Für einige von uns gibt es nichts, das lauter „hier kommt der Frühling“ schreit, als das schöne Gefühl, es sich mit seiner Fernbedienung auf dem Sofa gemütlich zu machen und den Auftakt der Radsaison in Europa anzuschauen. Bisher mussten wir uns mit Wiederholungen oder weniger bekannten Rennen außerhalb Europas begnügen. Aber das erste März-Wochenende mit seinem Kopfsteinpflaster gespickten Halb-Klassiker in Belgien, Omloop Het Nieuwsblad, läutete endlich die Klassiker-Saison! Die Zeit, in der Sofaradler wieder ihre Bildschirme anbrüllen, wenn ihre Lieblingsfahrer entweder siegreiche Attacken fahren oder am Wegesrand aufgeben müssen.

Wir alle wissen jedoch, dass ein Rennen im Fernsehen zu verfolgen nie das Gleiche sein wird wie hautnah dabei zu sein und in einer Bar vor Ort zu sitzen, während das Fahrerfeld draußen vorbeidonnert. Deshalb kommen hier die besten GRAN-FONDO-Tipps, wie man in den nächsten Wochen das Beste aus jedem einzelnen dieser kultigen Rennen herausholt. Hier erfährst du alles – von der besten kulinarischen Begleitung für jedes Rennen bis hin zu den Momenten, an denen du dich wirklich auf das Geschehen konzentrieren solltest.

16871778868_2bc36306a7_o-Paris Roubaix 2016 preview granfondo cycling thomson bike tours Pablo Moreno

Strade Bianche (09. März): Weiße Straßen, steile Anstiege und hervorragendes Essen

Couch cyclist pro tips
Ort – Toskana, Italien
Kommentatoren-Sprache – Italienisch
Getränk der Wahl – entweder Chianti oder La Diana 26-Bier, gebraut in Siena
Snack der Wahl – entweder toskanisches Pökelfleisch, Olivenöl mit Salz auf Brot oder das absolute Leibgericht: in Rotwein getränktes Brot mit etwas Zucker

Das Rennen: Strade Bianche ist ein neuer Halb-Klassiker, der aber bereits zum Mythos erhoben wurde. Die Klassiker-Spezialisten kämpfen sich über Teile der für diese Region typischen „weißen Straßen“, die einen ähnlichen Effekt auf das Rennen haben wie die Kopfsteinpflaster-Passagen in Nordeuropa. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen, es handelt sich hier nicht um einen flachen belgischen Muskelvergleich. Bei diesem Rennen geht es rund 3.000 Höhenmeter bergauf und es endet mit einer wahren Wand von Anstieg im Zentrum von Siena. Viele von euch werden sich an den einen oder anderen Krampf des letzten Jahres erinnern. Genau das richtige Rennen also für Fahrer, denen die Ardennen-Klassiker liegen.

Unsere Empfehlung: Rai Sport einschalten und sich von den italienischen Kommentatoren die Ohren blutig reden lassen. Auch wenn du kein Wort verstehst, wirst du dich sofort fühlen, als würdest du live am Streckenrand stehen.

Warum Anschauen Pflicht ist: Die Toskana im Frühling und die besten Fahrer der Welt, die auf Schotterpisten mit steilen Anstiegen und zerklüfteten Abfahrten kämpfen – alles vor der Kulisse saftig grüner, sanfter Hügel, die typisch für diese Gegend sind. Außerdem ist dieses Rennen eine großartige Gelegenheit dafür, den alten italienischen Tifosi-Ruf „DAI“ mal wieder hervorzukramen, Chianti zu trinken, hervorragende gepökelte Fleischspezialitäten zu essen und la dolce vita zu genießen, weil dir die belgischen Pommes mit Mayo und das Bier am Ende des Monats ohnehin zum Hals raushängen werden.

16852147197_cd5d86f0da_o-Paris Roubaix 2016 preview granfondo cycling thomson bike tours Pablo Moreno

Paris – Nizza (10. bis 17. März): Ab in den Süden!

