Das Felt Breed 20-Gravel-Bike hat letztes Jahr unser Interesse geweckt und deshalb wollten wir es genauer wissen: Was genau treibt Felt Bicycles da eigentlich in Kalifornien? Wo bahnt sich das Traditionsunternehmen als Nächstes seinen eigenen Weg? Und was können wir aus diesen Plänen für die gesamte Bike-Branche ableiten?

Ausgangspunkt: Golden State. Kalifornien ist geprägt von kilometerlangen Küstenstraßen, Sandstränden, die aussehen wie die Definition ihres eigenen Begriffs im Lexikon, von über 4.000 m hohen Bergen und grenzenlosen Wäldern mit Mammutbäumen – die perfekten Bedingungen, um eine Bike-Brand ins Leben zu rufen, oder? Das dachten sich im Jahr 1991 auch die Gründer von Felt Bicycles und die aerodynamischen Bikes mit Felt-Schriftzug haben seitdem eine beeindruckende Siegesserie bei Grand Tours, olympischen Sommerspielen und Weltmeisterschaften hingelegt. Der Rennsport ist für Felt ein unverzichtbarer Bestandteil des Radsport-Erlebnisses und der Hersteller verfügt über eine riesige Expertise in der Entwicklung der schnellsten Zeitfahrmaschinen und Triathlon-Bikes der Welt. #racingmatters

Wir entwerfen, testen, verbessern und testen erneut. Immer und immer wieder, bis wir auch das letzte Quäntchen Leistung herausgequetscht haben.“ – Alexander Soria, Director of Product Development

Schwenk nach Mitteleuropa: Felt ist in unseren Gefilden bisher weniger weit verbreitet, was erstaunlich ist angesichts der zahlreichen Erfolge auf den Straßen der ganzen Welt und der Tatsache, dass der Hersteller seit vielen Jahren Innovationstreiber im Performance-Segment ist. Vielleicht liegt es daran, dass Felt im Vergleich zu anderen Brands aus den USA nicht auf maximale Stückzahlen setzt, sondern ein relativ kleiner Betrieb geblieben ist, der sich weiterhin über seine Grundprinzipien definieren und den leidenschaftlichsten Fahrern da draußen die schnellsten Räder der Welt zur Verfügung stellen möchte. Mit hauseigener Technik, Forschung, Entwicklung und Prototypenbau werden die wichtigsten Arbeitsschritte nach wie vor im Süden Kaliforniens durchgeführt, die Herstellung der Rahmen ist aber wie bei der Konkurrenz nach Asien ausgelagert worden. Auch für uns war die Marke Felt bisher ein nur wenig beschriebenes Blatt, erst Ende letzten Jahres hat sich mit dem Breed 20-Gravel-Bike erstmals ein Felt-Rad auf den Weg in unsere Redaktion gemacht und nicht nur unsere Neugierde geweckt – auch der Zuruf von eurer Seite aus war riesig. Um die selbst ernannte Performance-Brand noch besser zu verstehen und kennenzulernen, haben wir sie uns einmal genauer angeschaut. Welche Neuheiten ihr in nächster Zeit aus Kalifornien erwartet dürft und welche Entwicklungsschritte aktuell die gesamte Bike-Branche durchmacht, erfahrt ihr hier!

Was wäre, wenn …
… ein Felt FRD-Bike für jedermann erschwinglich wäre?

Alle, die sich im Profiradsport auskennen und die besten Rennräder der Welt aus dem Effeff runterbeten können, schnalzen beim Wort FRD mit der Zunge. Die Modelle mit dem Kürzel FRD – kurz für Felt Racing Development – sind die fortschrittlichsten Carbonrahmen, die das Felt-Labor verlassen. In den FRD-Rahmen steckt sämtliches Know-how, das sich die Ingenieur- und Wissenschaftsteams des Felt-Betriebs im Laufe der Jahre angeeignet haben. Ein Rad mit FRD-Rahmen sein eigen zu nennen, ist für viele Felt-Jünger auf der anderen Seite des Atlantiks ein langgehegter Wunsch, sowohl im Performance- als auch im Hobby-Lager. Egal ob bei einer 180-km-Ausfahrt, die zwischen einer Schwimm- und Laufetappe liegt und naturgemäß weniger entspannt ist, oder einem reinen Straßenrennen, für das man auch beim 2.000-Watt-Zielsprint noch die nötige Spritzigkeit mitbringen muss – ein Felt FRD-Bike soll immer die perfekte Wahl sein, wenn man richtig Leistung bringen will. Wäre da nicht der Preis, der beim AR FRD-Rennrad je nach Ausführung zwischen stolzen 12.999 € und 14.199 € liegt und für viele ein unüberwindbares Hindernis darstellt.

