Das Pinarello GREVIL F stürzt sich auch für das Modelljahr 2023 auf die Gratwanderung zwischen Gravel-Rock’n’Roll und Schotter-Highway to Hell und will Full Gas Everywhere geben. Die Frage ist: Wie viel Lust auf diabolisch-spaßige Quälerei macht das neue Gravel-Bike der Italiener wirklich? In unserem Test findet ihr alles, was ihr wissen müsst!
Bella macchina – Pinarello gehört zweifelsohne zu den famosen italienischen Fahrradherstellern und weckt schon immer Begehrlichkeiten bei Radsportbegeisterten. Pinarellos Fokus liegt seit jeher in der Herstellung von schönen und schnellen Bikes.
Mit dem aktuellen DOGMA F (zum Test) stellen die Italiener auf der internationalen Bühne immer wieder unter Beweis, wie gut sie das können. Doch wie wir in unserer Leserumfrage mit über 11.000 Teilnehmern festgestellt haben, ist Gravel das am stärksten wachsende Segment des Radsports. Klar, dass auch Pinarello am Gravel-Markt teilhaben will und ihr seit 2018 im Portfolio geführtes GREVIL jetzt neu auflegt. Das Design war und ist stark an Pinarellos Unternehmens-DNA angelehnt und der Fokus auf Sportlichkeit gelegt, so brachte bereits das erste GREVIL Pinarello-typische Attribute mit. Nun folgt die Neuauflage. Wir hatten vorab die Gelegenheit, das 2023er GREVIL F zu testen und sagen euch, für wen es das passende Bike ist und was es auszeichnet.
Mit vollständiger Integration, einem neuen Knick im Oberrohr und einem überarbeiteten, weiterhin deutlich asymmetrischen Hinterbau halten sich die offensichtlichen Neuerungen am Rahmen des Pinarello GREVIL F 2023 in Grenzen. Das macht das Gravel-Bike mit seinem futuristischen Design jedoch nicht weniger spannend!
Der Lamborghini Urus der Gravel-Bikes – Das Pinarello GREVIL F 2023 im Detail
Optisch macht das GREVIL F schon mal einiges her. Der Rahmen im Aero-Look ist mit seiner athletischen Mischung aus Kanten und Kurven zweifelsfrei als Pinarello erkennbar. Hier zeigt sich italienisches Stilbewusstsein par excellence. Die zweifarbige Lackierung unseres Testmodels in Mattgold und -schwarz passt sehr gut zum dynamischen Auftritt. Abgerundet wird das Design durch die ebenfalls Mattgold lackierte Sattelstütze, sehr cool! Mit den geschwungenen Felgen der Princeton-Laufräder, dem Forkflap an der geschwungenen ONDA-Gabel und dem D-förmigen Unterrohr sieht das Pinarello schon im Stand verdammt schnell aus. Der Knick im Unterrohr, der die Flasche aerodynamisch einschließen soll, wirkt da nur konsequent. Mit 8,54 kg ist das GREVIL F leichter als der Durchschnitt der Bikes in unserem großen Gravel-Bike-Vergleichstest mit 19 Modellen, das passt zum sportlichen Konzept des Gravel-Bikes.
Das zweiteilige Cockpit ist vollintegriert – auch bei der mechanischen Campagnolo EKAR-Gruppe, die an unserem GREVIL F verbaut ist. Sehr ordentlich und trotzdem personalisierbar, Hut ab! Der MOST Tiger-Vorbau fügt sich da mit seiner Aero-Optik gut ins Bike ein. Am MOST Jaguar-Lenker in 455 mm Breite, der ebenfalls von Pinarellos hauseigener Marke geliefert wird, gefällt uns der komfortable Griff im Oberlenker. Durch seine Maße und der angenehm flachen Oberseite bietet er den Händen ausreichend Platz und reduzierten Druck. Ein leichter Flare passt gut ins Bild und gibt in Kombination mit der Breite im gröberen Gelände Sicherheit.
