Das Specialized S-Works Tarmac SL7 hat dem hauseigenen Aero-Bike Venge den Todesstoß versetzt und eigenhändig die Kategorie der Speed-Allrounder geschaffen, die keinen Unterschied mehr zwischen Aerodynamik und Leichtbau machen. Fährt es als Begründer dieser Kategorie auch den vier schnellsten Race-Bikes der Saison 2021 davon?
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Race-Bike 2021 – 5 Highend-Modelle im Test
Mit dem S-Works Tarmac SL7 schickt Specialized ein Bike ins Rennen, das als der Prototyp des modernen Speed-Allrounders gelten kann. Kein anderer Hersteller im Test verfolgt den Plan von einem echten Speed-Allrounder so konsequent und hat nur ein Modell für alle schnellen Anwendungsfälle auf Asphalt im Portfolio: Während die vier anderen Hersteller noch ein reines Aero-Bike anbieten, ist das Specialized Venge, das früher diesen Job bei Specialized übernommen hat, der neuesten Generation des Tarmac zum Opfer gefallen. Unser Test-Bike kommt mit der kabellosen SRAM RED eTap AXS-Schaltgruppe mit 48/35 T-Kettenblättern und 10–33 T-Kassette. So ist genügend Bandbreite vorhanden, um bei schnellen Abfahrten lange treten zu können und auch an anspruchsvollen Anstiegen genügend Reserven zu haben. Allerdings geht die große Bandbreite auf Kosten von minimalen Gangsprüngen, vor allem im Bereich der leichten Gänge. Die Schaltvorgänge sind hingegen gewohnt präzise und flott. Mit 160-mm-Bremsscheiben an Front und Heck sorgt die Bremsanlage der SRAM-Gruppe für Verzögerung auf Top-Niveau, die außerdem gut zu dosieren ist. Nur die klappernden Bremshebel trüben das Bild etwas. Als einziges Bike im Test setzt das Tarmac mit dem S-Works Tarmac Integrated-Vorbau in 100 mm Länge und dem S-Works Aerofly II-Lenker in 420 mm Breite auf ein zweiteiliges Cockpit. Das bietet zwar Vorteile beim Verlegen der Bremsleitungen und bei der Anpassung, da Lenker und Vorbau einzeln getauscht werden können, es sieht aber nicht ganz so sauber aus wie bei den vier Konkurrenten.
Das Beeindruckendste am Tarmac SL7 ist nicht seine schiere Geschwindigkeit, sondern die Art und Weise, mit der es die Geschwindigkeit produziert: unaufgeregt – fast gelangweilt.
Specialized S-Works Tarmac SL7 2021
12.799 €
Ausstattung
Sattelstütze S-Works Tarmac Carbon Seatpost 20 mm
Bremsen SRAM RED eTap AXS HRD 160/160 mm
Schaltung SRAM RED eTap AXS GS-RED-E-B1 2 x 12
Kettenblatt 48/35
Vorbau S-Works Tarmac Integrated Stem 100 mm
Lenker S-Works Aerofly II 420 mm
Laufräder Roval Rapide
Reifen S-Works Turbo Cotton 28 mm
Technische Daten
Größe 44 49 52 54 56 58 61
Gewicht 6,93 kg
Besonderheiten
asymmetrischer Roval Rapide CLX-Laufradsatz
zweiteiliges Aerofly-Cockpit
Effektlackierung
beidseitig messender Powermeter
Auch bei den Laufrädern geht Specialized einen eigenen Weg. Die Roval Rapide CLX sind asymmetrisch – vorne flacher und breiter, hinten schmaler und höher. Damit soll eine höhere Stabilität gegen Seitenwind erreicht und gleichzeitig die Aerodynamik erhöht werden. Schnell sind sie jedenfalls, allerdings trotzdem die anfälligsten Laufräder gegen Seitenwind im Test. Zusätzlich tragen sie zusammen mit dem Rahmenset und dem Freilauf zu einer beinahe einschüchternden Geräuschkulisse des Bikes bei. Geil, wenn man darauf steht – und die Klingel könnt ihr euch getrost sparen. Das Bike rollt auf S-Works Turbo Cotton-Reifen in 700 x 26C, die auf dem Tarmac 28 mm breit bauen. Unser Test-Bike in Größe 56 wiegt 6,93 kg und kostet 12.799 €.
