Unser Test der besten Bikepacking-Bikes hat viele offenen Fragen geklärt und uns einiges gelehrt. Die Anforderungen an das perfekte Rad fürs Bikepacking sind groß und ihr solltet bereits vor dem Kauf auf die Ausstattungsmerkmale achten, die für euch relevant sind. Welche das sind und welche Probleme nach wie vor bestehen, erfahrt ihr hier.

Auf der Suche nach dem besten Bike fürs Bikepacking haben wir 12 ausgewählte Alleskönner zwischen Gravel- und Mountainbike mit Taschen bepackt und sind losgezogen. Wer sich den hart umkämpften Testsieg und den begehrten Kauftipp geschnappt hat, erfahrt ihr hier (einfach klicken).

Jedes Bike ist ein Bikepacking-Bike

Nach zahlreichen Bikepacking-Trips während und auch vor dem Vergleichstest steht für uns fest: Eigentlich hat jedes Bike das Zeug, ein Bikepacking-Bike zu werden. Je nachdem, was ihr geplant habt und in welcher Region ihr unterwegs seid, kann auch das Hollandrad aus dem Keller mit 3-Gang-Nabenschaltung oder das Rennrad mit Hightech-Ausstattung als Bikepacking-Kumpane fungieren und für unvergessliche Momente zu zweit sorgen. Ihr müsst dabei jedoch meistens Kompromisse eingehen und seid in der Routenwahl, dem beförderten Equipment oder auch der Streckenlänge teilweise stark eingeschränkt. Einige Hersteller, wie beispielsweise ROSE, haben auf den wachsenden Trend reagiert und bieten ihre Gravel-Bikes mit spezieller Ausstattung an, um euch bereits ab Werk ein flexibel einsetzbares Bikepacking-Bike zur Verfügung zu stellen.

Ihr werdet euch jetzt sicher fragen: Brauche ich überhaupt ein spezielles Bikepacking-Bike, wenn doch auch jedes andere Rad funktioniert? Nach dem Test können wir mit Sicherheit sagen: Speziell fürs Bikepacking konstruierte Bikes sind definitiv ihr Geld wert! In puncto (Langstrecken-)Komfort, Handling und Vielseitigkeit sind sie normalen Rädern bzw. Gravel-Bikes zum Teil deutlich überlegen. Im Grunde genommen ist es wie mit einer Ente auf dem Nürburgring: Natürlich kommt ihr damit auch durchs Ziel und sie bietet ebenfalls ein gewisses, wenn auch überschaubares Maß an Beschleunigung, Geschwindigkeit und Sicherheit. Der Fahrspaß ist aber nicht vergleichbar mit einer Fahrt in einem Ferrari F40. Noch dazu glänzen Bikepacking-Bikes mit innovativen Lösungen für den Alltag, eignen sich auch zum Pendeln oder für sportliche Touren und sind teilweise sogar bereits mit Lichtanlagen ausgestattet. Reine Gravel-Bikes, bei deren Entwicklung kein euphorischer Bikepacker anwesend war, sind nicht selten mit zu wenigen Anschraubpunkten ausgestattet und oft auch straffer bzw. sportlicher abgestimmt.

Bikepacking erfordert cleveres Packen

Folgendes Szenario kommt euch bestimmt bekannt vor: Ihr packt am Abend vor dem geplanten Urlaub eure Siebensachen, werft alle essenziellen Kleidungsstücke und ein paar Extras in den Trolley und seid bei der Gepäckabgabe am Flughafen überrascht, dass die zulässigen 20 kg weit überschritten wurden. Passiert es dann nicht auch beim Bikepacking schnell, dass man sein Bike hoffnungslos überlädt? Wir können euch beruhigen: Keines der Bikes im Test hat unter der Zuladung von uns und weiteren 7 kg gelitten. Die Idee beim Bikepacking ist aber, dass man bei einem Ausflug in die Natur gar nicht alles dabeihaben muss, was man im Alltag für notwendig erachtet. Bikepacking bedeutet auch den bewussten Verzicht auf den einen oder anderen (Wert-)Gegenstand und die Beschränkung auf die einfachen Dinge. Klar, ein Smartphone sollte schon allein aus Sicherheitsgründen immer dabei sein, um im Notfall Hilfe zu rufen. Tablet, Musikbox und Haargel können aber auch getrost zu Hause bleiben und wir können euch versprechen, dass ihr nichts davon vermissen werdet! Wir würden euch empfehlen, bei vollen Wassertanks nicht mehr als 10 kg Gepäck ans Rad zu laden. Sollte es mehr sein, habt ihr schlichtweg zu viel dabei!

