Bikepacking und Rad-Abenteuer erfreuen sich seit geraumer Zeit immenser Beliebtheit. Ein Ende? Nicht in Sicht! Auch das frisch gegründete Unternehmen fO.goods ist ein Kind dieser Begeisterung, unterscheidet sich in seiner Ausrichtung und Herangehensweise aber deutlich von anderen Marken oder Labels.

Wir haben uns mit Flo Schuster, dem Gründer von fO.goods getroffen und uns über seine Idee und die dahinter stehende Philosophie unterhalten.

Flo, zuallererst: Du bist zwar in der Stuttgarter Radszene ein Begriff, aber stell dich doch allen da draußen mal vor, die dich bisher noch nicht kennen.

Mein voller Name ist Florian Schuster, ich bin 27 Jahre alt und der Gründer von fO.goods.

Wie bist du zum Radfahren gekommen und was ist für dich das Geile daran? Wie sehr bestimmt das Fahrrad deinen Alltag?

Ich komme eigentlich aus Karlsruhe. Dort gehört Fahrradfahren für sehr viele Menschen schon seit Langem zum Alltag. Von meiner Mutter wurde ich früher jeden Tag mit dem Fahrradanhänger zum Kindergarten und zu anderen Gelegenheiten transportiert. Ich würde fast behaupten, dass sich die meisten Erinnerungen aus dieser Zeit genau in diesem Anhänger abspielen [lacht]. Für mich war es ganz normal, dann auch selbst sehr früh mit dem Rad unterwegs zu sein. Eine kurze Unterbrechung gab es, als wir nach Stuttgart gezogen sind. Es hat dann ungefähr zwei bis drei Jahre gedauert, bis ich wieder richtig am Start war. Damals erstmal noch rein sportlich, auf dem Downhill Track, später dann immer mehr im Alltag. Zuerst sehr intensiv mit dem Fixie [Fixed Gear Bike oder Starrgang-Fahrrad, d.h. ohne Freilauf; Anm. d. Red.], was in die Gründung einer eigenen Fixed Gear Crew namens “Menschen ohne Freilauf”, kurz MoF, mündete. Später dann auch mit dem Rennrad und dem Gravel-Bike. Mittlerweile ist das Fahrrad für mich mein Everyday-Fortbewegungsmittel und nicht mehr wegzudenken aus meinem Leben.

Es gibt ja mittlerweile schon ein paar Marken, die sich mit Fahrradtaschen beschäftigen. Die Frage, die man sich daher stellen muss: Wieso noch eine Taschenmarke? Was hat dir bei anderen Anbietern gefehlt und was machen deine Taschen anders oder besonders?

Im Grunde genommen hat mir eine Marke gefehlt, die zum einen in Süddeutschland von Hand produziert wird, und die sich zum anderen transparent und konsequent mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Funktional gibt es so viele unterschiedliche Vorlieben und Vorstellungen von einer optimalen Fahrradtasche, dass ich nicht denke, dass es die eine Taschenmarke gibt. Aber wenn es darum geht, Kreisläufe zu schaffen, nachhaltige Materialien zu verarbeiten und das Ganze auch noch offen und direkt zu kommunizieren – mit Insights und Zielen etc. –, dann ist da definitiv noch Luft nach oben. Und natürlich denke ich, dass meine Taschen die schönsten sind [lacht]. Ich vermute aber, mit der Einstellung bin ich nicht allein auf dem Markt.

Trotzdem gründet man ja nicht gleich eine eigene Marke: Was war letztlich der Ansporn, der dich dazu bewegt hat ?

Ich habe mich in meiner Bachelor-Arbeit viel mit Nachhaltigkeit, Verantwortung und Arbeitsweisen als Designer*in [Flo hat Produktdesign studiert; Anm. d. Red.] auseinandergesetzt. Dabei habe ich einiges für mich festgestellt und beschlossen: Ich möchte nicht stur 8 Stunden am Tag arbeiten, ich will Verantwortung übernehmen, wenn es um Nachhaltigkeit geht – auch wenn es dafür manchmal radikalere Schritte braucht –, möchte mich ausprobieren und eine Umgebung schaffen, in der ich und auch andere Personen so arbeiten können, wie wir uns das vorstellen. Diese Punkte kann ich nur erreichen, wenn ich mir meinen Arbeitsplatz und meine Art und Weise zu arbeiten – selbst und mit anderen zusammen – von Grund auf neu gestalte. Für mich ist fO.goods nicht einfach eine weitere Taschenmarke, die coole Taschen macht. Für mich ist fO.goods die Möglichkeit, ein Unternehmen zu schaffen, das nicht gewinn- und wachstumsorientiert sondern werteorientiert agiert. Diese Werte lassen sich für mich in 5 Punkten zusammenfassen.

