Federelemente an Dropbar-Bikes erobern den Markt im Sturm. Doch welche Fahrwerkskonzepte gibt es und für welche Einsatzzwecke sind sie sinnvoll? Warum müssen sich Dropbar-Federelemente zwangsläufig von MTB-Fahrwerken unterscheiden? Worauf kommt es an, und gibt es nicht vielleicht auch bessere Alternativen, um die gesteckten Ziele zu erreichen?

Inhaltsverzeichnis

Wer die aktuelle Entwicklung von Dropbar-Bikes genau verfolgt, wird bemerkt haben, dass viele Modelle immer häufiger auf Federelemente setzen. Ein Trend, der gekommen ist, um zu bleiben?

An vielen Dropbar-Bikes kommen Komponenten mit Eigendämpfung zum Einsatz, wie clever konstruierte Cockpits und Rahmen, Reifen in den unterschiedlichsten Konfigurationen, sei es in Kombination mit steifen oder dämpfenden Laufrädern wie etwa die Zipp 101 XPLR. Selbst unscheinbare Dinge wie das Lenkerband können den Komfort und vieles mehr am Gravel-Bike verbessern. Die Bandbreite an Federelementen und Features, die über die Compliance bzw. Nachgiebigkeit von Rahmen und Anbauteilen hinausgehen, ist mittlerweile enorm. An vielen neuen Gravel-Bikes finden sich derweil Federgabeln wie z. B. RockShox Judy oder ähnliche Systeme wie das BMC HiRide-System, das zwischen Gabelkrone und Rahmen im unteren Steuerrohr sitzt. Anstatt einer Federgabel setzen viele Hersteller auch auf ein gefedertes Cockpit wie etwa das Specialized Future Shock. Außerdem gibt es auch Federungskonzepte, die sich nachrüsten lassen, wie das Redshift ShockStop-System, das aus Vorbau und Sattelstütze – beides gefedert – besteht. Neben gefederten (und absenkbaren) Sattelstützen gibt es auch Hinterbausysteme wie Trek IsoSpeed, BMC Micro Travel oder Wilier ActiFlex 2.0. Das Specialized Future Shock Rear am neuen Diverge STR interpretiert hingegen das Konzept eines Dämpfers komplett neu. Ob es deshalb jedoch besser ist, ist eine ganz andere Frage – die wir in diesem Artikel ebenfalls beantworten wollen.

In gewohnter GRAN FONDO-Manier heißen wir die Chancen und Möglichkeiten, die sich uns als Dropbar-Fans bieten, herzlich willkommen und bringen euch den ultimativen Überblick, inklusive einiger neuer Erkenntnisse und spannender Überraschungen sowie effektiver Federungs-Alternativen, die teils sogar kostenlos sind und jeder von euch schon besitzt!

Wiederholt sich die Geschichte? Die Ursprünge der Federelemente von Rennrädern und Gravel-Bikes

Es ist nur wenige Jahrzehnte her, da stellte sich die Frage „gefedert oder ungefedert“ noch gar nicht. Denn die ersten Mountainbikes waren – wie viele konventionelle Gravel-Bikes heute – sowohl an der Gabel als auch am Heck ungefedert. Doch wer glaubt, die Geschichte der Dropbar-Federungen wäre noch relativ jung, der irrt. 1992 und 1993 gewann bereits Gilbert Duclos-Lasalle mit einer auf der MAG21 basierenden RockShox-Federgabel den legendären Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix. 1995 hat RockShox die Paris-Roubaix-Federgabel vorgestellt, die beim gleichnamigen Frühjahrsklassiker an den Start ging. Übrigens mit 30 mm Federweg, genauso viel wie heute die RockShox Rudy in einer Modellvariante bietet.

Generation Y – (warum) braucht es überhaupt Federelemente?

