Rapha Supercross München 2016: das beste Oktoberfest
48 Stunden, 9 Bars, 3 Rennen – wie viel kann man eigentlich an einem Wochenende erleben? Dass der Rapha Supercross in München mehr als ein Cyclocross-Rennen ist, war uns schon im Vorfeld klar, aber damit hätten selbst wir nicht gerechnet. Vergesst das Oktoberfest …
Vorurteile, Anfänger & Hausmänner
Die Augen eines Kindes entdecken und interpretieren vieles anders als die erwachsener Männer. Nun würde ich mich nicht als Kind bezeichnen, aber als Anfänger, zumindest wenn es ums Crossen geht. Ich hatte noch nie an einem Crossrennen teilgenommen, lediglich vor 10 Jahren in Magstadt und letztes Jahr beim UCI Worldcup in Las Vegas zugeschaut.
Vorurteile eines Mountainbikers
Ehrlich gesagt konnte ich mir damals nicht vorstellen, dass Crossen wirklich Spaß machen kann. Denn während meiner Zeit als Mountainbike-Racer (Enduro und Downhill), in der ich in den Genuss kam, minder erfolgreich einige Worldcups zu bestreiten, kam der richtige Spaß erst bei meterweiten Gaps und fiesen Steinfeldern auf. Aber schmalspurig über Wiesen pflügen? Mit dem Bike unterm Arm Hügel hinaufrennen? Durch Wind und Wetter schmerzverzerrte Gesichter – muss das sein?
#AllTheGearNoIdea
Fragen, die man nur beantworten kann, wenn man es selbst erfahren hat. Also: ab nach München ins Getümmel zur Cross-Entjungferung. Mit Cross-Legende Mike Kluge und Cyclocross-Underdog Daniel Häberle (Marketing-Manager bei Focus Bikes) an meiner Seite sowie feinstem Material aus dem Hause Focus und Rapha wusste ich, dass nicht allzuviel schiefgehen konnte. Auch das Team von SRAM war (unübersehbar) vor Ort und bot mir an, mein Bike vor dem Rennen noch mal zu checken. Damit war klar: Ich hatte keine Ausreden mehr. Verdammt!
Würde ich die Qualifikation für das Supercross-Finale (Top 30 aus jedem Qualifikationslauf) schaffen? Wo würde ich mich einreihen? Fragen über Fragen in meinem Kopf. Etwas Ruhe und Flow pendelten sich erst einige Kurbelumdrehungen nach dem Startschuss ein. Die feuchten Streckenbedingungen, gepaart mit den explosiven Antritten, fingen an mir zu gefallen. Ein immer größeres Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit und ich naschte an den Hinterrädern der anfangs noch Vorausfahrenden. Überholen statt überholt zu werden – ich ging in die Vollen und passierte nach und nach Mann um Mann. Als ich die Ziellinie überquerte, traute ich dem Stadionsprecher kaum. Platz 2? Das sollte das Resultat meines ersten Crossrennens sein? Ich war baff.
Hausmänner
„The right preparation is everything“ – um unser Gewissen für das Finale am nächsten Tag zu beruhigen, machten Daniel und ich einen kleinen Frühjahrsputz in unserem Hotel-Apartment, bevor wir uns in die Stadt auf „ein Bier mit Kumpels“ aufmachten.
Da das Finale erst am Sonntagnachmittag stattfand, hatten wir einen ausgiebigen Sonntags-Regenerationsbrunch einkalkuliert und taten, was wir nicht lassen konnten. Unzensierte Partybilder können aus Jugendschutzgründen leider nicht veröffentlicht werden.
Oktoberfest: Sonntäglicher Zeitvertreib
Wer die Nacht vor dem Rennen entspannt angehen ließ (oder knallhart war), konnte am Sonntagmorgen an einem organisierten Rapha Ride teilnehmen. So bekamen viele von München doch noch mehr zu sehen als die – übrigens sehr geile und flowige – Crossstrecke im Olympiapark. Für alle, die sich dem Ride nicht anschlossen, gab es weitere Alternativen:
Waffeln mit Nutella und Schlagsahne (Cannondale), Kaffee (Rapha, Enve), natürliche Riegel (Lucho Dillitos bocadillo, Chimpanzee), oder Panini, Ananas und Zitronen (Focus) – die Expo bot nicht nur schicke Bikes und Parts zum Testen, sondern auch feinste Schlemmereien für den sonntäglichen Zeitvertreib. Die Tatsache, dass Zeitumstellung war, sorgte für noch mehr Zeit am Sonntag. Wer die kulinarische und produkttechnische Vielfalt in der Expo bereits voll ausgekostet hatte, konnte den Lizenzfahrern bei der Sekundenjagd für den Deutschland Cup Cross zuschauen, welcher auf der Strecke des Rapha Supercross-Rennen stattfand.
