Ein exklusives Race-Bike aus Alu für 7.300 € im Jahr 2023? Why not, sagt sich Standert aus Berlin und präsentiert mit der Standert Kreissäge ein Alu-Rennrad, das schnell, schick und hochwertig sein möchte. Ist das nur was für Hipster oder auch für echte Racer? Unser Test zeigt, was die Standert Kreissäge RS kann und für wen sie ist.

Standert Kreissäge RS 2023 I 7.300 € I 8,2 kg in Größe 56 I Hersteller-Website

Es gab Zeiten, da wurden alle Rennräder aus Stahl gefertigt. Dann rollte eine nächste Epoche auf der Rad-Zeitskala auf: Aluminium führte die Verkaufszahlen an, bevor der große Carbon-Hype begann. Heute lassen sich alle möglichen Drop-Bar-Bikes aus Stahl, Aluminium, Carbon und sogar Titan finden. Wenn man das in Preisschubladen und Vorurteilskategorien stopfen muss, dann gehören Alu-Rennräder irgendwie ins Low-Budget-Einsteiger-Klischee. Alle, die ein günstiges Bike wollen und wenig Ambitionen haben, werden mit Alu bedient, so der Stereotyp. Außerdem hat Aluminium immer noch einen 90s-Touch, wie die Backstreet Boys, das Tamagotchi und Claudia Schiffer. Das Road-Bike Standert Kreissäge RS beweist, dass es sich lohnt, über den Tellerrand zu blicken. Ein exklusives Race-Bike aus Alu für 7.300 € im Jahr 2023? Why not?! Aber kann das auch wirklich was oder ist das nur was für Berliner Hipster auf dem Weg zur Afterhour?

Richtig schnell …
… und richtig schön. Auf den ersten Blick geht bei dem Standert Kreissäge RS beides.

Das Standert Kreissäge RS – Design, Details und Dekoration

Welche Kategorie das Standert Kreissäge RS bedient, sieht man ihm auf den ersten Blick an: Racing! Die Optik des hippen Bikes der Berliner schreit förmlich nach Geschwindigkeit, Tempo und Sprint. Die UCI Zulassung ist daher natürlich kein Zufall. Aus welchem Holz das Standert Kreissäge RS geschnitzt ist, fällt den meisten sicher erst auf den zweiten Blick auf. Das Aluminium lässt sich an den Schweißnähten erkennen, die zwar sehr fein, aber nicht abgeschliffen sind. Dafür fallen die cleanen Ausfallenden ins Auge. Die klassische Formsprache ist vor allem durch das gerade Oberrohr geprägt und wird durch moderne Komponenten sowie volle Integration ergänzt. Das Design ist auf der einen Seite durch die mattschwarze Lackierung in der Kombination mit schwarzglänzendem Branding elegant und schlicht. Auf der anderen Seite sind die vielen „Merkzettel“ in knalligem Orange too much. Weniger auffällige Sticker würden auch den Tanwalls noch besser stehen.

Einzeln noch ganz witzig und schick.
In der Masse aber deutlich zu viel.
Die unzähligen orangen Sticker überfrachten das Design.

Ausstattung und Geometrie des Standert Kreissäge RS

Aber nicht nur für die allgemeine Betrachtung, sondern auch für Technik-Nerds hat das Standert Kreissäge RS einiges zu bieten. Für 7.300 € gibt es in unserem Ausstattungspaket die Shimano ULTEGRA R8100 Di2-Schaltgruppe, die ohne weiteres als neuer Standard am Standert betrachtet werden kann. Sie bietet nach der Dura Ace High-End-Gruppe aktuell die beste Schalt-Performance am Markt. Die Gangsprünge sind geschmeidig, zackig und präzise und das auch unter Last. Neben OSPW(Oversized Pulley Wheel System)-Schaltröllchen, Tretlager sowie Steuersatz von CeramicSpeed wirkt die Umwerfer-Schelle nicht klassengemäß. Dazu kommt eine gewachste Kette mit CeramicSpeed UFO Drip Chain Treatment. Wer nicht genau weiß, wie ein Kreissäge genau klingt, der erfährt es durch den ARC 1400 DICUT-Laufradsatz von DT Swiss. Die 50 mm hohen Felgen passen optisch und funktionell hervorragend zum Race-Bike, noch besser passt nur der Freilauf-Sound, der tatsächlich an eine Kreissäge erinnert. Am Ende ergibt das ein Gesamtpaket von 8,2 kg.

Standert Kreissäge RS 2023

7.300 €

Ausstattung

Sattelstütze Zipp Service Course SL Carbon 27.2 mm 20 mm
Bremsen SHIMANO ULTEGRA R8100 160/140 mm
Schaltung Shimano Ultegra Di2 R8100 2x12
Vorbau Deda Vinci POB 120 mm
Lenker Deda Superzero Carbon 400 mm
Laufräder DT Swiss ARC 1400 12 x 100/12x148 mm Through Axle
Reifen Vittoria Corsa Graphene 2.0 700 x 28 28
Kurbeln Shimano Ultegra R8100 172,5 mm
Kassette Shimano Ultegra R8100 11-30T

Technische Daten

Größe 48 50 52 54 56 58 60

Besonderheiten

CeramicSpeed Parts
Alu Bike
volle Integration
Freilauf mit Kreissägen Sound

Shimano ULTEGRA Di2-Gruppe mit CeramicSpeed-Bauteilen ergänzen sich optisch wie technisch hervorragend.
Geht das nicht besser? Die Umwerfer-Schelle wirkt nicht klassengemäß.