Bevor wir tiefer in die unterschiedlichen Federungskonzepte einsteigen, wollen wir erstmal klären, was eigentlich Ziel und Aufgabe eines Federelements an einem Dropbar-Bike sind. Smoother is faster – diese Erkenntnis gibt es schon länger. Gerade beim Graveln erkunden wir häufig unbekannte Gefilde und sind meistens offroad unterwegs. Hier können Federelemente am Dropbar-Bike eine Menge bewirken, indem sie Unebenheiten wie Wurzeln und Schlaglöcher abmindern. Das steigert nicht nur den Fahrspaß, sondern auch das Sicherheitsempfinden und verhindert, dass der Fahrer bei Schlägen aus dem Sattel gehoben wird. Abenteurern fällt es leichter, mal auf leichte Trails abzubiegen, weil mehr Reserven vorhanden sind. So wird das Gravel-Bike auch eine coole Option für Mountainbiker. Außerdem kostet jeder Schlag Vortriebsenergie und Traktion, sorgt für eine höhere Belastung von Fahrer und Material und führt so zur schnelleren Ermüdung. Federelemente halten die Leistungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum aufrecht, wodurch sich auch längere Trips einfacher meistern lassen. Aber was Vorteile bringt, birgt oft auch Nachteile, denn durch Federelemente kommt es zu Abstrichen in der Effizienz, im Gewicht und dem einfachen Aufbau des Bikes. Bei einem klassischen Rennrad oder Gravel-Bike mit einem starren Fahrwerk bleibt die Geometrie in jeder Fahrsituation gleich. Sobald jedoch Federelemente wie eine Federgabel zum Einsatz kommen, sieht es anders aus. Dann verändern sich vor allem Lenkwinkel und Radstand, was insbesondere auf der Straße nicht gewollt ist.


Vorteile

  • mehr Komfort und weniger Ermüdung = höhere Leistungsfähigkeit
  • potentere Bikes
  • mehr Fahrspaß


Nachteile

  • Mehrgewicht
  • häufig gewöhnungsbedürftige Optik
  • höherer Wartungsaufwand
  • Geometrie-Veränderungen

Warum müssen sich Dropbbar-Federelemente zwangsläufig von MTB-Fahrwerken unterscheiden?

Wieso nicht ein MTB-Fahrwerk ins Gravel-Bike packen? So einfach ist das leider nicht. Denn die Gewichtung der einzelnen Parameter ist komplett anders.

  • Schlaggröße und dementsprechende Absorbtionsfähigkeit
  • akzeptables Mehrgewicht
  • Effizienz
  • Wartungsaufwand / Komplexität
  • Einstellbarkeit
  • Design
  • Geometrieveränderungen beim Einfedern
  • Andere Geometrie am RR und Gravel macht klassische Gabeln ineffizient.

Im Vergleich zu Mountainbikes werden Gravel-Bikes in anderem Terrain bewegt und sind viel kleineren Schlägen ausgesetzt. Die Schlaggröße und die daraus resultierende Absorptionsfähigkeit ist dementsprechend deutlich geringer. Aufgrund dessen sind die Federelemente weniger stark belastet und müssen nicht auf maximale Stabilität getrimmt sein, dennoch kommen sie mit zusätzlichem Gewicht im Vergleich zu einem Gravel-Bike ohne Suspension. Durch die Federelemente erhöht sich nicht nur die Zahl auf der Waage, sondern auch die Komplexität, da vor allem Federgabeln einen erhöhten Wartungsaufwand bedeuten und die Wahrscheinlichkeit von Defekten steigern – das sollte man beim nächsten Bikepacking-Trip ins Nirgendwo im Hinterkopf behalten.

