Worauf kommt es bei Federelementen an und was ist das wichtigste? Wie könnt ihr den Einsatzbereich eures Gravel-Bikes am günstigsten vergrößern? Auf diese und weitere spannende Fragen haben wir bei unserem Konzeptvergleich von sechs Gravel- und Mountainbikes Antworten gefunden und sie hier für euch gesammelt.

Der Markt für Gravel-Bikes entwickelt sich ständig weiter und die aktuellen Innovationen lassen die Grenzen zum Mountainbike immer schwammiger werden. Da ist es nicht immer leicht, den Überblick über die neuesten Veränderungen und angesagtesten Trends zu behalten. Wir haben unsere Erfahrungen aus dem Vergleichstest von 6 Gravel- und Mountainbike-Konzepten gesammelt und verraten euch im folgenden Artikel, worauf ihr achten müsst, wenn ihr euch im Grenzgebiet zwischen den beiden Welten befindet.

Jedes Federelement ist nur so gut wie seine Dämpfung

Unser Test hat eines ganz eindeutig gezeigt: Egal wie viel Federweg ein Fahrwerkskonzept bietet – er allein bringt gar nichts und ist immer nur so gut wie seine Dämpfung. Aus ungedämpften Federwegen entstehen schnell Fahrwerke, die den Fahrer flummiartig und wie auf einem Pogo-Stick unkontrolliert über die Piste hoppeln lassen. Damit das nicht passiert, kontrolliert die Dämpfung die Geschwindigkeit, mit der der Federweg freigegeben wird und auch wieder zurückfedert. Hydraulische Dämpfungselemente wie bei der RockShox Rudy-Federgabel oder dem IsoStrut-System von Trek lassen sich in ihrer Ein- und Ausfederdämpfung an den Fahrer und dessen Vorlieben anpassen.

Am Trek Supercaliber kann man sowohl Dämpfer …
… als auch Federgabel in ihrem Dämpfungsverhalten einstellen.

Auch Komponenten wie Reifen oder Lenker können über Reibung ein gewisses Maß an Dämpfung bieten. Sie ist aber materialabhängig und in keinster Weise einstellbar. Daher Vorsicht, wenn ihr bei uns oder wo auch immer das Wort Dämpfung lest: Ist sie nicht einstellbar, so ist sie hinsichtlich bestimmter Parameter optimiert. So können z. B. schwere Fahrer einen Lenker komfortabel finden, während der gleiche Lenker für ein Fliegengewicht zu straff ist. Zwar streben die Hersteller hier nach einem Kompromiss, der für möglichst viele Fahrer gut passt – aber es bleibt eben auch genau das: ein Kompromiss.

Das Canyon Grizl verzichtet zwar auf ein aktives Fahrwerk, kann aber besonders am Heck aufgrund der Canyon S15 VCLS CF 2.0-Sattelstütze mit einem deutlichen Komfortplus punkten. Anders als die Stütze am BMC Twostroke ist sie gut gedämpft und hat so einen deutlich geringeren Hang zum Aufschaukeln.

Das wichtigste Federelement aller Bikes ist der Reifen

Klar: Reifen sind die einzigen Kontaktpunkte mit dem Untergrund. Unstrittig ist auch, dass ein guter Reifen vor allem durch ein berechenbares Verhalten Sicherheit und Vertrauen schafft. Ein verlässlicher Reifen ist enorm wichtig, gerade auf nicht homogenen Untergründen, wie man sie während eines MTB- und Gravel-Rides antrifft. Reifen sind außerdem bei jedem Bike – egal ob Fully, Hardtail oder Bike ohne Federelemente – die erste Komponente, die auf Schläge reagiert. Unser Test hat gezeigt, dass ein Tuning von Variablen wie dem Reifenvolumen und dem Reifendruck genauso sinnvoll ist wie ein akribisches Fahrwerkssetup. Außerdem verfügen unterschiedliche Reifenmodelle über verschiedene Karkassen. Diese haben einen enormen Einfluss auf die Eigendämpfung eines Reifens. Wer mehr Komfort aus seinem Bike holen will, sollte sich nicht davor scheuen, einen Pneu mit mehr Volumen auszuwählen. Hier kann man für einen überschaubaren finanziellen Aufwand signifikant mehr Spielraum zur Verformung und damit Traktion und „Federweg“ herausholen. Mehr Volumen muss dabei – selbst unabhängig vom Untergrund – nicht bedeuten, dass man langsamer unterwegs ist! Ein komfortabler Reifen ist der bessere und auf lange Sicht auch der schnellere Gravel-Reifen. Denn mit ihm kann man länger in einer aerodynamischen Position fahren und kommt erholter am Ziel an. Neue Reifen sind also der günstigste Weg, um euer Gravel-Bike zu tunen und sein Einsatzgebiet zu vergrößern. Weitere Informationen zum Thema Gravel-Reifen findet ihr in unserem Gravel-Reifen-Vergleichstest mit 12 Modellen im Test.

Egal wie die Komfortelemente des Bikes auch konstruiert sein mögen: Bei jedem Bike sind die Reifen die erste Komponente, die auf Schläge reagiert.

