Mit dem Vivax Passione CF Disc möchten die Tiroler eine unsichtbare Unterstützung für den Fahrer anbieten, die den Look eines normalen Rennrads schätzen und trotzdem auf Knopfdruck bis zu 120 W Unterstützung erfahren wollen. Kann die diskrete Innovation überzeugen?

Vivax Passione CF Disc | 10,3 kg | 5.949 €

Ein Phantom geht umher

Das Phantom kommt tief aus den Bergen Tirols. Es geht umher und sorgt für Verwunderung unter den Vereinskollegen am lokalen Anstieg: „Warum siehst du nach dem Berg gerade überhaupt nicht aus, als hättest du viele Körner verbrannt?” Verwunderung weicht der Ungläubigkeit. Das Phantom hat wieder zugeschlagen, unsichtbar und nahezu geräuschlos. Mit seinen bis zu 120 W Unterstützung greift der Motor, der im Sattelrohr versteckt ist, dem Fahrer unter die Arme bzw. die geschundenen Beine. Viel hat sich getan, seit das erste serienreife System von Vivax 2007 das Licht der Welt erblickt hat. Bei der aktuellen Systemversion 4 kann der Kunde zwischen zwei Varianten wählen, 4.75 und 4.90. Diese Kürzel bezeichnet die Trittfrequenz, bei der das System die Unterstützung hinzuschaltet.

Die alternative zu dichtem Verkehr und langen Gesichtern zum Feierabend:…
…vollgas zum Feierabend……
…und ins grüne

Eine der Besonderheiten des Systems ist, dass es ohne gesondertes Display oder gigantischen Akku auskommt. Dadurch behält das Vivax im Vergleich zu anderen E-Rennrädern nicht nur ein relativ sportives Erscheinungsbild, das System ist auch auf nahezu jedem Rennrad nachrüstbar. Das Nachrüstsystem, das Vivax für Rennräder, Mountainbikes und Trekkingräder anbietet, besteht aus einem Motor, einem Akku und einer Steuereinheit.

Gut versteckt: der Dschinn in der Flasche …
…dieser sorgt auf Knopfdruck für den Strom…
…der per Knopfdruck am Lenkerstopfen das Phantom auf den Plan ruft……

Aktiviert man die Steuereinheit per Knopfdruck, schaltet das System ab einem gewissen Trittfrequenzbereich selbstständig die Unterstützung ein. Wer das Ganze dann nicht mehr möchte, drückt einfach wieder auf den Knopf am Lenkerstopfen. Der „Schub von Geisterhand“, den der Motor erzeugt, wird dabei direkt mittels einer Welle auf die Kurbel übertragen. Je nach Akkuversion schiebt das Phantom bis zu 100 Minuten mit an, bevor es sich wieder verflüchtigt. Ein weiteres Plus für potenzielle E-Rennradfahrer ist, dass das System lediglich 1,8 kg Gewicht mitbringt. Für alle Gewichtsfanatiker ein Weltensprung, aber für sie ist das System in der Regel wohl eh irrelevant. Für alle, die gerne noch mit ihren Vereinskollegen mithalten möchten oder den Genuss auf dem Rennrad nicht mit zeitweiligem Leiden verbinden, stellt Vivax mit seiner Assist-Produktreihe eine gute Alternative zu den doch teils recht klobigen E-Rennrädern der Konkurrenz dar.

Man sieht dem Vivax nicht an, dass es ein E-Roadbike ist

Vivax Passione CF – Konzept und Ausstattung

Zu unserem Test hat Vivax das Passione CF Disc geschickt, ein komplettes Carbonrennrad, bei dem das System bereits verbaut ist. Neben dem Assist-System ist das Phantom mit einer Shimano ULTEGRA 6800 bestückt, das ist DURA-ACE-Schaltperformance zum kleineren Preis. Gebremst wird vorne und hinten auf 160-mm-Scheiben mit der hydraulischen Flat-Mount-Bremse Shimano ULTEGRA, passend zur mechanischen Schaltgruppe. Diese Verzögerung soll durch die Vivax gebrandeten Laufräder mit 23C breiten Continental Ultra Sport-Reifen auf die Straße gebracht werden. Dabei greift das Passione CF Disc auch auf 12 mm lange Thru-Axle Steckachsen zurück – ein Maß, das sich in der sonst recht heterogenen Welt der Fahrradstandards durchzusetzen scheint. Das Cockpit setzt sich aus Ritchey Comp Aluminium-Komponenten zusammen, solide und sicher.

