Kennst du das Gefühl, einen qualvollen Anstieg Sekunde für Sekunde zu genießen? Sich gar nicht auf das Ziel zu fokussieren, sondern auf den Weg, und sich dabei voll zu verausgaben? Klingt schwer vorstellbar – doch wer es schafft, hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber seinen Kollegen. Netter Nebeneffekt: Deine Yoga-Lehrerin wäre stolz auf dich. Garantiert.

Achtsamkeit, Entschleunigung, Bewusst-Sein – die Buzz-Wörter unserer Zeit versprechen ein besseres Leben. Doch meist übt man sich darin nur in der wöchentlichen Yoga-Stunde, die man einmal angefangen hat und jetzt nur noch macht, „weil es hip ist“. Oder eben weil die Yoga-Lehrerin so gut aussieht.  Dabei ist bewusstes Sein im Alltag von gravierender Bedeutung, weil es ungeahnte Kräfte freisetzt – und das gilt auch fürs Rennradfahren. Es ist egal, wie viel Watt du trittst, wie gut du trainiert bist; am Ende entscheidet dein Kopf über Sieg oder Niederlage, über Genuss, Spaß und Tempo.

Am besten lässt sich das an der Welder Moody verdeutlichen. Einer Armbanduhr, die technisch kaum besonders und schon gar keine Sportuhr ist, die dich aber daran erinnert, wie und warum du etwas machst – egal was.

Stell dir folgendes Szenario vor: Du schwitzt dich Kehre für Kehre nach Alpe d’Huez hinauf, du denkst daran, wie verdammt weit es noch bis zum Gipfel ist. Bei Kehre sieben schaust du auf die Pulsuhr am Handgelenk, die dir sagt, dass du bereits jetzt am Limit bist. Die Zahlen sprechen gegen dich, der Angstschweiß fängt an, von deiner Stirn zu tropfen. Wie sollst du noch 14 weitere Kehren schaffen? Du visualisierst dein Leiden, versuchst vergeblich, einen weiteren Gang auf deiner Kompakt-Übersetzung herunterzuschalten – es geht nicht. Ende. Deine negativen Gedanken verwandeln deinen anfänglichen Respekt in schiere Angst, hemmen deine Leistung. Fuck.

Dabei hast du alles, was es braucht, um die 21 Kehren zu schaffen. Nein, es geht nicht um laktatresistente Waden oder Himalaya-Lungen, sondern um die richtige Einstellung. Ein kurzer Reminder, warum du etwas machst, und das Bewusstsein dafür, wie du etwas machst kann Wunder bewirken. Hättest du mal in deiner Yogastunde richtig aufgepasst: Wenn du das Leiden akzeptierst, Meter für Meter Asphalt vor dir siehst und Pedaltritt für Pedaltritt als Privileg statt als Bestrafung wahrnimmst, dann verliert jeder Anstieg seinen Schrecken. Verdammt noch mal, du hast es in deinem Leben geschafft, auf einem Carbon-Schlitten einen Alpenpass hinaufzufahren und das als Hobby bezeichnen zu dürfen! Du hast dich dafür entschieden, du prahlst damit zu Hause vor deinen Freunden – also hör auf zu heulen und nimm das Leiden als Privileg wahr. Wenn du dich dabei besser fühlst, denk an deine Kollegen, die sich bei strahlender Sommersonne im Büro ihre Ärsche plattsitzen.

  Die Zeit spielt verrückt. Wer denkt, sie sei eine Konstante, irrt.

Ihr Bewusstsein für deine Stimmung ist, was die Welder Moody ausmacht und wofür wir sie lieben. Das photochromatische Glas verändert sich je nach Betrachtungswinkel und Lichteinfall – so verändert sich einerseits die Glasfarbe, andererseits wird die Ablesbarkeit variiert als Manifestation der Moody-Philosophie von Welder.

  Wenn ich mich verändere, verändert sich auch die Welt
– weil sich meine Wahrnehmung der Welt ändert.
Im Zentrum der Veränderung stehe ich.
An manchen Tage wache ich auf und habe kaum die Kraft, durch den Tag zu kommen.
An anderen fühle ich mich, als könnte ich die Welt erobern.
Manchmal ist es schon eine Zerreißprobe, nur zehn Minuten zu warten,
und manchmal ist es absolut kein Problem.
Gestern stand ich stundenlang im Stau und es war die reinste Tortur.
Heute hab ich mein Lieblingslied aufgedreht
und bleibe sogar noch drei Minuten länger im Auto sitzen.
Wenn du mit deinem besten Freund unterwegs bist,
ist eine Sechs-Stunden-Fahrt in Windeseile vorbei.
Wenn du ein weinendes Baby im Auto hast, ist das eine ganz andere Geschichte.
Wie spät ist es? 20 Uhr?
An manchen Tagen geht für dich jetzt erst die Sonne auf
und an anderen ist der Tag jetzt schon gelaufen.
Das Konzept „Zeit“ ist davon abhängig, wie wir es wahrnehmen.
Mein Konzept unterscheidet sich von deinem,
damals unterscheidet sich von heute,
und es ist absolut abhängig von meiner jeweiligen Einstellung.

Es gibt nur einen Faktor, der Zeit definiert: meine Stimmung!  

Was uns all das sagen soll? Wer es schafft, sich seiner Stimmung und Einstellung bewusst zu sein, der kann sie auch beeinflussen und aus einer harten Zeit eine gute machen. Mit der richtigen Einstellung ist alles möglich – auch der Sieg beim 21-teiligen Kehrenkampf in Alpe d’Huez. Ach ja, wir waren für diese Story übrigens gar nicht in Frankreich, sondern in Girona mit dem stählernen Wilier Superleggera aus unserem Racebike-Vergleichstest und haben uns ganz leger einen feinen Cappuccino gegönnt und über die Zeit philosophiert. Man muss ja nicht an jedem Tag leiden 😉 Aber wenn, dann bitte mit der richtigen Einstellung!

Alle Details zum Bike im Test des Wilier Superleggera SL.


Dieser Artikel ist aus GRAN FONDO Ausgabe #008

Das GRAN FONDO Cycling Magazin erscheint auf Deutsch und Englisch im digitalen App-Format. Ladet euch jetzt die App für iOS oder Android und lest alle Artikel auf eurem Tablet oder Smartphone. Kostenlos!


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als GRAN FONDO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die New-Road-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Robin Schmitt Fotos: Noah Haxel