  • Naturbezogenes Arbeiten (Nachhaltigkeit)
  • Gleichberechtigung gegenüber allen Personen sowie gegenüber der Natur
  • Visuelle Schönheit in den Objekten, die gestaltet werden
  • Förderung von regionalem Handwerk und manufaktureller Arbeit
  • Abschließend und ganz wichtig: sich nicht zu ernst nehmen!

Was ist dein Konzept hinter fO.goods und – natürlich nicht zu vernachlässigen – wie setzt sich der Name zusammen?

Das Konzept hinter fO.goods ist es, eben die von mir erwähnten Werte umzusetzen, diese immer wieder zu kontrollieren und trotzdem einfach Spaß daran zu haben, schöne Taschen herzustellen. Der Name kommt tatsächlich von meiner kleinen Mitbewohnerin, die mit ihren zwei Jahren meinen Namen noch nicht richtig aussprechen konnte und mich immer “Fo” statt “Flo” genannt hat [Flo wohnt in einer großen WG, deren kleinstes Mitglied gerade ganz frisch drei Jahre alt geworden ist; Anm. d. Red.]. Nach kurzem Überlegen fand ich die zwei Buchstaben “f” und “o” in der visuellen Kombination von Groß- und Kleinschreibung “fO” einfach ziemlich schön. Außerdem wollte ich ein Logo beziehungsweise einen visuellen Auftritt, der die Möglichkeit bietet, immer mit anderen Designer*innen oder Künstler*innen zusammen zu arbeiten. Das “O” bietet sich da sehr gut an, weil man es nicht immer rund machen muss. Sobald klar ist, dass das Objekt hinter dem “f” ein “O” darstellen soll, kann man eigentlich damit machen, was man will.

Ein glücklicherweise immer wichtiger Begriff in der heutigen Zeit: Nachhaltigkeit. Auch bei dir hab ich auf Instagram gelesen, dass deine Taschen nachhaltig sein sollen. Was heißt das für dich? Was genau ist an deinen Taschen nachhaltig?

Es gibt strenge Regeln, die ich mir auferlegt habe, und die auch immer wieder hinterfragt werden. Im Grunde kann man sagen, dass ich nur 100 Prozent recycelte Materialien aus Europa verwenden möchte, wenn sie kunststoffbasiert sind. Leider kann ich noch nicht so viel Stoff und Anbauteile abnehmen, dass ich an ausschließlich recycelte Materialien herankomme. Deswegen braucht es eine Art Extra-Klausel, die besagt, dass die Materialien – wenn nicht recycelt – in einem Umkreis von maximal 800 km produziert werden. Damit schaffe ich es von Beginn an, ein Produkt anzubieten, das komplett in Europa hergestellt wird. Meine schwarzen Taschen bestehen beispielsweise zu etwa 70 % aus recycelten Materialien. Bei farbigen Taschen bin ich derzeit leider erst bei circa 25 %. Dafür sind dann, wie gesagt, die restlichen 75 % der Materialien in Deutschland hergestellt.
Zudem arbeite ich mit Precious Plastic in Esslingen zusammen. Dort habe ich die Möglichkeit, alle meine Stoffreste (also Verschnitt usw.) selbst zu recyceln und daraus beispielsweise die Logos für meine Taschen herzustellen. Alle Stoffreste, die ich selbst nicht verwenden kann, werden beispielsweise in Workshops weiterverarbeitet. Mein Anspruch ist auch, die Taschen so zu gestalten, dass sie so gut wie möglich reparierbar sind. Dadurch kann ich einen Reparaturservice anbieten. Um Kreisläufe zu schaffen, nehme ich alle von mir produzierten Taschen zurück und versuche dann, eine weitere Verwendung dafür zu finden. Derzeit schwirren bereits einige Ideen in meinem Kopf herum. Spruchreif ist aber noch keine. Die regionale Produktion ist ein weiterer Baustein für meine Vorstellung von Nachhaltigkeit.

