Machen euch die schnellsten Race-Bikes der Saison 2021 zu schnelleren Radfahrern? Was ist wichtiger, Gewicht oder Aerodynamik? Und fährt man heutzutage eigentlich noch Gumwall-Reifen? Nach endlosen Testkilometern auf den fünf schnellsten Race-Bikes des Jahres kommen hier die Antworten auf diese und weitere spannende Fragen.

Alle Erkenntnise und Trends basieren auf unseren Testsessions für unseren großen Vergleichstest der besten Race-Bikes 2021.

Die schnellsten Race-Bikes sind eine ganz spezielle Gattung der Rennräder. Sie zu fahren bedeutet nicht immer nur Spaß und gute Laune, sondern oft auch Schmerz und Schweiß. Über die letzten Monate haben wir die fünf schnellsten Exemplare und uns selbst ans Limit gebracht und dabei Erkenntnisse gesammelt, Trends identifiziert und Schlüsse für die Zukunft gezogen. Hier verraten wir euch alles, was ihr wissen müsst, wenn es um die schnellsten Race-Bikes des Planeten geht.

Komfort ist eine Frage der Geschwindigkeit

In unserem Vergleichstest haben wir den fünf schnellsten Race-Bikes der Saison 2021 zwar bescheinigt, Vibrationen größtenteils ausreichend bis gut zu dämpfen, wirklichen Komfort haben wir ihnen aber nicht attestieren können. Das liegt unter anderem an den Dämpfungskonzepten der Race-Bikes, die für deutlich höhere Geschwindigkeiten und die damit einhergehenden höheren Krafteinwirkungen entwickelt wurden. Während unserer Fahrten zur Zeitmessung haben wir die Rennräder jedoch mit Geschwindigkeiten bewegt, die auch ein großer Teil von euch über längere Zeit erreichen kann. Mit anderen Worten: Wir waren oft schlicht zu langsam, um den Bikes ihren höchstmöglichen Komfort zu entlocken. Außerhalb der Zeitmessungen haben wir die Bikes auch auf höhere Geschwindigkeiten gebracht. Dabei sind uns vier Dinge aufgefallen.

Erstens: Was bei 15 km/h bockig und hart wirkt, kann bei 45 km/h genau richtig sein. Muss es aber nicht. Deshalb zweitens: Es gibt einen Unterschied zwischen gesunder Rennhärte und störrischer Steifheit. Nicht jedes Race-Bike wird komfortabler, nur weil ihr schneller damit fahrt. Drittens: Race-Bikes sind zum Racen gemacht – das erfordert ein Mindestmaß an Steifigkeit. Wenn man also von einem komfortablen Race-Bike spricht, ist das relativ und unterscheidet sich fundamental von einem komfortablen Allroad-Bike. Und viertens: Die Art, wie man auf dem Bike sitzt, hat auch Auswirkungen auf den gefühlten Komfort. Bei niedriger Geschwindigkeit sitzt man oft mit weniger Körperspannung im Sattel und wird von jedem Schlag kräftig durchgeschüttelt. Gibt man hingegen Gas und bringt die Bikes in Bereiche, in denen ihr Dämpfungskonzept zum Tragen kommt, dann ist meist auch die Körperspannung höher und leitet Schläge gleichmäßiger über alle Kontaktpunkte mit dem Rad ab. Ihr solltet euch also fragen, ob ihr den nötigen Druck in den Beinen habt, um diese Bikes in ihrer eigenen Wohlfühlzone zu bewegen, oder ob ihr sie nur aus Prestigegründen fahren wollt und dafür den mangelnden Komfort bei gemäßigter Fahrt in Kauf nehmt.

Und wie geht es weiter mit dem Komfort bei Race-Bikes? Dazu lohnt der Blick zurück: Sowohl das Tarmac SL7 als auch das Trek Émonda SLR 9 haben im Vergleich zu ihren Vorgängern zugunsten von Aerodynamik und Gewicht an Komfort eingebüßt. Da die Entwicklung immer weitergeht, ist zu erwarten, dass die Hersteller in Zukunft in der Lage sein werden, der Gleichung wieder deutlich mehr Komfort hinzuzufügen.

