Mit dem V3Rs präsentiert Colnago die dritte Generation des Aero-optimierten Monocoque-Rennrads, welches mit dem V1-R in 2014 mit der Zusammenarbeit mit Ferrari eine neue Ära bei Colnago eingeläutet hat. Was kann das neue Race-Bike aus dem Hause Colnago? Wir haben das V3Rs auf den staubigen Straßen des Strade Bianche für euch auf Herz und Nieren getestet.
Wenn Ernesto Colnago persönlich zum Launch in den Hügeln der Toskana einlädt, wird nicht lange gezögert. Mit dem V3Rs stellt Colnago die dritte Generation des Race-Bikes vor, die zusammen mit Ferrari in Sachen Carbon-Technologie und Aerodynamik optimiert wurde.
Was ist neu am V3Rs? Wie Ernesto Colnago persönlich mit Stolz geschwellter Brust erzählt, ist das V3Rs keine Evolution des V-2R, sondern wurde komplett neu entwickelt. Leichter, steifer, mehr Compliance und mehr Reifenfreiheit. Das sind die Kernpunkte des neuen Hochleistungs-Rennrads auch Monocoque-Carbon. Mit der langen Liste an neuen Features und Verbesserungen soll das V3Rs das Do-it-all Rennrad sein: Laut Colnago sind selbst Schotterpisten und die Strade Bianche kein No-Go mehr.
Das Konzept hinter dem V3Rs
Leichter: Dank dem Einsatz von neuen Highend-Carbonfasern soll der Disc-Rahmen in Größe 50 inklusive aller Metalleinsätze auf gerade einmal 790 g kommen. Zum Vergleich: Die erste Generation des Monocoque-Race-Bikes V-1R, wohlgemerkt in der Felgenbremsen-Variante, brachte ganze 835 g auf die Waage. Die neu entwickelte Disc-Gabel hat im Vergleich zum Vorgänger V-2R auch ordentlich abgespeckt und wird gekürzt in der Rahmengröße mit 340 g angegeben.
Steifer: Trotz des deutlich leichteren Rahmensets soll das V3Rs dank neuen Carbonfasern und neuem Design 12 % steifer am Heck und 6 % an der Front sein. Und das alles bei mehr Compliance. Marginal Gains in allen Bereichen also.
Mehr Compliance: Sowohl der neu entwickelte Rahmen mit den heruntergezogenen Sitzstreben als auch die Carbon verstärkten Steuersatz-Lagerschalen sollen einen deutlichen Gewinn an Compliance bringen. Letztere kamen bereits beim Vollblut Aero-Bike Colnago Concept zum Einsatz.
Mehr Reifenfreiheit: Mit Platz für bis zu 30 mm breite Pneus geht Colnago mit dem Trend zu breiteren Reifen und verleiht damit dem V3Rs deutlich mehr Reserven für rauen Asphalt oder den gelegentlichen Gravel-Abschnitt.
Neue Geometrie: Durch den Einsatz der 30 mm breiten Reifen wandert der Schwerpunkt des Bikes nach oben und würde so das Handling negativ beeinflussen. Um dem entgegenzuwirken, sitzt das Tretlager je nach Rahmengröße 2-3 mm tiefer. Das V3Rs kommt in acht Größen (von 42 bis 58) und dank größenspezifischer Geometrie soll für jeden der maximale Fahrspaß garantiert sein.
Neues Cockpit: Das Cockpit des V3Rs wurde komplett neu entwickelt und ermöglicht für die Disc-Variante eine komplett interne Zugverlegung. Die Bremsleitungen verlaufen durch den Vorbau sowie innen durch die Carbon-Gabel. Die Kabel für die elektronische Schaltung ist ebenfalls komplett im Rahmen verlegt. Nur die Fans der mechanischen Schaltung müssen mit kurzen Kabelbögen bis zum Eingang ins Unterrohr leben. Das verleiht dem V3Rs nicht nur einen cleanen Look, sondern bringt auch in Sachen Aerodynamik deutliche Vorteile. Beim Cockpit wurde bewusst darauf verzichtet, Vorbau und Lenker als Einheit zu gestalten. Der separate Vorbau ermöglicht dadurch zum einen eine leichte Anpassung der Position des Lenkers, zum anderen die Verwendung von jedem beliebigen Lenker.