Schaltung Shimano Ultegra 8000
Laufradsatz Vivax
Bremsen Shimano Ultra hydro
Reifen Continental Ultra Sport 23c
Gewicht 10,3 kg
Preis 5.949 €

Wo sich der rechte Lenkerstopfen befinden müsste, hat sich ein Knopf zur Aktivierung des Systems eingenistet. Er ist allerdings recht unscheinbar und nur für denjenigen gut zu erkennen, der weiß, wonach er gucken muss. Den Abschluss des Setups macht die hauseigene Sattelstütze, welche die Kabel für den Akku enthält und einen Selle Italia X1-Sattel trägt. In der standard Konfiguration befindet sich der Akku in der Satteltasche. Das komplette Vivax Passione CF Disc ist in sechs Rahmengrößen – 45 bis 60 – für 5.949 € zu haben und kann noch auf der Website mittels Konfigurator um ein Invisible-Performance-Package und eine Carbon-Sattelstütze ergänzt werden. Dieses Invisible-Performance-Package beinhaltet einen Akku, der sich in einer Flasche verbirgt und den Flaschenhalterplatz am Sattelrohr einnimmt. Der Dschinn in der Trinkflasche gibt per LEDs direkt Auskunft über den Ladestand.

  lediglich das Memento am Sattelrohr könnte ein Hinweis auf den Motor unter der Haube geben

Das Konzept um den Vivax Assistant-Antrieb, der laut Hersteller problemlos in jedes vorhandene Renn- oder Trekkingrad bzw. Mountainbike nachgerüstet werden kann, ergibt Sinn und weckt nun auch das Interesse vieler potentieller Kunden, die sonst zu einem „regulären“ e-Bike gegriffen hätten. So viel zur Theorie, ob Vivax jedoch auch Rennräder bauen kann, die Spaß machen und sich gut fahren, steht noch offen.

hier haust das Phantom…
Geflügelte Bergziege oder Fantômas, das entscheidest du selbst
die hydraulischen Shimano Ultegra Bremsen verzögern makellos

Geometrie des Vivax Passione CF Disc

Größe 45 48 51 54 57 60
Oberrohr 515 mm 525 mm 540 mm 550 mm 575 mm 590 mm
Kettenstreben 405 mm 405 mm 405 mm 405 mm 405 mm 410 mm
Lenkwinkel 72,5° 72,5° 72,5° 73° 73° 73°
Steuerrohr 95 mm 95 mm 120 mm 155 mm 190 mm 215 mm
Sitzwinkel 75° 74,5° 73,5° 73,5° 73° 73°

Vivax Passione CF – Test

Auf die alles entscheidende Frage „But, does it ride …?“ reagiert das Phantom im Vivax mit gleichmäßiger Unterstützung – merklich, aber nicht übertrieben „schubartig“, wie man es von anderen E-Bikes kennt. Gleich zu Anfang macht das Rad dank des Motors einen sportlichen Eindruck, der sich in gutem Vortrieb bemerkbar macht. Der Motor springt – je nach gewählter Option – ab 75 Umdrehungen pro Minute oder 90 Umdrehungen pro Minute ein und unterstützt den Fahrer mithilfe einer Welle, die direkt vom Sattelrohr auf die Kurbel führt. Da diese Unterstützung nicht plötzlich losschiebt, gibt sie dem Fahrer das Gefühl, heute besonders gute Beine zu haben und nicht etwa auf einem E-Bike zu sitzen.Die Sitzposition ist entspannt und aufrecht, wie man es von einem Endurance-Rad erwartet. Dabei hilft der breite Ritchey-Lenker mit seiner Ergo-Drop-Shape, eine Fahrposition einzunehmen, die auch auf längere Zeit bequem bleibt.

Mit seinen 10,3 kg rollt das Vivax Passione CF eher gemächlich dahin, wenn es einmal auf Reisegeschwindigkeit gebracht ist, und bleibt dabei sehr spurtreu. Einzig die doch sehr dünnen Reifen und der sehr steife Laufradsatz verhindern, dass man gänzlich in „cruise-control“ schalten kann. Überhaupt kommt das Vivax sehr hart und unkomfortabel her, überraschend für jemanden, der ein Endurance erwartet. Die sehr steife Gabel sorgt in Kombination mit dem Alu-Cockpit, den dünnen Reifen und den steifen Laufrädern für einen Schrecken, wenn das Schlagloch mal tiefer sein sollte. Heck und Front des Bikes nehmen sich nichts, hinten sorgen die ebenfalls dünnen Reifen, steifen Laufräder und die sehr steife Sattelstütze für alles andere als einen smoothen Ride. Der große Durchmesser der Sattelstütze mag der Kabelage geschuldet sein, die den Motor im Sattelrohr mit Strom versorgt, nur sorgen die Breite und das Material der Sattelstütze für eine Kombination, die jede Erschütterung von der Straße weitergibt – nicht unbedingt das, was man sich von einem Endurance-Bike wünscht.

