Eines für alles will das 2023er Ridley Grifn sein. Mit dem neuen Allroad-Bike proklamieren die Belgier, die n+1-Regel gebrochen zu haben. Wir haben es für euch getestet und sagen euch, ob das Konzept des Grifn aufgeht.

Ridley Grifn mit Shimano GRX Di2 | 8,58 kg in Größe M | 6.194 € | Hersteller

Das Ridley Grifn 2023 ist das neue Allroad-Bike der Belgier und will nicht nur eines sein – weder klassisches Rennrad, noch reines Gravel-Bike – sondern beides. Um das zu erreichen, will Ridley den Speed eines Rennrads mit dem Komfort eines Gravel-Bikes kombiniert haben. Der Name des Bikes ist dabei Programm. Vom englischen Griffin, dem deutschen Greif, abgeleitet, hat das Fabelwesen den Körper eines Löwen mit dem Kopf und den Flügeln eines Adlers. Damit vereint es die Eigenschaften des Königs der Tiere und des Herrschers der Lüfte. Ob das 2023er Grifn sowohl Asphalt als auch Schotter beherrscht, sagen wir euch in unserem Test. Die Zutatenliste liest sich ordentlich, der unlackierte Rahmen bleibt in Größe M unter 1 kg und schluckt bis zu 40 mm breite Reifen. Aufnahmen ermöglichen es, nicht nur Schutzbleche zu montieren, sondern machen das Grifn laut Ridley auch bikepacking-tauglich. Zur Vielseitigkeit des Bikes passen überdies die integrierte Kabelführung für einen Nabendynamo und die entsprechenden Lichter.

Das Grifn wurde von Ridley entwickelt, um mit der n+1-Regel zu brechen.

Aha: n+1 – wofür steht das eigentlich? n ist eine mathematische Variable, die für die Anzahl der Bikes in eurem Besitz steht, und mit der Formel n+1 lässt sich die ideale Anzahl an Rädern berechnen – nämlich immer eines mehr, als man gerade besitzt.

Ridley vertreibt das Grifn 2023 in 5 Größen, von XS bis XL, und in 5 vorkonfigurierten Ausführungen. Den Einstieg bildet dabei das Grifn 105 mit der mechanischen Shimano 105er-Gruppe für 3.199 €. Am oberen Ende der Vorkonfigurationen findet sich das Grifn GRX Di2 1x Classified für 7.783 €, ausgestattet mit der elektrischen GRX810-Gruppe in 1-fach-Ausführung, dafür aber mit Classified-Nabenschaltung.
Ridley bietet das Grifn auch frei konfigurierbar an. Im Konfigurator habt ihr alle Möglichkeiten, das Rad nach euren Vorstellungen zu gestalten. Neben verschiedenen Kurbellängen und Sätteln könnt ihr zwischen neun Lackdesigns wählen. Diese könnt ihr dann mit 39 (!) Farben nach eurem Geschmack gestalten. Dass Ridley es ernst meint mit den Einsatzbereichen Gravel und Road, zeigt sich auch im Konfigurator: Neben den Gravel-Gruppen von Shimano und SRAM finden sich auch deren Straßen-Pendants, allerdings „nur“ ULTEGRA Di2 und SRAM Rival AXS Road – für die höchste Road-Performance müsst ihr also auf andere Bikes der Belgier zurückgreifen.

Racing Green Metallic im Glossy Finish

Unser Testbike stammt natürlich aus dem Konfigurator. Lackiert ist es im Original-Design mit Hauptfarbe in Racing Green Metallic. Dazu haben wir die Shimano GRX Di2-Gruppe im 2×11-Setup und Forza Levanto Gravel Carbon-Laufräder ausgewählt. Der Rest des Bikes ist Standard oder zumindest nicht aufpreispflichtig, wie beispielsweise die Lenkerbreite. Unsere Konfiguration schlägt mit 6.194 € zu Buche. Angesichts der Ausstattung und freien Konfiguration ist der Preis angemessen.

