Italienische Rahmenbaukunst trifft elektronische Schaltperformance. Kann das auffällige Bice Sliver-Rennrad mit Custom-Stahlrahmen nicht nur mit der tollen Lackierung, sondern auch auf der Straße glänzen? Wie schlägt sich die seltene FSA K-Force WE-Schaltgruppe im Test?

Bice Sliver mit FSA K-Force WE | 7,98 kg in Größe Medium | Preis auf Anfrage

Wer ist Bice Bicycles?

Bice Bicycles ist eine italienische One-Man-Show rund um Dario Colombo, der bereits als Fünfjähriger auf einem 16”-Fixie die Liebe zum Fahrrad entdeckte. Nach einer Radtour mit ein paar Freunden in der Provence 2007 war er auch vom Reisen auf dem Zweirad angefixt. Für seine Diplomarbeit entwickelte Dario ein mathematisches Modell, um herauszufinden, wie kompatibel Mailands Straßen- und Infrastruktur mit Radfahrern ist, und half beim Einrichten von Fahrradwerkstätten an öffentlichen Schulen. Die Handwerkskunst des Rahmenbaus hat sich Dario selbst beigebracht. Während eines Bikepacking-Trips im Jahre 2011 lernte er ein paar Schweißer kennen und war von der Arbeit so begeistert, dass er nach seiner Rückkehr direkt mit dem Bau einer Werkstatt und dem Schweißen von Fahrradrahmen begann. Im Laufe der Zeit probierte Dario viele verschiedene Methoden, Techniken und Philosophien aus und hatte zahlreiche Lehrer, die ihm dabei zur Seite standen. Inzwischen gibt es Bice-Bikes für diverse Vorlieben aus Columbus-, Tange- und Dedacciai-Stahlrohren. Ob Gravel-Bike, 29”-Mountainbike oder Cargo-Bike, dem Traum vom maßgeschneiderten Bike sind keine Grenzen gesetzt. Ihr könnt euch entweder mit euren Geometrie-Vorstellungen direkt an Dario wenden oder aber sogar mit ihm zusammen in Verderio/Italien ein Bike-Fitting durchführen. Nach Auftragserteilung dauert es in der Regel drei bis vier Monate, bis ihr euer individuelles Schmuckstück in den Händen haltet – natürlich in eurer gewünschten Custom-Lackierung!

Bice Sliver-Rennrad im Detail

Das Bice Sliver ist Darios Rennmaschine im Portfolio. Ein Bike, das hohe Geschwindigkeiten feiert und dank maßgeschneiderter Geometrie die individuellen Wünsche seiner Fahrer erfüllen soll. Dank Columbus Oversized-Rohren ist der Rahmen mit 1.620 g in Größe Medium (Herstellerangabe) für ein Stahl-Rennrad relativ leicht und soll eine hervorragende Kraftübertragung erzielen. Trotzdem bleibt laut Bice der Stahlrahmen-typische Komfort nicht auf der Strecke, damit man auch auf schlechtem Terrain nicht das Gefühl bekommt, einen Presslufthammer festzuhalten.

Beim Sliver ist nicht nur die Geometrie individuell konfigurierbar. Auch die Lackierung, die Wahl der Gabel bzw. Art der Bremsen (ENVE Disc- bzw. Rim Brake oder Columbus Futura Disc) und die bevorzugte elektronische Schaltgruppe (SRAM eTap, Shimano Di2 oder FSA WE) sind frei wählbar. Das Finish unseres Test-Bikes ist absolut hochwertig und die Farbübergänge sind wie aus einem Guss. Das Sliver hat definitiv Traum-Bike-Potenzial und wird bei einer Ausfahrt aus jeder Gruppe herausstechen, egal mit welchen prominenten Namen das Hobby-Peloton gespickt ist! Für das Sliver hat sich Dario eine technisch ganz besondere Lösung einfallen lassen: Die Aufnahme für den hinteren Bremssattel ist ins Ausfallende integriert und die Bremse somit nicht direkt in die Kettenstrebe verschraubt. Bei genauem Hinsehen wirkt die CNC-gefertigte Aufnahme allerdings fast eine Spur zu industriell, wenn man sie mit den grazilen Rohrdimensionen der Ausfallenden vergleicht, und sie bietet wenig Baufreiheit zwischen Bremsscheibe und Mount.

