Campagnolo veröffentlicht mit der Ekar die laut eigener Aussage leichteste Gravel-Schaltgruppe der Welt und verspricht zuverlässige und dauerhafte Schalt-Performance – ganz ohne Elektronik. Wie schlägt sich die 1×13-Schaltgruppe im ersten Test? Wir haben sie für euch auf den Gravel-Pisten Südtirols getestet!

Campagnolo Ekar | 1.694 € | Hersteller-Website

Wenn man sich im Jahr 2020 auf eine Bank im Wald setzt und die vorbeifahrenden Gravel-Bikes betrachtet, dürfte man an vielen Top-Rädern vor allem eines sehen: Elektronisch oder sogar kabellos gesteuerte Schaltgruppen. Campagnolo setzt mit der neuen Ekar-Schaltgruppe – entgegen dem Trend – auf Mechanik und verspricht mit der 1×13-Ekar die leichteste Gravel-Schaltgruppe der Welt. Trotzdem soll die Gruppe eine dauerhafte und zuverlässige Schalt-Performance bieten. Was steckt hinter der Ekar, die ihr zum Launch in den Bikes von 3T, Pinarello, Ridley, Specialized und Wilier finden könnt?

Die ersten Bikes mit Ekar-Schaltgruppe

Pinarello Grevil | Hersteller-Website
Specialized Diverge | Hersteller-Website
Ridley Kanzo Fast | Hersteller-Website
Wilier Jena | Hersteller-Website
3T Exploro | Hersteller-Website

Die Komponenten der Campagnolo Ekar im Detail

Die Ergopower-Schalthebel setzen auf die von Campagnolo gewohnte Vari-Cushion-Technologie, die eine verbesserte Auflagefläche und damit einen ergonomischen, komfortablen und sicheren Griff bieten soll. Der Reach bzw. der Abstand des Schalt- und Bremshebels vom Lenker ist dabei einstellbar, um auch kleinen Zeigefingern die Chance zu geben, den Alu-Hebel komfortabel zu erreichen. Pro Schaltvorgang kann dabei entweder einen Gang schwerer oder aber bis zu drei Gänge leichter geschaltet werden. Das Ansteuern einer versenkbaren Sattelstütze mit dem linken Schalthebel ist dabei nicht vorgesehen.

Das Campagnolo Ekar-Schaltwerk wurde für die 1×13-Schaltgruppe neu designt und mit einer speziellen Dämpfung ausgestattet, um auch auf harten Gravel-Pisten Kettenschlagen zu unterbinden. Der neue Clutch-Mechanismus kann für einen vereinfachten Reifenwechsel auch blockiert werden. Für ein optimales Verhältnis aus Gewicht und Steifigkeit kommt neben Aluminium auch Carbon zum Einsatz, die Schrauben sind für eine dauerhafte Belastung aus Stahl.

Die neue 13-fach-Kassette ist in drei Optionen erhältlich und kann nur auf dem neuen Campagnolo N3W-Freilauf montiert werden. Zum Launch bieten die Hersteller DT Swiss, NEWMEN, Tune, Roval und GW passende Freiläufe an. Weitere Hersteller sollen laut Campagnolo jedoch nachziehen. Die Kassette mit der engsten Abstufung, die 9–36T, soll mit kleinen Gangsprüngen vor allem für Endurance-Fahrer interessant sein. Mit einer 9–42T-Variante sollen vor allem Gravel-Racer angesprochen werden, die auf Schotter auch steile Berge in Angriff nehmen. Als Gravel-Adventure-Kassette betitelt Campagnolo die 10–44-Variante, die noch ein großes Rettungsritzel für steile Anstiege mit Gepäck zur Verfügung stellt. Eines haben alle drei Kassetten gemein: Die sechs kleinsten Ritzel bzw. schwersten Gänge sind jeweils nur um einen Zahn abgestuft.

Übersicht der drei Ekar-Kassetten

Ritzel 9–36 9–42 10–44
1 9 9 10
3 11 11 12
4 12 12 13
5 13 13 14
6 14 14 15
7 16 16 17
8 18 18 19
9 20 21 22
10 23 25 26
11 27 30 32
12 31 36 38
13 36 42 44

Für einen optimalen Transfer der Kraft von den Pedalen auf die Kette und die Kassette ist die zweiteilige Campagnolo-Kurbel verantwortlich. Die Kurbelarme sind aus Carbon und die Achse aus Stahl gefertigt, wodurch eine optimale Kraftübertragung bei gleichzeitig niedrigem Gewicht ermöglicht werden soll. Der Q-Faktor liegt bei schmalen 145,5 mm, wie wir ihn auch aus dem Rennradbereich kennen. Die Armlänge ist dabei zwischen 165, 170, 172,5 und 175 mm wählbar und die Auswahl der Kettenblätter ist auf 38, 40, 42 und 44T beschränkt. Das Kettenblatt soll dabei ohne einen Ausbau der kompletten Kurbel gewechselt werden können.