Im Jahr 2020 darf gerne auch elektronisch geschaltet werden

Wer sich im Portfolio der Fahrradhersteller umschaut, erkennt schnell: An elektronischen Schaltgruppen führt im Jahr 2020 kein Weg vorbei; zumindest bei den jeweiligen Modellen in Top-Ausstattung. Wer bisher davor zurückgeschreckt ist, weil beim Thema Zuverlässigkeit und Robustheit Zweifel bestanden: Wir hatten während des Tests keinerlei Probleme! Ganz im Gegenteil – die Bikes mit elektronischen Schaltgruppen ließen sich sehr komfortabel schalten und überzeugten auch nach vielen Kilometern abseits befestigter Pisten mit zuverlässigen Schaltvorgängen; wir wollten sie nicht mehr missen! Der Vorteil bei den Rädern mit SRAM AXS-Schaltgruppe und der Eagle-Kassette ist die riesige Übersetzung von bis zu 520 % im 1-fach-Setup. Ihre Akkus lassen sich genauso wie die der Konkurrenz von Shimano mit einer handelsüblichen Powerbank einfach unterwegs laden. Während bei der AXS die Akkus dafür in ein kleines Ladegerät gesteckt werden müssen, lässt sich der Akku einer Shimano-Di2-Gruppe direkt anstöpseln und somit sogar während der Fahrt laden. Verfügt euer Bike dann noch über einen Nabendynamo, ist die Anzahl der Schaltvorgänge eurer elektronischen Gruppe unbegrenzt!

Kettenblätter in Pizzagröße haben am Bikepacking-Bike nichts zu suchen

Bikepacking-Bikes stehen für Freiheit und Abenteuer und lassen sich ungern Grenzen aufzeigen. Leider werden viele Räder vom Hersteller im Einsatzbereich begrenzt und mit zu großen Übersetzungen bzw. Kettenblättern ausgestattet. Es geht nicht darum, in der Abfahrt auch bei 70 km/h noch weiter beschleunigen zu können – auch wenn die Rennrad-Fahrer unter euch sicherlich nichts dagegen hätten. Viel wichtiger ist aber doch, mit voller Beladung noch steile Schotterrampen hochfahren zu können und nicht jedes Mal frustriert vom Rad steigen zu müssen. Beim klassischen Bikepacking werden keine Rennen gefahren oder Geschwindigkeitsrekorde gebrochen. Es geht um viel mehr als darum, möglichst schnell von A nach B zu kommen. Oft ist es deshalb notwendig, auf Basis der Standard-Ausstattung nachzubessern, um die volle Geländegängigkeit zu garantieren.

Die beste Übersetzung bzw. die größte Bandbreite bietet aktuell die Mullet-AXS-Schaltgruppe mit ihrer riesigen Kassette – hier ist Pizzagröße erlaubt und gerne gesehen. Aber auch das vom Rennrad gewohnte 2-fach-Setup ist nicht tot und hat durchaus seine Daseinsberechtigung, auch wenn es systembedingt durch den Umwerfer und das zweite Kettenblatt etwas schwerer ist als eine 1-fach-Schaltgruppe. Wenn man darauf achtet, dass der leichteste Gang auch leicht genug bzw. die Kassette groß und das kleine Kettenblatt klein genug ist, hat man hier mit feinerer Gangabstufung und einer großen Bandbreite viele Vorteile.

Ein Bikepacking-Bike braucht große Scheiben

Leider mussten wir während des Tests feststellen, dass viele Bikes mit unterdimensionierten Bremsscheiben ausgeliefert werden – für uns unverständlich. Die wenigen Gramm Gewichtsersparnis resultieren in deutlich geringerer Bremsperformance. Durch das Gepäck von 7 kg spielen die 20 g mehr oder weniger am Bike sowieso keine Rolle, dafür ist die Bremspower mit Zuladung umso wichtiger. Unsere Empfehlung sind 180-mm-Scheiben vorne und 160-mm-Scheiben hinten, mindestens jedoch vorne und hinten 160er. Mechanische Scheibenbremsen, die z. B. das RONDO BOGAN (zum Test) oder das Bombtrack Hook 2 (zum Test) zum Stehen bringen, sind gut für den Service, weil sie im Prinzip an jedem Ort der Welt gewartet, eingestellt und repariert werden können und die Bremspower noch dazu nur einen Ticken unter der von hydraulischen Bremsanlagen liegt. Der Nachteil ist jedoch, dass die Modulation – zumindest an unseren Test-Bikes – herausfordernder und weniger intuitiv ist. Beim Ziehen am Bremshebel beißt die Bremse erst nur wenig und macht dann hintenraus zu. Dabei spielt die Größe der Bremsscheibe eine entscheidende Rolle und verschlimmert das Problem, je kleiner sie ist. Für eine gute Bremsperformance erfordern mechanische Scheibenbremsen deshalb unbedingt große Bremsscheiben!

