Aus Cyclocross-Bike mach Gravel-Maschine – diesen Ansatz verfolgt Specialized mit dem Crux 2022. Dafür spendieren die Kalifornier dem Bike mehr Reifenfreiheit und ein geringeres Gewicht. Cyclocross-Gene treffen auf die Leichtbau-Technologie des Specialized Aethos. Wie das im Praxiseinsatz funktioniert? Das S-Works Crux im Test!

Specialized S-Works Crux – diesen Namen bringen viele unweigerlich mit den größten Cyclocross-Events in Verbindung. Zu Recht, war das Bike doch lange Zeit genau hier zuhause. Diese Zeiten sollen nun vorbei sein, zumindest zum Teil. Denn mit dem Aufstieg von Gravel eröffnen sich für Hersteller breitere Absatzmärkte.

Specialized S-Works Crux 2022 | 7,15 kg in Größe 56 | 12.800 € | Hersteller-Website

Da sich die Bereiche Cyclocross und Gravel teilweise überlappen, verwundert es nicht, dass manche schon in der Vergangenheit ein Crux für den schnellen und performanten Gravel-Einsatz gewählt haben und das Bike auch bei Gravel-Rennen bereits erfolgreich war. Es scheint deshalb nur logisch, dass Specialized diesen Schritt macht und das Crux auch offiziell als Gravel-Bike vermarktet. Doch ist es mehr als Marketing und geht die Rechnung wirklich auf?

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Das Design des Specialized S-Works Crux 2022

Das Specialized Crux 2022 bedient sich an der Leichtbau-Technologie des Specialized Aethos (zum Test) – und das sieht man bereits auf den ersten Blick. Das bedeutet allerdings auch, dass das Bike mit Aethos-typischen Designmerkmalen daherkommt. Aus Integration macht sich das S-Works Crux wenig: An der Front hängen die Kabel teilweise außen, was in dieser Preisklasse überrascht, und die Sattelstützklemmung ist ebenfalls nicht mehr integriert – in gewissermaßen ein Rückschritt im Vergleich zum Vorgängermodell. Was für alle Hobby-Graveler aus optischen Gründen und für die Befestigung von Lenkertaschen zwar blöd sein mag, kann für Profi-Mechaniker bei CX-Rennen von Vorteil sein. Denn außen liegende Kabel am Cockpit und ein klassisches Lenker-Vorbau-Setup ermöglichen einen schnelleren Wechsel von Komponenten und bieten für Piloten extrem viele Anpassungsmöglichkeiten in Bezug auf die Definition der perfekten Fahrposition. Eventuell muss das Bike im Interesse des Gewichts Abstriche machen – denn mehr Integration bedeutet in der Regel auch mehr Gewicht. Auch den Trend zu heruntergezogenen Sitzstreben sucht man beim Crux vergeblich. Kompromisse bei der Integration und hoch angesetzte Sitzstreben sorgen im Zusammenspiel, wie auch beim Specialized Aethos, für einen eher klassischen Look des Bikes.

Das Specialized S-Works Crux kommt mit einem geschraubten Tretlager – gut so!
Die Sattelstützklemme ist nicht integriert – ein Rückschritt im Vergleich zum Vorgängermodell.
Auch an der Front des Specialized S-Works Crux hätten wir uns mehr Integration gewünscht – dank der kabellosen SRAM RED eTap AXS-Schaltung hält sich der Kabelsalat aber in Grenzen.