Ridley Grifn

Größe XS S M L XL
Sitzrohr 470 mm 500 mm 520 mm 545 mm 570 mm
Oberrohr 525 mm 545 mm 565 mm 585 mm 605 mm
Steuerrohr 115 mm 140 mm 165 mm 195 mm 215 mm
Lenkwinkel 71.5° 72° 72° 72° 72°
Sitzwinkel 74.5° 74° 73.5° 73.5° 73°
Kettenstrebe 420 mm 420 mm 420 mm 420 mm 420 mm
BB Drop 75 mm 73 mm 73 mm 71 mm 71 mm
Reach 375 mm 383 mm 391 mm 403 mm 412 mm
Stack 540 mm 563 mm 587 mm 614 mm 633 mm

Vollintegriertes Cockpit und Vorbereitungen für internes Kabelrouting

Ridley hat das Grifn mit einigen cleveren Lösungen konstruiert. Das vollintegrierte Cockpit sieht sehr aufgeräumt aus und ist dank der zweiteiligen Spacer wartungsfreundlich. Der D-förmige Gabelschaft rundet die Wartungsfreundlichkeit der Bedieneinheit ab.
Der Umwerfer ist mit einer klassischen Klemme an das Sitzrohr geschraubt, das ist bei vielen anderen Carbon-Bikes schöner gelöst. Der Vorteil des Grifn ist natürlich, dass das Sitzrohr bei 1-fach-Setup absolut clean ist. Die Klemme der Sattelstütze ist etwas schwerfällig in der Bedienung, aber dank einer Gummiabdeckung schön aufgeräumt. Auf dem Oberrohr bereitet Ridley die Montage einer Top-Tube Bag vor. Unbenutzt werden diese Mounts von einer schlichten, schwarzen Abdeckung geschützt. Für die Montage einer Top-Tube Bag liefert Ridley einen passenden Spacer mit. Praktisch: Der Spacer erlaubt die gleichzeitige Montage von Oberrohrtasche und Rahmentasche. Damit ihr bei montierter Rahmentasche nicht verdurstet, können die Flaschenhalter in unterschiedlichen Positionen befestigt werden. So lässt sich der Platz im Rahmendreieck ideal nutzen. Für den ganz, ganz großen Durst befinden sich außen am Unterrohr nochmals 3 Gewindebuchsen. Leider fehlt eine Abdeckung des Unterrohrs, die das gefällige Grün unseres Testbikes vor Steinschlägen schützen könnte.

Der Umwerfer der GRX Di2 ist klassisch geklemmt.
Dank seitlicher Aussparungen am Spacer können eine Top-Tube Bag und eine Rahmentasche kollisionsfrei montiert werden.

Zur universellen Auslegung des Grifn passt auch die Tauglichkeit für Pendler. Neben Schutzblechen und Taschen lässt sich ein Nabendynamo montieren, der dank der internen Kabelführung unauffällig für Licht sorgt. Weitere Mounts an der Gabel oder die Möglichkeit, einen Gepäckträger zu installieren, würden der Vielseitigkeit des Bikes gut zu Gesicht stehen.

Sportliches Design mit kleinen Schwächen

Das Rahmendesign des Ridley Grifn ist spektakulär unauffällig: Der Diamant-Rahmen mit tief angesetzten Sitzstreben passt gut in den Zeitgeist und verleiht eine sportliche Attitüde. Der leichte 16°-Flare am Lenker macht deutlich: Das Grifn will mehr als perfekten Asphalt beherrschen. Was uns nicht so gut gefällt, sind der Tretlagerbereich und der Übergang zum Sitzrohr. Während das breite Unterrohr den Übergang vom Tretlager gut schluckt, wirkt der Übergang zum Sitzrohr einfach nur funktional. Mit den Möglichkeiten, die Carbon bietet, hätte man diesen formschöner gestalten können.

Tief angesetzte Sitzstreben …
… und der unbeholfen wirkende Übergang vom Sitzrohr zum Tretlagerbereich.

Geschwindigkeit gibt Sicherheit!