Die 13 Gänge der Campagnolo EKAR bieten mit 9–42 Zähnen an der Kassette in Kombination mit dem 40er-Kettenblatt ausreichend Bandbreite für hügeliges Terrain. Während die zahlreichen 1-Zahn-Gangsprünge im oberen Bereich der Kassette vor allem den ambitionierten Gravel-Fans unter uns zusagen, würden wir uns für lange und steile Rampen auch gerne etwas mehr Reserven in den leichten Gängen wünschen. Nach unseren letzten Erfahrungen mit der Campagnolo EKAR (zum Test) sind wir gespannt auf die Ausstattungsvarianten mit anderen Gruppen. Denn die EKAR ist sehr sensibel und braucht unbedingt eine korrekte Feinjustage, um reibungslos zu funktionieren!
Anschraubpunkte sind am GREVIL F rar, zwei Flaschen finden im Rahmendreieck Platz, eine dritte kann am Unterrohr befestigt werden. Im Gegensatz zu einigen anderen Gravel-Bikes ist das Unterrohr des GREVIL F nicht durch einen Rahmenprotektor geschützt. Weitere Montagemöglichkeiten für Rahmentaschen oder Schutzbleche sucht man vergebens. Das macht aber nichts, denn handgenähte italienische Lederschuhe trägt man vorzugsweise auch nicht im Regen. Und Hand aufs Herz: Wer mit dem GREVIL F trotzdem Bikepacking-Trips vorhat, der muss auf Klettbänder als Befestigungs-Option zurückgreifen. Wer den Gravel-Racer jetzt immer noch auf Bikepacking-Abenteuer entführen will, dem empfehlen wir Lackschutzfolie, um den zweifarbig-matten Auftritt des Bikes nicht zu beschädigen.
Innovationen im Fahrwerk oder andere technische Raffinessen hat das GREVIL F nicht zu bieten. Der Shimano Di2-Port ist ganz bodenständig im Unterrohr auf Höhe des Knicks zu finden. Eine aufgeklebte Silberfolie, die die Kettenstrebe hinter dem Kettenblatt schützen soll, ist eher dem Credo „stets bemüht“ zuzuordnen. Bei einem waschechten Kettenklemmer wird die Folie den Rahmen höchstwahrscheinlich nur bedingt schützen können. Eine gute Idee ist der integrierte Hebel zum Lösen der Achsen. Dieser wirkt allerdings so filigran, dass das eher die Option für unterwegs ist – denn die Achsen können auch mit einem 5er-Inbus gelöst werden.
Pinarello GREVIL F 2023
0 €
Ausstattung
Bremsen Campagnolo EKAR 160/160 mm
Schaltung Camapgnolo EKAR 1x13 (40 t x 9–42 t)
Vorbau MOST Tiger 80 mm
Lenker MOST Jaguar 455 mm
Laufräder Princeton Carbonworks Grit 4540 21 mm internal width
Reifen MAXXIS Rambler 700 x 38C
Technische Daten
Größe 47 50 53 55 57,5 60
Gewicht 8.54 kg
Die Geometrie des Pinarello GREVIL F 2023
Mit dem Angebot von 6 verschiedenen Rahmengrößen ist für beinahe jeden und jede die Richtige dabei. Alle Infos zur Geometrie und den verfügbaren Größen gibt es in der Tabelle.