Der größte Federweg am Bike seid ihr! Die Bewegungsfreiheit

Für uns Roadies ist es zuweilen ungewohnt, aber es kann sich auszahlen, auch ohne zu sprinten aus dem Sattel zu gehen. Denn in der stehenden Fahrposition kann man Arme und Beine als natürliche Federelemente nutzen. Die Grundvoraussetzung? Der Sattel muss weit genug aus dem Weg gebracht werden – für diese Möglichkeit sorgen absenkbare Sattelstützen. Sie erzeugen die nötige Bewegungsfreiheit, die es euch erlaubt, eure Beine und Arme maximal arbeiten zu lassen. Und was ist das Gute daran? Euer Körper ist in seiner Federhärte und Dämpfungseigenschaft im Grunde unendlich fein, oft und binnen Sekundenbruchteilen einstellbar und noch dazu komplett kostenlos. Wobei … Letzteres stimmt vielleicht nicht ganz: Für die nötige Core-Muskulatur kommt man über die regelmäßigen Bauch-Beine-Po-Einheiten nicht herum! Aber Spaß beiseite: Eine aktive Fahrweise, die starre Bewegungsplateaus ausschließt, bringt Sicherheit und schont das Material. Unser Schwestermagazin ENDURO hält hierfür zahlreiche Fahrtechnik-Artikel bereit.

Ist der Sattel aus dem Weg, hat man mehr Bewegungsfreiheit auf dem Bike. Somit kann man mehr des ohnehin vorhandenen Körperfederwegs nutzen. Notwendiges Fahrkönnen, Fitness und das etwas höhere Gesamtgewicht des Bikes vorausgesetzt.

Lenkung: Dropbar ist nicht gleich Dropbar

Der Rennlenker hat seine Daseinsberechtigung in unserem Konzeptvergleich eindeutig unter Beweis gestellt, denn er ermöglicht nicht nur mehrere Griffpositionen, sondern vereint bis zu drei Bike-Geometrien in einem Bike. Beim Wechsel der Positionen werden Sitzposition und Neigewinkel des Oberkörpers signifikant geändert. Das sorgt für eine Veränderung der virtuellen Oberrohrlänge und des Abstands von Kontaktpunkt Sattel zu Kontaktpunkt Lenker. Wichtig ist dabei: Der Lenker muss zum Gesamtpaket des Bikes passen. Zu wenig Flare in den Drops – wie am Canyon – stellt einen Kompromiss bei der Kontrolle im ruppigen Gelände da und außerdem ist die Wahrscheinlichkeit größer, sich im Sprint in den Drops die Unterarme zu stoßen. Am anderen Ende der Skala ist sehr großer Lenker-Flare wie am Fustle ein aerodynamischer Nachteil. Für maximale Allround-Eigenschaften hat sich eine Lenker-Ergonomie wie z. B. die des Easton EA70 AX am URS LT ONE oder Zipp Service Course 70 XPLR am Lauf True Grit im Test bewährt. Hier ist es sinnvoll, ein benutzerfreundliches Exemplar zu finden, das wirklich zu eurem Körperbau und euren Bedürfnissen passt. Da ein ständiger Lenkerwechsel am eigenen Bike recht zeitraubend, nervig und teuer werden kann, empfehlen wir: ordentlich bei anderen rumfummeln! Nutzt jede Gelegenheit, um euch auf die Bikes von Freunden und Bekannten zu setzen und dadurch unterschiedliche Lenkerformen und -Positionen durchzuspielen.

Die Lenker am Lauf und …
… am BMC URS LT konnten unsere Tester mit ihrer hervorragenden Ergonomie überzeugen!
Aufgrund des stark ausgeprägten Flares gehört der PRO Discover-Lenker des Fustle Cause zweifelsohne zu den progressiveren Vertretern seiner Art.

Alles eine Frage der Masse

Für viele Radfahrer ist das Thema Gewicht Dreh- und Angelpunkt, wenn es um die Optimierung der Performance geht. Doch wir wollen das Augenmerk in diesem Zusammenhang auf etwas ganz anderes legen und reden hier nicht davon, dass ihr euch einer Diät unterziehen oder euer Bike möglich leicht machen müsst. Die eben genannten Tuningmaßnahmen mögen euch zwar u. a. im Uphill helfen, aber uns geht es hier eher um die Fahr-Performance des Bikes auf unebenen Untergründen. Denn hier profitiert ihr davon, wenn das System aus Fahrer und Bike über eine möglichst geringe ungefederte Masse verfügt. Am besten schaffen das in unserem Konzeptvergleich die vollgefederten Systeme, also das Trek und das BMC URS LT. Gefederte Masse kann sich beim Überfahren von Hindernissen mehr oder weniger gleichmäßig und gleichförmig weiterbewegen, während die ungefederte Masse wie bspw. das Laufrad-Reifensystem jeden noch so kleinen Absatz hinauf- und hinabrollen muss – das kostet Energie, die nicht für den Vortrieb genutzt werden kann. Um hier kostbare Körner zu sparen, gilt es also, die ungefederte Masse so gut wie möglich zu minimieren.

Im Idealfall ist das Bike-Konzept rund

Die Allrounder im Test haben ein breites Einsatzgebiet und sind damit sehr vielseitig einsetzbar. Auf dem Spektrum potenzieller Einsatzgebiete schneiden sie rechts und links möglichst wenig ab und haben keine Lücken. Aus diesem Grund ist ihre Ausstattung in der Regel umfangreicher als die eines spezialisierten Bike-Konzepts. Spezialisten haben gleichzeitig eine Daseinsberechtigung, da einige von euch ggf. die enorme Vielseitigkeit einiger Bikes im Test gar nicht ausnutzen können oder wollen. Spezialisierte Bikes schneiden rechts und links des Spektrums gewisse Einsatzszenarien ab, sollten sich jedoch dann keine weiteren Lücken mehr leisten. Was heißt das konkret? Wenn ein Bike auf der Straße und auf dem Trail nicht glänzen kann, sollte es immerhin auf dem Gravel brillieren. Das Fustle z. B. leistet sich aber aufgrund seiner eingeschränkten Bandbreite eine Lücke, die direkt in seinen speziellen Einsatzbereich fällt. Das Konzept an sich ist somit nicht mehr stimmig und rund.


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Text: Benjamin Topf Fotos: Benjamin Topf, Peter Walker