Schneller, stärker, besser. Das neue Specialized Turbo Creo 2 will E-Gravel-Bikes auf ein neues Level bringen. Was hat sich die letzten vier Jahre bei Specialized getan? Wir haben mit dem Turbo-Entwicklungsteam gesprochen und sind mit dem Creo 2 über die Trails im Umland Lissabons geflogen. Was hinter der mattschwarzen Fassade steckt, erfahrt ihr im Test.
Das Performance-orientierte E-Roadbike Turbo Creo SL und dessen Gravel-Bike-Pendant Turbo Creo SL Expert EVO aus dem Jahr 2019 gehen in die zweite Generation. Das neue Creo 2 kommt mit dem brandneuen Specialized SL 1.2-Motorsystem, das auch im Mountainbike Specialized Turbo Levo SL zum Einsatz kommt, dem neuen Future Shock 3.0-Dämpfer – wie am kürzlich vorgestellten Roubaix SL8 – und einer enormen Reifenfreiheit von über 55 mm. Genug Platz für 29 x 2.2” große Mountainbike-Reifen. Diese drei Keyfacts lassen es schon erahnen, auf welchen Strecken sich das neue Turbo Creo 2 nun auch wohlfühlt: Steep Chunky Gravel. Passenderweise waren wir mit Specialized in den Bergen Sintras an der portugiesischen Küste unterwegs und haben das 8.500 € teure Specialized Turbo Creo 2 Expert bergauf wie bergab an seine Grenzen gebracht. Wie sich das 13,96 kg schwere E-Gravel-Bike auf bis zu 28 % steilen Rampen und felsigen Downhills geschlagen hat, erfahrt ihr im Test.
Das neue SL 1.2-Motorsystem
Mit die spannendste Neuerung am Creo SL Gen 2 ist das neue leichte Motorsystem. Specialized hat die letzten Jahre das vorherige Motorsystem SL 1.1 komplett neu designt. Äußerlich hat sich der Motor nicht wirklich verändert und auch das Gewicht bleibt mit ca. 1,9 kg gleich wie beim Vorgänger – doch bekanntlich zählen die inneren Werte und diese sind beachtlich: Der neue Levo SL 1.2-Motor liefert 50 Nm Drehmoment – anstelle der bisherigen 35 Nm – und eine maximale Leistung von 320 Watt. Sprich 33 % mehr Power und 43 % mehr Drehmoment. Zudem soll er auch noch 40 % leiser sein als sein Vorgänger, was unter anderem durch eine Bienenwaben-Struktur auf der Innenseite des Motors bewirkt wird. Der Torque-Sensor im SL 1.2-Motor soll ausreichend sein und ein zusätzliches Powermeter somit überflüssig machen. Ihr habt so stets im Blick, wie viel der Motor leistet und wie viel Power aus den Beinen kommt.
Gepaart wird der neue Motor mit einem 320 Wh großen Akku im Unterrohr. Dieser kann leider nicht zum externen Laden entnommen werden, allerdings kann er bei Bedarf mit dem Range Extender im Trinkflaschen-Format um 160 Wh erweitert werden. In der neuen Specialized-App lässt sich zudem einstellen, welcher der beiden Akkus zuerst angezapft wird.
Die neu entwickelte App bietet bereits viele Funktionen, wie das Aufzeichnen und Analysieren eurer Rides, das Anpassen der Motorunterstützung sowie eine Lock-Funktion zum Sperren des Motorsystems per App. Zudem soll die App regelmäßig über neue Over-the-air-Updates erweitert werden.
Für die Anzeige kommt das im Oberrohr integrierte MasterMindTCU-Display zum Einsatz. Dieses zeigt die wichtigsten Daten auf einen Blick, die Datenfelder lassen sich zudem einfach per App personalisieren und auf mehreren Seiten abspeichern. Wer komplett unauffällig unterwegs sein möchte, schaltet per App in den Stealth-Modus, der die Anzeige komplett abdunkelt.
Zur Steuerung des Motorsystems kommen kleine, frei platzierbare Knöpfe zum Einsatz. Die sogenannten Specialized Blips sind bei jedem Turbo Creo 2 dabei, aber noch nicht fest verbaut, die Positionierung kann an die eigenen Vorlieben angepasst werden und wird vom Händler finalisiert. Mit ihnen können die Unterstützungsstufen angepasst und durch die Seiten auf dem TCU-Display geblättert werden. Zudem ermöglichen es die Blips über die Micro-Adjust-Funktion, die Unterstützung in 10-%-Schritten anzupassen.
Das Specialized Turbo Creo 2 Expert im Detail
Optisch hat sich das Creo 2 weiterentwickelt und zeigt nun, dass es für mehr als glatten Asphalt gemacht wurde. Der FACT 11r-Carbonrahmen ist dabei 120 g leichter geworden. Die Gabel wirkt deutlich stabiler, die enorme Reifenfreiheit von 55 mm oder im Mountainbike-Jargon 29 x 2.2” bringt richtig viel Offroad-Performance.