Der Bremssattel ist ins Ausfallende
integriert – das sieht man nicht alle Tage!
Ausreichend Platz für bis zu 32 mm breite Reifen

Ausstattung des Bice Sliver

Schaltgruppe FSA K-Force WE, 2 x 11, 52/36T
Kassette FSA K-Force WE 11-28T
Bremsen FSA K-Force WE 160/140 mm
Laufräder ENVE SES-Felgen mit Chris King-Naben
Reifen Veloflex Master, 700 x 28C
Sattelstütze ENVE Carbon, 25 mm Versatz
Lenker ENVE Carbon, 420 mm
Vorbau ENVE Carbon, 110 mm
Gewicht 7,98 kg in Größe Medium
Preis auf Anfrage
Größen Custom
Verfügbarkeit auf Anfrage

FSA K-Force WE-Schaltgruppe mit 52/36T-Kurbel und 11–28T-Kassette
Schwarzes Gold: ENVE-Komponenten, so weit das Auge reicht

Bice Sliver im ersten Test

Wer sich noch an seine letzte Ausfahrt mit einem Stahl-Rennrad erinnert, wird vom Sliver angenehm überrascht sein. Das Bike überzeugt mit einem sehr direkten Antrittsverhalten und ist besonders beim Treten aus dem Sattel spürbar steifer als vergleichbare Stahlrenner. In puncto Geschwindigkeit zeigt sich das Sliver als guter Allrounder. In der Ebene hält es den Speed bereitwillig und nimmt den Schwung gut mit.

Das Sliver ist auch für kraftvolle Antritte ausreichend steif

Auch wenn der Stahlrahmen einer der leichtesten seiner Klasse ist: Eine Berg-(Sprint-)Ziege ist das Bice Sliver auf keinen Fall und man spürt das Mehrgewicht im Vergleich zu aktuellen Carbon-Boliden; das Rahmenset bringt ungefähr das Doppelte auf die Waage. Wer jedoch im Anstieg nicht auf der Jagd nach dem KOM ist und stattdessen Natur und Umgebung genießen will, findet im Sliver einen ausreichend effizienten Begleiter. Sanfte Hügel mit mäßiger Steigung hingegen gehören zu den Stärken des Bikes. So lassen sich kleinere Anstiege aufgrund der Sprintstärke und Direktheit auf Wunsch auch gerne wegdrücken.

Seine Schokoladenseite zeigt das Sliver, wenn es den Berg wieder runtergeht. Das Bike lädt in jeder Situation zum Spielen ein und zeigt einen insgesamt quirligen Charakter. Die Wendigkeit von Front und Heck ist gut aufeinander abgestimmt und das Bice-Rennrad vermittelt dabei ein überzeugendes Maß an Laufruhe und somit viel Vertrauen und Sicherheit. Das Rahmenmaterial Stahl spielt hier seine Stärken mit natürlicher Nachgiebigkeit aus und ermöglicht eine ausgezeichnete Traktion der Reifen. Auch die Veloflex Master-Pneus in 700 x 25C glänzen vor allem im Downhill mit guter Eigendämpfung und viel Vertrauen – sie waren auch bei unserem Rennrad-Reifen-Vergleichstest (zum Test) dabei.

Punkten kann das Sliver auch auf schlechten Straßenverhältnissen und bietet ein beruhigendes Level an Komfort, das High-Performance-Rahmen aus Carbon häufig nur schwer erreichen können. Das Verhältnis aus Vibrationsdämpfung und Steifigkeit ist ausgeglichen, ohne dabei indirekt oder schwammig zu wirken. Der clevere Komponenten-Mix trägt dazu bei, dass sich das Bice Sliver sehr harmonisch und ausgeglichen fahren lässt und somit auch für lange Tage im Sattel bestens geeignet ist.