Die hydraulischen Ekar-Bremsen bauen auf dem gleichen System auf, das auch in Campagnolos Highend-Gruppen zum Einsatz kommt. Die Bremsen sollen auf jedem Terrain zuverlässig funktionieren und dosiert werden können. Für massig Brems-Power bei trockenen und nassen Konditionen sollen die organischen DB130-Bremsbeläge sorgen und dabei länger halten als Beläge in der Vergangenheit. Die passenden Centerlock-Bremsscheiben sind wahlweise mit einem Durchmesser von 140 oder 160 mm erhältlich.

Komponente Gewicht Preis
Schalthebel (Paar) 420 g 686 € (inklusive Bremsen)
Schaltwerk 275 g 247 €
Kassette ab 340 g 265 €
Kette 242 g 44 €
Kurbel 615 g (172,5 mm/38T) 347 €
Innenlager 50 g 33 €
Bremsen 205 g (Werden mit Schalthebel geliefert)
Bremsscheiben (2 x 140 mm) 246 g 72 €
Gesamt 2.393 g 1.694 €

Die Campagnolo Ekar-Schaltgruppe im ersten Test

Wir haben die neue Gravel-Schaltgruppe aus Italien passenderweise auch auf italienischem Boden in Südtirol getestet und sind dabei weder vor Straßenetappen noch vor steilen Schotteranstiegen zurückgeschreckt. Wie sich die Ekar dabei geschlagen hat, lest ihr hier.

Die Campagnolo Ekar-Schalthebel

Im Vergleich zu den gewohnten Schalthebeln aus Japan und den USA sehen die italienischen Vertreter erst mal ungewöhnlich aus. Bereits beim ersten Anfassen steht jedoch fest: Die Ergonomie der STIs ist top! Die Hoods stehen zwar relativ weit nach oben, bieten im Gegenzug aber viel Sicherheit, wenn es bergab geht und die Strecke ruppiger wird. Sowohl in den Drops als auch den Hoods sind die Bremshebel sehr gut zu erreichen und zu dosieren.

Der Schalthebel am rechten STI, mit dem man in einen schwereren Gang schaltet, ist in jeder Griffposition gut erreichbar. Das Schalten ist dabei knackig und definiert. Leider ist im Gegensatz zu anderen Campagnolo-Schaltgruppen pro Klick nur ein Gang schaltbar, sodass der Weg zum größten Gang am schweren Ende der Kassette recht lang und zäh wird. Hier merkt man sofort, dass die Ekar aufgrund ihrer feinen Abstufung und Rasterung eindeutig Richtung Gravel-Race und Allroad geht. Für Adventure und Bikepacking macht es das schon schwierig.

Um in einen leichteren Gang zu schalten, ist der Schalthebel etwas klein. Auf ruppigem Terrain kann es dabei schwierig werden, den Hebel auf Anhieb zu treffen. Im Gegensatz zum Hochschalten können hier bis zu drei Gänge auf einmal geschaltet werden. Das funktioniert auf der Straße und der Ebene einwandfrei. Sobald es jedoch ins Gelände geht, wird der Schaltvorgang etwas schwammig und für schnelle Gangwechsel eine Spur zu undefiniert. Die Rückmeldung über die Anzahl der geschalteten Gänge ist zu dezent. Natürlich ist es praktisch, direkt mit einem Schaltvorgang mehrere Gänge zu schalten. Die Hand muss dafür aber schon sehr weit gedreht werden, um den Hebel komplett durchzudrücken.

Das Campagnolo Ekar-Schaltwerk

Das neue Ekar-Schaltwerk macht einen sehr soliden Eindruck und weiß mit liebevollen Details zu überzeugen. So ist die Zugeinstellschraube aus robustem Metall gefertigt, statt wie sonst üblich aus Kunststoff. Die Dämpfung funktioniert auch auf ruppigsten Wegen hervorragend. Weder Wurzeln noch größere Steine können die Kette zum Schlagen bringen. Ein Ausschalten der Dämpfung ist beim Ekar-Schaltwerk nicht möglich. Dafür kann das Clutch-System ausgehängt werden, um den Aus- und Einbau des Hinterrads zu erleichtern. Das funktioniert gut, erfordert jedoch etwas mehr Fingerspitzengefühl als bei anderen Herstellern, die diese Funktion ebenfalls anbieten.

Die Campagnolo Ekar-Kassette

Die neue Ekar-Kassette ist in drei Abstufungen erhältlich, um ein möglichst breites Einsatzspektrum abzudecken. Die Abstimmung ist dabei vor allem für ambitionierte Gravel-Racer und Allroad-Fahrer sinnvoll. Biker, die die kleinen Gangsprünge in den schweren Gängen vom Rennrad gewohnt sind, werden die neue Kassette aus Italien zu schätzen wissen. In der 42T- und 44T-Version ist noch dazu ein „Rettungsring“ für steilere Anstiege vorhanden.