FRD repräsentiert all das Blut, den Schweiß und die Tränen, die von unseren Profisportlern und Ingenieuren vergossen werden.“ – Alexander Soria

Wie könnte es also in Zukunft möglich sein, ein FRD-Bike für jeden Felt-Anhänger erschwinglich zu machen, wenn die Material- und Fertigungskosten für den FRD-Rahmen weiterhin auf einem sehr hohen Niveau liegen? Ihr habt richtig geraten: Neue und im Einkauf deutlich günstigere elektronische Schaltgruppen sollen auch die Fahrradkeller von Max Mustermann und Lieschen Müller mit FRD-Bikes veredeln, ohne sie gleich mit einer Hypothek belegen zu müssen. Diese neuen Bikes sind so leistungsstark wie eh und je, das Gewicht liegt auch weiterhin im niedrigen Bereich, aber der Preis ist nun in einer Region, in der man über die Anschaffung nachdenken kann. Natürlich ist ein Bike, das von den Profis im Peloton gefahren wird, nach wie vor eine wirklich kostspielige Angelegenheit. Aber so ist das doch überall im Spitzensport, schließlich kann sich auch nicht jeder Formel-1-Fan einen Rennboliden leisten. Und wenn man sich den Trend anschaut, dürfte man über jedes Bike, das mit günstigerer Ausstattung für weniger Geld angeboten wird, erfreut sein.

Komponentenknappheit, unkalkulierbare Lieferzeiten, steigende Löhne und natürlich auch unser guter alter Bekannter, die Inflation, treiben die Bike-Preise seit Jahren kontinuierlich in die Höhe. Nichtsdestotrotz möchte jeder ambitionierte Racer auf einem Bike mit Profi-Material beim nächsten Rennen die Ziellinie überqueren und dabei möglicherweise neue Bestplatzierungen erreichen. Aus unserer Sicht ist es ein absolut sinnvoller Ansatz, das Fundament eines jeden gelungenen Bikes, nämlich den Rahmen, bestmöglich zu entwerfen und zu produzieren, um für späteres thatTuning die optimale Plattform zu haben. Ein Bike ist als Gesamtkonzept mehr als nur die Summe seiner Einzelteile und so kann man mit späterem Tuning das Gesamtkonzept genau so erweitern, wie es für die eigenen Bedürfnisse am sinnvollsten ist. Aber die Basis muss eben so gut sein wie nur irgendwie möglich. Alle Eigenschaften, die das Rad später in der Praxis ausmachen, werden maßgeblich davon beeinflusst. Viele Hersteller liefern nur das Topmodell mit dem bestmöglichen Rahmenset und der höchsten Carbon-Qualität aus. Für günstigere Modelle sind dann andere Carbon-Layups und Verarbeitungsqualitäten für ein Rahmenset-Mehrgewicht von bis zu 60 % keine Seltenheit. Cool, dass Felt hier einen anderen Weg geht und den Kunden nun diese spannende Option gibt, ein Bike mit FRD-Rahmen zu einem günstigeren Preis zu erwerben. Natürlich haben Schaltgruppen verschiedener Preiskategorien in puncto Gewicht mal kleinere und mal größere Unterschiede. Die wenigsten werden sich jedoch beim Wechsel von einer DURA-ACE Di2-Schaltgruppe auf eine ULTEGRA Di2 über mangelnde Schalt-Performance beschweren.

Was wäre, wenn …
… Aerodynamik im Gravel-Bereich eine tragende Rolle spielen würde?

Aerodynamik spielt eine immense Rolle in allen Bereichen des Bikens, bei denen es um Geschwindigkeit, Wettkampf und Siege geht – das gehört nicht mehr zu den News. Konsequenterweise ist es nicht verwunderlich, dass mehrere Bike-Hersteller im letzten Jahr aerodynamisch optimierte Gravel-Bikes auf den Markt gebracht haben. Gravel-Rennen, da sind wir uns sicher, werden in nächster Zeit auch in Europa eine immer größere Fangemeinde finden. Viele Roadies haben es verständlicherweise satt, sich täglich mit den deutlich massiveren Verkehrsteilnehmern aus Blech um den Platz auf dem Asphalt zu streiten und springen auf die ebenfalls mit Rennradlenker ausgestatteten Gelände-Bikes über. Natürlich spielen auch Gewicht, Reifenwahl, Komponenten und Rahmenmaterial eine große Rolle bei den Faktoren, die über die Geschwindigkeit eines Gravel-Bikes entscheiden. Vor allem im Aerodynamik-Bereich besteht aber noch viel Potenzial, das ausgeschöpft werden will.

