Nix bleibt, wie es ist: Das neue Orbea Orca 2024 macht so ziemlich alles anders! Der baskische Hersteller wählt den Weg von Allround-Aero-Bikes zurück zu einer klassischen Rollenverteilung. Doch kann sich das Orca 2024 als Climbing-Bike durchsetzen und die Ära der auf Leichtbau getrimmten Road-Bikes wiederauferstehen lassen?

Orbea Orca M10iLTD PWR | 10.999 € | 6,64 kg (Größe 53) | Hersteller-Website

Es ist noch nicht lange her, da wurden die klassischen Climbing-Bikes, wie das neue Orbea Orca 2024, totgesagt, vorbei war die Zeit von flinken und leichten Bikes. Die neue, vereinende Gattung der Allround-Race-Bikes sollte es richten. Maximale Aerodynamik bei minimalem Gewicht, so klingt die Devise. In der Theorie sind diese Bikes den absoluten Spezialisten zwar im Spezialgebiet unterlegen, sollen den Pokal aber mit durchweg guter Performance in jedem Gelände holen.
Doch gerade hier liegt die Krux begraben. Vor allem in steilem und langsamem Gelände entscheidet immer noch die Schwerkraft darüber, wer am schnellsten den Berg erklimmt.
Das hat sich auch Orbea gedacht und das neue Orca 2024 unter dem Motto „Praise the light“ neu erfunden. Doch wie kann sich das Bike im ersten Test behaupten, und was hat es mit OQUO, MYO und OMX auf sich?

Warum das Orbea Orca 2024 nicht aus der Zeit gefallen ist

Auch der Vorgänger des neuen Orbea Orca 2024 war ein Allrounder, vereinte Aero und Leichtbau und hing voll am Puls der Zeit. Doch die Zeiten haben sich geändert, leichte Bikes sind in bestimmten Situationen schneller. Gerade bei Geschwindigkeiten unter 15 km/h ist die Aerodynamik eines Bikes durch das zusätzliche Gewicht oft eher ein Klotz am Bein als ein Sprung nach vorn. Doch das soll sich mit dem neuen Orbea Orca 2024 ändern.
Dass der Gedankengang durchaus Sinn ergibt, lässt sich immer mehr im Profisport beobachten. Jumbo-Visma ist hier wohl eines der bekanntesten Beispiele, sind die Sportler in Gelb doch für Radwechsel sogar innerhalb eines Rennens bekannt. Auch im Zeitfahren ist der Sprung auf das Climbing-Bike keine Seltenheit. Und was bei den Profis funktioniert, muss doch erst recht bei uns Normalos gelten, oder?
Nicht zu vergessen, wir sind keine Profis, wir fahren die Räder, die Spaß machen und uns auf dem Rad antreiben. Wir können nicht immer einfach Räder wechseln dafür aber das richtige Bike für unser Gelände wählen. Außerdem stören uns ein paar Sekunden, die wir im Flachen lassen, nicht, wenn uns das Bike verzaubert.

Orbea Orca 2024 – Was macht ein Kletter-Bike im Jahr 2024 aus?

Klar Leichtbau, das ist es, was Climbing-Bikes ausmacht, und das ist auch beim Orbea Orca 2024 nicht anders. Für einen möglichst leichten Rahmen setzt Orbea auf runde Formen und Rohrprofile. Dies bietet nicht nur eine hohe Steifigkeit bei geringem Gewicht, sondern vermeidet auch scharfe Kanten am Bike. Dadurch sammelt sich weniger Harz, das Füllmaterial der Carbonstruktur, und ist gleichzeitig einfacher und qualitätssicherer in der Herstellung.
Das sieht man auch ganz klar am Bike: Sattelstütze, Sitzrohr, Sitzstreben und Unterrohr sind rund. Auch die Front ist rund gestaltet, aber vor allem am Orbea-typischen Übergang zwischen Steuerrohr, Unterrohr und Oberrohr zu erkennen. Ganz im Leichtbau-Sinn steht auch die Gabel, äußerst schmal und filigran passt sie perfekt ans Bike.
Kein Wunder also, dass ein mit Shimano DURA-ACE Di2 aufgebautes Bike in Größe 53 nur 6,64 kg auf die Waage bringt.

Runde Rohre und ein minimalistischer Flaschenhalter am neuen Orbea Orca 2023 steht alles im Sinne Leichtbau.
Das dezente Orca-Branding auf dem dünnen Oberrohr stellt klar um was es geht.

