Elektro-Rennräder haben das Potenzial, Beziehungen zu retten, Leben zu verändern und sogar eingefleischten Road-Fetischisten ein Grinsen zu entlocken. Wir haben zwei vielversprechende Pionier-Modelle getestet und klären auf, ob und wie sich die Rennradwelt in Zukunft verändern wird.

Hier findet ihr unsere 5 wichtigsten Erkenntnisse. Darüberhinaus kommt ihr hier zuunserem Test über das Orbea Gain und über das FOCUS Project Y.

Wäre es nicht verdammt cool, wieder mit deinem Vater auf Tour zu gehen, der dir vor Jahren das Fahrradfahren beigebracht hat? Oder dich mit deinem Partner nicht mehr zu streiten, weil ihr trotz unterschiedlichem Fitness-Level gleich viel Spaß auf einer gemeinsam Tour haben könnt? Wie würde sich dein Leben verändern, wenn du auf einmal wieder mit deinen deutlich fitteren Kumpels die Freiheit der Straße genießen könntest? Wie viel würdest du dafür geben, nach einem anstrengenden Arbeitstag die Feierabendrunde durch das hügelige Hinterland vor Sonnenuntergang zu schaffen, anstatt auf der Couch zu versumpfen? Gründe – und auch Ausreden – ein E-Rennrad zu fahren, gibt es viele. Doch damit diese Visionen Realität werden, muss die Technik stimmen. E-Mountainbikes haben den Mountainbike-Markt bereits revolutioniert. Jetzt steht die E-Rennrad-Revolution bevor!

Die Demokratisierung des Rennrades

Die Statistiken sprechen für sich. Bei der jüngsten Umfrage auf unserer Website zum Thema Elektro-Rennräder mit 1.200 Teilnehmern haben 48 % von euch angegeben, dass sie E-Rennräder spannend finden, weil sie Leistungsunterschiede ausgleichen. 18 % wollen sogar ein Elektro-Rennrad, weil es das Leiden am Berg reduziert. Insbesondere bei den 48 % zeigt sich, wie sich die (Rennrad-)Gesellschaft wandelt. In der Freizeit kommt es immer weniger auf die pure Leistung und den zähnefletschenden Wettkampf mit den Bike-Kumpels an, stattdessen rückt das persönliche Erlebnis in den Vordergrund – am liebsten mit den besten Freunden. E-Mountainbikes sind genau deshalb so populär, weil man auf einmal wieder mit dem guten Freund, Vater oder dem Partner fahren kann, obwohl ein gravierender Leistungsunterschied besteht.

Auch denjenigen, die das Rennrad aktuell als Transportmittel zum täglichen Pendeln oder für Fahrten von A nach B nutzen, ist die elektronische Unterstützung durchaus willkommen. Schließlich kann man damit endlich ohne Schweißtropfen zur Arbeit fahren.

Und was ist die Einstellung von GRAN FONDO gegenüber Elektro-Rennrädern?

Wenn jemand meint, er könne darüber entscheiden, wie andere in ihrer Freizeit zu fahren haben, dann müssen wir widersprechen. GRAN FONDO ist nicht das Magazin, das seinen Lesern empfiehlt, seine Kumpels und die Konkurrenz am Berg auszustechen und irgendwelche Regeln zu befolgen, weil man es „halt so macht“. Nein, wir raten dir, deinem Kumpel, deinem schwächeren, älteren oder aus welchen Gründen auch immer unfitteren Radkollegen die Hand zu reichen. Wir brauchen keinen Ego-Boost, wir wollen mit genau den Freunden aufs Rad, mit denen wir auch sonst gerne unsere Freizeit verbringen und wir wollen uns dabei nicht von unterschiedlichen Leistungsständen einen Strich durch die Rechnung machen lassen. Auf dem Bike sind wir ein Team und die Gemeinschaft ist uns wichtiger als Wattzahlen. Punkt. Statt uns diesem Trend zu verschließen, wollen wir einen aktiven Part in der Entwicklung dieses Segments sein und helfen, mit eurem Feedback und zusammen mit der Industrie diesen Trend in die richtigen Bahnen zu lenken – mit dem Know-how von unserem Schwestermagazin E-MOUNTAINBIKE, dem führenden E-Mountainbike-Magazin, sind wir dafür bestens gerüstet.

Elektro-Rennräder gibt es bereits seit Jahren, allerdings in meist massiven Auswüchsen, die gut und gerne die 20-kg-Gewichtsklasse knacken. In den folgenden Artikeln haben wir die zwei spannendsten Konzepte von Elektro-Rennrädern getestet, die 2018 in Serie erhältlich sein werden und die mit schlanken und innovativen Konzepten das Potenzial haben, Rennradfahren grundlegend zu verändern: das Orbea Gain mit Hinterradnabenmotor und das Focus Project Y mit Mittelmotor.

Wir beantworten hier die Frequently Asked Questions – alles was ihr über Elektro-Rennräder wissen müsst:

1. Was ist die Reichweite eines Elektro-Rennrades?

Über 20 Faktoren beeinflussen die Reichweite eines Elektro-Rennrades. Außer externen Faktoren wie Höhenprofil, Straßenzustand und Gegenwind sind es vor allem das Fahrergewicht, die Trittfrequenz und die Tretdynamik des Fahrers, die großen Einfluss auf die Reichweite nehmen. Bei unseren Testbikes mit je einem 250-Wh-Akku war nach circa 50 km und 1.000 hm Schluss. Ampelstopps, d. h. häufiges Anfahren von 0 km/h, kosten genau wie Höhenmeter sehr viel Energie. Bei langen Anstiegen können Motoren heiß werden und regeln dann automatisch die Unterstützung herunter (Derating), auch darunter leidet die Effizienz. Wer den Effekt unterschiedlicher Parameter begutachten möchte, kann exemplarisch den Reichweiten-Rechner von Bosch ausprobieren.