Zwei Jahrzehnte der Konstruktion von Hinterbau-Konzepten im Mountainbike-Bereich wurden maßgeblich von einer zentralen Frage beeinflusst: Wie können wir ein Fahrwerk entwickeln, das dem Fahrer keine Energie entzieht? Bikes sollten so effizient wie möglich sein, um jedes Watt des Fahrers in Vortrieb umzuwandeln (für E-Bikes gilt natürlich ein anderes Szenario, da diese einen ergänzenden Motor besitzen). Ein Bike zu fahren, ist eine sehr dynamische Handlung. Anders als bei einem Motorrad mit einem fest installierten Motor und einer relativ statischen Fahrposition, bewegt sich ein Radfahrer in alle Richtungen. Die Treteffizienz beschreibt die Fähigkeit, die Energie, die beim Treten von den Muskeln des Fahrers erzeugt wird, an das Hinterrad zu übertragen. Dabei ist es wichtig, dass so wenig Energie wie möglich im Fahrwerk verpufft. Vor allem bei Sprints trägt ein steifer Rahmen zur besseren Effizienz des Bikes bei.

Bei einem Gravel-Bike mit einem starren Fahrwerk bleibt die Geometrie des Rahmens in jeder Situation gleich. Das ändert sich, sobald Federelemente zum Einsatz kommen. Bei flexenden Sattelstützen und entkoppelten Sitzrohren verändert sich je nach Sattelauszug der Sitzwinkel unterschiedlich stark. Der Sattel beschreibt eine Neigungskurve und verändert die Sattelneigung über den „Federweg“ hinweg. Durch das Einfedern einer Federgabel wird der Radstand kürzer und der Lenkwinkel, als auch der Sitzwinkel steiler, da das Bike vorne eintaucht und sich damit die gesamte Fahrerposition verschiebt.

Oder warum nicht gleich ein Mountainbike?

Kaum eine andere Komponente steht mehr für das Sinnbild der Grenze zwischen Dropbar-Bike und MTB als der Rennlenker. Er erlaubt eine Vielzahl an unterschiedlichen Griffpositionen, sodass man die eigene Sitzposition stark verändern kann. Dropbar-Bikes besitzen meist eine höhere Steifigkeit und Präzision als ein MTB, unter anderem durch kleinvolumigere Reifen und ein anderes Carbon-Layup des Rahmens. Einen spannenden Konzeptvergleich zwischen Gravel- und Mountainbike findet ihr hier!

Welche für’s Gravel-Bike relevanten Federelemente gibt es eigentlich? Wir erklären die Funktionsweisen.

Da wir nun geklärt haben, wieso sich Dropbar-Fahrwerke von MTB-Fahrwerken unterscheiden müssen, werfen wir einen genaueren Blick auf die unterschiedlichen Suspension-Konzepte:

Zweiteilige Sattelstütze wie die Canyon S25 VCLS 2.0 CF

Die Koblenzer setzen bei ihrer Sattelstütze auf ein Blattfederkonzept aus Carbon: Die patentierte Formgebung der S25 VCLS-Sattelstütze erzeugt bis zu 20 mm Federweg und soll 100 % wartungsfrei sein. Jedoch ist die Federhärte nicht einstellbar, und bei unterschiedlich großem Sattelauszug verändert sich die Steifigkeit spürbar. Außerdem kann sich die Stütze bei Schlägen aufschaukeln, da sie nicht gedämpft ist. Bei klassischen MTB-Fullys gibt es die sogenannte Raderhebungskurve. Sie beschreibt die exakte Linie, der die Achse des Hinterrades beim Einfedern folgt. Bei einem Bike mit flexender Sattelstütze statt einer MTB-Federung verbiegt sich die Stütze in einer Neigungskurve, welche die Sattelneigung über den Federweg hinweg verändert und so mehr oder minder das Gefühl vermittelt, nach hinten vom Sattel zu rutschen. Bei Canyon verändert sich die Sattelneigung aufgrund der zweiteilig aufgebauten Stütze indes nur sehr gering.

