Mit einem Rahmen aus Aluminium anstelle von Carbonfasern bietet Canyon die Gravel-orientierte Grail-Modellpalette zu absoluten Sensationspreisen an. Doch bietet das Grail AL auch ohne den unverkennbaren Hover Bar-Lenker Komfort und Nachgiebigkeit?

Mit 9,48 kg ist das Canyon Grail AL 7.0 (Größe Medium) nicht gerade ein Leichtgewicht, doch für den Geldbeutel schonenden Preis von nur 1.499 € können wir ein wenig Übergewicht verkraften

Die Veröffentlichung des Canyon Grail CF Gravel-Bikes blieb mit Sicherheit nicht unbemerkt. Mit einem Carbon-Rahmen, der eigens für die Nutzung des innovativen Hover Bar-Lenkers mit seinem schwebenden, flexiblen Oberlenker konzipiert wurde, fiel die Ästhetik in der Tat polarisierend aus – mit einem Aussehen so einzigartig wie das Konzept selbst. Doch das Canyon Grail CF löste tatsächlich seine Versprechen ein: Mit grandiosem Komfort bei der Griffposition am Oberlenker und totaler Steifigkeit an den Drops demonstrierte es Komfort auf einem neuen Level und ein sehr gelassenes Handling. Das Wachstum des Gravel- und Adventure-Sektors in jedem Preissegment blieb im Hause Canyon Bikes natürlich nicht unbemerkt, sodass die Canyon Grail-Modellpalette erweitert wurde und nun auch die AL-Kollektion beinhaltet. Preislich bewegen sich die Bikes von 1.199 € für das Einstiegsmodell Grail AL 6.0 bis 1.599 € für das Grail AL 7.0 SL. Bei diesem Preisniveau würde man erwarten, dass es kaum Spielraum für den Aufbau von vernünftig ausgestatteten Bikes gibt. Wenn aber einer weiß, wie man ein Bike zu einem heißen Preis anbietet, dann ist es die in Koblenz ansässige Direktvertriebsmarke. Doch erfüllt auch die Aluminium-Version – ohne die beiden Highlights Lenker und Sattelstütze, die das Grail CF so einzigartig gemacht haben – alle Kriterien einer vielseitigen Abenteuer-Maschine?

Mit 430 mm langen Kettenstreben und reichlich Platz für voluminöse 700x40C-Reifen ist das Canyon Grail AL 7.0 ein Musterbeispiel für leichtgängiges Handling und Vielseitigkeit
Die Grail AL-Modelle verzichten auf den innovativen – und polarisierende – Hover-Bar-Lenker sowie die VCLS 2.0-Sattelstütze.
Stattdessen verfügen die Modelle über einen konventionellen, 440 mm breiten Lenker (in Medium) und eine VCLS-Sattelstütze aus Carbon.
Die Schwalbe G-One Bite 700X40C-Reifen verleihen eine ordentliche Portion Vielseitigkeit sowie Komfort und bügeln Schotter geschmeidig glatt

Das Canyon Grail AL 7.0 im Detail

Auf den ersten Blick wird sofort klar, dass das Canyon Grail AL nicht die polarisierende Silhouette des mit Hover Bar ausgestatteten CF-Carbon-Modells gemeinsam hat. Mit seiner konventionellen Vorbau-Lenker-Kombi mutet das Canyon Grail AL stilvoll und elegant an und übersetzt somit Canyons Designsprache ausgezeichnet auf den 6061-Aluminium-Rahmen mit Carbon-Gabel. Canyon hat auch an den Details nicht gespart: Innenverlegte Züge, Befestigungspunkte für einen dritten Flaschenhalter und eine Vorbereitung für die Montage von Schutzblechen sowie Gepäckträgern tragen zu seinen vielseitigen Referenzen bei. Bei dem für lediglich 1.499 € erhältlichen AL 7.0-Modell bleibt für Canyon natürlich kaum Spielraum für die Auswahl ausgefallener Komponenten, doch zugegebenermaßen waren wir angenehm überrascht.

