Mit dem Romero Titanium CX der kalifornischen Bikeschmiede Stinner begaben wir uns in die deutsche Hauptstadt, um am King of Gravus teilzunehmen. So viel Kultur und Geschichte auf einem Fleck findet man nur selten auf der Welt – und das Schönste daran: Man kann es alles mit dem Rad erfahren. Vorausgesetzt man hat das richtige Bike!
Wer ist King of Gravus? Eine berechtigte Frage, aber viel wichtiger ist zu klären, was der King of Gravus ist.
Wie der Name bereits vermuten lässt, setzt sich das Event aus mehreren Komponenten zusammen. So hat Ken Bloomer, Europa Marketing Manager bei Enve, in Kooperation mit Paul Niemeyer von Strava dieses Halbtages-Event im Rahmen der Berlin Bicycle Week ins Leben gerufen, das als gemeinsame Ausfahrt in kleinen Vierer-Teams geplant war. Im Verlauf des 65 km langen Kurses gab es vier spezielle Strava-Segmente – von Kopfsteinpflaster-Sprint über Singletrail bis hin zum asphaltierten Time-Trial. Die abwechslungsreiche Strecke war dabei nicht nur mit unterschiedlichsten Herausforderungen und Untergründen gespickt, sondern vor allem eines: geschichtsträchtig!
So führte sie uns entlang einiger historischer Orte: Dort, wo Marlene Dietrich im vergangenen Jahrhundert gefeiert und gewohnt hat, wo Geschwindigkeitsrekorde im Motorsport aufgestellt und tödliche Grenz-Tragödien Teil des Wiedervereinigungsprozesses wurden.
Die knapp 70 km lange Runde begann mit asphaltiertem Stadtdschungel und ging dann in eine konstante Mischung aus sandigem Singletrail, Schotterstraßen, Kopfsteinpflaster-Sektionen und Waldwegen über. Mittendrin: die DM-Cyclocross-Strecke in Kleinmachnow. Dazwischen kurze wie knackige Anstiege.
Dass sich Großstadt und Biken nicht ausschließen, war an jenem kühlen Freitagmorgen schnell klar. Unsere Gruppe bestand aus vier Fahrern: ein Norweger, ein Wahlberliner, ein Spanier und ein Schwabe. Die Mission: eine gemeinsame Ausfahrt, vier Strava-Segmente und ein feines BBQ im Anschluss. Mit gleicher Mission waren weitere Vierer-Teams im 5-Minuten-Abstand gestartet, um flüssiges Fahren auf den Singletrails (der Name hat seinen Grund!) zu garantieren.
Von West nach Ost und wieder zurück
Erstes historisches Highlight war der Berliner Mauerweg, der uns den Teltowkanal entlang bis nach Potsdam führte. Wir kamen an Kanalbrücken vorbei, auf denen der frühere Grenzverlauf noch exakt zu erkennen war.
Auch wenn bereits ein Vierteljahrhundert seit dem Mauerfall vergangen ist, so spürt und fühlt man noch immer Unterschiede von Ost und West. Umso schöner war es zu sehen, dass das Zweirad das beste Mittel der Völkerverständigung ist. Ein Ride mit internationalen Fahrern aus Ost- wie Westberlin, aus dem Schwabenland, Kalifornien, Italien, Norwegen, Spanien, Dänemark, Australien … vereint durch ihre Leidenschaft und den Willen, gemeinsam Spaß zu haben. Auf dem Rad ist jeder gleich.
Stinner Romero Titanium CX
Apropos Rad: Das Stinner war mein treuer Begleiter. Die kleinstolligen Schwalbe One-Reifen boten guten Grip auf dem Waldboden und auf den rauen Straßen, nur auf den sandigen Böden konnten sie die eingeleitete Kraft dann leider nicht mehr in Vortrieb umsetzen. Zu kleinstollig für den feinen Sand! In der Abfahrt brillierte das Bike mit einem sehr sicheren und souveränen Handling und lud zu manch waghalsigem Manöver ein.Die SRAM Force Disc sorgten dabei für präzises Bremsen, der SRAM 1×11-Antrieb verhinderte nervtötendes Kettenschlagen. Lediglich die Züge klapperten im Gelände vor sich hin. Ansonsten herrschte absolute Ruhe. Interessant: die progressive Geräuschkulisse des Freilaufs der Chris King-Naben am Custom-Jones-Laufrad. Anfangs fast lautlos nahm das Surren der Sperrklinken mit jeder Sekunde deutlich zu. Auf dem Kopfsteinpflaster konnte der gutmütige wie komfortable Titan-Rahmen seine Qualitäten voll ausspielen. Die Dropouts harmonierten leider nicht perfekt mit der DT Swiss-Steckachse, hier finden sich nur zwei mögliche Positionen des frei einstellbaren Hebels.
Das letzte Strava-Segment bildete einen Time-Trial entlang der Avus-Rennstrecke, die übrigens das höchstfrequentierte Segment in ganz Deutschland darstellt und Mitnamensgeber des Events King of GrAVUS ist.
In summa gab es vier Segmente, wobei sich nur wenige Eventteilnehmer tatsächlich die Sporen gaben – der Fokus lag ganz klar auf dem gemeinsamen Ride und Genuss der Ausfahrt. Segment 1 war ein gnadenloser Kopfstein-Uphill. Dort habe ich alles gegeben. Und als ich zurück war, hat mein iPhone versagt. Man könnte sagen, dieser Ride hat nicht stattgefunden (ihr wisst ja, was nicht auf Strava ist …). Aber das war mir in diesem Falle vollkommen egal: In wenigen Stunden im Sattel hatte ich neue Freundschaften geschlossen und Berlin von einer vollkommen anderen Seite kennengelernt.
Bei diesem einzigartigen Event im Herzen der deutschen Hauptstadt fanden wir die perfekte Symbiose aus Competition, Spaß und Kultur – BBQ und Craft Beer inklusive. Denn den krönenden Abschluss bildete ein BBQ auf dem Gelände der Berliner Fahrradschau mit Pulled Pork, Chili con Carne und vegetarischer Kost (wir sind schließlich in Berlin, der Stadt, in der man fast überall vegan oder vegetarisch essen kann). Auf so viel Vielfalt und Völkerverständigung wäre auch John F. Kennedy stolz!
Wer die 65 km Gravel-Abenteuer selbst nachfahren möchte, kann sich hier die Route anschauen.
Vielen Dank an Enve (auch wenn ich dieses Mal keine Enves gefahren bin), Strava und Stone Brewing für das leckere Craft Beer!
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Text: Robin Schmitt Fotos: Jeff Curtes // Klaus Kneist