2. Kann ich in einer Gruppe fahren?

Je nach Durchschnittsgeschwindigkeit ist das Fahren in der Gruppe kein Problem. In der Ebene kann man im Windschatten gut mitrollen, auch trotz fehlender Unterstützung oberhalb von 25 km/h und einem Mehrgewicht von ca. 3–5 kg. Beim Ortsschildsprint muss man mit dem Zusatzgewicht deutlich mehr kämpfen!

3. Wie viel wiegt ein Elektro-Rennrad?

Unsere Testbikes wogen ca. 13–14 kg, wobei das natürlich stark von der Ausstattung abhängt. Für den Antrieb kann man ca. 3–5 kg Mehrgewicht kalkulieren. Je nach Fahrstil ist die Gewichtsverteilung jedoch deutlich wichtiger als das Gewicht an sich – wie man am Focus merkt.

4. Was für Systeme gibt es?

Kompakte Mittel- und Nabenmotoren stehen für Elektro-Rennräder derzeit hoch im Kurs. Die gängigen Mittelmotoren von z. B. Bosch sind für den Einsatz am Rennrad eher ungeeignet, da sie verhältnismäßig große Einbaumaße besitzen, schwer sind und über 25 km/h noch einen spürbaren Widerstand besitzen. Das Münchner Start-up Fazua hat mit dem Evation den wohl begehrtesten Mittelmotor im Programm: kompakt, leicht zu integrieren und freies Fahren über 25 km/h. Der österreichische Hersteller Vivax ist bereits seit Jahren auf dem Markt und bietet eine Alternative an, die direkt die Kurbel antreibt. Nabenmotoren wie das am Orbea verwendete Modell von Ebikemotion sind einfacher zu integrieren, dank dem Freilauf in der Hinterradnabe in der Regel sehr gut entkoppelt und meist deutlich kostengünstiger als aufwendig integrierte Mittelmotoren. Da sie die Kraft nicht über die Kette übertragen, verursachen sie deutlich weniger Verschleiß an der Schaltung als Mittelmotoren.

5. Warum ist die Unterstützung von Elektro-Rennrädern in Deutschland auf 25 km/h limitiert?

Elektro-Rennräder bzw. Pedelecs mit einer Unterstützung bis 25 km/h und 250 W Leistung sind rechtlich gesehen Fahrräder. Das heißt, es gilt keine Versicherungs- und Kennzeichenpflicht in den meisten europäischen Ländern. Vonseiten der Hersteller bedarf es keiner Typengenehmigung, nur einer CE-Normierung. Wirkt die Tretunterstützung allerdings auch über 25 km/h, dann wird aus dem Fahrrad ein sogenanntes Kleinkraftrad. Dieses braucht ein Versicherungskennzeichen und muss zugelassen werden.

6. Kann ich ein Elektro-Rennrad tunen?

Ja. Für die neuen Elektro-Motoren gibt es bis dato noch kaum Tuning-Kits, aber technisch ist es möglich. Falls euch euer Geld und eure Gesundheit jedoch etwas wert sind, solltet ihr es nicht tun: Mit einem getunten Elektro-Rennrad ist man rechtlich nicht mehr auf einem Fahrrad unterwegs, sondern auf einem nicht zugelassenen Kraftfahrzeug. Das saftige Bußgeld dafür, ohne Zulassung unterwegs zu sein, ist dabei das kleinste Übel. Weitaus kritischer ist, dass man auch keinen Versicherungsschutz hat. Fahren ohne Versicherung ist eine Straftat, da andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Vorsätzliches Fahren ohne Versicherungsschutz (was bei einem getunten E-Bike vorliegt – die Entscheidung fällt ein Gericht) wird nach §6 des Pflichtversicherungsgesetzes mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet. Zudem kann das Fahrzeug eingezogen werden, wenn es dem Täter oder Teilnehmer zur Zeit der Entscheidung gehört. Selbst wenn der Fahrer nur fahrlässig handelt, etwa weil ohne sein Wissen ein Tuning-Kit verbaut wurde, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu einem halben Jahr oder eine Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen vor.

Die meisten Motorenhersteller können bei Garantiefällen und Service-Intervallen feststellen, ob der Motor getunt wurde oder getunt ist. Bei Tuning erlischt die Garantie – im Ernstfall kann ein Tuning dadurch auch ohne Rechtsfolgen richtig teuer werden.

In Anbetracht der geringen Akku-Kapazität von 250 Wh macht ein getuntes E-Rennrad ohnehin wenig Sinn, weil der Akku sehr schnell leer wäre.

7. Für wen also sind E-Rennräder gemacht?

Das wird sich in der Saison 2018 zeigen – die ersten Tests sind beeindruckend. E-Rennräder geben vielen Fahrern, die nicht mehr die Fitness, die Gesundheit oder schlichtweg die Zeit haben, ihr geliebtes Hobby zurück. Tech-Geeks, Rennradfahrer, die Hochprozentiges hassen; Business-Professionals, die lieber Geschäfte im Sattel als im stickigen Besprechungsraum machen und noch Puste für das Gespräch haben wollen; ungleich fitte Paare und Commuter – die Liste der potenziellen Kunden ist lang. Wir sind gespannt auf euer Feedback.

Hier findet ihr unsere 5 wichtigsten Erkenntnisse. Darüberhinaus kommt ihr hier zuunserem Test über das Orbea Gain und über das FOCUS Project Y.

Schreibt uns eure Meinung an hello@granfondo-cycling.com


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Text & Fotos: Robin Schmitt