Schneller, leichter, komfortabler – nur die Wenigsten würden sich bei einem neuen Bike wohl über diese Attribute beschweren. Kaum verwunderlich also, dass das SCOTT Foil RC 2023 mit genau diesen Begriffen beschrieben wird. Ob das Bike ihnen dank verbesserter Aerodynamik und geändertem Carbon-Layup gerecht wird, zeigt unser erster Test.
Was haben alle Race-Bikes gemeinsam? Richtig, sie müssen in ihrem Design den Regularien der UCI entsprechen, damit sie im Rennsport eingesetzt werden dürfen. Ändert die UCI die Regeln, hat das also immer direkte Auswirkungen auf das Design von Neuentwicklungen. Und genau das ist 2021 passiert. Dadurch wurden aerodynamischere Formen mit flächigeren Profilen möglich – und das SCOTT Foil RC 2023 ist eines der ersten Bikes, die ihren Nutzen daraus ziehen. Damit soll es zum Vorboten einer neuen Generation von Aero-Bikes werden, die eine Evolution für den Rennbetrieb bedeuten und ihn gleichzeitig deutlich schneller machen sollen. Für das Bike selbst bedeutet das laut SCOTT eine Einsparung von 16 Watt, bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h. Alles nur Marketing-Hokus-Pokus oder bringt das Foil RC 2023 die großen Worte auch auf die Straße? Der Entwicklungsaufwand war jedenfalls immens: Rahmenformen, die mithilfe von endlosen Berechnungen und Animationen entstanden sind, wurden schlussendlich in einem Windkanal in Silverstone getestet und darauf aufbauend weiter optimiert.
Die Aerodynamik des neuen SCOTT Aero-Bikes
Obwohl durch das neue UCI-Regularium deutlich aggressivere Aero-Formen möglich wurden, war das Entwicklungsziel von SCOTT nicht einfach nur die maximal mögliche Aerodynamik des Rades. Vielmehr stand eine sinnvolle Balance aus Aerodynamik, Gewicht und Komfort im Mittelpunkt. Außerdem muss die Aerodynamik immer als System aus Bike und Fahrer verstanden und mit Blick auf eine spezielle Fahrsituation bewertet werden: Fahrgeschwindigkeit und Windrichtung spielen also ebenfalls eine Rolle. Während Messwerte aus Windkanälen mit perfektem Gegenwind von vorne mit Vorsicht zu genießen sind, gilt es, einen Kompromiss mit einem möglichst breiten Sweetspot für wechselnde Bedingungen in der realen Welt zu finden. Für das SCOTT Foil RC 2023 bedeutet das, dass es bei Winden zwischen 4° und 10° von vorne am besten funktioniert. Obwohl die neuen UCI-Regeln deutlich flächigere Rahmenformen zulassen, führt es nicht zwangsläufig zu einer verbesserten Aerodynamik, um die erlaubten Grenzen voll auszunutzen. Vielmehr geht es laut SCOTT darum, durch intelligente Formgebung bremsende Luftverwirbelungen so gut wie möglich zu vermeiden. Für das SCOTT Foil ergeben sich daraus hauptsächlich fünf charakteristische Designmerkmale, um das zu erreichen: ein deutlich voluminöserer Tretlagerbereich, ein stark ins Sitzrohr integriertes Hinterrad, rotierte und tief angesetzte Sitzstreben, eine flache und längere Gabel und ein erhöhter Abstand zwischen Reifen und Gabelkrone. Die Frage, warum es für die Luftverwirbelungen der Reifen am Vorderrad besser ist, mehr Platz zur Gabelkrone zu haben und am Hinterrad möglichst eng vom Sitzrohr umschlossen zu sein, bleibt dabei allerdings ungeklärt. Zusätzlich zu den genannten Punkten kommt am SCOTT Foil RC 2023 ein komplett überarbeitetes Aero-Cockpit zum Einsatz. Dazu gleich mehr.
Der Windkanal ist nur die halbe Wahrheit – optimale Aerodynamik bezieht sich immer auf das Gesamtsystem und die jeweilige Fahrsituation.