Unser Fazit zum Bice Sliver Stahl-Rennrad

Sieht nicht nur gut aus, sondern hat auch einiges auf dem Kasten: Das Bice Sliver glänzt mit atemberaubender Optik, hervorragender Verarbeitungsqualität und ausgewogenem Komfort. Das Rennrad ist eine super Basis für den sportiven Vielfahrer, der genau weiß, was er will. Wer sich mit dem Thema Rennrad-Geometrie eingehend beschäftigt hat, kann hier sein Traum-Bike mit Custom-Lackierung und -Schaltgruppe Wirklichkeit werden lassen.

Mehr Informationen über Bice Bicycles findet ihr unter bicebicycles.com

Ihr möchtet mehr über die aktuell besten Rennräder auf dem Markt wissen? Dann lest euch unseren großen Rennrad-Vergleichstest durch!


FSA K-Force WE-Schaltgruppe im Detail

Die Auswahl an elektronischen Rennrad-Schaltgruppen ist gering. Den Markt dominieren Shimanos Di2- und SRAMs eTap-Schaltgruppe, eine wichtige Rolle spielt sonst nur noch Campagnolos Super Record EPS-Schaltgruppe. Der Hersteller FSA möchte hier etwas Abwechslung ins Spiel bringen und hat nach einer eingehenden Entwicklungs- und Testphase vor drei Jahren die K-Force WE-Schaltgruppe auf den Markt gebracht. Schaltwerk und Umwerfer empfangen die Schalthebel-Signale kabellos per ANT+ Übertragung. Das ermöglicht eine einfache Kommunikation mit ANT+ oder Bluetooth-fähigen GPS-Geräten und Smartphones, per App lässt sich das Schaltgruppen-Setup schnell und einfach einstellen.

Aufgeräumt: Dank ANT+ Funkübertragung gehen nur noch zwei Bremsleitungen vom Lenker ab.

Komplett ohne Kabel kommt die Gruppe aber nicht aus. Sowohl Schaltwerk als auch Umwerfer müssen per Kabel mit der 7,4-V-Batterie verbunden werden, die sich in der Sattelstütze befindet. Die Schaltgruppe arbeitet laut FSA sehr energiesparend und ermöglicht je nach Terrain und Anzahl der Schaltvorgänge eine hohe Akkulaufzeit von 4.000 bis 6.000 km bei einer Ladezeit von 1,5 h. Sobald sich die Restkapazität dem Ende hinneigt, wird der Fahrer benachrichtigt, falls die K-Force WE mit einem GPS-Gerät oder Smartphone verbunden ist – praktisch!


Ganz ohne Kabel kommt die K-Force WE nicht aus. Schaltwerk und Umwerfer sind per Kabel mit der Batterie verbunden, die in der Sattelstütze versteckt sitzt.

Komponenten-Details

Kurbel 170; 172,5; 175 mm – 53/39T, 52/36T, 50/34T – 534 g (50/34T)
Schalthebel 2×11, 2032-Batterie (1–2 Jahre Lebensdauer) – 308 g (Paar)
Umwerfer 2×11, max. Zähne-Differenz 16T (z. B. 50/34T) – 162 g
Schaltwerk 2×11, max. Zähnezahl größtes Ritzel 32T, Kapazität 37T – 216 g
Kette 246 g (114 Glieder)
Kassette 11–25T, 11–28T, 11–32T – 257 g (11–28T) für normale Road-Freilaufkörper
Preis 3.271 €