Rahmen und Geometrie des neuen Specialized Gravel-Racers

Tiefer Stack und langer Reach – die Geometrie des Specialized S-Works Crux 2022 orientiert sich an der Cyclocross-Geometrie des Vorgängermodells. Damit sorgt das Bike für eine sportlich gestreckte, ins Bike integrierte Sitzposition, wodurch man die hohe Agilität des Bikes aus dem Zentrum heraus immer kontrolliert steuern kann. Wenn man sich auf das S-Works Crux schwingt, fühlt man sich durch diese Sitzposition eher zu einer sportlichen Vollgas-Runde motiviert, als lässig dahinzurollen. Dazu passt auch die sonstige Ausrichtung des Bikes: Außer drei Befestigungsmöglichkeiten für Trinkflaschen – zwei im Hauptrahmendreieck und eine unter dem Unterrohr – gibt es keine weiteren Anschraubpunkte für eventuelles Bikepacking. Ebenfalls eher racey ist der Roval Terra-Lenker mit 12° Flare und kompaktem 103 mm Drop. Beides verändert die Sitzposition eher wenig, bietet aber mehr Kontrolle in den Drops. Wer mehr Drop oder Flare haben will, kann den Lenker durch den klassischen Aufbau leicht gegen ein anderes Modell tauschen. Trotz der von der UCI für Cyclocross-Rennen zugelassenen Geometrie bietet das S-Works Crux, wie auch das Specialized Diverge, großzügige 47 mm Reifenfreiheit und macht somit den Schritt in Richtung Gravel, wo mit Reifen im Format 700 x 47C fast alle Einsatzszenarien denkbar sind. Alle Geometrie-Daten des Crux gibt’s in der Tabelle.

Größe 49 52 54 56 58 61
Sattelrohr 466 mm 496 mm 521 mm 546 mm 576 mm 606 mm
Oberrohr 512 mm 539 mm 549 mm 568 mm 582 mm 599 mm
Steuerrohr 100 mm 115 mm 130 mm 147 mm 167 mm 190 mm
Lenkwinkel 70.5° 71,25° 71,5° 72° 72,25° 72,5°
Sitzwinkel 75.5° 74° 74° 73,5° 73,5° 73,5°
Kettenstrebe 425 mm 425 mm 425 mm 425 mm 425 mm 425 mm
Tretlagerabsenkung 74 mm 74 mm 72 mm 72 mm 72 mm 72 mm
Radstand 1008 mm 1014 mm 1023 mm 1033 mm 1045 mm 1059 mm
Reach 375 mm 382 mm 388 mm 397 mm 405 mm 415 mm
Stack 530 mm 547 mm 560 mm 578 mm 598 mm 621 mm

