Test: Focus Paralane 2017
Die Cloppenburger präsentieren mit dem Focus Paralane ein Endurance-Racebike, das für eine neue Generation an Rennrädern stehen soll – extrem vielseitig, komfortabel und dennoch sehr schnell und leicht. Aber was steckt hinter dem Versprechen? Was hat das Paralane mit F.B.I. und C.I.A. am Hut? Die Antworten gibt es hier!
In den vergangenen Jahren wurden Rennräder immer weiter spezialisiert, es bildeten sich unzählige Unterkategorien mit feinen Unterschieden heraus. Für jeden Einsatzzweck gab es das ideale Rad. Das mag zwar schön sein, wenn man nicht weiß, wohin mit seinem Geld, aber selbst dann macht es nur begrenzt Sinn. Schließlich ist man mit den Spezialisten nur mäßig flexibel und für Unwägbarkeiten und Überraschungen entlang der Route kaum gerüstet. Die neue Generation an Endurance-Discbikes möchte das nun ändern: Gran-Fondo-Rennen, Gravel-Abenteuer, Waldboden, Teer und widrigste Bedingungen – ein Bike für alles, ohne Einbußen in der Performance. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein, oder?
Wir begaben uns nach Berlin, um dem exklusiven Launch des neuen Focus Paralane in Friedrichshain beizuwohnen. „There is no bad weather“ – lautete einer der Claims des neuen Rades, was wir im Laufe der 100 km langen Testfahrt bitterlichst merken sollten. Aber dazu später mehr.
Aktuelle Endurance-Bikes haben oftmals ein persönliches Problem: Sie sind nicht sexy. Auch wenn es kaum einer zugeben möchte, passt das Image dieser Bikes nicht zum sportlichen Anspruch des Enthusiasten, obwohl der Großteil der Rennradfahrer mit aufrechteren und komfortableren Endurance-Bikes deutlich besser bedient wäre. Stattdessen fühlen sich die meisten Fahrer von den „echten“ Racebikes der Profis angezogen.
Was ist beim Paralane anders?
Vergleicht man ein Focus Izalco Max Disc mit dem neuen Focus Paralane, erkennt man sofort: Der Reach ist kürzer und der Stack ist höher, wobei der Standover sogar geringer ausfällt. Das geschwungene Oberrohr und einige sehr clevere Details sorgen nicht nur technisch für Vorteile, sondern erzeugen auch ein sportlich-aggressives visuelles Erscheinungsbild, wie man es von kaum einem Endurance-Bike kennt. Denn häufig verursachen die extrem langen Steuerrohre (oftmals mit Spacern untermauert) eine Rentner-Optik, die alles andere als attraktiv ist.
Zudem wurde das Tretlager abgesenkt (Drop 75 mm), was einerseits den Stack beeinflusst, andererseits aber das Bike insgesamt tiefer macht – was insbesondere in Kombination mit dem 1.000 mm langen Radstand, dem 72° flachen Lenkwinkel und dem 46 mm langen Nachlauf der Gabel für mehr Laufruhe und Fahrsicherheit sorgen soll. In summa wirkt das Paralane deutlich sportlicher, trotz einem Stack, der ähnlich ausfällt wie an anderen Endurance-Bikes, .
Im Gegensatz zu diversen anderen Herstellern verzichtet Focus auf dämpfende Inserts oder sonstige mechanische Technologien, um die Dämpfung zu erhöhen. Stattdessen integrieren die Stuttgarter Ingenieure des Cloppenburger Konzerns die Dämpfung in das Carbon-Layup (Comfort Improving Areas, kurz C.I.A.) und setzen auf eine intelligente Rahmenform. In den folgenden 3D-Renderings ist dies am besten sichtbar.
Weitere technische Details
F.B.I. steht im Falle des neuen Paralane nicht für Federal Bureau of Investigation, sondern für Fender Bridge Installer: eine simple wie clevere Lösung, um die in Zusammenarbeit mit dem belgischen Edel-Hersteller Curana entwickelten Schutzbleche zu montieren, die standardmäßig mit den Bikes ausgeliefert werden. Wie viel besser diese vollwertigen Schutzbleche im Vergleich zu kleinen Ass Savers funktionieren und wie gut sie im ruppigen Gelände halten, konnten wir leider noch nicht herausfinden.