Trek IsoSpeed

Das Trek IsoSpeed-System entkoppelt das Sitz- vom Oberrohr, um mehr vertikalen Flex zu erlauben. Es wird ein Sitzdom anstelle einer herkömmlichen Sattelstütze verwendet, der über das Sitzrohr geschoben wird und somit den Flex über zwei Größen beeinflusst, die sich in der Länge unterscheiden. Bisher gab es die Möglichkeit, das System in geringem Umfang an Fahrergewicht und Fahrstil anzupassen, in der neuesten Evolutionsstufe fehlt diese Einstellbarkeit.

Dämpfer wie der Rear Future Shock

Am neuen Specialized Diverge STR kommt der Rear Future Shock zum Einsatz, ein neu entwickeltes Federungskonzept, welches den Dämpfer am Gravel-Bike komplett neu interpretiert. Das System besteht aus Sattelrohr und Dämpfer im Oberrohr und stellt rund 30 mm Federweg bereit. Abhängig von Fahrstil, Gewicht und Größe ist er über ein austauschbares Sattelrohr vollständig einstellbar. Das austauschbare Sattelrohr stellt die Feder dar und ist in 9 verschiedenen Steifigkeiten verfügbar, wobei jedes über zwei Stellungen verfügt, die jeweils eine andere Steifigkeit bewirken. Der Dämpfer im Oberrohr kontrolliert das Federn des Sattelrohrs und lässt sich mittels 3-stufigem Compression-Hebel einfach während der Fahrt anpassen. Der Rebound wird über einen Inbus auf der Unterseite des Oberrohrs eingestellt. Geht man mit dem Diverge STR aus dem Sattel und sprintet, bleibt der Rahmen steif, bei einem vollgefederten Mountainbike flext alles mit. In manchen Fahrsituationen wippt das Heck zu stark nach, es sei denn, man nutzt die zweistufige Druckstufeneinstellung, um es zu blockieren. Ein bautechnischer Nachteil: Der Dämpfer kann nicht gewartet werden und ist laut Specialized ein Verschleißteil, muss aber nur dann getauscht werden, wenn es einen Anlass hinsichtlich der Funktion gibt.

Dämpfende Teleskop-Sattelstütze wie SRAM Reverb AXS XPLR

Die SRAM Reverb AXS XPLR-Sattelstütze bietet 50–75 mm Hub, je nach Größe. Mit einem Durchmesser von 27,2 mm kann sie allerdings nicht in allen Dropbar-Bikes verbaut werden. Wenn die Teleskopstütze leicht abgesenkt ist (z. B. im Gelände), federt sie im ActiveRide-Modus mit vertikaler Federung und Dämpfung, dient aber in erster Linie dem Komfort am Hintern statt der Traktion am Hinterreifen. Durch das Absenken hat man ein hohes Sicherheitsempfinden im Downhill und einen Komfortgewinn im Sitzen. An vielen Dropbar-Bikes kann die SRAM Reverb AXS XPLR nicht montiert werden, da sie ein Sattelstützmaß von mindestens 27,2 mm erfordert. Ein paar Gravel-Bikes wie das YT SZEPTER setzen auf 30,9 mm, sodass man eine normale MTB-Dropper-Post mit deutlich mehr Hub einbauen kann.

Elastomere wie am Wilier Granturismo SLR, BMC URS

Die Elastomere sitzen am Hinterbau und verformen sich bei Druckbelastung. Durch diese Elastizität können Stöße ausgeglichen und in Maßen absorbiert werden. Der Nachteil ist, dass manche Konzepte (z. B. BMC) nicht auf den Fahrer angepasst werden können. Mit etwas größerem Aufwand kann am Wilier das Elastomer durch verschiedene Einsätze in einem bestimmten Maß an das Fahrergewicht angepasst werden. Allerdings ist eine feine Abstimmung nicht möglich.

Gefedertes Cockpit wie Future Shock 2.0

Das Federelement sitzt zwischen Vorbau und Steuerrohr und lässt eine vertikale Bewegung oberhalb des Steuerrohrs zu. Einfach gesagt, wird bei diesem System das gesamte Cockpit gefedert und das Fahrverhalten nicht verändert – im Gegensatz zu einer klassischen MTB-Federgabel, bei der sich beim Einfedern der Lenkwinkel deutlich verändert. Die Stärke der Dämpfung ist über ein Drehrad auf der Oberseite des Vorbaus einstellbar und kann auch komplett gelockt werden.

