zu schmal für allroad
Für Carbon-Liebhaber sind die Tune Schwarzbrenner 45 Disc Skyline-Laufräder ein echter Leckerbissen und auch mit ihrem geringen Gewicht und der Tubeless-Freigabe können sie überzeugen. Eine Innenmaulweite von 17 mm ist aber schlicht und ergreifend nicht zeitgemäß.
Gefahr im Verzug
Das Kabel der Shimano ULTEGRA Di2-Schaltung hängt am Cervélo Caledonia-5 gefährlich nahe am Reifen und sorgt für die ein oder andere Sorgenfalte auf unserer Stirn.
Nicht ganz perfekt
Integration ist Detailarbeit und nicht allen Herstellern ist sie wichtig genug. Am Specialized Aethos Expert, dem Parapera Masterpiece und dem BMC Roadmachine X ONE liegen die Kabel an der Front frei, was uns in dieser Preisklasse und im Hinblick auf den Einsatz einer Lenkertaschel nicht gefällt.

Was ist das beste Allroad-Bike?

Auf den Hügeln der Prosecco Hills haben wir alle Bikes auf Herz und Nieren geprüft und am Abend die jeweiligen Konzepte und ihre Funktion auf der Straße diskutiert – gekrönt von dem einen oder anderen Glas gut gekühltem Schaumwein. Nicht nur die Testregion ging als Sieger aus unserem Test hervor, auch bei den Bikes gibt es einen klaren Sieger, der in allen Aspekten überzeugt.

Das beste Allroad-Bike 2022: Trek Domane SLR 9

Hier ist es, das beste Allroad-Bike des Jahres: Das Trek Domane SLR 9 springt einem als erstes aller Test-Bikes ins Auge. Der Knaller-Lackierung sei Dank. Und es bleibt einem nach der Ausfahrt am längsten im Gedächtnis. Kein anderes Bike im Test vereint scheinbar so widersprüchliche Charaktereigenschaften auf einem so hohen Performance-Level. Das Bike glänzt mit dem besten Langstreckenkomfort im Testfeld und bringt gleichzeitig die größte Race-Performance an den Start. Das Motto: Nichts muss, aber alles kann. Es zwingt einem seine Performance nie auf, ist auch mit einem bequemen Coffee-Ride zufrieden. Hinzu kommen clevere Details, um die Essentials mitzuführen und Schutzbleche zu befestigen, die das Bike nebenbei zum Pendler-Traum machen. Die erstklassigen Komponenten von Shimano sind dann nur noch das i-Tüpfelchen auf dem Weg zum klaren Testsieg. Herzlichen Glückwunsch, Trek!

DAS BESTE ALLROAD-BIKE 2022 – Trek Domane SLR 9 (Zum Test)

Unser Allroad-Kauftipp: Cervélo Caledonia-5 Ultegra Di2

Bereits zum zweiten Mal in Folge sichert sich das Cervélo Caledonia-5 einen begehrten Podestplatz in einem unserer stets hochkarätig besetzten Vergleichstest. Im Vergleich zur Konkurrenz sticht in diesem Test das sehr hohe Level an Integration, die große Reifenfreiheit und die Allwettertauglichkeit dank Fenderkompatibilität sowie die sehr gute Speed-Effizienz heraus. Das Cervélo Caledonia-5 Ultegra Di2 hat sich zweifelsohne einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet, zählt zur internationalen Speerspitze einer neuen Rennrad-Generation und ist ein hervorragendes Allroad-Bike.

UNSER ALLROAD-KAUFTIPP – Cervélo Caledonia-5 Ultegra Di2 (Zum Test)

Alle Bikes im Test: BMC Roadmachine X ONE (Zum Test) | Cervelo Caledonia-5 Ultegra Di2 (Zum Test) | Parapera Atmos MASTERPIECE (Zum Test) | ROSE REVEAL SIX DISC Red eTap AXS (Zum Test) | Sarto Seta Disc (Zum Test) | Specialized Aethos Expert (Zum Test) | Trek Domane SLR 9 (Zum Test)


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Text: Benjamin Topf, Tobias Hörsch Fotos: Benjamin Topf, Phil Gale