Die Liste der Neuerungen und Versprechen der neuen 12-fach SRAM Red eTap AXS-Gruppe ist lang. Schneller, leiser, effizienter. Wir haben die neueste Kreation aus dem Hause SRAM in die Mangel genommen und für euch getestet.

SRAM Red eTap AXS in test

Alle Daten und Fakten zur neuen SRAM Red eTap AXS haben wir bereits Mitte Februar zum Launch der neuen Gruppe vorgestellt, die Infos hierzu findet ihr im Launch-Artikel. Daher gehen wir in diesem Test nicht nochmal auf alle Details ein, sondern fassen lediglich die neuesten Features zusammen. Dann geht es los auf die Straße, um herauszufinden, wie sich die neue Schaltgruppe in der Praxis schlägt.

Kurbel: 48–35 (ohne Power Meter)
Kassette: 10–28
Testbike: ROSE X-LITE SIX RED eTap AXS
Preis: 5.999 €
Gewicht: 7,03 kg
Testkilometer: 1.500 km

Features der SRAM Red eTap AXS auf einen Blick

  • 12-fach Kassette
  • schnellere Schaltvorgänge
  • größere Gangbreite dank 10er Ritzel (bis zu 330 % mit der 11-33 Kassette)
  • flexible Konfiguration der Schalthebel und Schaltlogik mit Smartphone-App
  • mehr Reifenfreiheit dank neuem Umwerfer-Design
  • neue Flat-Top-Kette für leiseren Kettenlauf und mehr Haltbarkeit
  • zweiteilige Centerline-Rotoren für vibrationsarme und leise Bremsvorgänge
  • Orbit-Fluid-Clutch am Umwerfer für Road-spezifische Dämpfung
  • verbesserte Power Meter-Integration

Schalt-/Bremshebel

Da die Schalt-/Bremshebel das Erste sind, was man in der Hand hat, fangen wir damit auch an. Die Form der Hebel hat sich nicht geändert und im Vergleich zur hydraulischen Version der Shimano DURA-ACE sind sie etwas voluminöser und größer, liegen aber sehr gut in der Hand. Vor allem im TT-Modus kann man ordentlich Kraft übertragen und auch im Obergriff sitzt die Hand sicher hinter den Hoods, was gerade im Downhill viel Sicherheit verleiht. Sogar mit klobigen Winterhandschuhen findet man hier sicheren Halt. Der Facelift der Griffgummis ist ebenfalls positiv zu vermerken: Die neue Riffel-Struktur verbessert den Grip im Vergleich zum Vorgänger deutlich. Gerade wer gerne ohne Handschuhe fährt, wird sich über die Neuerung freuen.

In Sachen Ergonomie freuen wir uns über die Anpassungsmöglichkeit der Griffweite der Bremshebel, denn „one-size fits all“ ist vor allem hier kein guter Plan. Somit ist auch für kleine Hände die perfekte Einstellung möglich. Das gefällt! Das Update der Schalthebel macht sich sofort bemerkbar: Größer und mit Profil versehen sind sie noch leichter zu erreichen und selbst mit Handschuhen – mit denen wir ja leider Anfang März immer noch durchs Land ziehen – ist damit der Schaltvorgang noch einfacher. Ein weiteres Feature ist der Button an der Rückseite der Schalthebel, mit dem man in einen per App vordefinierten Schaltmodus wechseln kann.

Bremsen

Wer später bremst, ist länger schnell – aber dafür muss auch die Brems-Performance stimmen. Als wir zum ersten Mal richtig zupacken, sind wir positiv überrascht, wie bissig und gut dosierbar die neuen Bremsen der Red eTap AXS sind. Die Neuerung kommt überwiegend mit den neuen zweiteiligen Centerline-Rotoren, die leise und vibrationsfreie Bremsvorgänge versprechen. Wo wir bei den Vorgängern noch etwas Feinfühligkeit vermisst haben, lässt sich nun die enorme Bremspower wundervoll dosieren. Das lädt ein, ans Limit zu gehen und man bremst so mit viel Vertrauen später und präziser.

