Der Old Man of Storr, eine 50 m hohe Basaltnadel, ragte über uns in den Himmel, als wollte er die Wolken herausfordern. Einer Legende zufolge ist der Old Man der Daumen eines Riesen, der noch aus der Erde herausragt, die ihn nach seinem Tod bedeckte. Vielleicht war eben dieser Riese einst mit donnernden Schritten die Straße entlang gelaufen, auf der wir gerade fuhren. Und hatte dabei mit seinen schweren Füßen gewaltige Abdrücke auf dem Asphalt hinterlassen, die heute auf unachtsame Radfahrer lauern.

Es heißt, der Regen von heute sei der Whisky von morgen. Das mag stimmen, aber er ist auch Kryptonit für das Straßennetz. Das Wasser entdeckt jede Schwachstelle, kriecht unter den Straßenbelag und schwächt den darunter liegenden Boden. Unter der Last der Autos gibt der Asphalt dann nach. Unweigerlich entstehen Risse, und das Wasser – siegessicher – kann noch leichter eindringen. Das Loch wird größer, und eh man sich versieht, voilà, ein Schlagloch, die Nemesis der unkonzentrierten Rennradfahrer. So war auch bei sengender Hitze nicht zu übersehen, dass auf Skye, der größten Insel der inneren Hebriden, eine Menge Regen herunter prasselt.

Vom imposanten Grat der Black Cuillin Hills, die den Horizont dominieren, gewinnt man einen ersten Eindruck der zerklüfteten, rauen Küste. Ihr Anblick ist so furchteinflößend wie der Ruf, der ihnen vorauseilt. Wir schossen die ruhigen Straßen hinab, zwischen den heimtückischen Schlaglöchern hindurch. Gelegentlich übersahen wir einen der Fußabdrücke des Old Man, dann fuhr es uns in die Knochen und versetzte uns einen Adrenalinstoß. Doch zum Glück waren wir auf FOCUS PARALANES unterwegs, einem von Grund auf neuen Design aus dem Hause FOCUS. Der Fokus (hehe) dieses FOCUS-Modells liegt auf Endurance und Komfort – angefangen beim auf Compliance ausgerichteten Carbon-Layup über die schlanke CPX-Sattelstütze bis hin zu 28C-Reifen. Ein ordentlicher Rumms in ein Schlagloch fühlt sich natürlich immer noch an wie ein Hammerschlag, aber das FOCUS PARALANE schiebt sozusagen ein Kissen dazwischen, sodass man statt des kalten harten Stahls eher einen sanften Knuff verspürt.

Es war der letzte Tag unserer sechstägigen Pilgerfahrt und das Ende des Weges, der Höhepunkt all der Geschichten, die wir bei dem ein oder anderen Schluck Whiskey erzählt und gehört hatten. Wir hatten sie alle probiert – vom leichten, eleganten Glenlivet 18 aus Speyside bis zur beißenden Schärfe des Bruichladdich Octomore aus Islay. Natürlich nicht in irgendwelchen nichtssagenden Bars! Nein, wir waren durch die Lagerhäuser geschritten, wo flüchtige Aromen leise in der Luft flüstern, und hatten neben den kupfernen Destillierblasen gestanden, in denen der Whisky vor vielen Jahren geboren wurde. Unsere Reise hatte uns durch das Land geführt, dessen Wasser die mächtigen Gärbottiche speist. Während wir mit dem Wind und den Bergen gekämpft hatten, hatten wir jene Luft eingesogen, die auch beim Mälzen eingespeist wird. Wir hatten unsere Nasen in die Nosing-Gläser mit „Distiller’s Specials” gehalten, während der Duft und die Bilder des Landes noch frisch auf unseren Bike-Klamotten lagen. Nun waren wir auf der Isle of Skye angelangt, auf dem kurvenreichen Weg hinab zur Atlantikküste, zum Ziel unserer Reise. Ein einfacher Plan.