Gefederter Vorbau wie Redshift ShockStop

Das Redshift ShockStop-System besteht aus zwei Komponenten: Vorbau und Sattelstütze. Der gefederte Vorbau fängt über Elastomere im Inneren Stöße ab. Um das System einzustellen, muss der Lenker demontiert werden. Im Lieferumfang befinden sich dafür 5 verschiedene Elastomere in unterschiedlichen Härten, welche in 10-kg-Schritten anpassbar sind. Ein weiches Setup erzeugt im Sitzen viel Komfort, führt bei Bremsmanövern oder im Wiegetritt auf den Hoods aber dazu, dass der Lenker absackt bzw. wippt. Ein straffes Setup reagiert hingegen überwiegend auf harte Schläge, hält dafür den Lenker gut auf Position und absorbiert die Mikrovibrationen auf groben Straßen gut. Im Vergleich zum Future Shock 2.0-System bewegt sich der Lenker in einem Radius vom Steuerrohr aus und nicht parallel zum Boden.

Gefederte Sattelstütze wie Redshift ShockStop

Anders als der Vorbau funktioniert die Federung der Sattelstütze per Parallelogramm, das im Inneren der Stütze auf eine normale Feder drückt. Die Anpassung auf das jeweilige Fahrergewicht erfolgt über ein Gewinde am Boden der Stütze und lässt sich durch die freie Vorspannung genau anpassen. Sämtliche Unebenheiten werden geschluckt, egal ob kleine Steine oder große Schlaglöcher. Dank der Umlenkung und der Reibungskräfte des geschmierten Kolbens, der im Inneren auf die Feder drückt, federt die Sattelstütze weder zu schnell noch zu langsam ein und aus.

BMC HiRide-System

Das BMC HiRide-System sitzt zwischen Gabel und Steuerrohr und basiert auf einer Stahlfeder und einem Hydraulikdämpfer. Für das System sind drei verschiedene Federhärten und drei verschiedene PreLoad-Spacer erhältlich. Mit dem Spacer wird der empfohlene SAG von 5 mm eingestellt, womit abzüglich der oberen und unteren Endanschläge ein effektiver Federweg von ca. 12 mm zur Verfügung steht. Allerdings wird zum Wechseln ein Spezialwerkzeug benötigt – ein Besuch beim BMC-Händler ist unerlässlich und Setup-Wechsel unterwegs unmöglich. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Federgabel besitzt das HiRide-System ein weniger sensibles Ansprechverhalten aufgrund der Stahlfeder/Hydraulikdämpfer-Kombination. Wie bei dem Future Shock-System kann die Stärke der Dämpfung bis hin zum Lockout auf der Oberseite des Vorbaus eingestellt werden.

Klassische Federgabel

Die klassische Federgabel mag zwar weniger innovativ daherkommen, wie so manch neu entwickelte Suspension-Konzepte, aber jeder kennt sie. Egal, ob RockShox Rudy Ultimate oder Cannondale Lefty, sie verfügen alle über 30–40 mm Federweg und lassen sich über den Luftdruck individuell und ohne großen Aufwand einstellen. Dabei muss man bedenken, dass die Gabel durch den geringen Federweg einen minimalen Einstellbereich besitzt und die Einstellungen/Veränderungen kaum spürbar sind. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Starrgabel, nimmt das Bike je nach Gabelmodell um rund 700–900 g zu, und die Geometrie wird beim Einfedern verändert. Die Bikepacker unter euch suchen an Federgabeln Anschraubpunkte vergebens. Hand aufs Herz: Die meisten Gravel-Gabeln sehen zudem aus wie billige Trekking-Gabeln. Eine formschöne Upside-Downgabel für Cross-Country, wie die RockShox RS1, hätte sich da ganz anders in die Optik eines Gravel-Bikes eingefügt, logischerweise auch zu einem anderen Preispunkt. Übrigens auch mit ein Grund, warum man so gut wie keine FOX 32 TC-Federgabel sieht – sie ist ebenfalls schlichtweg zu teuer geraten.