SRAM verspricht leisere Bremsen und über die gesamte Testdauer zeigt sich kein störendes Bremsenquietschen, was die Gruppe vor allem den neuen Rotoren verdankt. Die Bremsbacken sitzen tendenziell recht nah an der Bremsscheibe – hier hält die Konkurrenz etwas mehr Abstand. Das könnte in der Zukunft doch das ein oder andere Bremskonzert verursachen, aber soweit keine Spur davon.

Schaltwerk

Neben dem Umwerfer ist das neue Schaltwerk das Herzstück der neuen SRAM Red eTap AXS. Die 12 Gänge erlauben trotz größerer Range feine Gangabstufungen. Bis zum 17er Ritzel sind es am Testbike sieben 1-Zahn-Sprünge, was eine perfekte Anpassung auf die Situation erlaubt – Profi-Niveau quasi. Braucht man das auch als Hobbyfahrer? Jeder Fahrer hat seine Lieblings-Trittfrequenz und eine solch feine Abstufung erlaubt, genau diese in fast jeder Situation zu fahren. Das spart Kraft und zusammen mit der enormen Gangbreite der Kassette von 280 % an unserem Testbike bzw. bis zu 330 % mit der 10–33-Kassette ist man für jede Situation gerüstet. Dieses Potenzial mag man auf der Hausrunde vermutlich nicht voll auskosten, aber die Panikattacken vor dem Besuch der Frühjahrsklassiker in den Ardennen oder dem Trainingscamp in den Pyrenäen gehören damit der Vergangenheit an. Die folgende Grafik verdeutlicht, was man mit der neuen eTap an Bandbreite gewinnt.

SRAM eTap AXS Drivetrain

Einen großen Sprung nach vorne macht SRAM in Sachen Schaltgeschwindigkeit am Heck. Das neue eTap AXS-Schaltwerk schaltet schnell – verdammt schnell, und das selbst unter Last. Wir tun uns schwer, einen Unterschied zur verkabelten Konkurrenz fest zu stellen. Wo man in der Vergangenheit etwas langsamer unterwegs gewesen ist, bewegt das Schaltwerk nun die Kette blitzschnell und präzise über die Kassette.

Neu am SRAM Red eTap AXS-Schaltwerk ist die Orbit-Fluid-Clutch. Das bedeutet was? Die aus Vorgänger-Modellen und dem MTB-Bereich bekannte mechanische Kupplung (Clutch) wurde durch eine neue hydraulische Kupplung ersetzt, um den Road-spezifischen Anforderungen gerecht zu werden. Die Kupplung ist Geschwindigkeits-sensitiv, das heißt, dass nicht Schaltvorgänge ausgebremst werden, sondern nur schnelle Bewegungen am Schaltwerk, die durch Unebenheiten hervorgerufen werden. Funktioniert das aber auch in der Praxis? Ja, und zwar sehr gut. Wir haben uns mal erlaubt, in guter „Frühjahrsklassiker-Manier“ über sehr unfreundliches und ruppiges Terrain zu ballern – vom Kettenschlagen keine Spur. Die Kupplung eliminiert störendes Klappern, der Schaltvorgang selber ist allerdings im Vergleich zur Konkurrenz lauter.

Kassette & Kette

Wo wir gerade schon bei der Kette sind: Was kann die neue 12-fach-Kassette und -Kette? SRAM verspricht deutlich leiser zu sein, und wir können bei normaler Kettenstellung ohne viel Schräglauf dem nur zustimmen. Geht man in die Extreme in Sachen Schräglauf, wird es lauter, was sich aber durch die passende Schaltstrategie vermeiden lässt. Allein aus Gründen des Verschleißes sind extrem schräge Kettenlinien ohnehin bei keinem Antrieb ratsam.