Größe | 44 | 49 | 52 | 54 | 56 | 58 | 61 |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 435 mm | 447 mm | 458 mm | 475 mm | 496 mm | 517 mm | 547 mm |
Oberrohr | 496 mm | 509 mm | 531 mm | 541 mm | 563 mm | 577 mm | 595 mm |
Steuerrohr | 93 mm | 102 mm | 113 mm | 131 mm | 151 mm | 178 mm | 198 mm |
Lenkwinkel | 70,5° | 71,8° | 72,5° | 73,0° | 73,5° | 73,5° | 74,0° |
Sitzwinkel | 75,5° | 75,5° | 74,0° | 74,0° | 73,5° | 73,5° | 73,0° |
Kettenstrebe | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm |
BB Drop | 74 mm | 74 mm | 74 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm |
Radstand | 970 mm | 973 mm | 975 mm | 978 mm | 991 mm | 1.006 mm | 1.013 mm |
Reach | 369 mm | 378 mm | 383 mm | 387 mm | 398 mm | 405 mm | 411 mm |
Stack | 491 mm | 504 mm | 517 mm | 534 mm | 555 mm | 581 mm | 602 mm |
Das Specialized S-Works Tarmac SL7 hat nur einen Auftrag: Es soll schnell sein. Verdammt schnell. Und diesen Auftrag erfüllt es famos! In unserem Testaufbau fährt es den anderen Test-Bikes in der Ebene und auf welligem Terrain gnadenlos davon, profitiert dabei von der besten Aerodynamik im Test und legt damit den Grundstein für den Testsieg. Doch auch in der Abfahrt meistert es sowohl schnelle als auch technische Abschnitte kontrollierbar und bleibt den schnellsten Bikes im Downhill, dem Wilier Filante SLR und dem SCOTT Addict RC Pro, eng auf den Fersen. Das Gleiche gilt für die Uphill-Performance: Das Tarmac verliert zwischen unseren beiden Messstationen kaum Zeit auf das schnellste Uphill-Bike, das SCOTT Addict RC Pro.
In der Addition liegt das Tarmac auf unserer Teststrecke damit über vier Minuten vor dem nächsten Verfolger. Die errechnete Teststrecke mit einer Länge von 150 km und knappen 2.000 positiven Höhenmetern hat es mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 26,4 km/h zurückgelegt und dafür 5:40:26 h benötigt.
Seine atemberaubende Geschwindigkeit verbindet das S-Works mit einem Handling, das die absolute Präzision und Direktheit so kontrollierbar macht wie bei keinem zweiten Bike im Test. Dadurch wird das Rennrad in erfahrenen Händen zur Waffe, während es unerfahrene Performance-Fans trotzdem nicht sofort überfordert. Um diese Performance in das Bike zu bekommen, musste der Komfort hintenanstehen: Das S-Works Tarmac SL7 dämpft Vibrationen nur durchschnittlich und ist insgesamt ein sehr straffes Bike. Das steht im Widerspruch zu Specializeds Claim „Smoother is faster“. Unter Sicherheitsaspekten fällt auf, dass das Specialized anfälliger auf Seitenwind reagiert als die Konkurrenten, was an den höchsten Laufrädern im Test liegen dürfte. Bei böigen Windverhältnissen führt das zu teils heftigen Versetzern. Die sehr kräftigen und gut modulierbaren Bremsen sowie das überragende Handling sorgen aber insgesamt für ein hohes Sicherheitsempfinden auf dem Specialized S-Works Tarmac SL7.
Tuning-Tipps: Titanflaschenhalter von SILCA für die Street Credibility und ab geht’s! | Sonst nichts: Wer eine Race-Waffe von der Stange sucht, wird hier fündig.
Fahreigenschaften
4Agilität
- träge
- verspielt
Laufruhe
- nervös
- laufruhig
Handling
- fordernd
- ausgewogen
Fahrspass
- langweilig
- lebendig
Komfort
- straff
- komfortabel
Preis-Leistung
- schlecht
- sehr gut
Fazit
Klarer Testsieg! Das Specialized S-Works Tarmac SL7 ist das schnellste Race-Bike der Saison 2021 und glänzt mit höchster Effizienz sowie herausragendem Handling. Es fährt in der Ebene in einer eigenen Liga, kann auch im Up- und Downhill locker mithalten und ist gutmütig genug, um auch weniger erfahrene Fahrer und Fahrerinnen nicht abzuwerfen. Starke Seitenwinde machen ihm hingegen zu schaffen und wer auch bei echten Race-Bikes etwas mehr Komfort schätzt, wird mit dem Tarmac nicht glücklich.