Neue Sattelklemmung: Integrierte Sattelklemmen können eine wahre Herausforderung sein. Entweder sind sie kaum zu erreichen oder die Klemmkraft scheint zu gering. Colnago hat die Sattelklemme komplett überarbeitet: Mehr Klemmkraft und ein einfacher Zugang von oben. Und das alles formschön integriert – gleich hinter der Signatur von Ernesto Colnago.
Welche Modelle des Colnago V3Rs gibt es?
Hier ist gleich vorab anzumerken, dass Colnago zwei unterschiedliche Modelle präsentiert: Das V3Rs, das Flaggschiff der italienischen Bike-Schmiede, und das günstigere Modell V3. Sowohl das V3Rs als auch das V3 gibt es als Disc- und Felgenbremsen-Variante und wird von Colnago lediglich als Rahmenset verkauft. Dank der am Unterrohr platzierten Kabeleingänge für die mechanische Schaltung ist sowohl eine elektronische als auch mechanische Schaltung möglich.
Der grundlegende Unterschied der beiden Modelle sind die verwendeten Carbonfasern. Beim V3Rs kommen laut Colnago nur die feinsten Materialien zum Einsatz, womit das Rahmenset ganze 200 g leichter sein soll als das des V3.
Die Ausstattung unseres Test-Bikes
Schaltgruppe Campagnolo Super Record EPS 2×12, 52–36T
Kassette Campagnolo Super Record 11–29T
Bremsen Campagnolo Super Record 160/140 mm
Laufräder Campagnolo Bora WTO 60 Disc Carbon
Reifen Pirelli P ZERO Velo, 700 x 28C
Sattelstütze Colnago V3Rs, 20 mm Versatz
Lenker Colnago R41 Carbon
Vorbau Colnago Sr9, 110 mm
Größen 42, 45, 48, 50, 52, 54, 56, 58; Testgröße 56
Farbe Nero Arancio
Verfügbarkeit ab sofort
Preis 4.350 € (disc Framekit), 3.990 € (caliper)
In Sachen Geometrie sind beide Modelle identisch. Optisch kann man, abgesehen von der Lackierung, keine Unterschiede erkennen. Einziger optischer Unterschied ist der Vorbau. Lediglich das Topmodell V3Rs kommt mit dem Vorbau mit integrierter Kabelführung.
Größe | 42s | 45s | 48s | 50s | 52s | 54s | 56s | 58s |
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Sattelrohr | 420 mm | 450 mm | 480 mm | 500 mm | 520 mm | 540 mm | 560 mm | 580 mm |
Oberrohr | 491 mm | 500 mm | 518 mm | 526 mm | 537 mm | 547 mm | 565 mm | 577 mm |
Steuerrohr | 124 mm | 125 mm | 127 mm | 145 mm | 163 mm | 180 mm | 187 mm | 204 mm |
Lenkwinkel | 70,6° | 71,0° | 71,5° | 71,6° | 71,9° | 72,5° | 72,9° | 73,1° |
Sitzwinkel | 75,5° | 75,0° | 74,5° | 74,0° | 73,6° | 73,1° | 73,0° | 73,0° |
Kettenstrebe | 408 mm | 408 mm | 408 mm | 410 mm | 410 mm | 414 mm | 414 mm | 414 mm |
Tretlager Höhe | 67 mm | 70 mm | 71 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm |
Reach | 368 mm | 375 mm | 380 mm | 382 mm | 384 mm | 390 mm | 400 mm | 408 mm |
Stack | 514 mm | 520 mm | 525 mm | 542 mm | 560 mm | 578 mm | 586 mm | 604 mm |
Hier alle verfügbaren Modelle im Überblick. Die Ausstattungen sind nur Anschaungsbeispiele, da das V3Rs lediglich als Rahmenset verkauft wird.
Colnago V3Rs im Test
Man könnte sich kaum einen besseren Ort für den Start unserer Testrunde vorstellen als das Weingut von Paolo Bianchini, dem langjährigen Freund von Ernesto Colnago, im Herzen der Toskana. Das Test-Bike schmückt sich mit der neuen Schaltgruppe Campagnolo Super Record EPS 12-fach Disc und Campagnolo Bora WTO 60-Disc-Laufrädern, bestückt mit Pirelli P ZERO Velo in 28 mm Breite. Für das letzte Extra an Leichtigkeit sorgen die gerade einmal 38 g schweren Tubolito-Schläuche.