Shimano 105er-Scheibenbremsen mit 160 mm-Rotoren an Front und Heck sorgen in jeder Situation für kraftvolle Verzögerung
Für solch einen Schnäppchenpreis waren wir erfreut, Komponenten namhafter Hersteller zu sehen, wie etwa den Selle Italia X3-Sattel
Ein kompletter Shimano 105-Antrieb bietet zuverlässige Performance und eine gute Bandbreite

Das Herz des Canyon Grail AL 7.0-Modells bildet eine komplette Shimano 105er-Schaltgruppe inklusive Scheibenbremsen – einfach und effektiv. Der Antrieb besteht aus der 11-fach Shimano HG700-Kassette mit 11–34 Zähnen, gepaart mit 50/34-Zahn-Kettenblättern. Die Shimano 105er-Scheibenbremsen kommen mit 160 mm-Scheiben an Front und Heck. Canyon verbaut außerdem einen DT Swiss C 1850 SPLINE db-Gravel-Laufradsatz mit Schwalbe G-One Bite 40 mm-Reifen. Der Rest der Komponenten besteht aus Canyons hauseigenem V13-Vorbau und dem HB Ergobar AL-Lenker, umwickelt mit Canyons Ergospeed Gel-Tape. Auch wenn diese Ausstattung wahrscheinlich nicht jedermanns Säfte zum Fließen bringt, ist sie absolut zuverlässig und allen Anforderungen gewachsen. Erst recht, wenn man das beeindruckende Preisschild in Betracht zieht, wodurch das ganze Paket noch reizvoller wird.

Welchen Platz innerhalb der Modellpalette nimmt das Canyon Grail AL ohne die Hover Bar des Canyon Grail CF ein?

Größen und Geometrie des Canyon Grail AL

Die Canyon Grail AL-Modelle sind in sieben Größen erhältlich, von 2XS für Fahrer zwischen 158–166 cm bis hin zu 2XL für Fahrer bis 202 cm.

Größe 2XS XS S M L XL 2XL
Sattelrohr 432 mm 462 mm 492 mm 522 mm 552 mm 582 mm 612 mm
Oberrohr 516 mm 531 mm 555 mm 577 mm 591 mm 613 mm 631 mm
Steuerrohr 117 mm 133 mm 124 mm 143 mm 169 mm 190 mm 209 mm
Lenkwinkel 70,0° 71,0° 70,3° 72,3° 72,5° 73,5° 71,5°
Sitzwinkel 73,5° 73,5° 73,5° 73,5° 73,5° 73,5° 73,5°
Kettenstrebe 415 mm 415 mm 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm
Radstand 984 mm 990 mm 1.027 mm 1.035 mm 1.047 mm 1.070 mm 1.085 mm
Reach 384 mm 373 mm 390 mm 405 mm 412 mm 431 mm 440 mm
Stack 514 mm 533 mm 556 mm 579 mm 605 mm 626 mm 644 mm

Das Canyon Grail AL 7.0 im Test

Bevor wir uns dem Testeindruck widmen, müssen wir zunächst ein virtuelles High-Five austeilen! Canyon hat es geschafft, ein „Schnäppchen“-Bike alles andere als billig aussehen zu lassen. Die klare Designsprache, schneidige Linienführung und die wohlüberlegten Farbschemata verleihen dem Canyon Grail AL 7.0 eine Eleganz und Zielstrebigkeit, die seinem kläglichen Preisschild trotzt. Chapeau Canyon, Chapeau.

Ein grandioses Bike für Gravel-Abenteuer. Für diesen Preis kann man mit dem Canyon Grail AL 7.0 kaum etwas falsch machen.

Doch lässt man die Optik außen vor, so erkennt man an anderen Stellen das enge Budget. Mit einem Gewicht von 9,48 kg wird das Canyon Grail AL 7.0 wahrscheinlich nicht gerade als Erstes aus den Startlöchern kommen und wenn man hart in die Pedale tritt, erhöht sich die Geschwindigkeit eher gemächlich. Es ist also kein Windhund, doch wenn es einmal auf Touren ist, dann spult das Grail AL glücklich Kilometer um Kilometer bei einer guten Geschwindigkeit ab. Bei einem Bike zu einem solchen Preis würde man außerdem erwarten, einige Komponenten austauschen zu müssen, doch selbst frisch aus dem Karton gibt es kaum etwas zu bemängeln. Wenn es euch nach mehr Speed gelüstet, dürfte ein Paar steifere und leichtere Carbon-Laufräder die Beschleunigung ankurbeln. Dem Shimano 105 11-fach-Antrieb fehlt zwar die souveräne Leichtigkeit und das verzögerungsfreie Schaltverhalten eines oberklassigen Antriebs, doch er verrichtet seine Arbeit mit einer unbeirrbaren Verlässlichkeit, die auf viele Kilometer voller sorglosem Fahrvergnügen hindeuten. Die Shimano 105er-Bremsen sind kräftig, verrichten ihren Dienst lautlos und funktionieren bei jedem Wetter ausgezeichnet.