Die Ausstattung des Specialized S-Works Crux 2022

Bei der Ausstattung des S-Works Crux 2022 greift Specialized ganz oben ins Komponenten-Regal von SRAM: Das Bike kommt mit einer SRAM RED eTap AXS-Gruppe, wobei Schaltwerk und Kassette in der XPLR-Ausführung verbaut sind. Und diese Kombination funktioniert am S-Works Crux sehr gut. Die 1×12-Übersetzung aus 40T-Kettenblatt und 10–44T-Kassette wird nur etwas dünn, wenn es auf Asphalt richtig schnell wird. Ansonsten sind damit alle Tempobereiche gut abgedeckt und mit der Untersetzung kommt man fast überall hoch – vor allem dank des geringen Gewichts und ohne Gepäck, das es am Crux meist eh nicht gibt. Dank der Einfach-Schaltung ergibt sich die einfachste Schaltlogik überhaupt: links runter, rechts hoch. Wer es lieber andersrum hat, kann es in der SRAM-App auch umkehren. Stichwort Schalthebel: Hier klappert im Gegensatz zu früheren RED eTap AXS-Hebeln auch auf rauestem Untergrund absolut nichts mehr. SRAM scheint diesbezüglich endlich ein Update in der laufenden Serie gemacht zu haben. Ein beidseitig messender Powermeter ist in der SRAM RED eTap AXS-Kurbel serienmäßig verbaut, was unseren Erwartungen an ein Bike dieser Preisklasse und mit der Ausrichtung des Crux entspricht. Zu den SRAM-Komponenten gesellt sich eine Roval Alpinist-Sattelstütze mit 27,2 mm Durchmesser. Sie kann für mehr Trail-Tauglichkeit durch Dropper-Posts in diesem Durchmesser ersetzt werden, wobei die dazu eventuell nötigen Züge innen verlegbar sind. Dazu kommen die Roval Terra CLX-Laufräder, die für den Einsatzbereich des Specialized S-Works Crux sehr gut passen: Sie bieten mit 25 mm eine große Innenmaulweite für voluminöse Reifen, mit 32 mm Felgentiefe etwas Aero-Performance und gehen mit geringem Gewicht gut bergauf. Die bei uns auf die Laufräder tubeless montierten Specialized Pathfinder Pro 2Bliss Ready-Reifen in 700 x 38C (zum Test) sind auf trockenem bis feuchtem, festgefahrenem Untergrund extrem gut und rollen durch ihre glatte Lauffläche auf Asphalt und Hardpack sehr schnell. Auf diesem Untergrund beißen sie sich in Kurven fest, bieten sehr viel Reserven und fördern so das Selbstvertrauen des Fahrers. Die Bremsperformance leidet bei nassem und losem Untergrund allerdings unter der glatten Lauffläche. Da helfen dann auch die SRAM-typisch sehr guten RED eTap HRD-Bremsen wenig, die sonst bei Dosierung, Standfestigkeit und Bremskraft glänzen. Bei tiefem, rauem oder matschigem Untergrund sind grobstolligere Reifen nötig. Unser Testbike in Größe 56 bringt in dieser Konfiguration 7,15 kg auf die Waage und gehört damit zu den leichtesten Gravel-Bikes, die wir je getestet haben. Und es ist auch eins der teuersten, die wir je getestet haben: Mit einem Preis von 12.800 € wurde es seit seiner Vorstellung vor wenigen Monaten sogar 600 € teurer.

Der Specialized Pathfinder Pro 2Bliss Ready hat großen Anteil an der Performance des S-Works Crux 2022. Auf kompakten Untergründen rollt er extrem gut und in Kurven sorgt er für viel Selbstvertrauen.

Specialized S-Works Crux 2022

12.800 €

Ausstattung

Sattelstütze Roval Alpinist 27,2 mm
Bremsen SRAM RED eTap AXS HRD 160/160 mm
Schaltung SRAM RED eTap AXS XPLR 1x12
Vorbau S-Works SL 100 mm
Lenker Roval Terra 420 mm, 12° flare
Laufräder Roval Terra CLX 12 x 100/12 x 142 mm Through Axle
Reifen Specialized Pathfinder Pro 2Bliss Ready 700 x 38C
Kurbeln SRAM RED eTap AXS Power Meter 172,5 mm
Kassette SRAM CS-XG-1271-D1 10–44T

Technische Daten

Größe 49 52 54 56 58 61
Gewicht 7,15 kg

Das Specialized S-Works Crux im Test

Schon mal ein Specialized S-Works Aethos gefahren? Das Specialized S-Works Crux fühlt sich an wie ein Aethos im Offroad-Modus. Und dass das nichts Schlechtes ist, zeigt der Fakt, dass das Aethos unseren großen Rennrad-Vergleichstest gewonnen hat. Für alle, die noch nie ein Aethos gefahren sind: Das S-Works Crux ist schnell – bergauf, bergab und in der Ebene. Dazu beschleunigt es aus jeder Lebenslage leichtfüßig und ist sehr direkt und präzise. Die Agilität steht bei dem Bike über der Laufruhe, bei welcher es nicht auf das Niveau des Schwestermodells Diverge kommt. Trotzdem ist der Geradeauslauf voll im Rahmen und so ist das S-Works Crux wie gemacht für American-Highspeed-Gravel. Man kann das Bike mit den passenden Fahr-Skills zwar auch auf leichten Pfaden und Trails recht schnell bewegen, doch kommt es hier schnell ins Underbiking und dafür ist es nicht gemacht: die Geometrie zu agil, präzise, aggressiv, der Lenker zu schmal und die Abstimmung zu straff. Das merkt man auch beim Komfort. Der ist für schnelle Schotterpisten und Allroad-Einsätze absolut ausreichend und glänzt mit guter Vibrationsdämpfung, ist aber für verwurzelte Waldwege oder gröbere Schotterpisten zu straff.