Ihr könnt den strukturell effizientesten Rahmen und die stärksten Beine der Welt haben, aber wenn ihr nicht aerodynamisch unterwegs seid, fahrt ihr nicht so schnell, wie ihr sein könntet.” – Alexander Soria

Felt ist stark im Performance-Bereich verwurzelt und während Ende der 1980er noch viele Hersteller versuchten, ihre Bikes mit neuen Materialien schneller zu machen, hat Felt als eine der ersten Bike-Brands die riesige Bedeutung der Aerodynamik am Rennrad erkannt – und angefangen, genau dort zu forschen, an den richtigen Stellschrauben zu drehen und sich mit innovativen und neu gedachten Rahmen- und Bike-Konzepten von der Konkurrenz abzusetzen. Die zahlreichen Trophäen im Vitrinenschrank geben den Kaliforniern Recht und unterstreichen den Erfolg, den Felt mit dieser konsequenten Denkweise erzielt hat!

Für das kommende Modelljahr 2022 steht bei Felt ein Gravel-Bike in den Startlöchern, dass nur darauf wartet, sich im Wettkampf mit den schnellsten Schotter-Spezialisten der Welt zu duellieren. Das neue Felt Breed Carbon – so soll das neue Bike einmal heißen – setzt natürlich auf die Standard-Erfolgsgeheimnisse eines jeden schnellen Gravel-Bikes: auf einen Carbonrahmen, der an den maßgeblichen Punkten sehr steif konstruiert ist und eine maximale Kraftübertragung ermöglicht. Und auf ein gewisses Komfort-Level, damit die Person auf dem Sattel nicht bereits zur Renn-Halbzeit jeden Knochen im Leib spürt und noch vor dem Erreichen der Zielgeraden komplett verkrampft auf dem Bike hockt. Felt ist fest davon überzeugt, dass neben diesen beiden Größen die Aerodynamik insbesondere bei kilometerlangen Rennen über Gravel-Pisten der Schlüssel zum oftmals doch leider fest verbauten Erfolg ist. Denn die Vorteile der Aerodynamik entscheiden hier am Ende über einen Vorsprung von 30 Sekunden oder aber 2 Minuten Rückstand. Für welche der beiden Optionen würdet ihr euch entscheiden, bei gleichbleibendem Komfort und Gewicht? Klar, Aerodynamik bedeutet bedingungslose Integration und der eine oder die andere wird sich über die weniger servicefreundliche Zugverlegung ärgern. Die Watt-Ersparnis ist aber erwiesenermaßen nicht zu vernachlässigen. Und wie sexy ist bitteschön ein Bike mit Rennradlenker und perfekter Integration?

Ist die Zukunft der Gravel-Bikes also im Performance-Bereich zu finden? Vieles deutet auch bei anderen Herstellern darauf hin – und das muss für uns gar nicht mal so schlecht sein. Wir können uns gut vorstellen, dass sich das Feld in Zukunft einfach noch ein wenig mehr unterteilt und noch breiter wird. Einerseits eine Bewegung, die den ursprünglichen Spirit feiert und einfach mehr Abenteuer erleben und Entdeckungsreisen mit Rennlenker unternehmen will. Und andererseits die Bestrebung, mehr Performance aus dem Graveln herauszukitzeln – was bei näherer Betrachtung definitiv Vorteile für den Sport als Ganzes bringen kann. Immer mehr Profis und ehemalige Racer steigen auf die Schotter-Bikes um und stellen sich bei den großen Gravel-Rennen an die Startlinie. Das kann jedoch auch für die Gravel-Romantiker der ersten Stunde ein großer Vorteil werden, da sich eine Entwicklung zum Dropbar-Mainstream positiv auf den Sport und auf die Vielfalt der Gravel-Bikes auswirken kann. Jährlich steigen neue Hersteller ins Gravel-Business ein und steigern dadurch die Artenvielfalt. Auch wenn es mehr und mehr Gravel-Race-Bikes auf dem Markt geben wird, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass man nur noch Rennen mit dem Gravel-Bike fahren kann. Es ist jedem von euch selbst überlassen, den Einsatzzweck eures Bikes selbst zu definieren. Das kann und darf gerne auch weiterhin eine entspannte Ausfahrt ohne Wattmesser, Brustgurt und Laktatexplosionen sein und wir sind die Letzten, die zu einer Einladung am Lagerfeuer nein sagen …

Was wäre, wenn …
… ein Rennradrahmen in Zukunft nur noch im Labor entsteht?