Race-Bikes brauchen eine erfahrene Hand am Steuer

Race-Bikes sollen nicht nur schnell sein, sondern auch durch ein besonders agiles Handling überzeugen. Um das zu erreichen, unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Geometrie von den meisten anderen Bikes – steilere Lenkwinkel, kürzere Kettenstreben und Steuerrohre, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Königsdisziplin besteht darin, die Agilität nicht auf Kosten der Laufruhe zu erzeugen und nicht zu überreizen. Ein direktes Einlenken bringt wenig, wenn das Bike auch im Geradeauslauf super nervös ist und jeder Unebenheit des Bodens nachläuft. Race-Bikes mit einem ausgeglichenen Handling verbinden daher einen ruhigen und stabilen Geradeauslauf mit einem sehr direkten und präzisen Einlenkverhalten. Selbst ein Race-Bike, das diese Dinge perfekt kombiniert, lenkt wesentlich direkter ein als Bikes mit entspannterer Geometrie. Das kann unerfahrene Pilotinnen oder Piloten sowie Race-Bike-Neulinge schon mal gehörig überraschen. Der Spielraum für Fehler und unüberlegte Bewegungen am Lenker ist hier deutlich geringer. Noch geringer wird er bei Race-Bikes, die nicht optimal ausbalanciert sind und zu Nervosität an der Front neigen. Doch warum ist das so?

Geschwindigkeit hat aufgrund der Massenträgheit der rotierenden Komponenten einen großen Einfluss auf die Laufruhe eines Bikes. Habt ihr schon mal versucht, mit einem Endurance-Bike bei 40 km/h eine sehr enge Kurve sportlich anzusteuern? Dann wisst ihr, dass dazu etwas Kraft und starke Lenkimpulse nötig sind. Mangelnde Präzision macht die Sache oft zusätzlich kompliziert. Dafür haben Endurance-Bikes eine höhere Laufruhe bei sehr langsamer Fahrt. Bei Race-Bikes ist es genau andersrum, sie sind auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegt. Was für Neulinge bei langsamer Fahrt kippelig wirken kann, hilft, um bei Highspeed auch enge Kurvenradien agil und präzise ansteuern zu können.

Insgesamt ist hier ein Trend zu erkennen: Die besten Race-Bikes sind nicht nur schnell, sondern glänzen auch unabhängig von der Geschwindigkeit mit intuitivem Handling. Wir empfehlen trotzdem allen Race-Bike-Neulingen, sich behutsam an das Handling dieser Maschinen heranzutasten und sich dem Limit langsam anzunähern. Sucht euch auf den ersten Ausfahrten also breite Straßen mit gutem Belag, mäßigem Gefälle, entspannten Kurven und wenig Verkehr. Fahrt nicht direkt einen Alpenpass mit löchrigem Asphalt hinunter.

Die UCI ist das Limit

Als regulierendes Instrument im weltweiten Radsport hat sich die UCI, der Weltradsportverband, die Sicherheit der Radsportler und die Fairness des Rennsports auf die Fahnen geschrieben. Um das zu gewährleisten, werden nicht nur bestimmte Sitzpositionen verboten. Es werden auch Gewicht, Geometrie und Rohrformen der Bikes bestimmt. So müssen in UCI-Rennen eingesetzte Rennräder seit dem Jahr 2000 mindestens 6,8 kg wiegen. Damit soll verhindert werden, dass Hersteller oder Teams zugunsten des Gewichts auf Stabilität verzichten und dass dadurch die Wahrscheinlichkeit von Materialschäden steigt. Daneben sind auch die Rohrformen reguliert und müssen bestimmte Limits einhalten. Im Streben nach maximaler Aerodynamik dürfen also nicht endlos lange Flügelprofile oder super schlanke Rohre verwendet werden. Ein auf maximale Aerodynamik getrimmtes Bike wird meist etwas schwerer, für bergige Strecken streben Fahrer hingegen nach einem möglichst leichten Bike.

Das Problem: Heutzutage sind die Hersteller meist in der Lage, die maximal erlaubten Rohrformen für optimale Aerodynamik voll auszureizen und trotzdem an das Mindestgewicht zu kommen. Durch diese Entwicklung entstand erst die Kategorie der Allround-Race-Bikes, die mit geringem Gewicht und erstklassiger Aerodynamik überzeugen. Doch sind die Limits der UCI noch zeitgemäß? Mittlerweile können viele Hersteller auch Rennräder bauen, die leichter als 6,8 kg sind und trotzdem allen Anforderungen an die Sicherheit entsprechen. Oft werden dann zusätzliche Gewichte im Bereich des Tretlagers angebracht, was zwar der Gewichtsverteilung und dem Schwerpunkt zugutekommt, faktisch aber unnötiges Zusatzgewicht ist.