Couch cyclist pro tips
Ort – Zentral- und Südfrankreich
Kommentatoren-Sprache – Französischh
Getränk der Wahl – Pastis oder Rosé-Wein
Snack der Wahl – Socca oder Pissaladière, für die volle Dröhnung Frankreich

Das Rennen: Traditionell ein Rennen, mit dem die Fahrer sich nach einem lockeren Winter in Form bringen. Man könnte dieses kurze Etappenrennen, das auch „das Rennen zur Sonne“ genannt wird, durchaus als Mini-Tour de France bezeichnen. Hier stellen die Besten der Welt ihre Form auf den Prüfstand. Kleinere Berge, Seitenwind und Zeitfahren – ein großartiges Rennen zum Zuschauen.

Unsere Empfehlung: Versuche einen Stream von France 1 oder France 2 zu finden. Im Land von Liberté und Egalité wirst du schnell feststellen, dass bei diesen Rennen eine ausgewogene Berichterstattung definitiv nicht zu den redaktionellen Maximen gehört. Also nicht wundern, wenn der Kommentator (und die Kamera) lieber einem französischen Fahrer folgen, der gerade abgehängt wird, während die Top-Fahrer vorn das Rennen entscheiden.

Warum Anschauen Pflicht ist: Okay, die Bergankünfte sind vielleicht nicht die spektakulärsten, aber auf den ersten Etappen mit ihren typischen Seitenwinden passiert normalerweise einiges. Genieße gemütlich vom Sofa aus den Nervenkitzel, wenn das Fahrerfeld vom Winde verweht wird (sorry für das Wortspiel). Und lehn dich bequem zurück im Wissen, dass du nicht einmal einen Hauch der Panik spürst, mit der die Fahrer zurechtkommen müssen.


Tirreno – Adriatico (13. bis 19. März): Wie hättest du deine Frühjahrs-Etappenrennen denn gern?

Couch cyclist pro tips
Ort – Mittelitalien
Kommentatoren-Sprache – Italienisch
Getränk der Wahl – toskanischer Rotwein
Snack der Wahl – Piatto freddo

Das Rennen: Eine einwöchige Version des Giro d’Italia. Dieses Rennen führt vom Mittelmeer zur Adria. Und wie bei den meisten Rennen in Italien gibt es Berge. Wenn Regen angesagt ist, heißt es aufpassen – die Straßen in dieser mittelitalienischen Region werden dann zur Rutschbahn.

Unsere Empfehlung: Abgesehen davon, dass du es dir mit dem italienischen Kommentar so richtig besorgen kannst – es hat etwas so Poetisches, wie die Italiener ihre Rennen beschreiben – solltest du die fünfte Etappe nicht verpassen. Sie endet mit einer echten Bergankunft und wird die ersten Feuerwerke der Saison zünden.

Warum Anschauen Pflicht ist: Italien im Frühling, Fahrräder und Berge. Was will man mehr?


Milano Sanremo (23. März): Damit’s mal wieder länger dauert

Couch cyclist pro tips
Ort – Norditalien
Kommentatoren-Sprache – Italienisch
Getränk der Wahl – Aperol Spritzz
Snack der Wahl – Foccacia

Das Rennen: La Primavera, der Grund, warum Colnago das Kreuz im Logo hat. Mailand–San Remo ist der erste richtige Klassiker der Saison. Mit 293 km ist es das längste Eintagesrennen auf dem Kalender der World Tour. Es gibt gegen Ende ein paar kleine Anstiege, die den Fahrern nach der bereits zurückgelegten Strecke wie Alpenpässe erscheinen müssen, gefolgt von einem schnellen Zieleinlauf, weshalb es oft das Rennen ist, in dem Kletterer gegen reine Sprinter um den Gesamtsieg kämpfen.

Unsere Empfehlung: Immer mal wieder reinzappen. Es dauert eine Weile, 293 km zu fahren, sogar bei World-Tour-Geschwindigkeit. Wenn du nicht gerade eine Ausrede für ein kleines Nachmittagsschläfchen suchst, solltest du also erst einschalten, wenn die Fahrer nach Cipressa und zum Poggio kommen. Der Rest des Rennens ist eher eine Art Verschleißprozess und den braucht man unserer Meinung nach nicht zu sehen – außer man schaut auch gern Farbe beim Trocknen zu.

Warum Anschauen Pflicht ist: Schaffen es die Kletterer, so hart zu attackieren, dass sie die Sprinter zermürben? Schaffen es die Sprinter, in den Anstiegen dranzubleiben und die Chance auf den Sieg zu wahren? Stürzt jemand auf der fiesen Abfahrt hinunter vom Poggio? Oder wird jemand wie Cancellara ausreißen und die anderen kalt erwischen? 293 km eröffnen allerlei Möglichkeiten und genau das macht MSR so großartig.