Wir geben es zu, wir sind Fans von Canyons Cockpit: Der 440 mm breite Lenker mit seinen angenehm ausgestellten Drops machte es uns leicht, das Bike zu mögen.

Stabil und ruhig sind wohl die bestmöglichen Umschreibungen für das Handling des Canyon Grail AL 7.0. Egal wie ruppig das Terrain unter den Reifen aussieht, die 430 mm langen Kettenstreben und der relaxte 72,25 ° Lenkwinkel (in Medium) resultieren in einer souveränen und gelassenen Front. Das Lenkverhalten weist in engen oder langgezogenen Kurven keinerlei Nervosität oder abruptes Verhalten auf. Ein fantastisches Bike für Anfänger, prädestiniert für lange Touren – oder für all jene, die nicht in jeder Kurve zum Angriff blasen wollen.

Canyons Größeneinteilung fällt ziemlich großzügig aus und unser 1,80 m großer Tester begab sich auf einem Bike in Größe Medium auf die Trails.
Canyon hat auch an kleinere Fahrer gedacht:…
…An den Bikes in Größe 2XS und XS sind schmalere 650B-Versionen der DT Swiss C 1850 SPLINE db-Laufräder verbaut.
Das Grail AL 7.0 macht entspanntere Trails und Schotterpisten zu einer leichten Aufgabe. Nur wenn der Untergrund ruppiger wird und das Kettenschlagen des 105er-Antriebs durch den Rahmen schallt, kann es seine Budget-begrenzten Wurzeln nicht mehr gänzlich verbergen.

Geht man aus dem Sattel und gibt dem Canyon Grail AL 7.0 hart die Sporen, sorgen sein geräumiger Reach und das steife Cockpit dafür, dass man auf kurzen, steilen Anstiegen einiges an Pferdestärken aus ihm herauskitzeln kann. Allerdings bedeuten die langen Kettenstreben, die eine derartige Stabilität im Sitzen verleihen, dass man ein wenig Traktion am Hinterrad verlieren kann, wenn man stark am Lenker zieht. Während sein kostspieligerer Bruder, das Grail CF, mit vielen innovativen Herangehensweisen zur Verbesserung des Komforts aufwartet – wie etwa der nachgiebigen, geteilten VCLS 2.0 Carbon-Sattelstütze –, fühlt sich die einfache Carbon-Sattelstütze der AL-Version in Kombination mit dem steifen Hinterbau ein wenig hart an. Wir konnten jedoch ein gewisses Maß an Komfort zurückgewinnen, indem wir den Luftdruck in den Schwalbe G-One Bite 40 mm-Reifen ein wenig reduzierten.

Das Canyon Grail AL 7.0 besticht durch sein entspanntes Handling – seine Stabilität und Souveränität machen es zu einem großartigen Bike für Neulinge auf Gravel-Trails

Alles in allem – speziell in Anbetracht des Schnäppchenpreises – bietet das Canyon Grail AL 7.0 ein außergewöhnliches Gesamtpaket, das verlässliche Komponenten mit einem souveränen und sicheren Handling vereint. Somit dürfte es bestens für den angestrebten Markt geeignet sein: Fahrer, die den ersten Schritt ins Gravel-Business wagen oder auch fortgeschrittenere Fahrer, die in der Zukunft ein Upgrade vornehmen wollen.

Das Canyon Grail AL 7.0 ist ein erschwinglicher Kilometerfresser, der fantastisches Aussehen mit Vielseitigkeit vereint – und das zu einem außergewöhnlichen Preis. Auch wenn ihm das energetische und lebendige Handling leichterer und teurerer Gravel-Bikes fehlt, überzeugt es stattdessen mit einem souveränen und genügsamen Handling. So werden Feierabendrunden und epische Sonntagsausfahrten zu einem wahren Vergnügen.

Für jene unter euch, die sich noch immer fragen, worin die konkreten Unterschiede zwischen einem Gravel- und einem Cyclocross-Bike bestehen: Wir haben die zwei Konzepte miteinander verglichen, Canyons Inflite CF gegen das Grail CF. Hier findet ihr den Artikel: Test: Canyon Inflite vs. Canyon Grail – Crosst du noch oder gravellst du schon?

Mehr Info findet ihr auf der zweiten Seite oder unter: canyon.com