Bei der Aerodynamik sehen wir im Triathlon-Sport, der nicht UCI-reguliert ist, was möglich ist. Hier kommen Bikes mit wilden Aero-Formen zum Einsatz und sorgen für maximale Geschwindigkeit. Um ihren Käuferinnen und Käufern den Einsatz in UCI-Rennen zu ermöglichen, setzen verständlicherweise die meisten Bike-Brands auf Rahmen, die den UCI-Regeln entsprechen. Nur wenige bieten zusätzlich unregulierte Rahmen an, die das technisch Mögliche ausreizen. Für Nicht-Profis wie uns und für alle, die keine Rennen unter UCI-Regeln fahren, bedeutet das: In der Theorie wären für sie und ihren Einsatzbereich deutlich besser geeignete Bikes denkbar – leichtere oder aerodynamischere. Wir finden es schade, dass die UCI einen derart großen Einfluss auf den Sport außerhalb der Rennszene hat und wünschen uns zwei Dinge: die Lockerung der UCI-Regeln und dass mehr Hersteller Bikes auf den Markt bringen, die zwar nicht den UCI-Limits entsprechen, aber das maximal Mögliche für die breite Masse herausholen.

Gewicht ist die Basis, Aerodynamik ist alles

Wenn wir schon bei Gewicht und Aerodynamik sind, können wir die beiden Aspekte auch direkt mal in das richtige Verhältnis setzen. Wie bereits angesprochen, erreichen die meisten modernen Race-Bikes das Mindestgewicht der UCI relativ problemlos oder liegen nur geringfügig darüber. Das geringe Gewicht spielt eine Rolle, wenn es bergauf geht – je steiler, desto wichtiger. Es rückt aber auf allen anderen Topografien in den Hintergrund. Schließlich ist in der Ebene bei Windstille ab 15 km/h der Luftwiderstand die größte Kraft, gegen die ihr ankämpfen müsst. Je schneller ihr werdet und je flacher es ist, desto unwichtiger ist das Gewicht, denn der Luftwiderstand steigt im Quadrat zur Geschwindigkeit.

Selbst auf bergigen Strecken nimmt die Wichtigkeit des Gewichts ab, da eine gute Aerodynamik auf schnellen Bergab-Passagen die Verluste eines erhöhten Gewichts im Anstieg teilweise ausgleicht. Außerdem werden viele Anstiege, vor allem von sehr ambitionierten Athletinnen und Athleten, oft mit deutlich über 15 km/h befahren. Der Luftwiderstand bleibt also auch bergauf eine wichtige Größe und die Aerodynamik des Bikes ein entscheidender Faktor.

Ganz so einfach ist es aber nicht mit der Aerodynamik. In Wind, der konstant von vorne weht, können viele Bikes überzeugen. Doch oft herrschen unberechenbarere Windverhältnisse mit Böen, verschiedenen Anströmwinkeln und Geschwindigkeiten. Dazu gehört auch die Geschwindigkeit, mit der ihr euch selbst fortbewegt – langsam bergauf und schnell bergab. Die wahren Aero-Könige beherrschen all diese Bedingungen und bleiben dabei schnell und kontrollierbar. Während die meisten Hersteller seit jeher auf ein geringes Gewicht achten, ist die Aerodynamik erst in den letzten Jahren verstärkt ins Visier gerückt. Und das, obwohl sie, wie auch unser Vergleichstest gezeigt hat, oftmals eine wichtigere Rolle spielt.

Ein schnelles Bike macht schnell, Training macht schneller

So viel zum Anteil der Bikes, nun zu euch! Mit einem Gewicht rund um das UCI-Limit von 6,8 kg machen moderne Race-Bikes nur einen Bruchteil des Systems aus Bike und Fahrer aus. Zusätzliche Gewichtseinsparungen am Bike selbst sind meist teuer und spielen sich im Bereich von wenigen (hundert) Gramm ab. Beim Fahrer oder der Fahrerin ist jedoch, selbst wenn die Person gut trainiert ist, meist noch deutlich mehr Gewichtsverlust möglich, und das zu geringeren Kosten. Ähnlich verhält es sich bei der Aerodynamik. Vom gesamten Luftwiderstand gehen lediglich 25 % auf das Konto des Bikes, während die Biomasse obendrauf 75 % ausmacht. Wer eine aerodynamischere Position länger halten kann, ist länger schnell – ohne zusätzlichen Kraftaufwand. Eine gute Ergonomie und ein Mindestmaß an Compliance helfen euch dabei und sind daher unabdingbar.