Tops
- höchste Effizienz in der Ebene und auch sonst überall schnell
- bestes Handling im Test
- nicht nur für Profis gemacht, sondern auch gutmütig genug für weniger erfahrene Fahrerinnen und Fahrer
- sehr stimmiges Gesamtpaket
Flops
- höchste Anfälligkeit für Seitenwind im Test
- weniger komfortabel als die Konkurrenten – und als das Tarmac SL6
- klappernde SRAM-Schalthebel
Mehr Informationen findet ihr unter specialized.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Race-Bike 2021 – 5 Highend-Modelle im Test
Alle Bikes im Test: BMC Teammachine SLR01 ONE (Zum Test) | SCOTT Addict RC Pro (Zum Test) | Specialized S-Works Tarmac SL7 | Trek Émonda SLR 9 eTap (Zum Test) | Wilier Filante SLR Astana-Premier Tech Team Edition (Zum Test)
Hier wird Strecke gemacht und über lange Zeit ein hohes Tempo angeschlagen. Alles was topfeben ist oder sich zwischen super kurz, aber knackig steil und etwas länger, aber nur wenige Höhenmeter bewegt, fällt in diese Kategorie. Wer hier schnell sein will, braucht ein Bike, das vor allem mit einer ausgezeichneten Aerodynamik und höchster Effizienz überzeugen kann – denn ab 15 km/h in der Ebene ist der Luftwiderstand die größte Kraft, die zu überwinden ist. Gewicht tritt hingegen in den Hintergrund, da weder ständig neu beschleunigt wird noch gegen die Erdanziehung gekämpft werden muss. Die beste Aerodynamik des Bikes bringt jedoch nichts, wenn der Fahrer alles zunichtemacht und für viel Luftwiderstand sorgt – schließlich ist er für 75 % des gesamten Luftwiderstands verantwortlich. Um auf diesem Terrain voll aufzublühen, muss ein Rad deshalb auch bei Ergonomie und Komfort punkten, damit der Fahrer über lange Zeit eine tiefe und aerodynamische Sitzposition halten kann. Neben der Aerodynamik spielen Rollwiderstand, Komfort und Laufruhe eine tragende Rolle. Reifendimensionen und -druck sollten deshalb an den Untergrund angepasst sein, um maximale Geschwindigkeit in der Ebene und auf welligem Terrain zu ermöglichen. Ein nervöses Bike wird euch schneller ermüden lassen, da es ständig Arbeit erfordert, um auf Linie zu bleiben.↩
Je steiler der Berg, desto wichtiger wird das Gewicht des Rads im Verhältnis zur Aerodynamik. Das liegt daran, dass die Geschwindigkeit und damit der Luftwiderstand mit größeren Steigungsprozenten abnimmt, während die Erdanzieung einen umso stärker zurück ins Tal holen will. Steifigkeit an den richtigen Stellen sorgt hier im Zusammenspiel mit einer sinnvoll gewählten Übersetzung für maximale Kletter-Effizienz. Ein gutes Kletter-Bike überzeugt mit geringem Gewicht und einer Übersetzung, die euch eine runde und angenehme Trittfrequenz ermöglicht. Es lässt aber auch die Aerodynamik nicht außer Acht, da meist nach jedem Berg eine Abfahrt wartet – und was bringt die beste Zeit am Berg, wenn der ganze Vorsprung durch schlechte Aerodynamik im Downhill wieder zunichtegemacht wird?↩
Schnell einen Berg hinunter zu fahren, ist die Königsdisziplin und sowohl für Fahrer als auch für Bike die anspruchsvollste Aufgabe. Je steiler und verwinkelter die Abfahrt, desto größer sollten nicht nur die Steuerkünste des Piloten sein, auch die Anforderungen an das Bike selbst steigen in gleichem Maße. Ein gutes Downhill-Bike verbindet Aerodynamik mit einem ausgewogenen Handling. Es sollte dabei agil und gleichzeitig laufruhig sein, um schnelle Richtungswechsel zu beherrschen und bei Highspeed sicher in der Spur zu bleiben. Höchste Präzision ist dabei ebenfalls nötig, um die gewählte Linie zu treffen, ohne nachsteuern zu müssen und dadurch nervöse Momente zu schaffen. Wer schnell fährt, braucht einen guten Anker: Kräftige und gut zu dosierende Bremsen sind die Basis eines jeden guten Downhill-Bikes. Um die Bremskraft auch auf den Boden zu bringen, braucht es Reifen mit gutem Grip – auch für schnelle Kurvenfahrten sind sie unverzichtbar. Für den Grip in Kurven ist neben den Reifen auch der Rahmen selbst verantwortlich. Ist er bretthart, baut sich nur wenig Grip auf oder er bricht bei kleinsten Unebenheiten sofort ab. Eine angemessene Verwindung verhindert dies und sorgt für optimalen Kurvengrip. Doch der Grat ist schmal und allzu schnell wird ein Bike einfach nur schwammig und unpräzise.↩
In diesem Artikel stellen wir unser Bewertungssystem ausführlich vor: Hier klicken! ↩
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Text: Fotos: Valentin Rühl