Einfach ist auch der Whisky – er besteht aus nur drei Zutaten, Malz, Hefe und Wasser, doch sein Geschmacksspektrum geht ins Unendliche. Der Herstellungsprozess ist so einfach wie genial – auf elegante Weise: Malz wird mit heißem Wasser vermischt und gemaischt, wodurch die „Würze” entsteht, eine Flüssigkeit, die sehr reich an Stärke und Malzzucker ist. Die Würze wird dann in riesige Gärbottiche gefüllt, in denen Hefe hinzugegeben wird. Die chemische Reaktion ist derart heftig, dass die 50.000-Liter-Gefäße in ihren Verankerungen zu wackeln beginnen. Die Gärbrühe, die daraus entsteht, wird dann durch Rohre in das Herz der Destillerie geleitet. Dabei handelt es sich um gewaltige kupferne Destillierblasen, deren Formgebung variiert und die so zum einzigartigen Geschmack jedes Whiskeys beiträgt. Die Hitze verdampft Aromen aus der Flüssigkeit, die anschließend durch das kühle Kupfer wieder flüssig werden. Ein erfahrener Brennmeister (sog. Stillman), entscheidet, wann der perfekte Punkt erreicht ist. Dann darf der Alkohol für mindestens drei Jahre in Eichenfässern ruhen, in denen er reift und seinen individuellen Charakter entwickelt.

Die Entdeckung des Whiskys war ein glücklicher Zufall: Frühe Bierbrauer stellten fest, dass die klare Flüssigkeit, die während des Brauprozesses an den kalten Fenstern kondensierte, extrem viel Alkohol enthielt. Und so lernte eine Nation, die bereits im Alkohol schwamm, wie man noch betrunkener werden konnte.

Die Spirituose, aus der später der Whisky wird, ist glasklar, wenn sie aus den Destillierapparaten kommt – die goldenen Schattierungen entwickeln sich erst mit der Zeit. Sie stammen aus den Harzen der Holzfässer oder sie sind warme Erinnerungen an den Rum, Sherry, Port oder Bourbon, der zuvor in den Fässern gelagert wurde. Diese Fässer sind es, die dem Whiskey seine Komplexität verleihen. Bevor sie mit dem kostbaren Destillat befüllt werden, werden sie zuerst ausgebrannt. Somit karamellisiert der Zucker und unerwünschte Aromen verschwinden. Damit aus dem Alkohol ein richtiger Whiskey wird, muss er mindestens drei Jahre lagern, doch viele reifen länger und werden dadurch komplexer und eleganter. Der Whiskey ist für Schottland ein großes Geschäft. Über 38 Flaschen werden pro Sekunde exportiert. Gerüchten zufolge befinden sich in den über das Land verteilten Lagerhäusern mehr als 20 Millionen Fässer Malt im Reifeprozess – vier für jeden Einwohner.

… wenn man mit dem Rad unterwegs ist, ist man nicht isoliert, sondern mittendrin…

Während wir unter der Steilkante der Throtternish Ridge hindurch und am „Sanctuary”, dem Ergebnis eines heftigen Erdrutsches und zahlreicher Lavaschichten, vorbei fuhren, ließen wir in Gedanken die Reise Revue passieren. Indem wir den Weg von einer Distillerie zur nächsten mit dem Bike zurückgelegt hatten, hatten wir nicht nur die Passion der Whiskyherstellung besser verstanden, sondern auch die Bedeutung, die diese für die Leute und Regionen hier hat. Die schottischen Highlands und Inseln haben ihr eigenes, gemächlicheres Tempo, und wenn man sich hier mit dem Bike fortbewegt, spürt man eine herzliche Verbindung zu den Einheimischen. Man ist nicht einer von diesen Touristen, die sich in Selfie ergießen und das Leben nur durch’s Handydisplay wahrnehmen. Wenn man mit dem Rad unterwegs ist, ist man nicht isoliert, sondern mittendrin und verfällt in den Rhythmus der Leute hier. Man wird anders behandelt in den Destillerien, bekommt die ganz besonderen Flaschen gezeigt, die vor den Touri-Bussen versteckt werden. Schließlich arbeiten wir Biker, um voranzukommen, und dafür wird man belohnt. Als wir schließlich in den Hof rollten, wo uns die weißen Wände der Talisker-Destillerie umfingen, fehlten uns nur noch wenige Schlücke zum Abschluss unserer Pilgerreise.

Im aufkommenden Wind meine ich, den Old Man of Storr anerkennend seufzen gehört zu haben, weil wir unser Ziel erreicht hatten. Und das Zeichen, das er uns gibt, ist unmissverständlich: Daumen hoch.

Dieser Artikel ist aus GRAN FONDO Ausgabe #009

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