Je kürzer die Tage und je länger die Bibs, desto größer wird der Wunsch nach Süden. Auf Winterrädern und Rollentrainern jagen wir dem Sommer hinterher. Wir suchen Leichtigkeit und Freude und finden doch oft nur Frost und Frust. Aber keine Sorge. Wir nehmen euch mit nach Südfrankreich. Mit Worten im Ohr, Bildern im Kopf und einem Pastis im Herzen.

Wenn Streusalz das Carbon massiert
und Rollentrainer glühen,
schweift manche Roadie-Phantasie
recht ungeniert gen Süden.

Schwarze Bib auf weißem Bein,
Schönheit ohne Gnade,
hier bin ich MAMIL, dort darf ich sein,
mit Haaren auf der Wade.

Merci beaucoup, ach, da nich für.
Salut et au revoir,
Bienvenue à la Côte d’Azur,
sogar das Meer ist da.

Das tiefe Blau ins Herz mich trifft,
die Sonne, sie brennt heiß.
Ich schrecke hoch, verdammtes Zwift,
mein Meer, ein See aus Schweiß.

Halbnackt vor einem Bildschirm strampelnd,
trainiere ich gekonnt,
und seh doch dunkle Wolken
am Pixel-Horizont.

Gewichtskontrolle, Disziplin,
Intervalle, Kreatin,
und jetzt? Genau!
Quäl dich, du Sau!
Ich will dich auf den Knien.

Ich spreng die Norm, ich suche Watt,
ich fahr mich platt, ich will nach vorn,
bin niemals satt und brenn vor Zorn,
wenn meine Form ne Delle hat.

Ich erkenn mich selbst nicht wieder,
schlag beschämt die Augen nieder,
und kann sie doch nicht mehr verschließen:
Ich hab verlernt zu genießen.

Ich will zurück in meinen Traum,
ich will, dass ich es wieder spür:
Blaue Wellen, weißer Schaum –
ich will zurück zur Côte d’Azur.

Wo Straßen in den Himmel führen
und rau die Felsen küssen,
ein Bild, das mich zu Tränen rührt,
man kann, ohne zu müssen.

Wer nur aus Freude pedaliert,
der kann die Freiheit schmecken
und darf von Qualen unberührt,
mit Lust die Welt entdecken.

Wer ohne Angst vor Körperfett
denkt, das Croissant wär auch noch nett,
wiegt den Moment nicht mehr in Gramm,
der so viel mehr dann seien kann:

Wer anhält, hinschaut, eintaucht, fühlt,
wird manchmal weit hinaus gespült
und landet stets wieder am Strand –
mit einem Gläschen in der Hand.

Bevor ich das, was Freude ist,
nur zwanghaft karikiere,
sag ich dem FTP-Wert Tschüss,
Merci et savoir-vivre.


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Text: Nils Hofmeister Fotos: Jan Richter, Antonia Feder