Komfortkiller: die 23c breiten Continental Ultra Sport-Reifen
die extrem steife Sattelstütze tut ihr übriges am Heck

Der Teufel steckt aber nicht nur im Detail. Das eher laufruhige und spurtreue Handling verträgt sich nicht gut mit schnellen Richtungswechseln, was sich in engeren Kurven bemerkbar macht. Hier braucht man mehr Kraft, um mit dem Vivax die Ideallinie durch die Kurve zu halten. Gutmütigkeit und Vorhersehbarkeit schließen spritziges Handling nicht generell aus, das Passione CF aber begnügt sich mit einem Handling, das vor allem unerfahrenen Fahrern ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen vermittelt. Genau das passt allerdings wunderbar ins Konzept des Vivax Passione CF, das gar nicht den Anspruch erhebt, ein Supersportler zu sein, sondern eher den Fahrer bedienen möchte, der neu ins Rennrad-Game eingestiegen ist oder zwischen dessen Jahren im Verein und heute schon viele Monde ins Land gegangen sind.

Und hier liegt für uns die größte Krux des Bikes: im Einsatzzweck „Endurance“ und der Position des Akkus in der Trinkflasche. Sicher, man kann den Akku auch in der Satteltasche unterbringen, aber auch das nimmt dem Fahrer die Möglichkeit, die Ride-Essentials unter dem Sattel zu verstauen, wo sie hingehören und aus dem Weg sind. Nehmen wir aber nun die an unserem Testbike montierte Version: Hier ist der Akku in einer Trinkflasche versteckt, die Kabel dazu führen kaum sichtbar aus dem Rahmen auf dem direkten Weg durch den Halter in die Flasche. Diese Lösung ist gut versteckt integriert und gibt die Option, eine Satteltasche mitzunehmen. Es nimmt aber dem Fahrer auch die Option, eine zweite Trinkflasche zu montieren. Vom Auffüllen des restlichen Volumens der Akkuflasche mit Wasser oder Iso-Getränken raten wir in aller Dringlichkeit ab, das mag der Flaschengeist nämlich besonders ungern. Wer unbedingt zwei Flaschen mitnehmen und gleichzeitig nicht auf seine Satteltasche verzichten will, muss das Vivax wohl oder übel ohne Motorunterstützung fahren, weil der Akku keinen Platz hat. Nun kommt das Gewicht des Passione CF voll zum Tragen, wenn der Motor nicht mitmacht. Dann verwandelt sich der gute Antritt zu einem trägen und behäbigen Anfahren, das dem Rad alle Sportlichkeit abspricht. Zwar rollt Mehrgewicht auch gut bergab, es wird aber zum Klotz am Bein, wenn man ohne Motor den Berg hochfahren möchte oder bei Gegenwind die Geschwindigkeit zu halten versucht. Im Antritt bemerkt man den ausgeschalteten Motor kaum, im Rücktritt erzeugt er jedoch viel Widerstand.

Also bleibt einem kaum etwas anderes übrig als eine kleinere Tour zu fahren oder sich im Verzicht zu üben, entweder bei der Wahl der Werkzeuge und Schläuche oder einer zweiten Trinkflasche. Also alles in den Kofferraum des Rennradfahrers, die Trikottaschen. Hier hätten wir uns eine anwenderfreundlichere und elegantere Lösung gewünscht.

Fazit

Wer sollte sich das Vivax Passione CF mal genauer anschauen? E-Rennrad-Einsteiger, die einfach gerne wieder mit ihren Freunden mithalten wollen und den eher klobigen Charme der meisten anderen E-Rennräder nicht zu schätzen wissen. Die Idee des versteckten Motors ist gut, bei der Umsetzung jedoch sind die Detaillösungen noch ausbaufähig. Für alle, die bereits ein gutes Rennrad haben und es umrüsten möchten, ist das Vivax Assist aber die bessere Option, da es dem Passione CF noch etwas an Passion mangelt.

Stärken

– sicheres Handling
– hohe Laufruhe auf gutem Belag
– Motorunterstützung sehr versteckt gelöst

Schwächen

– behäbig ohne Motorunterstützung
– sehr steifes Rahmenset
– dünne Reifen, harte Laufräder
– Detaillösungen könnten besser umgesetzt werden


Mehr Infos findet ihr unter: vivax-assist.com


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Text: Fotos: Valentin Rühl