Die 12-fach-Kassetten kommen alle mit dem neuen 10er-Ritzel, was die Bandbreite der Schaltung enorm vergrößert. Bitterer Beigeschmack der Neuerung ist der dafür notwendige XDR-Freilauf-Body am Laufrad. Bis dieser für alle Laufräder verfügbar sein wird, kann vermutlich noch etwas Zeit ins Land gehen, und auch der geliebte Hometrainer braucht unter Umständen einen Adapter, um die neue Kassette aufnehmen zu können.

Die versprochene Verbesserung der Haltbarkeit der Kette durch die zusätzliche Hard-Chrome-Beschichtung und dem Flat-Top-Design wird sich erst im Langzeit-Test zeigen. Unabhängig der Hersteller zeigt sich aber, dass viel daran gesetzt wird, die 12-fach-Antriebe in Sachen Langlebigkeit auf 11-fach-Niveau zu halten oder sogar zu verbessern.

Umwerfer

Nun zum Umwerfer, der wie auch das Schaltwerk eine komplette Überarbeitung erhalten hat. SRAM verspricht die schnellste Art, vorne zu schalten, und zudem – dank neuem Umwerfer-Design – deutlich mehr Reifenfreiheit. Das gefällt und passt perfekt zum Trend hin zu breiteren Pneus. Der Kettenblattwechsel funktioniert im Allgemeinen sehr gut und läuft zügig. Auffällig ist jedoch eine leichte zeitliche Verzögerung zwischen der ersten elektronischen Rückmeldung am Umwerfer bis zum wirklichen Kettenblattwechsel. Anders gesagt: Die Übermittlung des Schaltbefehls von Schalthebel zu Umwerfer wird direkt umgesetzt, doch der Schaltprozess an sich hinkt minimal hinterher. Nach regem Austausch mit den Experten von SRAM, Mikro-Justierung der Anschläge bis knapp an die Kette und Minimalkorrektur der Umwerfer-Position klappt der Kettenblattwechsel besser. Mit dem Blick auf Veränderungen am Bike durch Verschleiß oder andere Einflußfaktoren scheint uns das System etwas feinfühlig. Da benötigt der Weekend-Warrior schon etwas mehr Mechaniker-Kenntnisse. Der Grat zwischen schnellem Gangwechsel und Kontakt der Kette mit dem Käfig ist recht schmal. Hinzu kommt die hohe Geräuschentwicklung beim Schaltvorgang, die eine Kombination aus dem Surren des elektrischen Motors und dem mechanischen Umwuchten der Kette ist.

SRAM eTap AXS front dellerieur

Kurbel

Die neue Red eTap AXS-Kurbel bietet ebenfalls einige Neuerungen. Die Kettenblatt-Kombination ist aus einem Stück gefertigt, was eine deutlich steifere Einheit bildet. Am Testbike ist die 48–35er Einheit verbaut, die mit der 11–28-Kassette das neue Semi-Kompakt von SRAM darstellt. Im Antritt super agil und steif, überzeugt die Kurbeleinheit, auch wenn wir uns an das aggressive Design erst noch gewöhnen müssen. Hier heißt es „love it or hate it“.

Die neue SRAM Red eTap AXS ist mit Power Meter verfügbar und auch die am Testbike verbaute non-Power Meter Einheit lässt sich relativ upgraden. Da der Power Meter allerdings eine Einheit mit den Kettenblättern bildet, muss immer alles getauscht werden – die Kurbel verbleibt natürlich. Vorteile sind laut SRAM die deutlich höhere Genauigkeit und der Wegfall der lästigen Power Meter-Kalibrierung. Auf der anderen Seite bedeutet das, dass man jedes Mal, wenn das Kettenblatt verschlissen ist, einen neuen Power Meter kaufen muss. Gute Nachricht ist hier, dass SRAM 50 % auf den Tausch bietet, was dann im Vergleich zu einer non-Power Meter-Einheit nur noch einen kleinen Aufpreis bedeutet.