Leider ist die Ekar-Kassette nicht mit vorhandenen Freiläufen kompatibel, die Liste der Hersteller ist bereits weiter oben aufgeführt. Das Schalten in einen schwereren Gang ist zu jeder Zeit sehr präzise und definiert, auch auf ruppigem Terrain. Hier hat es während des Tests keinerlei Probleme gegeben. Im Gegensatz dazu ist das Schalten in einen leichteren Gang unter Last und im Gelände etwas undefiniert, hier bieten die Steighilfen der Kassette nicht genug Unterstützung. Auf der Straße und in der Ebene hat das auf unseren Testfahrten wesentlich besser funktioniert.

Die Campagnolo Ekar-Kurbel und -Kette

Wie auch in der Vergangenheit setzen die Italiener auf eine zweiteilige Welle, die in der Mitte des Tretlagers zusammengeführt wird. Das ermöglicht einen cleanen und schicken Look! Das Ekar-Innenlager ist für alle gängigen Standards erhältlich, ob geschraubt oder gepresst, sinnvoll oder unnötig: BSA, ITA, BB86, BB30, BB30A, BB386, PF30, BB RIGHT und auch T47 werden abgedeckt. Das Finish der Kurbel ist wirklich edel und die Verarbeitung sehr hochwertig, lediglich der Übergang vom Kurbelarm zum Kettenblatt wirkt etwas unfertig. Rein äußerlich kann die neue 1-fach-Kurbel ihre Wurzeln nicht verstecken – wer Campagnolo kennt, wird die Firmenzugehörigkeit direkt sehen.

Die Kurbelarme werden von aufsteckbaren Kunststoffüberzügen vor ungewolltem Felskontakt geschützt. Wozu der Gummizug auf der Innenseite sein soll, ist wohl ein firmeninternes Geheimnis. Der Größe des Kettenblatts ist durch den großen Lochkreis leider ein klares Limit gesetzt, kleiner als 38T ist nicht drin. Während dies für Gravel-Race und Allroad passend ist, werden Adventure- und Bikepacking-Fahrer mit schweren Taschen am Rad hier an die Grenzen kommen – zumindest ohne einen aufputschenden Espresso vor dem Anstieg. Das Kettenblatt nutzt das bewährte Narrow-Wide-Design der Zähne, auch im anspruchsvollen Gelände hatten wir keinerlei Kettenabfaller zu beklagen. Endlich hat auch bei Campagnolo das Kettenschloss Einzug erhalten: Die Kette ist wahlweise mit C-Link oder klassischem Nietstift erhältlich.

Die Campagnolo Ekar-Bremsen

Kommen wir zu unserem Highlight der Ekar-Gravel-Schaltgruppe: den Bremsen! Sie bieten direkt ab Werk ordentlich Brems-Power und Sicherheit – sogar ohne Einbremsen. Die Verzögerung ist dabei sehr sensibel dosierbar und die maximale Bremskraft beeindruckend. Die Bremsanlage ist definitiv das Gruppenteil, das sich am deutlichsten von der Konkurrenz abhebt! Auch bei der Dicke der Bremsscheiben hat sich Campagnolo Gedanken gemacht und diese mit 1,85 mm so entworfen, dass Verletzungen vermieden werden sollten. Leider sind die Scheiben bei Veröffentlichung nur in 140 und 160 mm erhältlich, eine 180er-Version wäre auf jeden Fall wünschenswert. Im Vergleich zur Campagnolo Super Record, bei der in Kooperation mit MAGURA gearbeitet wurde, ist die Ekar-Bremse komplett von Campagnolo entwickelt worden.

Unser Fazit zur Campagnolo Ekar-Gravel-Schaltgruppe

Die Campagnolo Ekar ist die Boutique-Schaltgruppe im Gravel-Kosmos und hat abseits der Standard-Gruppen ihren ganz eigenen Reiz. In erster Linie werden sich Gravel-Racer und ambitionierte Allroad-Fahrer über fein abgestufte Kassetten und die Möglichkeit freuen, sich von der Masse abzusetzen. Die Bremsanlage ist erstklassig! Bikepacker und Gravel-Fahrer in alpinem Gelände werden mit den großen Kettenblättern jedoch wenig Freude haben. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist im Vergleich zur Konkurrenz schlecht, hier gibt es für weniger Geld deutlich mehr Performance.

Tops

  • clevere Abstufung der Kassette für ambitionierte Gravel-Racer
  • Performance und Modulation der Bremsen
  • Funktion der Schaltwerksdämpfung
  • Handwerkskunst

Flops

  • eingeschränkter Einsatzbereich durch Größe an Kettenblättern
  • (aktuell?) keinerlei Optionen auf eine 180-mm-Bremsscheibe
  • in ruppigem Gelände schwammiges Herunterschalten von mehreren leichten Gängen

Mehr Informationen zur Campagnolo Ekar findet ihr unter campagnolo.com


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Text: Benjamin Topf, Philipp Schwab Fotos: Valentin Rühl, Campagnolo