Die CX-Gene des Crux sind also bei der Performance immer noch voll da, hier muss sich kein eingefleischter Cyclocrosser Sorgen machen. Auf ein etwas abgeflachtes Oberrohr, wie beim Vorgänger und für ein besseres Tragekomfort auf der Schulter, verzichtet das 2022er-Modell allerdings. Dafür kommt dem Bike die erhöhte Reifenfreiheit auch im Cyclocross-Einsatz zugute: Bei maximal 35 mm breiten Cyclocross-Reifen entsteht sehr viel Platz zwischen Reifen und Rahmen. Es muss dann schon sehr viel Schlamm im Rahmen hängen, um den Reifen zu blockieren. Die Welten Cyclocross und Race-Gravel lassen sich also unter bestimmten Voraussetzungen und für gewisse Fahrertypen sehr gut kombinieren, weshalb auch das alte Crux schon ein Gravel-Geheimtipp für viele Performance-orientierte Piloten war. Der Schritt hin zum offiziellen Gravel-Bike war für das Specialized S-Works Crux 2022 dann nur noch ein kleiner.

Alle Cyclocross-Fans dürfen sich freuen – obwohl das Oberrohr des Crux nicht mehr so stark abgeflacht ist wie beim Vorgängermodell, lässt sich das Bike gut schultern.

Für wen ist das Specialized S-Works Crux?

Das Specialized S-Works Crux 2022 ist das richtige Bike für alle, die auf absoluten Speed auf Schotter stehen, gelegentlich auch auf Allroad unterwegs sind oder sich auf leichten Flowtrails vergnügen möchten. Mit einem zweiten Laufradsatz wird es fast schon zum vollwertigen Allroad-Bike und somit zum hauseigenen Konkurrenten für das Specialized S-Works Aethos. Trotz der neuen Ausrichtung des Crux auf Gravel bleibt das Bike auch für all jene das richtige Arbeitsgerät, die in Cyclocross-Rennen ans Limit gehen wollen. Für alle, die es etwas gemütlicher angehen lassen wollen, auch mal härtere Trails in den Fokus nehmen, im Alltag und bei jeder Witterung pendeln oder mit viel Gepäck zu Bikepacking-Abenteuern aufbrechen wollen, gibt es hingegen geeignetere Bikes zur Auswahl – aus dem Gravel- oder gar Mountainbike-Segment, wie unser
Vergleichstest der Ausgabe #019 gezeigt hat. Und wenn ihr noch gar nicht wisst, welche Art des Gravelns überhaupt die eure ist, solltet ihr unbedingt im Vorfeld eure persönliche Gravel-Bike-Kaufberatung absolvieren.

Unser Fazit zum Specialized S-Works Crux

Specialized macht das Crux mit mehr Reifenfreiheit attraktiv für die breite Gravel-Masse, verliert aber die CX-Race-Performance nicht aus dem Blick. So ist das Bike vor allem für Rennen im American-Gravel-Style eine sehr gute Wahl. Minuspunkte gibt es für Kompromisse bei der Integration – doch die Performance des Bikes gibt Specialized Recht denn das Crux macht auf kompakten Untergründen richtig Tempo. Wer mehr im Explorer-Modus oder mit Gepäck unterwegs ist, sollte weiterhin zum Diverge greifen.

Tops

  • Ausstattung konsequent auf höchstem Niveau
  • absolute Race-Performance
  • sehr geringes Gewicht
  • große Reifenfreiheit bis 700 x 47C

Flops

  • Kompromisse bei der Integration
  • keine zusätzlichen Anschraubpunkte

Weitere Informationen zum Specialized S-Works Crux gibt es unter specialized.com.


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Text: Fotos: Robin Schmitt