AXS-Smartphone-App & Schaltmodi

Die Verbindung der SRAM Red eTap AXS-Schaltgruppe mit dem Smartphone läuft spielerisch und gelingt auf Anhieb. Die Menüführung ist intuitiv und die Anpassungsmöglichkeiten sind schier endlos – vom Tausch zwischen rechts und links bis hin zur Aktivierung des Dropper Posts ist alles möglich.

SRAM bietet neben dem konventionellen Schalten noch zwei optionale Modi. „Sequentiell“ ist die vollautomatische Variante, bei der lediglich hoch und runter geschaltet werden muss und der Kettenblattwechsel automatisch erfolgt. „Compensating“ liegt irgendwo zwischen konventionell und automatisiert. Hierbei wird der Gangsprung beim Kettenblattwechsel durch eine Gegenbewegung an der Kassette abgeschwächt.

Sobald man die optionalen Modi verwenden will, sollte man darauf achten, die verwendete Kassette und Kettenblatt-Kombination korrekt einzugeben, da ansonsten keine harmonischen Schaltvorgänge zu erwarten sind.

Einziges Manko ist die fehlende Kopplung zur Bedienung von Geräten, wie zum Beispiel dem Garmin, was die Konkurrenz aus Japan bereits seit Längerem kann. Dies sollte aber nur eine Frage der Zeit sein, da die Schnittstellen alle vorhanden sind. Wir sind gespannt, was SRAM hierzu noch an Upgrades bringen wird.

Effizienz?

Effizienz. Überall wo man hinschaut werden Hightech Produkte angepriesen, welche die Effizienz des Antriebsstrangs verbessern sollen. Kaum zu übersehen sind dabei die oversized Schaltrollen, wie beispielsweise von CeramicSpeed, welche man an immer mehr Luxus- und Race-Bikes zu Gesicht bekommt. Schaut man auf Stundenweltrekorde oder Zeitfahren, wird man ebenfalls größere Kettenblätter mit größen Ritzeln vorfinden, da die Effizienz deutlich höher ist. „Bigger is better“ ist die Devise, denn größere Ritzel bedeuten einen flacheren Winkel der Kette bei der Umschlingung der Ritzel und eine geringere Drehzahl des Ritzels/Schaltröllchen selbst. Beides verbessert den Wirkungsgrad. Ein derartig optimierter Antrieb soll im Gegensatz zur traditionellen Konfiguration bis zu 10 Watt effektiver sein.

Uns stellt sich daher die Frage, warum man bei SRAM auf kleinere Kettenblätter und Ritzel mit nur 10 Zähnen geht. Denn selbst SRAM preist die größeren Schaltrollen als effizienter an. Uns Wochenend-Helden wird das vermutlich wenig beeinträchtigen, aber der Profi im Zeitfahren wird mit der Kombination schon ein paar Watt mehr auf der Straße lassen. Wo genau der Break-even-Punkt zwischen Effizienz größerer Ritzel und der Gewichtsersparnis kleinerer Setups mit mehr Bandbreite ist, muss ultimativ jeder für sich selbst entscheiden.

SRAM gelingt mit der neuen Red eTap AXS ein großer Sprung nach vorne, vor allem in Sachen Schaltgeschwindigkeit. Zur unangefochtenen Wireless-Krone kommen nun auch noch die Connectivity-Schulterklappen und bieten mit der neuen AXS-Technologie viel Spielraum zur Anpassung und individuellen Kombination. Die große Gangbreite, gepaart mit mehr Reifenfreiheit, folgt der Entwicklung hin zu breiteren Einsatzgebieten. Auch wenn die SRAM Red eTap AXS ein paar Eigenheiten wie die relativ laute Geräuschkulisse beim Schalten und Sensibilität des Umwerfers aufweist, ist SRAM insgesamt ein toller Wurf mit herausstechendem Design gelungen.


Dieser Artikel ist aus GRAN FONDO Ausgabe #011

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Text: Fotos: Valentin Rühl