Focus Paralane Gewicht, Geometrie und Preise
Größe | 48 | 51 | 54 | 56 | 58 | 61 |
---|---|---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 450 mm | 480 mm | 510 mm | 530 mm | 550 mm | 590 mm |
Oberrohr | 497,35 mm | 525,67 mm | 546,03 mm | 560,26 mm | 576,46 mm | 590,70 mm |
Steuerrohr | 120 mm | 150 mm | 165 mm | 180 mm | 200 mm | 215 mm |
Lenkwinkel | 71° | 71,5° | 72° | 72° | 72,5° | 72,5° |
Sitzwinkel | 75,5° | 74,5° | 73,5° | 73,5° | 73,5° | 73,5° |
Kettenstrebe | 415 mm | 415 mm | 415 mm | 415 mm | 415 mm | 415 mm |
Tretlagerabsenkung | 75 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm |
Radstand | 979 mm | 994 mm | 1000 mm | 1015 mm | 1026 mm | 1041 mm |
Reach | 359 mm | 369 mm | 375 mm | 384 mm | 394 mm | 404 mm |
Stack | 534 mm | 534 mm | 580 mm | 594 mm | 615 mm | 630 mm |
Gabel | 383 mm | 383 mm | 383 mm | 383 mm | 383 mm | 383 mm |
Focus Paralane — First Ride in Berlin
Wir hatten bereits die exklusive Möglichkeit, das Focus Paralane in Berlin auf einer abwechslungsreichen, 100 km langen Ausfahrt zu testen. Lange Kopfsteinpflaster-Sektionen, Schotter- und Singletrail-Passagen, schlechter Teer, guter Teer und eine ordentliche Portion Regen – die Testbedingungen für das Paralane hätten kaum besser sein können. Königsfrage: Hält das Focus sein Versprechen, ein wahrer Alleskönner zu sein?
Mit einer angenehmen, aber noch immer sportlichen Sitzposition in Größe Medium (Fahrergröße 178 cm) geht es auf Tour. Mit sicherem und sattem Fahrverhalten liegt das Paralane sehr gut auf der Straße und auf Schotterwegen.
Auch die Kopfsteinpflaster-Passagen absolvierte es mit Bravour, obwohl man dabei etwas Komfort an der Front vermisst, während das Heck die eingeleiteten Stöße tadellos abmildert.
Es müssen nicht gleich Gel-Inserts am dünn gewickelten Lenkerband sein, aber ein schlichtweg dickeres Lenkerband könnten hier bereits Wunder bewirken und für ein harmonischeres Komfortgefühl sorgen. Entscheidend für den Komfort ist auch der Luftdruck, so fuhren wir unser Testbike mit den empfohlenen 5,5 bar in 28 mm breiten Schwalbe One Reifen.
Die Kombination aus dem steifen Steuerrohr und der exzellenten Gabel verhinderte während der Fahrt jegliches Bremsruckeln und setzte Lenkbewegungen präzise um. Gleiches gilt für den Tretlagerbereich: Die Energie starker Antritte bringt das Paralane ohne Mucken auf die Straße und sprintet willig vorwärts.
Mit Ultegra-Ausstattung und nicht serienmäßigen Fulcrum Quattro DB-Laufrädern kommt das Focus Paralane auf ein Gewicht von 8,05 kg — zweifelsohne ein sehr guter Wert!
Gravel, Singletrail und Schlammlöcher — wir kamen überall problemlos durch. Kritik gab es nur für den Schwalbe One-Reifen, der nicht richtig im Felgenbett sitzen wollte und (bei diversen Bikes) für ein unrundes Fahrgefühl am Heck sorgte.
Focus setzt auf Ice-Technology-Discs mit 160 mm Durchmesser. Die Bremspower war stets da und sehr gut dosierbar — auch wenn wir unsere neuen Bremsen erst noch richtig einbremsen mussten (was im Regen in Kombination mit den sandigen Bedingungen sehr schnell ging).
Fazit
Mit dem neuen Paralane gelingt Focus ein großer Wurf. Das optisch extrem ansprechende Bike hat so viele sinnvolle wie schöne Detaillösungen und besticht vor allem durch das ausgewogene Fahrverhalten mit spritzigem Antritt. Auch wenn das Bike kein Komfortwunder ist, kann man mit kleinen Anpassungen am Cockpit eine deutliche Besserung erreichen. Wir sind auf weitere Kilometer gespannt! Focus nennt das Paralane selbst „the most adventurous bike“ – dem können wir nur zustimmen. Gut zu wissen, dass man dank C.I.A. und F.B.I. für jegliche Abenteuer und Wetterbedingungen gerüstet ist!
Mehr Informationen findet ihr auf der Focus Website.
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Text: Robin Schmitt Fotos: Ashley & Jered Gruber/Robin Schmitt