Es gibt Rennrad-Kits und es gibt Pas Normal Studios. Kaum eine andere Marke hat in den letzten Jahren den Style der modernen Rennradgemeinde so geprägt wie die Designer aus Kopenhagen. Wir haben die Personen hinter der Brand getroffen – und gelernt, was sie für Nachhaltigkeit tun wollen und was die Marke so skandinavisch und zugleich so international macht.

Es ist Mittwochmorgen und wir stehen an einer Kreuzung im Nordosten Kopenhagens. Die Sonne scheint und die Stadt rüstet sich für den anstehenden Grand Départ der Tour de France. Wir stehen im Pendler-Peloton mit gut 50 anderen Commutern und warten auf die grüne Welle – gerade scheint hier nichts normaler zu sein, als auf dem Rad zu sitzen. Zu sagen, dass die dänische Hauptstadt eine Affinität für Fahrräder hat, ist bestenfalls eine Untertreibung. Handzeichen rechts, Stopp: Wir treffen Peter Lange, den CEO von Pas Normal Studios, vor dem brandneuen Flagship-Store des Labels.

Pas Normal. Für alle Anglophilen unter euch: Der Name ist französisch und heißt so viel wie „nicht normal“. Ursprünglich war das eine Anspielung darauf, wie Lance Armstrong seine Doping-Kollegen in Tyler Hamiltons Buch „The Secret Race“ beschrieben hat. Doch schon bald entwickelte sich der Begriff zum Mantra einer der prägendsten zeitgenössischen Radsportmarken. Aus den Pas Normal Studios in Kopenhagen in die ganze Welt: erlebbares Design für alle Laktat-Jünger – und für alle anderen auch.

Von der Passion zur Produktion

Peter führt uns durch den Store, der gerade noch pünktlich zum Tourstart fertiggestellt wird, und muss bei dem Gedanken an die ersten Schritte der Marke schmunzeln. 2014 war das Ziel der beiden Mitgründer Peter Lange und Karl-Oskar Olsen klar: Sie wollten bei der anstehenden Austragung des berühmten La Marmotte Granfondos möglichst flott – und typisch dänisch entsprechend stilsicher – dabei sein. Wer das Rennen nicht kennt, dem sei gesagt, dass die 177 km lange und mit 5.000 hm gespickte Strecke ein echtes Brett ist. Umso mehr, wenn man in unter 7 h über die Ziellinie rollt. Karl-Oskar Olsen, seines Zeichnes dänischer Modedesigner, steckt übrigens auch hinter der international anerkannten Marke Wood Wood, und Mitgründer Peter Lange arbeitete zu dem Zeitpunkt noch für den beim Getränkehersteller Vitamin Well. Beide waren absolut überzeugt: Mit ihrem Designkonzept würden sie den Markt für Radsportbekleidung aufmischen. Deshalb steckten beide 15.000 € in die Produktion der ersten Kollektion. Skandinavisch-minimalistisch, hoch sportliche Maße, nur für Männer. Der Testballon war bewusst klein gehalten, die Auswahl gering und der Abverkauf reißend.

Heute stehen wir in einem Flagship-Store, den die Brand in Kooperation mit den ebenfalls in Kopenhagen ansässigen Design-Spezialisten von OEO Studio umgesetzt hat. Es ist ebenso überzeugend wie durchdacht. Peter erklärt: „Uns war es wichtig, ein Designkonzept zu erstellen, das wir global nutzen können. Wir haben zwar keine dringliche Deadline, bis wann wir unsere 15 Stores fertiggestellt haben wollen, aber da alle Möbel vor Ort und mit lokalen Bezugsquellen gebaut werden können, fällt es uns deutlich leichter, schnell zu agieren.“ Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs ist der Store in München in der finalen Planung, während in San Francisco schon fleißig gebaut wird.

Nach seiner Fertigstellung soll der Flagship-Store im Nordosten der dänischen Hauptstadt Anlaufstelle für alle Fans der Marke sein. Der Standort direkt an einem der Haupt-Bike-Wege ist denkbar clever gewählt. Folgt man ihm in Richtung Norden, kann man direkt entlang des Meers um die hart umkämpften Strava-Segmente wetteifern. Apropos Anlaufstelle: Pas Normal bietet zukünftig nicht nur mit den Stores physische Kontaktpunkte, sondern ist bereits seit mehreren Jahren immer im Sommer mit dem eigenen Van in ganz Europa auf „Destination-Everywhere“-Tour unterwegs und somit für die internationale Community mit Events und Rides in Aktion.

Doch wieder zurück nach Kopenhagen: Das HQ beinhaltet ein voll ausgestattetes Fitnessstudio für die Mitarbeiter, die – so berichtet Peter stolz – selbst zum überwiegenden Teil passionierte Radfahrer und Athleten sind. Es ist also definitiv kein Zufall, dass man gut 80 % der Belegschaft beim 200 km langen Firmen-Ride anlässlich der Sommersonnenwende trifft. Unser Redakteur Tobi war selbst dabei und hat die bunt gemischte Gruppe im 35er-Schnitt begleitet. Ausscheidungsfahren und Schlusssprint auf den Segmenten nördlich der Stadt inklusive – Ehrensache!