Tagesfliege, Trainingsweltmeister oder echte Skills?
Das beste Outfit bringt nichts, wenn man nur eines hat. Das Rapha Cross Long Race Jersey ist unschlagbar, aber die Duftnote der euphorischen Bierdusche am Vortag vermochte es dann doch nicht wegzustecken. Deshalb nächstes Mal einfach zwei passende Outfits mitbringen, zumal die Startnummer ja extra auf das Trikot angepasst wurde 😉
Meine Notfalllösung: Das Partyhemd aus der Wäsche kramen und mit der lässigen Anmut einer Baggyshort kombinieren. In Anbetracht der Startposition in der ersten Startreihe lockerte das zumindest von außen mein doch wieder angespanntes Gemüt.
Das Finale fand dann bei strahlendem Sonnenschein und trockenen Bedingungen statt, Grund genug für einige Fahrer, ihre Sonntagsklamotten rauszuholen und maximale Stylepunkte zu sammeln.
Ein nochmal sportlicheres Tempo mit rund 90 Finalisten sorgte für maximale Spannung, einige Stürze und gewagte Überholmanöver. Die Tatsache, dass im Vergleich zum Vortag eine weitere Runde gefahren wurde, war eine harte Überraschung, die manchen Fahrer (wie auch mich), wie eine Faust ins Gesicht traf.
Und das Ranking? Für die meisten Teilnehmer (im Vergleich zum Deutschland-Cup) war das zweitrangig – im Anschluss an das Supercross-Finale wurde kurz über die Platzierung, dann aber über dieses grandiose Event selbst diskutiert, über fiese Stürze und erfolgreiche Überholmanöver bei Bier oder Kaffee gelacht. Manche mussten leider direkt abhauen, denn endlose Stunden Autofahrt am Sonntagabend sind dann auch kein Spaß mehr. Die Gewinner waren alle, die glückliche Momente mit neuen wie alten Freunden an einem sagenhaften Wochenende erlebt hatten.
Das Rennen war der Anlass, aber noch lange nicht der einzige Grund. In diesem Sinne: Locker bleiben und hoffentlich bis nächstes Jahr. Wen die Ergebnisse dennoch interessieren, der kann sie hier herunterladen.
Was macht den Rapha Supercross also aus?
Crossen verschiebt die Saison, bringt Fahrer unterschiedlichster Disziplinen mit vollkommen unterschiedlichen Stärken zusammen und bietet auch für die Industrie die Möglichkeit, die Saison zu verlängern. Der Supercross ist dabei nicht nur ein grandioser Saisonabschluss (und -start für die Crosser), sondern auch ein guter Anlass, ein feines Wochenende in der bayrischen Landeshauptstadt zu verbringen.
Obwohl das Oktoberfest bereits vorüber war, zählte das Rapha Supercross-Wochenende zu einem der feuchtfröhlichsten im ganzen Jahr. Auf der Wiese (nicht Wiesn!) im Olympiapark, auf dem Expogelände (SRAM-Party!) und natürlich in den angesagtesten Clubs der Stadt (wer jetzt an das P1 denkt, gehört gehauen!). Wer noch gute Bar- und Club-Tipps für München braucht, darf uns aber gerne schreiben: hello@granfondo-cycling.com.
Wem das nun zu viel Spaß und Party war, für den haben wir in Kürze einen Artikel mit den 9 wichtigsten Dingen, die jeder bei seinem ersten Crossrennen (und danach) kennen, wissen oder meiden sollte.
Und das dritte Rennen? Tat am meisten weh – auch wenn es dank unverhofft freier Autobahn am Sonntagabend recht flott ging. Mit Rennfahrer Biberle am Steuer ging es in 1 h 30 min von München nach Stuttgart ins Heimatländle: Tschüss, tschau, tschüssle und adele – wie der Stadionsprecher im Olympiapark so schön sagte!
Vielen Dank an Focus Bikes für die Bereitstellung des Rennhobels, an die RC “Die Schwalben” München 1894 und Ricky Buckenlei von Rapha für die exzellente Organisation!
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Text: Robin Schmitt Fotos: Christoph Bayer, Dirk Belling, Daniel Häberle, Sebastian Schels, Stefan Rachow