Die Tech-Details des neuen SCOTT Foil RC 2023
Alle Versionen des SCOTT Foil RC 2023 kommen mit einem Carbon-Rahmen. Jedoch erhält nur das Top-Modell Foil RC Ultimate das hochwertigste Carbon mit dem Namen HMX-SL. Damit kommt der Rahmen in Größe M inklusive Schaltauge, Umwerferaufnahme, Batterieaufnahme für Di2-Schaltungen und Sattelstützklemmung auf 915 g. Für die Gabel kommen nochmal 445 g dazu. Alle anderen Modelle greifen auf das etwas schwerere HMX-Carbon zurück, womit der Rahmen ebenfalls in Größe M auf 985 g und die Gabel auf 475 g kommt. Damit ist das neue SCOTT Foil RC laut Hersteller um 9 % leichter als das Vorgänger-Modell. Für diese Einsparung setzte SCOTT vor allem darauf, weniger Teile zu verwenden, wodurch weniger Carbon und weniger Harz benötigt wird.
Das neue SCOTT Foil RC setzt im Vergleich zu seinem Vorgänger auf ein steileres Sitzrohr mit einem längeren Querschnitt. Dadurch ermöglicht das Rahmenset selbst einen geringeren Flex, was zunächst zu weniger Komfort führen würde. Um das zu vermeiden, stattet SCOTT das Bike mit der Syncros Duncan SL Aero CFT-Sattelstütze aus, die über eine große Aussparung und ein darin integriertes Komfortelement verfügt. Dadurch sollen die Komfortwerte insgesamt besser sein als beim alten SCOTT Foil. Diese Sattelstütze ist in Längen von 330 mm und 380 mm und jeweils mit 0 mm und 15 mm Offset erhältlich. Außerdem gibt es im Zubehörshop ein Rücklicht, das clever in die Aussparung integriert werden kann, jedoch aufgrund regionaler Bestimmungen nicht im Lieferumfang enthalten ist.
Allerdings kann die Sattelstütze aufgrund der Aussparung nicht ganz so tief im Rahmen versenkt werden wie eine herkömmliche Stütze – in ihrer niedrigsten Position muss sie mindestens 109 mm über den Rahmen hinausstehen. Kleine Fahrer oder Fahrerinnen, die noch tiefer sitzen, müssten somit auf die Syncros Duncan SL Aero-Sattelstütze ohne Aussparung zurückgreifen. Damit fehlt ihnen zwar das Komfortelement, doch sie sparen am Gewicht. Denn ohne Komfortelement ist die Stütze ca. 90 g leichter.
Auch beim Cockpit gibt es Unterschiede zwischen den Modellen. Nur das SCOTT Foil RC Ultimate und Pro bekommen das einteilige Syncros Creston iC SL Aero-Cockpit. Das überzeugt mit maximaler Integration und einer super Optik. Ein Computer-Mount kann direkt angeschraubt werden und die Spacer, um die Lenkerhöhe zu verändern, sind zweigeteilt. Damit können sie entfernt oder hinzugefügt werden, ohne das komplette Cockpit demontieren zu müssen. Die günstigeren Modelle müssen sich mit zweiteiligen Kombinationen aus Syncros Creston Aero-Lenker und Syncros RR Aero-Vorbau begnügen, die sich optisch deutlich weniger gefällig ins Gesamtbild des Bikes einfügen.
Varianten und Verfügbarkeit des neuen SCOTT Aero-Bikes
Das neue SCOTT Foil RC 2023 wird es in insgesamt fünf Ausstattungsvarianten geben, die allesamt ab Ende des Jahres verfügbar sein sollen. Preise gibt es aufgrund der unsicheren Lage auf dem Fahrradmarkt aktuell noch nicht. Wir reichen sie euch hier aber so schnell wie möglich nach. Alle fünf Ausstattungsvarianten gehen technologisch mit der Zeit, kommen also mit elektronischen Schaltgruppen, Scheibenbremsen und sind tubeless ready. Für eigene Aufbauten ist das Rahmenset jedoch auch für mechanische Schaltgruppen vorbereitet. Alle Infos zu den fünf Varianten des SCOTT Foil RC 2023 findet ihr im folgenden.