Rahmenmaterial beim Bikepacking-Bike: Wer die Wahl hat, hat die Qual

Die Diskussion um das beste Rahmenmaterial eines Bikes ist so alt wie die Geschichte des Rades selbst und stellt einen vor dem Kauf eines Bikepacking-Bikes immer noch vor eine gewisse Herausforderung. Alu-Rahmen sind für unbegrenzte Abenteuer und lange Strecken auf unebenen Untergründen in der Regel zu steif, wie die Gravel-Bikes Canyon Grail AL (zum Test) und Mason Bokeh (zum Test) im Test gezeigt haben. Wenn es Metall sein soll, dann ist die Frage für die „Only Steel is Real“-Fraktion sowieso klar. Wer es jedoch etwas exklusiver und leichter haben möchte, sollte sich ein Titan-Bike anschauen, das ähnlich einem Stahl-Rahmen ebenfalls über viel Komfort verfügen kann. Das Mason Bokeh ist beispielsweise auch in einer Titan-Version verfügbar. Ein Titan-Rahmen kann jedoch im Gegensatz zu einem Stahl-Rahmen nicht an jeder Ecke bzw. von jedem Schweißer auf der Welt geflickt werden, hier braucht es schon besondere Fertigkeiten. Neben einem Bikepacking-Bike mit Metall-Rahmen als Basis kommt natürlich auch das Pendant aus Carbon infrage. Ein Carbon-Rahmen kann bei guter Qualität und cleverer Fertigung den höchsten Komfort und die perfekte Steifigkeit in genau den richtigen Bereichen bieten – bei gleichzeitig geringem Gewicht. Nachteil: Carbon ist nach wie vor empfindlicher gegen Fremdkörpereinwirkung, nur sehr schwer zu reparieren und leider auch im Jahr 2020 nach seiner Lebensdauer ein Fall für den Sondermüll. In jedem Fall solltet ihr, egal bei welchem Material, den Rahmen an den entsprechenden Stellen abkleben, bevor ihr eure Taschen montiert. Dabei spielt es keine Rolle, wie gut die Straps eurer Taschen sind: Sie werden mit der Zeit garantiert den Lack abscheuern oder sogar schlimmere Schäden am Bike verursachen.

Unser Fazit zu den Erkenntnissen aus dem Bikepacking-Bike-Vergleichstest

Nach unzähligen Kilometern über jegliches Terrain, Hunderten Stunden im Sattel und diversen Nächten unter dem Sternenhimmel haben sich für uns mehrere Punkte herauskristallisiert. Im Grunde genommen könnt ihr auf jedem Bike ins nächste Abenteuer starten. Bikepacking-Bikes erhöhen den Spaß jedoch enorm, da sie eine Vielzahl von Features mitbringen, die euch das Leben einfacher und komfortabler gestalten – ein cleveres und maßvolles Packen vorausgesetzt! Auch wenn es für manch einen überraschend sein wird: Die elektronischen Schaltgruppen haben während des Tests keinerlei Probleme bereitet und jederzeit zuverlässig geschaltet. In Sachen Scheibengröße würden wir uns freuen, wenn es beim Kettenblatt in Zukunft kleiner und bei den Bremsscheiben größer zugeht. Sind wir doch mal ehrlich: Auf dem Bikepacking-Bike haben wir lieber einen kleineren Gang an der nächsten Rampe zur Verfügung und freuen uns über Sicherheitsreserven auf der Abfahrt, statt in der Ebene Geschwindigkeitsrekorde zu brechen. Beim Thema Rahmenmaterial scheiden sich nach wie vor die Geister, hier sollte jeder nach Vorliebe und Einsatzzweck eine Entscheidung treffen.


Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Bike fürs Bikepacking – 12 ausgewählte Alleskönner im Test


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Text: Benjamin Topf, Philipp Schwab, Andreas Maschke Fotos: Benjamin Topf, Valentin Rühl, Philipp Schwab, Robin Schmitt