Wenn ihr also nicht nur die schnellsten Bikes fahren, sondern auch aus euch selbst alles rausholen wollt, dann lohnt eine Investition in ein Bike-Fitting beim Profi und in Yoga-Stunden. Die alte Weisheit „Schneller wird man vom schnellen Fahren“ gilt zwar nur noch eingeschränkt, der Grundgedanke hat jedoch durchaus Bestand: Je mehr und besser ihr trainiert, desto schneller werdet ihr. Und das doppelt, denn durch vermehrtes Training bekommt ihr nicht nur eine bessere Kondition, sondern meist auch ein geringeres Gewicht. In teure Bikes und Parts zu investieren ist also maximal die halbe Miete. Der größere Anteil, um schneller zu werden, kommt vom Training selbst – egal auf welchem Bike. Wir empfehlen euch jedoch, das Training nicht so ernst zu nehmen wie die Profis. Das wahre Leben lässt keine Zeit für 7 h Training am Tag. Also versaut es euch nicht mit euren Lieben für eine marginale FTP-Verbesserung. Vor diesem Hintergrund machen die schnellsten Race-Bikes des Planeten wieder Sinn und wir verstehen auch den Wunsch, sie zu fahren. So geht es uns auch, obwohl wir nicht die Beine von Tadej Pogačar haben. #dontbuyupgrades #rideupgrades 😉

Wer schnell sein will, muss leiden

Die schlechte Nachricht zuerst: Ohne Schmerzen werdet ihr nicht schnell sein! Klar, die schnellsten Race-Bikes des Planeten können ein paar Watt einsparen und euch so bei gleicher Leistung etwas schneller machen. Doch was sind schon ein paar Watt? Angenommen, euer Wohlfühlbereich geht bis 200 W und über eine Stunde seid ihr in der Lage, 300 W zu treten. Dann wird es schon ziemlich anstrengend sein, dauerhaft 250 W aufzubringen. Trotzdem werden die 50 W extra, die ihr oberhalb von eurem Wohlfühlbereich fahrt, euch deutlich schneller machen, als die paar wenigen Watt, die ihr durch eines der schnellsten Race-Bikes einspart. Im Umkehrschluss bedeutet das: Jemand, der auf dem gleichen Leistungslevel ist wie ihr und bereit ist, in den schmerzhaften Bereich zu gehen, wird immer schneller sein als ihr in eurem Wohlfühlbereich. Selbst wenn ihr eins der schnellsten Race-Bikes fahrt und die andere Person einen alten Drahtesel. Um also zu vermeiden, dass ihr abgehängt oder überholt werdet, gibt es nur eine Möglichkeit. Ihr müsst tief gehen – tief in den Schmerzbereich. Jetzt die gute Nachricht: Je tiefer ihr in den Schmerzbereich geht, desto schneller werdet ihr sein und wieder aus dem Bereich herauskommen. Und desto stärker kommen auch die Aero- und Gewichtsvorteile der schnellsten Race-Bikes zu tragen. Eure Schmerzen werden also belohnt.

Gumwalls sind out

Gumwalls – vor wenigen Jahren wieder in Mode gekommen, erfreuen sie sich immer größerer Beliebtheit. Die meisten Hersteller bringen ihre Modelle wieder mit den hellen Seitenwänden auf den Markt. Aber sind wir nicht alle Individualisten? Wollen wir uns nicht immer auch ein bisschen von der breiten Masse abheben? Wenn alle fünf Bikes des Vergleichstests mit Gumwall-Reifen angeliefert werden, dann ist es ein guter Zeitpunkt, von diesem Zug abzuspringen und wieder gegen den Strom zu schwimmen. 2021 ist das Jahr, in dem es heißt: Goodbye Gumwalls! Es ist Zeit zurückzukehren. Zurück zu Schwarz. Klassisch. Und das gilt nicht nur für die schnellsten Race-Bikes, sondern für alles, was in eurem Keller so rumsteht.


Unsere Erkenntnisse stammen direkt von unserem letzten Rennrad Vergleichstest. Hier findet ihr unseren ausführlichen Test zum besten Race-Bike für euren Kampf ums Podium.


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Text: Fotos: Valentin Rühl