Bereits beim Start über die weißen Gravel Straßen werden der Komfort und die Offroad-Eigenschaften V3Rs auf die Probe gestellt – und mit Bravour gemeistert. Die Kombination aus reichlich Komfort am Heck zusammen mit den breiten und komfortablen Pirelli P ZERO Velo-Reifen macht richtig Spaß. Aus dem Stand beschleunigt das V3Rs unglaublich gut und dank des steifen Tretlagerbereichs wird jedes bisschen Druck aufs Pedal direkt in Vortrieb umgesetzt. Auch im Kletter-Modus zeigt sich die Effizienz, und gepaart mit dem geringen Gewicht werden die langen Anstiege zu einem Freudenfest. Ob sitzend oder im Stehen – das V3Rs ist effizient, agil und schnell.
Beim ersten Sprint bewährt sich die Effizienz des V3Rs, und auch das neue Cockpit hält jedem noch so starken Zerren stand – perfekt für den Sprint! Außerdem verleiht es dem V3Rs ein sehr direktes und messerscharfes Handling, führt aber auch dazu, dass an der Front der Komfort fehlt. Die Vibrationsdämpfung des Rahmens schluckt kleinere Unebenheiten des rauen Asphalts angenehm weg. Lediglich harte Schläge kommen an der Front durch und man sollte das Cockpit gut im Griff haben. Hier sei angemerkt, dass wir auf 28 mm breiten Reifen unterwegs waren. Wer das Plus an Komfort vermisst, kann dank der großen Reifenfreiheit auch breitere Pneus mit mehr Volumen aufziehen.
Sowohl die Campagnolo Super Record EPS 12-fach-Schaltgruppe als auch die Campagnolo Bora WTO 60 Disc-Laufräder überzeugen auf ganzer Linie und passen perfekt zum Race-Charakter des V3Rs. Schnelle Schaltvorgänge – und davon braucht es in den Hügeln der Toskana viele – und perfekt modulierbare Bremspower glänzen im Test. Der Aero-Laufradsatz Bora WTO passt perfekt in das Aero-Konzept des V3Rs. Aerodynamisch optimiert und niedriges Gewicht auf Race-Niveau. Bei größeren Böen zerrt der Wind ordentlich an den 60 mm tiefen Felgen, wobei man dank ausbalanciertem Druck von der Seite immer alles unter Kontrolle hat.
Das V3Rs ist ein reinrassiges Race-Bike mit hervorragenden Klettereigenschaften, das dank der großen Reifenfreiheit auch auf dem Terrain der Klassiker wie Paris-Roubaix oder Strade Bianche bestehen kann. Wir sind gespannt auf den ersten Profi-Einsatz bei der Vuelta a Españia.
Fazit
Mit Platz für bis zu 30 mm breiten Reifen, dem leichten und aerodynamisch optimierten Monocoque-Rahmen und einem hohen Level an Compliance präsentiert Colnago mit dem V3Rs das Do-it-all Race-Bike. Ob auf schnellen Abfahrten, im Kletter-Modus oder auf Gravel-Pfaden – das V3Rs überzeugt durch Effizienz, messerscharfes Handling und gute All-Road-Eigenschaften. Die Front ist etwas straff, was aber voll zum Race-Charakter des V3Rs passt. Für mehr Komfort kann man einfach einen Satz komfortable 30 mm Pneus, wie etwa Vittoria Corsa-Reifen, aufziehen. Wer ein Race-Bike mit Offroad-Eigenschaften sucht, ist beim Colnago V3Rs genau richtig.
Alle Informationen zum V3Rs und V3 findet ihr auf der Colnago Website.
Post-Ride-Lunch auf dem Weingut Ciacci Piccolomini: feinster Brunello und toskanische Spezialitäten. Wir sagen „Salute“! und genießen die traumhafte Aussicht. Nach einem kurzen Besuch des persönlichen Bike-Museums von Paolo Bianchini darf selbstverständlich auch der Espresso und zum Abschluss ein Grappa nicht fehlen. Wir stoßen mit Ernesto Colnago an – „”Cin Cin!“” auf seine Gesundheit und sein Vorhaben, 100 Jahre alt zu werden. Grazie mille, Ernesto!
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Text: Fotos: Colnago, Manuel Buck