| Größe | 47 | 50 | 53 | 55 | 57,5 | 60 |
|---|---|---|---|---|---|---|
| Oberrohr | 520 mm | 535 mm | 547 mm | 560 mm | 577 mm | 597 mm |
| Sitzrohr | 410 mm | 445 mm | 475 mm | 500 mm | 520 mm | 550 mm |
| Steuerrohr | 120 mm | 135 mm | 155 mm | 165 mm | 180 mm | 200 mm |
| Lenkwinkel | 70,25° | 70,5° | 70,75° | 71,75° | 72° | 72,25° |
| Sitzwinkel | 74,5° | 74° | 73,75° | 73,5° | 73° | 72,5° |
| Kettenstreben | 422 mm | 422 mm | 422 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm |
| Tretlagerabsenkung | 72 mm | 72 mm | 67 mm | 67 mm | 67 mm | 67 mm |
| Stack | 548,4 mm | 563,5 mm | 578,4 mm | 593,5 mm | 608,8 mm | 628,8 mm |
| Reach | 360,1 mm | 367,8 mm | 374,4 mm | 382 mm | 389,7 mm | 398,5 mm |
Socken POC Zephyr Merino Sock Mid | Helm ABUS Viantor MIPS
Brille 100% Hypercraft | Schuhe Suplest Crosscountry Pro
Abseits der Straße mit Stiletto oder Stil? Das Pinarello GREVIL F 2023 im Test
Die Arbeit des Tages ist getan, rein in die Fahrradschuhe, ab aufs GREVIL F und raus in die Natur! Doch keine falschen Erwartungen, das Pinarello GREVIL F 2023 ist kein Abenteuer-Bike à la BMC URS LT ONE (zum Test), sondern ein schnelles, agiles Performance-Bike für Schotterautobahnen und verwinkelte Kurse. Da sind die fehlenden Anschraubpunkte für Schutzbleche oder Taschen im Rahmen nur konsequent. Mit seinem vortriebswilligen Rahmen beschleunigt es flink und schafft es, die Geschwindigkeit beinahe mühelos zu halten. Gerade bei der Beschleunigung soll der asymmetrische Hinterbau laut Pinarello sein Potenzial entfalten, denn die Kette zieht nur rechts am Rad – auch wenn beidseitig getreten wird. Nachbars Lumpi hat jedenfalls keine Chance im Antritt!
Die Princeton Grit 4540-Laufräder harmonieren unauffällig mit den 38 mm breiten MAXXIS Rambler (zum Test), die sich in unserem Gravel-Reifen-Vergleichstest (zum Artikel) nicht als die schnellsten Reifen präsentiert haben. Hier könnten schnellere Reifen aus unserem Testfeld noch mehr Spaß bringen und noch besser zum eigentlichen Charakter des GREVIL F passen!
Tuning-Tipp: Vittoria Terreno Dry-Reifen (zum Test) für noch mehr Speed sowie Lackschutzfolie und Kettenstrebenschutz.
Der Rahmen kooperiert gut mit der Laufrad-Reifen-Kombination und das GREVIL F zeigt sich für ein Performance-Bike überraschend komfortabel. Apropos Komfort: Bis zu 50 mm breite Reifen im 700C-Format können im neuen Rahmen untergebracht werden, vorher war hier bei 42 mm Schluss. Willig und präzise lenkt das GREVIL F in die Ecken, ohne dabei nervös zu wirken. Der breite, gut zu greifende Lenker gibt Sicherheit und die Bremsen lassen sich ordentlich dosieren.
Mit dem ausgewogenen Fahrgefühl und einer Front, die dank ihrer Gutmütigkeit das Bike auch im Grenzbereich beherrschbar hält, überzeugt das Pinarello ebenso in langen, schnellen Kurven auf Hardpack. Bergauf kommt dem GREVIL F seine Antrittsstärke zugute, der steife Rahmen zeigt auch hier sein Können – gut so, denn die Übersetzung kommt am steilen Anstieg an ihre Grenzen. Insgesamt stellt sich auf den ersten Metern schnell ein vertrautes Gefühl ein, das Lust auf mehr macht – das also ist italienische Sportlichkeit im Gelände! Bellissima!
Für wen ist das neue Gravel-Bike von Pinarello das richtige?
Full Gas Everywhere – das ist der Slogan des neuen Pinarallo GREVIL F. Mit seinem agilen, fast schon Rennrad-ähnlichen Antrittsverhalten, dem ausgewogenen Komfort und der gutmütigen Front ist das Pinarello GREVIL F 2023 definitiv ein Gravel-Bike, das Lust auf Quälerei macht. Das richtige Bike für alle erfahrenen Gravelistas oder Roadies, die das Besondere suchen. Und für alle, die wenig für Bikepacking übrighaben und ihren Spaß im Speed finden.
Tops
- Design
- Komfort UND Performance
- zweiteiliges, vollintegriertes Cockpit
Flops
- Schutz des Rahmens vor der Kette
- fehlende Bandbreite der Übersetzung
Mehr Infos zum Pinarello GREVIL F 2023 gibt es unter pinarello.com
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Text: Christoph Staudinger Fotos: Peter Walker