Ab Werk kommt das neue Creo 2 Expert mit 47 mm breiten Specialized Tracer-Gravel-Reifen. Aufgezogen sind die Reifen auf Roval Terra C-Carbon-Laufrädern bei einer 25 mm Innenmaulweite mit DT Swiss 370er-Naben. Auch fast alle anderen Anbauteile kommen aus dem eigenen Hause. Dazu zählen Sattel, Trans-X-Dropper-Sattelstütze mit 50 mm Travel, Future Stem Pro-Vorbau sowie der Gravel-spezifische Adventure Gear Hover-Lenker mit 12º Flare. Beim Thema Schaltung und Bremsen setzt das Specialized Turbo Creo 2 Expert voll und ganz auf SRAM. Die Mullet-Kombination aus SRAM Rival eTap AXS und SRAM GX Eagle AXS sorgt mit einer Übersetzungsbandbreite von 11–50t hinten und 44t vorn für viel Reserven beim Klettern. Das AXS-Schaltwerk wird dabei leider nicht direkt aus dem Hauptakku gespeist, der Akkustand lässt sich aber immerhin auf dem TCU-Display anzeigen. Ein UDH-Schaltauge sucht man am neuen Specialized Turbo Creo vergebens, damit ist auch keine SRAM Transmission-Schaltung möglich.
Specialized Turbo Creo 2 2024
8.500 €
Ausstattung
Sattelstütze Trans-X Droppe 50mm
Bremsen SRAM Rival eTAP AXS
Schaltung SRAM GX Eagle AXS 1x12
Kettenblatt 44T
Vorbau Future Stem Pro
Lenker Specialized Adventure Gear Hover
Laufräder Roval Terra C
Reifen Tracer Pro 700 x 47c
Kurbeln SRAM Alloy DUB
Kassette SRAM PG1230 11-50T
Technische Daten
Größe 49 52 54 56 58 61
Gewicht 13.96 kg
Die Geometrie des Specialized Turbo Creo 2
Auch die Geometrie des Specialized Turbo Creo 2 wurde angepasst. Sie ist nun deutlich progressiver, der Lenkwinkel wird flacher, der Sitzrohrwinkel steiler. Das Ergebnis sind mehr Laufruhe und eine bessere Kontrolle – vor allem abseits befestigter Wege und beim entspannten Treten bergauf. Trotzdem soll es noch verspielt genug sein, um einen hohen Spaßfaktor zu erzeugen. Von dem geringeren Q-Faktor, der im Vergleich zum Vorgänger um 12 mm schmaler geworden ist, sollen besonders kleinere Rider profitieren. Genügend Anschraubpunkte, darunter für Schutzbleche, Gepäckträger und Front-Racks, sollen das Bike auch für den Alltag wappnen. Das verhältnismäßig hohe zulässige Gesamtgewicht von 125 kg passt ebenfalls dazu. Das Gesamtpaket des Specialized Turbo Creo 2 Expert wiegt 13,96 kg in Größe 56 und geht für 8,500 € über den Bike-Shop-Tresen.
Größe | 49 | 52 | 54 | 56 | 58 | 61 |
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Oberrohr | 531 mm | 540 mm | 554 mm | 572 mm | 590 mm | 613 mm |
Steuerrohr | 90 mm | 90 mm | 108 mm | 120 mm | 153 mm | 180 mm |
Lenkwinkel | 71° | 71° | 71° | 71° | 71° | 71° |
Kettenstrebe | 435 mm | 435 mm | 435 mm | 435 mm | 435 mm | 435 mm |
BB Drop | 80 mm | 80 mm | 80 mm | 80 mm | 80 mm | 80 mm |
Radstand | 1.022 mm | 1.031 mm | 1.046 mm | 1.059 mm | 1.079mm | 1.097mm |
Reach | 374 mm | 378 mm | 388 mm | 397 mm | 404 mm | 311 mm |
Stack | 365 mm | 374 mm | 383 mm | 392 mm | 401 mm | 410 mm |
Future Shock 3.0 – Die Dämpfung am Specialized Turbo Creo 2
Wie auch am Specialized Roubaix SL8 kommt am neuen Creo 2 die neue Dämpfereinheit aus dem Hause Specialized zum Einsatz: die dritte Entwicklungsstufe des Future Shock! Dieser versteckt sich nicht ganz unauffällig im Gabelschaft und verhindert, dass Vibrationen und Schläge über den Lenker an die Hände weitergegeben werden. Dass das wirklich gut funktioniert, konnten wir bereits am Specialized Diverge STR, dem wohl abgefahrensten Gravel-Bike, testen. Durch die Positionierung und den Aufbau des kleinen Stahlfederdämpfers direkt unter dem Lenker verspricht Specialized ein feineres Ansprechverhalten, eine höhere Steifigkeit der Gabel, ein geringeres Gewicht und eine schönere Integration als bei vergleichbaren Luftfedergabeln – also der Heilige Gral unter gefederten Bikes?