Trotz des krass sportlichen Looks bringt die Geometrie keine großen Überraschungen mit sich. Die Stack to Reach Ratio ist mit 1,4 eindeutig auf der sportlichen Seite, was bei einem Race-Bike auch zu erwarten ist. Durch die Kombination aus 20 mm großem Setback, 17 Grad abfallendem Vorbau und der Vorbaulänge von 120 mm kommt allerdings am Ende eine steile und aggressive Sitzposition heraus. Diese Sitzposition muss man nicht nur wollen, sondern auch beherrschen.

Viel Setback und …
… steiler Vorbau machen das Standert Kreissäge RS ordentlich racy.

On the run – Das Standert Kreissäge RS im Test

Auf geht’s! Wenn man auf dem Standert Kreissäge RS sitzt beziehungsweise bei der Sitzposition eher liegt, weiß man, wo die Reise hingehen soll: nämlich mit vollem Karacho nach vorn. Durch die Streckung und das tiefe Cockpit gibt es ein derart raciges Gefühl, dass man von Minute eins an im Rennfieber ist. Das Bike macht diesen Ansatz auch gut mit, setzt die Bewegungen konsequent um und verleiht so einen konsequenten Vortrieb. Beim All-out-Sprint hat das 8,2 kg schwere Kreissäge allerdings nicht zwingend die Nase vorn. Zwar geht das Race-Bike auch hier gut nach vorn, ein Sprintwunder, das vor Spritzigkeit strotzt, ist es aber nicht. Die vielen Marginal-Gain-Features wie CeramicSpeed-Tretlager und oversized Schaltröllchen sind im Einzelnen nicht spürbar, haben aber mit großer Sicherheit einen Einfluss auf das schnelle Fahrgefühl: Auf jeden Fall machen sie optisch schneller – denn das Auge fährt bekanntlich mit.

Tuning-Tipp: Mehr Komfort durch kürzeren Vorbau und Sattelstütze ohne/mit weniger Setback.

Das Herantasten an schnelle Kurven ist bei dem Standert Kreissäge RS Pflicht. Der Lenkeinschlag wird zwar flink umgesetzt, insgesamt ist das Kurvenverhalten allerdings eher träge. Bei schnellen, wendigen Abfahrten ist viel Einsatz nötig, das Bike in die Kurve zu bekommen. Dafür gibt es bei langen Geraden einen sicheren und äußerst stabilen Geradeauslauf. Auf ebenen Strecken ohne Kurven fliegt man so durch die Prärie, muss aber vorausschauend in Kehren hineinfahren. In Sachen Compliance ist bei einem reinrassigen Race-Bike wie dem ​​Standert Kreissäge RS wenig zu erwarten. Dennoch fühlt es sich nicht ganz so bockhart an wie erwartet. Von einem Komfortwunder kann hier nicht die Rede sein, insgesamt ist der Komfort auf schlechten Straßen aber okay.

Für wen ist das Standert Kreissäge RS

Wer sich auf der Rennstrecke wohlfühlt und dort auch mit extremen Sitzpositionen umgehen kann, der findet mit dem Standert Kreissäge RS das richtige Bike. Ob es nun um ein Jedermann-Rennen geht oder ein Kriterium, spielt dabei keine Rolle. Alle, die den Fokus auf Speed legen und dafür ein kompromissloses Race-Bike wollen, matchen mit dem Standert Kreissäge. Aber auch alle hippen Großstädter wird es ansprechen, die für ihre wöchentliche Feierabendrunde im Grunewald ein exklusives und hochwertiges Rennrad mit Prestige suchen.

Jacke Rapha Pro Team lightweight Jersey | Shirt Rapha Pro Team Gravel Jersey | Schuhe Dromarti Sportivo Touring Terra


Dass Alu nicht zum alten Eisen gehört, zeigt das Standert Kreissäge RS eindrucksvoll. Das Konzept des Race-Bikes aus dynamischer Optik, sportlicher Sitzposition und exklusiven Parts geht auf. Allerdings braucht es bei so viel Speed, Streckung und Spurtreue auch jemanden, der damit umgehen kann. Am wohlsten fühlt sich das Standert Kreissäge RS auf flachen, geraden Strecken. Für die Fahrt zum nächsten Späti für eine neue Flasche Club-Mate reicht es aber so oder so.

Tops

  • heiße Optik
  • gelungene Integration
  • top Schaltperformance
  • exklusive Ausstattungsdetails

Flops

  • Sticker overload
  • Schweißnähte nicht abgeschliffen (außer man steht drauf)

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Text: Martin Staffa Fotos: Jan Richter