Stiffness to Weight ist die nächste Einheit, mit der Orbea wirbt. Die Einheit gilt dabei als Maß für Agilität sowie Fahrgefühl, und letztlich eben Fahrspaß, und wird beim neuen Orbea auf jede Rahmengröße individuell angepasst. Und das ist nicht alles, das neue Bike gibt es in zwei Rahmenvarianten. OMX steht dabei für den teureren und leichteren Rahmen, bringt bei gleicher Steifigkeit weniger Gewicht mit sich und hat ein höheres Stiffness-to-Weight-Verhältnis. OMR bezeichnet die preiswerteren Rahmen mit etwas mehr Gewicht und einem geringeren Stiffness-to-Weight-Verhältnis. Dieser Unterschied ist es auch, der dem Bike einen anderen Charakter und ein anderes Fahrgefühl verleihen soll. Und so viel kann man dem Fahreindruck schon vorwegnehmen: Orbea hat ganze Arbeit geleistet!

Doch trotz Leichtbau kommt Orbea nicht an Aero-Merkmalen vorbei: Integrierte Zugführung, ein schmales Oberrohr und leicht aero-optimierte Rohrprofile sollen das Bike zumindest für das Auge schnell machen. Im Windtunnel war das Bike übrigens nicht, und das laut Orbea auch ganz bewusst.

An einer integrierten Zugverlegung kommt heutzutage selbst ein federleichtes Climbing-Bike nicht vorbei.
Leichtbau und Aero-Optimierung in einem, die Sattelstützklemme ist nicht nur super-leicht, sondern soll auch ein paar Watt im Wind sparen.
Auch die Gabel soll das Bike effizienter machen, basiert aber ausschließlich auf Computer-Simulationen.

OQUO – Orbeas hochmoderne Laufräder am neuen Orbea Orca 2024

Passend zum neuen Bike hat OQUO, die etwas schwer auszusprechende Komponenten-Marke von Orbea, die ersten Road- und Gravel-Laufräder im Programm. Ende 2022 wurde die Marke mit MTB-Laufrädern ins Leben gerufen und geht nun den Schritt zu Dropbar-Bikes. Dabei gibt es eine große Bandbreite an neuen Laufrädern: Performance Road bezeichnet die schnelle und straßenlastige Sparte, Road Control nennt OQUO die Gravel/Allroad-Laufräder mit 25 mm Innenbreite. Besonders stolz ist der Hersteller aus dem Baskenland dabei auf den „Mini Hook“: Ein Zwischending aus Hookless- und Hooked-Felgen soll das Beste aus beiden Welten vereinen. Die eingeschränkte Reifenwahl und geringe Drücke bei Hookless sowie schmale Felgen bei Hooked entfallen – in der Theorie ein cooles Konzept, es wird sich zeigen, ob sich der Mini Hook durchsetzt.
Die ganze Bandbreite der OQUO-Laufräder geht von 35 bis 57 mm tiefen Carbon- und Alu-Felgen und steht in jeder Variante auf Zipp-Naben.
Die Fertigung mit „human touch“ erfolgt nicht weit vom Orbea-Firmensitz und kombiniert automatisierte Fertigungstechnik mit dem menschlichen Touch. Wir durften einen ersten Blick in OQUOs heilige Hallen werfen und sind gespannt, was noch alles kommt.

Die High-End Leichtbau OQUO Räder passen perfekt ans leichte Orbea Orca mit OMX Rahmen.

High-End und Preis-Leistungs-Kracher – Alles im neuen Orbea Orca 2024

Wir hatten die Möglichkeit, das neue Orbea Orca 2024 ausgiebig in den Pyrenäen zu testen. Dabei standen uns die beiden Rahmen-Varianten OMX und OMR zur Verfügung, beide natürlich auf OQUO-Laufrädern und vollständig mit OC-Komponenten ausgestattet. OC ist übrigens eine weitere Orbea-Eigenmarke und stellt alles von Sattelstütze bis Lenker her.