Die neueste Iteration des geliebten Dämpfers soll hier noch einen draufsetzen. Durch drei verschiedene Stahlfedern mit unterschiedlichen Federhärten und zusätzliche Preload-Spacer lässt sich der Future Shock 3.0 individuell an jeden Fahrer anpassen. Ob klein und schmächtig oder groß und kräftig: Der Future Shock 3.0 am neuen Specialized Creo 2 soll für jeden passen. Um die Feder zu tauschen, muss die Front des Bikes allerdings zerlegt werden. Hört sich erstmal aufwändig und kompliziert an, allerdings hat Specialized den neuen Future Shock so gestaltet, dass sich dieser möglichst schnell und einfach zerlegen lässt. Und weil Specialized will, dass hier jeder selbst Hand anlegt, kommt jedes Creo 2 ab Werk mit allen Federn, Spacern und dem benötigten Werkzeug.
Der 400 g schwere Dämpfer ist zusätzlich rückwärtskompatibel und passt somit auch ins Specialized Turbo Creo SL. Zwar ist er auch als Ersatzteil erhältlich, doch durch die einfache Service-Möglichkeit soll die Lebenszeit des Dämpfers enorm verlängert werden.
Das neue Specialized Turbo Creo 2 im ersten Test
Die neue Generation des Specialized Turbo Creo kommt augenscheinlich deutlich Offroad-lastiger daher und das macht sich auch während der Fahrt bemerkbar: Auf grobem Schotter und leichten Trails überzeugt das Creo 2 mit hohem Fahrspaß, der durch Wendigkeit, präzise Lenkung, komfortable Dämpfung und den Rückenwind im Uphill unterstrichen wird. Der Future Shock 3.0 arbeitet auch auf Trails und grobem Schotter zuverlässig, in Kombination mit den 47 mm breiten Specialized Tracer-Reifen bügelt das Rad Unebenheiten glatt und sorgt auch auf schnellen Abfahrten für viel Kontrolle und Komfort.
Der Wechsel der Stahlfeder am Future Shock 3.0 geht schnell vonstatten, jeder Hobbyschrauber sollte das Bike in unter zehn Minuten zurück auf die Räder bekommen. Auf der Straße macht sich diese Einstellbarkeit bemerkbar: Durch das perfekte Setup werden Durchschläge und ein Wippen im Wiegetritt verhindert, und der Griff zum Einstellrad ist während der Fahrt überflüssig.
Der neue Specialized SL 1.2-Motor ist kräftig genug, um auch die steilsten Anstiege mitzumachen. Es muss allerdings aktiv mitgearbeitet werden. Nur ziehen lassen, funktioniert nicht. Was jedoch funktioniert, ist, die eigene Leistung immens zu steigern: 28 % steile Rampen? Mehrere Pässe an einem Tag? Was mit dem Gravel-Bike ohne Motor für die Meisten unmöglich klingt, ist mit dem Creo 2 auch mit durchschnittlicher Fitness zu meistern. Dank Range Extender sind auch lange Touren mit vielen Höhenmetern möglich. Die Specialized-App und das TCU-Display funktionieren reibungslos. Keine lästigen Wartezeiten oder Verbindungsabbrüche. Die App ist sehr übersichtlich und intuitiv zu bedienen, bietet viele nützliche Features und soll laut Specialized fortlaufend mit neuen Funktionen erweitert werden. Klasse! Denn es gibt nichts Nervigeres als unausgereifte Software und Konnektivitätsprobleme, die einen vom Fahren abhalten.
Für wen ist das Creo 2?
Das neue Creo 2 fühlt sich besonders im Gelände mit vielen Höhenmetern wohl. Hier kann es den Vorteil des SL 1.2-Motors im Uphill voll ausspielen und ermöglicht längere Touren mit deutlich mehr Höhenmetern. Bergab sorgt die Dämpfung des Future Shock 3.0 für viel Kontrolle und Komfort. Selbst leichte Singletrails sind kein Problem und machen auf dem Creo 2 eine Menge Spaß. Dank Mounts für Schutzbleche und Gepäckträger wird aus dem E-Gravel-Bike ebenfalls ein spaßiges Everyday-Bike für den täglichen Weg zur Arbeit oder kurze Bikepacking-Abenteuer. Wer ein vielseitiges E-Gravel-Bike mit hohem Fahrspaß sucht, das auch vor dem ein oder anderen Trail keinen Halt macht, kommt mit dem neuen Creo 2 auf seine Kosten.
Tuning Tipp:Ein 29” Reifen an der Front für massig Grip auf dem Trail
Fazit zum Specialized Creo 2
Das Specialized Turbo Creo 2 wird Offroad-lastiger und das steht ihm durchaus gut!
Der neue, stärkere SL 1.2-Motor bietet ausreichend Unterstützung, arbeitet leise und lässt sich sehr genau auf die eigenen Vorlieben anpassen. Auch der Future Shock 3.0 überzeugt mit seiner einstellbaren Federhärte und einer gut dosierten Dämpfung. Auf dem Trail und auf Schotterpisten glänzt das Creo dadurch mit viel Komfort, einem direkten Handling und hohen Fahrspaß.
Tops
- hoher Fahrspaß
- solide Offroad-Performance
- Individualisierbarkeit
Flops
- Hub der Dropper-Sattelstütze wächst nicht mit der Rahmengröße
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Text: Jan Richter Fotos: Jan Richter, Specialized