Dickere Reifen oder Federgabel?

Bei allen Bikes sind Reifen der einzige Kontaktpunkt zum Boden und damit hochrelevante Teile. Reifen sind ein kostengünstiges und effektives Upgrade für mehr Komfort, Traktion und Kontrolle – vorausgesetzt, die Reifenfreiheit von Gabel und Rahmen erlaubt es. Wie gut ein Reifen funktioniert, wird durch Profil, Karkasse, Gummimischung und viele weitere Parameter beeinflusst. Mit größeren Dimensionen – was zugleich auch einem größeren Volumen des Reifens entspricht – lässt sich viel erreichen, ist aber meistens ein Kompromiss: Ist man mit zu wenig Luftdruck unterwegs, erhöht sich zwar die Absorptionsfähigkeit, dafür erhält man aber ein schwammiges Handling und hohen Rollwiderstand auf der Straße. Es ist wichtig, die goldene Mitte zu finden. Der richtige Luftdruck ist oftmals entscheidend und bietet einen guten Kompromiss aus geringem Rollwiderstand, Absorption von Schlägen sowie Grip auf losem Untergrund. So wichtig wie der richtige Luftdruck und Reifen ist auch die passende Felge dazu. Sitzt ein zu voluminöser Reifen auf einer Felge mit zu geringer Maulweite, neigt die Kombination in Kurven zum Walken. Die Faustregel heißt deshalb, dass ein Reifen im aufgepumpten Zustand möglichst ein U auf der Felge bilden sollte und kein ballonförmiges O. Damit verbessert sich die seitliche Abstützung des Reifens und folglich auch das Kurvenverhalten. Beachten müsst ihr dabei außerdem die maximale Reifenfreiheit eures Rahmensets und, dass Reifen breiter ausfallen können als angegeben, wenn sie auf Laufräder mit größerer Innenmaulweite aufgezogen werden.

Die richtige Laufrad/Reifen-Kombination beeinflusst die Performance eures Gravel-Bikes in vielen Bereichen: Egal ob Komfort, Offroad oder Traktion.

Federung ohne Dämpfung ≠ Kontrolle

Federung ist nicht alles. Denn Federung ohne Dämpfung = wenig Kontrolle – so wie bei einem Flummy. Dieses Phänomen ist bei zu hart aufgepumpten Reifen ebenfalls spürbar.
Während die Feder dafür sorgt, dass das Laufrad ein- oder ausfedern kann, kontrolliert die Dämpfung genau diese Bewegung durch ein Ventil, das den Öldurchfluss regelt. Beim Einfedern passiert das über die Compression-Dämpfung aka Druckstufe, beim Ausfedern über die Rebound-Dämpfung, die man auch Zugstufe nennt. Systemen ohne Dämpfung fehlt es an dieser definierten Kontrolle der Bewegung, weshalb sie sich oftmals aufschaukeln oder ihren Federweg viel zu schnell freigeben und harsch durchschlagen. So auch das Future Shock-System des Specialized Roubaix Expert 2017, das zwar auf rauem Asphalt viel Komfort generiert, bei sportlich-dynamischer Fahrweise aber schnell an seine Grenzen kommt und die Kontrolle und Fahrsicherheit reduziert. Generell gilt: Das beste Federsystem ist nur so gut, wie es auf Fahrer, Gewicht, Größe und Fahrstil eingestellt ist.

Gibt es nicht vielleicht auch bessere Alternativen, um die besagten Ziele zu erreichen?