Die Geometrie des SCOTT Foil RC 2023
Die Geometrie des SCOTT Foil RC 2023 bleibt größtenteils unverändert im Vergleich zum Vorgänger-Modell und ist somit auch die gleiche wie beim SCOTT Addict RC. Lediglich der Reach des Cockpits ist 10 mm kürzer als beim Schwestermodell. Damit bleibt es für alle Fahrer, die beide Modelle besitzen, sehr einfach, zwischen den Modellen zu wechseln, ohne die Sitzposition verändern zu müssen. Das Bike gibt es in sieben Größen von 47 bis 61 und alle Infos zur Geometrie findet ihr im Folgenden.
Größe | 47 | 49 | 52 | 54 | 56 | 58 | 61 |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Oberrohr | 510 mm | 520 mm | 535 mm | 550 mm | 565 mm | 580 mm | 595 mm |
Steuerrohr | 110 mm | 115 mm | 130 mm | 150 mm | 170 mm | 190 mm | 210 mm |
Lenkwinkel | 70.5° | 71° | 72° | 72.5° | 73° | 73.3° | 73.3° |
Sitzwinkel | 74.5° | 74.5° | 74° | 73.6° | 73.3° | 73° | 72.5° |
Kettenstrebe | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm |
BB Drop | -66 mm | -66 mm | -66 mm | -66 mm | -66 mm | -66 mm | -66 mm |
Stack | 502.6 mm | 509.0 mm | 526.7 mm | 547.5 mm | 568.3 mm | 588.5 mm | 607.7 mm |
Reach | 370.6 mm | 378.8 mm | 384.0 mm | 388.9 mm | 394.5 mm | 400.0 mm | 403.4 mm |
SCOTT Foil RC vs. Addict RC – Warum gibt es zwei Bikes?
Der Zielkonflikt ist altbekannt: Gewicht vs. Aerodynamik. Zwischen dem Foil RC und dem Addict RC liegen je nach Ausstattung ca. 300 g zugunsten des leichteren Addicts. Doch rechtfertigt das ein zweites Bike? Bei Specialized hat man sich – allerdings vor den geänderten UCI-Regeln – dagegen entschieden und das Aero-Bike Venge aus dem Portfolio geworfen. Mit dem Specialized Tarmac (zum Test) sind sich die Kalifornier sicher, ein Bike bauen zu können, das es mit minimalen Abstrichen bei der Aerodynamik schafft, auch leicht zu sein. Warum geht SCOTT also einen anderen Weg? Der Grund ist einfach: Die Voraussetzungen haben sich mit den neuen UCI-Regeln geändert und es ist nicht gesagt, dass Specialized unter diesen Bedingungen seine One-Bike-Policy in Zukunft aufrecht erhält. Auch Trek und Canyon haben beispielsweise weiterhin jeweils ein leichteres Kletter-Bike und ein reines Aero-Bike im Portfolio. Doch zurück zu SCOTT. Wo es auf funktionaler Ebene lediglich um Gewicht und Aerodynamik geht, kommt auf emotionaler Ebene noch die Optik hinzu: Das Addict RC ist unauffälliger und konventioneller, während das neue Foil RC mit seinen flächigen und aggressiven Formen schon sehr auffällig unterwegs ist. Am Ende bleibt es also Geschmackssache, für welches Bike man sich entscheidet – und in einem Sport, in dem die mentale Stärke eine große Rolle spielt, kann es schon einen Unterschied machen, ob man sich auf seinem Bike zu hundert Prozent wohl fühlt oder nicht.
