Robin: In unserer Erstausgabe gab es einen Vergleichstest mit Traumbikes, die größtenteils auch in der Pro-Tour gefahren werden. Auch auf dem GFNY waren enorm viele Leute auf diesen super Racebikes unterwegs – das wäre aber so, als würde jeder Otto Normalo hier im Straßenverkehr in New York City mit einem Porsche GT3 fahren. Wie steht ihr dazu, dass so viele Leute die Racebikes der Profis fahren (wollen), obwohl man deutlich sieht, dass sie auf weniger extremen Bikes eine deutlich bessere Leistung abliefern könnten?

Uli: Ich denke, da gibt es große regionale Unterschiede: Wenn du in Italien jemanden fragst, was ein Gran-Fondo-Bike ist, dann zeigt er dir, dass jedes Pro-Tour-Teambike ein Gran-Fondo-Bike ist – weil das eben Hardcore-Rennfahrer sind. Und der Amerikaner denkt halt, Gran Fondo ist eine Radtour und dann ist natürlich ein Rad, das ein längeres Steuerrohr hat, für so jemanden, der gerne etwas gemütlicher fährt, schon besser! Aber zurück zur Frage: Die meisten Rennfahrer eifern den Profis nach und wollen eben genau deren Material fahren. Ich habe dahingehend aber schon den Eindruck, dass einige Hersteller in die richtige Richtung gehen. Die falsche Richtung ist, ein Rad aufzubauen, das einem Hobbyfahrer passt, wo dann der Profi einen Vorbau hat, der nach unten zeigt. Das habe ich auch schon gesehen. Profis, die dann mit einem negativem Vorbau fahren müssen, weil nicht mal die Teams ein Custom-Made kriegen, damit der Rahmen dann auch einem Normalverbraucher verkauft werden kann.

Wie sieht eigentlich das perfekte Gran Fondo Bike aus?
Wie sieht eigentlich das perfekte Gran Fondo Bike aus?

Robin: Es fehlt so ein bisschen die S-Klasse, wie in der Automobilbranche. Das komfortable Auto, das für die Leute mit Geld trotzdem Prestige hat.

Uli: Dem Mitvierziger, der gerade angefangen hat mit dem Radfahren, zu erklären, dass er kein Profi-Rennrad braucht, ist psychologisch schon schwierig. Zu sagen, dass ein bisschen mehr Komfort für ihn besser wäre.

Joko: Und ich glaube auch, ein Vierzigjähriger, der im Jahr seine 5.000–7.000 km abspult, will einfach sein Fahrrad fahren. Und wenn es etwas weh tut, dann tut es etwas weh. Es ist letztlich auch Prestige dahinter.

Uli: Ja … „Ich kann das. Ich brauche keine Spacer.“

Joko: Genau so ist es. Bei uns in der Schweiz gibt es viele Leute, die mit extrem teuren Rädern unterwegs sind und dieser Anteil ist bei Straßenrennen wie unserem überdurchschnittlich hoch. Da kann man nach Deutschland, England oder wo auch immer gehen und sieht was ganz anderes. Für die Industrie selbst ist das natürlich ein sehr kleiner Markt, aber es ist schon auch ein Prestige-Markt.

Robin: Was haltet ihr von Disc-Brakes?

Uli: Ich glaube Disc-Brakes braucht man nicht auf der Straße. Vielleicht im Regen auf den Alpen auf einer Abfahrt. Ich finde sie hässlich, schwer, unnötig. Die Gefahr wird überbewertet, gerade bei so Hobby-Rennen wie unseren. Und kurzfristige Reglement-Änderungen bzw. Verbote sind natürlich krass. Ich hab zu USA Cycling gesagt: „Wenn ihr das jetzt zwei Wochen vorher verbietet, dann kann ich da nicht mitziehen.“ Ich kann den Leuten nicht sagen: „Jetzt müsst ihr noch ein neues Rad kaufen!“

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Robin: Ist eurer Rennen lizensiert?

Uli: Nee, das Rennen nicht. Aber USA Cycling hat eine Gran-Fondo-Kategorie und der GFNY gehört da dazu. Der Präsident ist auch in New York mitgefahren. Mit dem arbeiten wir gerne. Die alten Jungs, die wollten nicht mit uns. Ich denke aber, dass in 3–4 Jahren auch der GFNY als normales Rennradrennen gewertet wird. Die großen Radrennen, die großen Straßenrennen fallen ja seit Anfang der 90er weg. Stuttgart-Strasbourg zum Beispiel, das war ein normales Radrennen mit 150 Teilnehmern. Über den Schwarzwald und alles! Das wäre heute unvorstellbar! Und diese Rennen gibt es heute nicht mehr, weil sie finanziell nicht zu stemmen sind. Mit 5.000 Leuten kann man es aber finanzieren und dann ziehen die Verbände auch mit. Irgendwann sagt man dann: „Ja gut, die 200 Hardcore-Leute mit Lizenz starten im ersten Block.“ Und dann ist das auch geregelt.