Unser High-End und leichtgewichtiges OMX-Testbike Orca M10i LTD PWR für 10.999 € kommt mit Shimanos neuester DURA-ACE Di2-Gruppe, inklusive Leistungsmesser, der an unserem Bike leider gefehlt hat. OC-Vorbau mit OC-Carbon-Lenker, beides natürlich vollständig integriert. Die OQUO-Wahl fällt auf die High-End-Laufräder RP35 LTD Carbon mit 35 mm Felgenhöhe und, ganz dem Racing-Gedanken entsprechend, auf Vittoria Corsa Speed in 25c. Insgesamt eine Ausstattung, die kaum Luft nach oben lässt, einzig ein One-Piece-Cockpit würde noch gut ans Bike passen

Orbea Orca M10iLTD PWR 2024

10.999 €

Ausstattung

Sattelstütze OC Performance XP10-S Carbon 27.2 mm
Bremsen Shimano DURA-ACE Di2 R9200 160/140 mm
Schaltung Shimano DURA-ACE Di2 R9200 2x12
Vorbau OC Road Performance RP10 100 mm
Lenker OC Road Performance Carbon RP11 420 mm
Laufräder OQUO Road Performance RP35 LTD 12 x 100/12 x 148 mm Through Axle
Reifen Vittoria Corsa Speed G2.0 TLR 700 x 25c
Kurbeln Shimano DURA-ACE R9200 172,5 mm
Kassette Shimano DURA-ACE R9200 11-30T

Technische Daten

Größe 47 49 51 53 55 57 60

Das OMR Einsteiger-Orca M35i für 4.399 € schaltet zuverlässig mit Shimano 105 Di2, entschleunigter 50/34- und 11–34-Übersetzung und setzt ebenfalls auf ein OC-Cockpit, allerdings vollständig aus Aluminium. Natürlich kommen auch hier OQUO-Räder zum Einsatz. Die RP35 Team Carbon-Laufräder sind schwerer und mit einem anderen Felgenprofil versehen als die Version des OMX-Bikes. Die für den Einsatzzweck angemessene Bereifung mit Vittoria N.EXT-Reifen in 28 c passt super zum Bike und bietet viel Sicherheit auch auf schlechten Straßen.

Orbea Orca M35i 2024

4.399 €

Ausstattung

Sattelstütze OC Carbon 27.2 mm
Bremsen Shimano 105 Di2 R7100 160/140 mm
Schaltung Shimano 105 Di2 R7100 2x12
Vorbau OC Road Performance RP21 100 mm
Lenker Orbea Eva 420 mm
Laufräder OQUO Road Performance RP35 Team 12 x 100/12 x 148 mm Through Axle
Reifen Vittoria Corsa N.Ext G2.0 700 x 28c
Kurbeln Shimano 105 Di2 R7100 172,5 mm
Kassette Shimano 105 Di2 R7100 11-34T

Technische Daten

Größe 48 49 51 53 55 57 60

Generell hat Orbea an alle gedacht und bietet einsteigerfreundliche Bikes ab 3.399 € bis zu High-End-Boliden für 10.999 €. Doch gerade im mittleren Preissegment verstecken sich ein paar echte Highlights, hier lohnt sich auf jeden Fall ein Blick ins Portfolio.

Was MYO mit deinem individuellen Orbea Orca 2024 zu tun hat

MYO – weil Orbea noch nicht ausreichend Abkürzungen und ausgefallene PR-Wörter hat, setzen wir jetzt noch einen oben drauf. Doch MYO ist eigentlich ganz einfach und steht für My Orbea, also den Konfigurator zum Individualisieren der Bikes. Auf der Website lassen sich die Bikes individuell mit Orbea-eigenen Farben und Designs konfigurieren und sogar mit Wunsch-Komponenten bestücken. Die Lackierung erfolgt dann ganz klassisch von Hand im Orbea-Werk im Baskenland, gleich nebenan in der gleichen Halle erfolgen im Anschluss auch Endmontage und Versand zum Kunden.
Was erstmal nach viel Arbeit und vor allem Aufpreis klingt, ist bei den meisten Orbea-Bikes kostenfrei zu haben. Beim neuen Orbea Orca lassen sich alle Bikes vom M35i-Modell für 4.999 € aufwärts individualisieren.

Die Lackierung am OMX Rahmen ist besonders leicht und kann ebenfalls im Konfigurator individualisiert werden.

Die bewährte Geometrie des Orbea Orca 2024

Im Vergleich zum Vorgänger hat sich in der Geometrie nicht viel getan, und das ist auch nicht schlimm. Im Gegenteil, die Geometrie am Orbea Orca ist bewährt und bewiesen gut, daher wäre es schade, viel zu ändern. Orbea bleibt dem Orca-Konzept mit kürzeren Kettenstreben für einen besseren Antritt und Beschleunigung sowie einem kürzeren Radstand für ein agileres und aktiveres Bike treu. Absolut passend für ein Bike zum Klettern, wie es das Orbea Orca ist.