Das SCOTT Foil RC Ultimate 2023 im Test
Zusammen mit dem World-Tour-Profi Sam Welsford vom Team DSM hatten wir bereits die Möglichkeit, das neue SCOTT Foil über italienische Landstraßen sowie die Rennstrecke des Porsche Experience Center Franciacorta zu jagen. Bei der Jagd nach der Bestzeit auf der Rennstrecke sind wir zwar ausgeschieden, unseren Job, aussagekräftige Testeindrücke zu sammeln, haben wir aber mit Bravour erfüllt. Setzt man sich auf das neue SCOTT Foil RC Ultimate 2023, wird schnell klar: Dieses Bike will vorwärts! Es geht im Antritt sehr direkt nach vorne, ohne jedoch mit absoluter Leichtfüßigkeit zu glänzen. Der Grund dafür dürfte das nicht super niedrige Gewicht und die erhöhte rotierende Masse der Aero-Laufräder sein. Ist das Bike in Schwung, geht es aber sehr effizient und stoisch voran – man hat den Eindruck, unaufhaltsam zu sein. Gerade auf flachem Terrain, in sogenannten Rolling Hills und bergab fühlt sich das Foil RC daher besonders wohl.
Bergauf merkt man dann allerdings schon, dass das Bike gar kein Kletterkünstler sein will. Ebenso stoisch ist die Laufruhe und der Geradeauslauf des Bikes. Es lässt sich durch fast nichts aus der Ruhe bringen. Nur wenn es durch seine für Aero-Bikes typische erhöhte Seitenwindanfälligkeit versetzt wird, sollte man vorbereitet sein und beide Hände am Lenker haben. Dabei bleibt das Handling trotzdem sehr direkt und präzise mit einem absoluten Race-Bike-Charakter. Das Bike ist damit sowohl für Einsteiger beherrschbar als auch für Profis leistungsfähig genug. Mit diesen Charaktereigenschaften ist das Bike wie gemacht für lange Solo-Rides oder Attacken in der Ausreißergruppe.
Der Komfort des SCOTT Foil RC Ultimate 2023 geht für ein Aero-Race-Bike absolut in Ordnung. Das Rahmenset ist zwar – typisch SCOTT – sehr steif, durch das Komfortelement in der Sattelstütze und den voluminösen Hinterreifen wird aber eine gute Vibrationsdämpfung erreicht. Ein sinnvolles Upgrade können hier Reifen in 700x30C sein, die die maximale Reifenfreiheit des Bikes voll ausnutzen und noch etwas extra Komfort bringen würden. Insgesamt entschärft das SCOTT Foil RC Ultimate vor allem Vibrationen und kleinere Schläge gut – gröbere Unebenheiten schlagen wie beim Vorgänger jedoch spürbar durch. Dabei ist der Komfort in den Drops etwas höher als auf den Hoods. Denn durch ein cleveres Carbon-Layup hat es SCOTT geschafft, dem Cockpit etwas Compliance zu entlocken und trotzdem die absolute Steifigkeit für schnelle Zielsprints zu erhalten. Insgesamt ist das SCOTT Foil RC Ultimate 2023 ein sehr stimmiges und ausbalanciertes Bike. Wir freuen uns darauf, im Dauertest bald noch mehr Testeindrücke zu sammeln.
Unser Fazit zum SCOTT Foil RC 2023
Schnell, schneller, am schnellsten – SCOTT hat die neuen UCI-Regeln clever umgesetzt und so das neue SCOTT Foil RC 2023 zum schnellsten Bike im eigenen Portfolio gemacht. Ohne eine Revolution anzuführen, ist das Bike damit eine sinnvolle Evolutionsstufe im Aero-Segment. Fahrer aller Könnerstufen, die gerne in der Ebene oder in einem großen Peloton mit ordentlich Tempo bolzen, werden mit dem Foil RC ordentlich Spaß haben. Für alle, die einen quirligen Kletterer suchen, bleibt der Griff zum Schwestermodell Addict RC.
Tops
- stimmiges Gesamtkonzept mit erstklassiger Integration
- agiles Handling trotz hoher Laufruhe
- clevere Details für mehr Komfort
Flops
- kleine Fahrer müssen auf den zusätzlichen Komfort der Sattelstütze verzichten
Weitere Informationen findet ihr unter scott-sports.com
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Text: Tobias Hörsch Fotos: SCOTT