Das aufgeräumte Cockpit des Grifn liegt gut in den Händen, und die Geometrie ist angenehm sportlich. Die Drops passen mit dem leichten Flare gut zum Charakter des Bikes – es ist eben kein Road-Race-Bike und kein Adventure-Bike. Dank des Flares sind die Hoods leicht nach innen gekippt und runden damit den ergonomischen Ersteindruck des Cockpits ab. Die Front zeigt sich mit den 35ern Vittoria Terreno Dry-Reifen auf dem Forza-Laufradsatz etwas unruhig. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit ist das Grifn bei niedrigen Geschwindigkeiten gut beherrschbar und zeigt sich laufruhig und linientreu in schnelleren Passagen. Bei langsamen, engen Kurven oder beim Bremsen in der Kurve neigt das Grifn zum Wegknicken, hier ist Vorsicht geboten! Im Antritt wirkt das Grifn etwas behäbig und ist nicht so gierig nach Speed wie ein reines Race-Bike. Aber versteht uns nicht falsch, das Grifn ist alles andere als unsportlich, vor allem ist es ein Leichtes, mit ihm Geschwindigkeit zu halten.

Tuning-Tipp: je ein Laufradsatz mit Gravel- bzw. Straßenreifen für mehr Performance im Gelände und auf der Straße

Trotz der sportlichen Auslegung der Sitzposition und des Fahrgefühls bringt das Grifn eine ausreichende Portion Komfort mit. Auf Gravel arbeiten Front und Heck angenehm mit und kleine Erschütterungen werden spürbar abgedämpft. Trotzdem ist das Bike nicht zu weich und man bekommt sowohl auf Asphalt als auch auf Gravel einen guten Eindruck vom Untergrund. Damit fühlt sich das Grifn auf Hardpack, ordentlichen Schotterautobahnen und Asphalt heimisch. Mit einem zweiten Laufradsatz, jeweils einer mit Straßen- und einer mit Gravel-Bereifung, kann der Einsatzbereich des Grifn nochmals vergrößert werden. So könnt ihr mit wenig Aufwand die Eigenschaften des Bikes auf Asphalt oder Gelände anpassen.

Dank des Konfigurators hat man beinahe unbegrenzte Möglichkeiten, sein Traumbike zu gestalten, und das alles zu einem fairen Preis. Klar, das Ridley Grifn ist kein Schnäppchen, dennoch spielt unser Testbike in der preislichen Mittelklasse der Allroad-Bikes mit einer durchaus hochwertigen Ausstattung.

Die 35er Vittoria Terreno Dry TLR-Reifen haben uns auch bei nassen Bedingungen nicht im Stich gelassen.

Spezialisten definieren ihre Daseinsberechtigung darin, in einem speziellen Einsatzgebiet herauszuragen. Also: Kann ein Allroad-Bike wirklich ein Rennrad oder ein Gravel-Bike ersetzen? Die Antwort ist: ja. Aber es performt auf der Straße nicht wie ein echtes Race-Bike und im Gelände nicht wie ein reinrassiges Gravel(-Race)-Bike. Das Schöne ist aber, dass man weder das Eine, noch das Andere braucht, um Spaß auf einem Rad zu haben.

Fazit zum Ridley Grifn 2023


Ob das Ridley die n+1-Regel bricht, müsst ihr für euch entscheiden. Für uns steht fest: Das Grifn ist als Allroad-Bike ein 1+1-Bike. Es ist kein waschechter Racer und kein dickbereiftes Gravel-Bike. Aber es ist ein Allroad-Bike, mit dem ihr auf Asphalt, Hardpack und Schotter gleichermaßen Spaß haben könnt.

Tops

  • Konfigurator mit beinahe unendlichen Konfigurationen
  • clevere Vorbereitungen für Beleuchtung

Flops

  • keine Mounts an der Gabel
  • unschöner Übergang vom Sitzrohr zum Tretlager

Mehr Informationen unter ridley.de.


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Text: Christoph Staudinger Fotos: Peter Walker