Orbea Orca 2024

Größe 47 49 51 53 55 57 60
Sitzrohre 440 mm 460 mm 480 mm 500 mm 520 mm 540 mm 570 mm
Oberrohr 510,3 mm 522,7 mm 535,9 mm 548,5 mm 560,4 mm 576,1 mm 590 mm
Steuerrohr 110,5 mm 118,2 mm 134,6 mm 152,9 mm 173,1 mm 191,2 mm 218,3 mm
Lenkwinkel 71° 71,5° 72,2° 72,8° 73° 73,2° 73,2°
Sitzwinkel 74,5° 74° 73,7° 73,5° 73,5° 73,2° 73,2°
Kettenstrebe 408 mm 408 mm 408 mm 408 mm 408 mm 408 mm 408 mm
BB Drop 72 mm 72 mm 72 mm 70 mm 70 mm 70 mm 70 mm
Reach 370 mm 375 mm 380 mm 385 mm 391 mm 398 mm 404 mm
Stack 506 mm 515 mm 533 mm 552 mm 572 mm 590 mm 616 mm

Das Orbea Orca 2024 im ersten Test

Obwohl wir nur das Orbea Orca gefahren sind, lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden OMX- und OMR-Modellen spüren.
Das leichtere und teurere OMX Orca ist deutlich schärfer und agiler, lässt sich flink steuern und benötigt nur minimalen Input des Fahrers. Es klettert willig und überzeugt auch bergab. Besonders schnelle aufeinanderfolgende Kurven und schnelles Beschleunigen aus diesen heraus haben es dem Bike angetan. Dadurch ist es vor allem für aktive, geübte und vor allem trainierte Roadies die bessere Option. Das zeigt auch die Übersetzung und Reifenwahl, die Vittoria Corsa Speed mit minimalem Pannenschutz rollen unglaublich schnell, sind aber leider nicht die langlebigste und pannensicherste Option.

Das günstigere OMR ist dank gleicher Geometrie immer noch ein waschechtes Bike zum Klettern, durch das andere Steifigkeits-Gewichts-Verhältnis aber deutlich verzeihender und zurückhaltender. Es vermittelt viel Sicherheit und ist nicht ganz so scharf wie der Zwilling OMX, eignet sich daher auch für Anfänger ohne viel Erfahrung. Und darauf ist es auch ausgelegt, das zeigt nicht zuletzt die Reifenwahl und das entschleunigte Übersetzungsverhältnis. In Sachen Compliance macht ist das Bike ebenfalls gut aufgestellt, hier gibt es gefühlt keine Unterschiede zwischen den beiden Bikes.

Am Ende ist aber auch klar, beide Bikes sind keine Aero-Bikes, und auch weit davon entfernt. Beide Bikes rollen richtig gut, werden aber zumindest im flachen bis welligen Terrain nicht mit Aero-Bikes mithalten können. Dafür spielen beide Bikes in Sachen Fahrspaß ganz vorne mit. Welches Bike das Richtige ist, ist ganz individuell zu entscheiden, der deutliche Aufpreis zum OMX kann sich lohnen, muss er aber nicht. Wir empfehlen den Top-Rahmen für aktive und erfahrene Fahrertypen. Mit dem preiswerteren OMR-Rahmen kommen zurückhaltende und entschleunigte Fahrer ganz auf ihre Kosten.

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Fazit zum Orbea Orca 2024


Orbea bringt mit dem neuen Orca 2024 ein echtes Climbing-Bike und bricht mit den Allround-Race-Bikes der letzten Jahre. Was auf den ersten Blick wie ein Schritt zurück wirkt, entpuppt sich schnell als Sprung in die Zukunft und füllt das Bike-Segment mit neuen Emotionen. Das Orca bricht dabei aus der einheitlich gewordenen Welt der Road-Bikes aus und sorgt für Fahrspaß pur. Gepaart mit der einzigartigen Individualisierbarkeit und den OMX- und OMR-Modellen ist das Orbea Orca 2024 ein Gedanke wert.

Tops

  • durchdachtes Climbing-Konzept
  • spielerische Fahreigenschaften, die besonders auf schnellen Abfahrten Spaß machen
  • mit OMX- und OMR-Varianten zwei Bikes in einem
  • Bikes mit super Preis-Leistungsverhältnis

Flops

  • Aero-Optimierungen wirken leider mehr fürs Auge als tatsächlich funktional

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Text: Calvin Zajac Fotos: Orbea