Moderne Hochleistungscomputer ermöglichen den Fahrrad-Herstellern eine Rahmenherstellung, die sie sich vor 20 Jahren noch nicht erträumt hätten. Tausende Computer-Simulationen spucken am Ende bestmögliche Rahmenformen und Materialdicken aus, die anschließend dank modernster Fertigungstechnologien perfekt in die Realität umgesetzt werden. Dadurch können Räder schneller und preiswerter entwickelt und verbessert werden und auch die Serienfertigung ist sehr viel verlässlicher. Und wer sagt, dass in Zukunft nicht jedes beliebige Ersatzteil von zu Hause aus mit dem 3D-Drucker nachgebaut werden kann? Wochenlange Wartezeiten, Warensendungen durch die ganze Welt und sogar Lagerkosten der Hersteller könnten so eingespart werden. Gut für die Umwelt, gut für euch. Win-win? Hört sich erst mal ganz danach an! Sollte man Bikes also in Zukunft komplett im Labor entwerfen?

Stellt euch einmal vor, ihr tretet zu einem Kuchen-Wettbewerb an. Es geht darum, wer den besten Käsekuchen in der ganzen Stadt backt. Was euch dafür zur Verfügung steht: ein Labor, eine unbegrenzte Auswahl an Zutaten und ein Backofen. Was ihr dafür nicht habt: eure Geschmacksnerven und das Feedback aus Verkostungen im Freundeskreis. Ein unmögliches Unterfangen, am Wettbewerbstag den perfekten Käsekuchen zu präsentieren und nie endenden Ruhm und Anerkennung zu erfahren? Ziemlich sicher! Auch wenn das Beispiel bzw. der Vergleich auf den ersten Blick hinkt, im Prinzip ist es doch mit Labor, Zutaten und Backofen 1 : 1 auf die Entstehung eines Carbon-Rahmens zu übertragen.

Wenn es darum geht, ein wirklich herausragendes Bike zu schaffen, kommt es vor allem auf die Details an.“ – Alexander Soria

Nicht nur beim letzten UNBOUND Gravel-Event, auch bei vielen weiteren Rennen sieht man häufig Teams bzw. Fahrende mit Bike-Prototypen, die noch vor dem offiziellen Bike-Launch unter realen Bedingungen getestet werden. Hersteller und die cleversten Ingenieurinnen und Ingenieure der Welt können noch so viel an ihren Hochleistungsrechnern simulieren und in den Laboren entwickeln. Ob der Output, also der fertige Rahmen, dann auch wirklich was taugt und das Zeug hat, um Siege in der Weltspitze mitzufahren, kann nur draußen an der frischen Luft und mit einem echten Menschen drauf herausgefunden werden. Laut Felt beeinflusst das Feedback der Athletinnen und Athleten maßgeblich die Entstehung eines neuen Bikes. Mit einem rein quantitativen Ingenieurs-Ansatz werden mit Sicherheit Sachen übersehen, die in der Praxis bereits nach wenigen Metern auffallen. Das subjektive Feedback der Profis ist bei der Entwicklung von Performance-Bikes also auch in absehbarer Zukunft noch das A und O, und das gilt sicherlich nicht nur für die Bikes der Kalifornier. Für uns ist das eine gute Nachricht, denn echte Leidenschaft, wie sie das Team von Felt seinen Modellen entgegenbringt, wird nun mal selten im Labor geschaffen.

Fazit

Die Bike-Industrie steckt in einem starken Wandel – und so ist es nicht verwunderlich, dass auch in Südkalifornien im Hause Felt allerlei Zukunftsmusik gespielt wird. Wir freuen uns über die Entwicklung, Performance-Bikes aus dem Profi-Bereich einer größeren Zielgruppe verfügbar zu machen, und sind gespannt auf das neue Carbon-Gravel-Bike, das nächstes Jahr veröffentlicht wird. Wer hat schon etwas dagegen, den Schnitt bei der nächsten Ausfahrt zu steigern?


Mehr Informationen über Felt und das komplette Produktportfolio findet ihr unter eu.feltbicycles.com.


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Text: Fotos: Felt