Das komplett umgebaute Hauptquartier beheimatet jedoch noch weitaus mehr als den Store. Auch das Pas Normal-HQ wird hier zeitnah in ein halboffenes Office-Konzept einziehen und verdient sich den Namen Studio zu Recht. Die lichtdurchfluteten Büros sind dabei alles andere als Zufall, da die Partnerschaft mit dem deutsch-dänischen Traditionsunternehmen VELUX für entsprechende Verglasung am innovativen Firmensitz sorgt. Chefdesigner und Mitgründer Karl-Oskar beschreibt die Design-Einflüsse der Brand selbst so: „Ich denke, wir haben eine sehr klassisch skandinavische Denkweise in Bezug auf Design. Es ist sehr subtil und einfach, aber mit klaren Details oder einem klaren Konzept. Meine persönliche Inspiration stammt aus dem Bauhaus, insbesondere von Le Corbusier und Mies van der Rohe. Der Stil darf nicht zu steif oder konzeptionell sein, er braucht ein gewisses Gleichgewicht. Ich sehe meinen Ansatz eher als eine Mischung aus dem klassischen ‚Weniger ist mehr‘ und einem zeitgenössischen und innovativen Stil. Vor allem versuche ich, unsere Zeit und die Gesellschaft, in der wir leben, widerzuspiegeln und Dinge zu entwerfen, die ich selbst tragen würde.“

Die Ästhetik des Radfahrens wird massenkompatibel

Heute zählt Pas Normal Studios gut 40 Angestellte, die über den gesamten Globus verteilt sind. Zwischen Jakarta, Taipeh, San Francisco und Kopenhagen ist das internationale Team längst aus den Schuhen der Start-up-Phase herausgewachsen und sprintet in großen Schritten nach vorn, oder wie es CEO Peter selbst schmunzelnd sagt: „Wir sind jetzt so ein richtiges Unternehmen. Gerade habe ich mit meinen Kollegen aus den USA telefoniert. Es fühlt sich unglaublich gut an, dass wir uns so entwickeln.“ Obwohl sie selbst natürlich an ihre Marke geglaubt hätten, wären sie dennoch überrascht gewesen von der Geschwindigkeit des Erfolgs und des Wachstums. Peter führt beides auf einen Pull-Effect der Szene zurück. Trotz allem Hype ist es den CEOs von Pas Normal wichtig, nicht einfach stumpf die nächste Reihe von Produkten auf den Markt zu pushen. „Wir haben eine super engagierte Community überall auf dem Globus“, sagt Peter. „Jedes Mal, wenn sie sich treffen und zusammen fahren, wird Pas Normal lebendig – genau dann finden wir statt. In der heutigen Experience Economy reicht es nicht, eine hohle Message herauszuposaunen. Die Menschen suchen nach mehr, nach einem echten Markenerlebnis und mit all unseren Rides möchten wir genau das bieten und leben.“

Real added Value. Das ist für Pas Normal nicht nur wichtig, wenn es darum geht, wie man die Marke selbst als Radfahrer erleben kann, sondern auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Aus diesem Grund sind die Dänen gerade dabei, den sogenannten Higg-Index für die eigenen Produkte einzuführen. Das ist ein Selbstbewertungsstandard der Bekleidungs- und Schuhindustrie, der die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette einstufen soll. Ein umfassender Report wird ab sofort Auskunft darüber geben, wie das Unternehmen aufgestellt ist und was die Maßnahmen sein werden, um den Status quo weiter zu verbessern.

„Es ist ein unabhängiges Tool, mit dem wir viel Klarheit gewonnen haben. Wir legen viel Wert auf Authentizität und wollen nichts greenwashen. Dank der Zertifizierung wissen wir genau, wo wir stehen, und das ist im Vergleich zu vielen Mitbewerbern bereits jetzt schon sehr gut. Wir wollen und können beweisen, wie gut nachhaltige Sportartikel aussehen können“, so Peter. Für Pas Normal geht es zukünftig nicht nur darum, mehr recycelte Stoffe zu nutzen, sondern auch die Lebenszyklen der eigenen Produkte maximal zu verlängern. Hochwertige Reißverschlüsse kommen entsprechend genauso zum Einsatz wie komplett durchgefärbte Stoffe, die nicht bzw. nur sehr, sehr langsam ausbleichen.

Peter führt eine weitere spannende Nachhaltigkeitsdimension an: „Indem wir unsere Marke immer weiter stärken, sind unsere Produkte auch im Second-Hand-Markt wertstabil, werden geschätzt und haben so ein längeres Leben. Wir wollen, dass sich die Menschen für Qualität entscheiden – im Design, in der Konstruktion und in der Gesinnung. Um es noch einfacher zu machen, die eigenen PNS-Kits online zu verkaufen, wird es in Kürze eine eigens dafür angelegte Online-Plattform geben, die zunächst vorerst in Dänemark getestet wird. Hier können Besitzer und Käufer ihre Pas Normal Studios-Kits inserieren und eine bessere Marktplatz-Erfahrung mit der Sicherheit und dem Vertrauen einer eigenen Online-Plattform genießen. Eine super clevere und praktikable Idee, wie wir finden! Bereits heute findet ihr hier detaillierte Informationen zu Produzenten und den entsprechenden Zertifizierungen.

Nur wenige Brands schaffen es, sich bei einem derart schnellen Wachstum treu zu bleiben. Pas Normal gehört unserer Meinung nach dazu – und schließlich beobachten wir die Marke schon seit ein paar Jahren und haben nun vor Ort Einblicke in die jüngsten Entwicklungen bekommen. Egal ob auf dem nächsten organisierten Ride, in einem der Flagships-Stores oder vielleicht doch irgendwann im Peloton der ProTour (?) – wir freuen uns darauf zu sehen, was der dänische Exportschlager als Nächstes tut.


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Text: Benjamin Topf Fotos: Adam Katz Sinding