Wer einen einfachen Aufbau sucht, das Gewicht gering halten will, oder einfach auf nicht so viel Schnick-Schnack steht, hat die Möglichkeit, auf andere Alternativen zurückzugreifen. Durch die Laufrad/Reifen-Kombination mit dem richtigen Luftdruck, die Montage eines anderen Sattels oder bei der Wahl des Rahmenmaterials und der Anbauteile lassen sich signifikante Verbesserungen in Sachen Komfort erzielen. Das Upgrade einer Dropper-Post beschert euch in Abfahrten sowie auf ruppigen Trails deutlich mehr Bewegungsfreiheit; ein breiterer Lenker mit mehr Flare oder sogar ein Flat-Bar-Lenker mehr Kontrolle und Sicherheit, auch ein anderes Lenkerband kann Verbesserungen bringen. Die Dimensionen der Bremsen und die Rahmengeometrie haben zudem auf das Sicherheitsempfinden und die Offroad-Eigenschaften einen großen Einfluss. Ihr könnt auch in ein Fahrtechnik-Training investieren oder, wenn ihr primär auf Trails unterwegs seid, dann kauft euch ein MTB ;).

Sich an die eigenen Nase fassen: Skills statt Technik

Ihr selbst seid das schwerste Bauteil eures Bike-Fahrer-Systems, liefert aber auch am meisten Federweg. Schließlich können sowohl eure Arme als auch Beine – wenn ihr sie nur lasst – als Feder- und Dämpfungssystem richtig große Schläge problemlos wegschlucken. Die Grundvoraussetzung dafür ist allerdings, dass ihr ausreichend Fahrgefühl, Bewegungsfreiheit auf eurem Bike und die richtige Technik habt. An der Front spielt in dieser Frage vor allem die Lenkerergonomie eine entscheidende Rolle: Verharrt ihr beim Rennlenker in den Drops, sind eure Ellbogen bereits angewinkelt – und zwar so, dass eure Arme nur bedingt als „Federgabel“ fungieren können. Lenker mit Flare erlauben mehr Bewegungsfreiheit für eure Arme und bieten mehr Kontrolle als klassische Drops.

Schaut man den Cyclocrossern zu, verbringen ihre Hände einen Großteil der Zeit vorne an den Hoods, wo man viel Kontrolle und auch mehr Federweg in den Armen hat. Breite MTB-Lenker sind nochmals effektiver, weil sie euch automatisch in eine Art Liegestützposition bringen, von der ihr euren gesamten Oberkörper (Brust, Schultern und Arme) zur Stoßabsorption nutzen könnt und dabei richtig viel „Federweg“ generiert. Bei den Beinen ist die Sache ähnlich gelagert, denn eines ist klar: Wer den Stelvio erklimmen oder das Unbound-Gravel-Race meistern kann, hat auch genug Muskulatur in den Beinen, um richtig heftige Schläge von Wurzeln und Steinen zu absorbieren, sobald sich die Schotterautobahn in einen ruppigen Trail verwandelt. Das Problem: Viele Bikes geben euch mit ihrem hohen Sattel nicht ausreichend Bewegungsfreiheit, um den natürlichen Federweg eurer Beine auszunutzen.

Eure Arme und Beine stellen den meisten Federweg zur Verfügung, so können auch große Schläge geschluckt werden – wenn ihr sie nur lasst!

Für welche Einsatzzwecke machen Federelemente Sinn? Und was ist das richtige Federungskonzept für mich?

Von Einsteigern bis Experten, von Commuting über Adventure bis Racing können Federelemente einen echten Mehrwert bringen. Dabei kommt es vor allem auf die persönlichen Anforderungen und Präferenzen an: Wie und in welchem Terrain fährt man? Wie viel Komplexität und (Zusatz-)Kosten nimmt man in Kauf? Will man zeitlose Funktionalität oder spannende Innovationen und die neuesten Technologien? Fakt ist: Man braucht Suspension am Gravel-Bike nicht zwangsläufig – andere Komponenten wie eine Teleskopsattelstütze können mitunter mehr Offroad-Performance bieten.