FSA K-Force WE-Schaltgruppe im Test

Bevor ihr aufs Rad steigt, müsst ihr dran denken, die Schaltgruppe zu starten; das wird mit einem Knopf auf dem Umwerfer erledigt. Gerade am Anfang ist das etwas lästig, geht aber mit der Zeit ins Blut über und schont den Akku. Die Schalt-/Bremshebel wirken trotz hydraulischem Ausgleichsbehälter für die Scheibenbremsen nicht klobig, sondern sind sehr ergonomisch geformt und angenehm klein. Der Komfort ist auch auf langen Strecken hervorragend und das Material der Griffgummis ist angenehm. Die Schalt-/Bremshebel werden für eine optimale Ergonomie in zwei verschiedenen Längen angeboten. Die Kompaktversion bietet kleineren Händen mit 6 mm kürzeren Hebeln eine bessere Handhabung. Die Griffweite ist jeweils einstellbar und soll dadurch eine angenehme Griffposition für möglichst alle Handgrößen und Fingerlängen ermöglichen.

Die Schalt-/Bremshebel sind ergonomisch super geformt und mit griffigen Gummis umhüllt

Die Schaltperformance der K-Force WE und damit das Hauptaugenmerk einer jeden Schaltgruppe konnte uns leider nicht vollends überzeugen. Klar, Shimanos Dura-Ace Di2 profitiert auch von den häufig eingesetzten Direct Mount-Schaltaugen. Aber trotzdem: Wenn man von einer Ausfahrt mit der Dura-Ace Di2 zurückkommt, fällt einem auf, dass die Schaltvorgänge der K-Force WE minimal verzögert einsetzen. Das direkte und unmittelbare Schalten vermisst man bei der K-Force WE und die Schaltperformance ist vergleichbar mit der SRAM RED eTap AXS, deren ausführlichen Test ihr hier (zum Test) nachlesen könnt. Mit der App WE DASHBOARD, die zum Testzeitpunkt noch nicht zur Verfügung stand, soll sich die Schalt-Performance jedoch verbessern und die Verzögerung der Schaltvorgänge einstellen lassen.

Die LEDs zeigen die Restkapazität des Akkus von blau (voll) über grün bis rot (fast leer) an

Auf Kopfsteinpflaster oder in nervösen Rennsituationen kann der Wippenschalter der Schalthebel mitunter zum Verschalten führen. Wird der Sweet Spot der vergleichsweise langen Taster nicht genau getroffen, ist das Schaltverhalten weniger definiert. Das kann zu unnötiger Verzögerung bei der richtigen Gangwahl führen. Auf einer normalen Ausfahrt gibt es jedoch keine Probleme und nach hundert getätigten Schaltvorgängen ist eure biomechanische Adaption abgeschlossen und die Schaltvorgänge sitzen.

Die an unserem Bice-Test-Bike verbauten hydraulischen Scheibenbremsen konnten bei jeder Wetterlage mit toller Bremsperformance überzeugen. Der Druckpunkt ist definiert und die geballte Bremspower sehr gut zu dosieren. Auch lange Abfahrten haben die Bremsen nicht zum Überhitzen oder Schleifen gebracht, das Vertrauen war zu jeder Zeit da.

Die Bremsen lieferten in jeder Situation ausreichend Bremspower und gaben viel Vertrauen

Unser Fazit zur FSA K-Force WE-Schaltgruppe

Diversität ist auch im Schaltgruppen-Kosmos eine schöne Sache und wir freuen uns, wenn sich neben den großen Drei ein weiterer Hersteller an eine elektronische Schaltgruppe wagt. Der erste Versuch seitens FSA ist bereits ordentlich und glänzt mit ergonomischen Schalt-/Bremshebeln und zuverlässigen Bremsen. Die Schaltvorgänge könnten jedoch eine Spur definierter und direkter ausfallen, um eine ernsthafte Konkurrenz für die bestehenden Systeme darzustellen.

Mehr Informationen zur FSA K-Force WE-Schaltgruppe findet ihr unter fullspeedahead.com


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Text: Benjamin Topf, Philipp Schwab Fotos: Benjamin Topf