Wieso passen für dich Nachhaltigkeit und Fahrradfahren so gut zusammen? Ist die Verknüpfung so natürlich, wie die zwischen Radfahren und Kaffee?

Für mich haben Nachhaltigkeit und Fahrradfahren gemein, dass sie zwar erst einmal mehr Zeit und Aufwand benötigen, dieser Mehraufwand sich aber vielfach auszahlt und sich definitiv lohnt. Frei nach dem Motto “waste nothing but time”. Für mich gibt es drei Pfeiler der Nachhaltigkeit: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz. Während bei der Effizienz darauf geachtet wird, dass so wenig wie möglich verschwendet wird, soll die Konsistenz für einen Materialkreislauf stehen, durch den Produkte in einer anderen Form wiederverwertet werden können. Die Suffizienz steht für Genügsamkeit, die das eigene Handeln nachhaltiger werden lässt. Das Radfahren passt hier perfekt, weil es für eine genügsame und nachhaltige Mobilitätsform steht. Es ist sozusagen der Inbegriff der Suffizienz.

Würde man eine landesweite Erhebung starten, würde Stuttgart wahrscheinlich nicht als die fahrradfreundlichste Stadt Erwähnung finden. Kannst du das verstehen? Und wieso startest du gerade hier? Welche Erfahrungen hast du in der Region als Radfahrer gemacht? Sowohl was den Vibe als auch die Kultur anbelangt?

Natürlich macht die Topographie es auf den ersten Blick nicht gerade leicht, sich in einer Stadt wie Stuttgart mit dem Rad fortzubewegen. Besonders als ich jünger war, hab ich mich oftmals mit dem Rad eher gequält. Andererseits ermöglichte es mir aber auch, Orte zu entdecken, die ich sonst nie entdeckt hätte. Damals war es eine Art Hassliebe zwischen mir und meinem Rad. Heute ist das Negative für mich komplett gewichen. Weshalb man in Stuttgart beispielsweise nicht mehr Wert auf Flächengerechtigkeit unter den verschiedenen Verkehrsmitteln legt oder sich an neuen städtebaulichen Konzepten versucht, kann ich nicht ganz verstehen. Trotzdem ist die Stadt meine ganz persönliche Fahrradstadt, weil ich alle meine Erinnerungen von hier mit dem Radfahren verbinde. Sowohl im Alltag als auch im sportlichen Kontext. Die Stadt hat so viel zu bieten: einen grünen Speckgürtel für intensive Naturerlebnisse sowie eine feine, große und sehr enge Fahrradszene, die einen immer unterstützt. Für mich und meine Ideen ist das wie ein “gemachtes Bett”.

Wo soll es mit fO.goods hingehen? Du schreibst ja auch auf IG, dass du das Ganze nicht ganz „seriously“ nimmst. Ist fO.goods im guten Sinne ein Spaßprojekt, mit dem du schauen möchtest, wie es sich in Zukunft entwickelt?

Weil ich auf sehr viele Dinge Lust habe, möchte ich mit fO.goods gerne möglichst divers und vielseitig sein. Die Marke soll auch für andere Menschen eine Plattform bieten. Das “O” steht, wie bereits erwähnt, für konstante Veränderung und Flexibilität. Auf einen festen Markenkern möchte ich mich daher gar nicht festlegen. Die Firma soll mir auch die Möglichkeit geben, selbst einmal drei Wochen auf Radreise zu gehen. fO.goods steht für einen Entwurf, wie ich mir Arbeit und Leben vorstelle. Der Spaß darf dabei nie vernachlässigt werden. Ich möchte regional und lokal agieren, und nicht nur auf Wachstum und das Finanzielle achten.

Vielen Dank für deine Zeit und ganz viel Erfolg für die Zukunft.

Das Interview führte Roman Högerle

Mehr Infos unter: fogoods.de


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Text: Roman Högerle Fotos: Fabian Freitag