Willst du cruisen und schlichtweg mehr Komfort?

Dann spielen das Gewicht und messerscharfes Handling eine untergeordnete Rolle – eine effektive Dämpfung und Absorption von Schlägen stehen im Fokus für lange Touren.


Willst du Rennen gewinnen?

Rennen ≠ Rennen. Gerade bei kürzeren Distanzen ist weniger oft mehr. Je länger und intensiver die Rennen sind, desto mehr Bedeutung kommt der körperlichen Ermüdung zu. Leichte und effiziente Federelemente können dafür sorgen, dass man länger schnell fährt und damit schneller ist! Ach ja, am Ende sind Taktik und Fitness auch nicht ganz unwichtig, wenn man ein Rennen gewinnen will 😉


Willst du mehr Offroad-Potenz und Sicherheit erreichen?

Dann sind maximale Bewegungsfreiheit und Traktion der Schlüssel zum Erfolg. Dadurch erzielt ihr ein höheres Sicherheitsempfinden, seid in forderndem Gelände sicherer, schneller und mit mehr Spaß unterwegs. Eine Teleskopsattelstütze ist hier fast schon ein Muss, denn sie bietet mehr Sicherheit als eine Federgabel! Traktionsstarke Reifen in Kombination mit den passenden Laufrädern sind natürlich ebenfalls elementar!


The latest shit oder Bewährtes? Wie viel Technik willst du an deinem Bike?

Wir lieben Gravel-Bikes für ihre Simplizität. Will man ein einfaches Produkt wie ein Gravel-Bike verkomplizieren? Kabellose Schaltung, Federelemente an Front und Heck, viele bewegliche Teile – die Zeiten, in denen Gravel-Bikes super-simple, wartungsfreie Bikes waren, sind vorbei. Die Komplexität der Dropbar-Bikes nimmt im Allgemeinen zu, das ist faszinierend und macht Spaß, aber erfordert auch etwas mehr Bedacht, Pflege und Vorausschau. Sind die Akkus geladen, die beweglichen Teile, Federelemente von Schmutz befreit und (dort, wo sinnvoll) gefettet? Langzeittests zeigen: Federelemente brauchen regelmäßig Service, bewegliche Parts sind Teile, die verschmutzen oder schnell auch mal knarzen können!

Aber genauso wichtig wie das Federelement selbst sind das Bike, in dem es steckt und das Zusammenspiel mit anderen Komponenten. Denn für Dropbar-Bikes gibt es eine Vielzahl an verschiedenen Komponenten. Um den Durchblick zu behalten, sollte man auf ein paar Dinge achten. Wollt ihr zum Beispiel auf eine Federgabel upgraden, kommt sie meist mit einer anderen Einbauhöhe und verändert die Geometrie des Bikes. Und die alte Weisheit „Viel hilft viel“ trifft auch hier nicht zwangsläufig zu: Kombiniert man ein weiches Fahrwerk mit einem weichen Sattel, erhält man ein schwammiges Fahrverhalten. Wie so oft gilt es auch hier, die goldene Mitte zu finden!

Fazit


Federelemente am Gravel-Bike sind eine spannende und logische Entwicklung. Aber nicht alle brauchen und nicht alle sollten Suspension fahren. Es gibt auch andere Wege, um die Ziele zu erreichen. Der eigene Körper liefert den meisten Federweg, und mit einer Dropper-Post oder einem Fahrtechnik-Training ist vor allem bei der Offroad-Performance häufig mehr erreicht. Um das richtige Federungskonzept für sich zu finden, sollte man sich vorab Gedanken machen.
Fakt ist: Suspension am Gravel ist nicht zwangsläufig notwendig.


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Text: Mike Hunger, Robin Schmitt, Benjamin Topf Fotos: Peter Walker, Benjamin Topf, Etienne Schoeman, Robin Schmitt, Andreas Maschke