17058055872_a9d7eb2cb0_o-Paris Roubaix 2016 preview granfondo cycling thomson bike tours Pablo Moreno

E3 BinckBank Classic (29. März), Gent – Wevelgem (31. März): Endlich! Flandern und Kopfsteinpflaster

Couch cyclist pro tips
Ort – Flandern, Belgien
Kommentatoren-Sprache – Flämisch
Getränk der Wahl – belgisches Bier
Snack der Wahl – Pommes mit Mayo

Das Rennen: Endlich, nachdem man sich lang genug um die härtesten Frühlings-Bedingungen herumgedrückt hat, ist es für die großen Jungs nun an der Zeit, ihre schönsten Schmerzgrimassen herauszukramen und sich auf dem klassischen belgischen Kopfsteinpflaster heiße Gefechte zu liefern. Sowohl E3 als auch Gent–Wevelgem sind großartig anzuschauen. Dabei dienen sie als perfekte Einstimmung auf die beiden Grundpfeiler des Radsports, die uns an den kommenden Wochenenden erwarten.

Unsere Empfehlung: Schaufel deinen Terminkalender frei, such dir einen Livestream und schau diese Rennen von Anfang bis Ende. Sie können sich innerhalb weniger Kurven entscheiden und du musst sichergehen, dass du das mitbekommst, während du an deinem belgischen Bier nippst – was du natürlich von Anfang bis Ende tust.

Warum Anschauen Pflicht ist: Kopfsteinpflaster, Kurven, kleine Sträßchen, Seitenwind, belgische Fans, die großen Jungs – oh, und haben wir schon das Kopfsteinpflaster erwähnt? Diese Rennen haben alles, was es für ein perfektes Sofaradler-Erlebnis braucht.

16949183740_b8eb69872c_o-Paris Roubaix 2016 preview granfondo cycling thomson bike tours Pablo Moreno

Ronde van Vlaanderen (07. April): Wo belgische Könige gemacht werden

Couch cyclist pro tips
Ort – Flandern, Belgien
Kommentatoren-Sprache – Flämisch
Getränk der Wahl – Belgische Biere (ihr merkt: wir reden im Plural!)
Snack der Wahl – Pommes mit Mayo, Waffeln und alles, was frittiert ist

Das Rennen: Der Tag, an dem die neuen Könige von Flandern gekrönt werden. Vielen fällt es schwer, sich zwischen Flandern und Roubaix als bestem Kopfsteinpflaster-Klassiker zu entscheiden. Flandern bringt mit seinen kurzen, steilen Kopfsteinpflaster-Anstiegen Abwechslung auf den Couchtisch. Für jeden belgischen Fahrer ist Flandern bedeutender als die Weltmeisterschaft: Dieses Rennen zu gewinnen heißt, alles in der Profi-Karriere erreicht zu haben.

Unsere Empfehlung: Suche dir einen Livestream und folge ihm von Anfang bis Ende. Dieses Rennen verdient es. Für noch mehr Authentizität lade ein paar Freunde ein, lass sie sich betrinken und mit der flämischen Löwenflagge herumwedeln, während sie HOP, HOP, HOP in den Fernseher brüllen.

Warum Anschauen Pflicht ist: Es ist Flandern, verdammt noch mal! Wenn man dir einen Grund fürs Anschauen ernsthaft erklären muss, solltest du nicht Rennrad fahren dürfen!

17136559105_0d0469e4b8_o-Paris Roubaix 2016 preview granfondo cycling thomson bike tours Pablo Moreno

Paris Roubaix (14. April): Die Königin der Klassiker, willkommen in der Hölle des Nordens

Couch cyclist pro tips
Ort – Nordwest-Frankreich
Kommentatoren-Sprache – Französisch
Getränk der Wahl – belgisches Bier
Snack der Wahl – Pommes mit Mayo

Das Rennen: Die Königin der Klassiker, die Hölle des Nordens, ein Tag, an dem Räder und Fahrer nicht nur gegeneinander kämpfen, sondern auch gegen die mehr als 60 km Kopfsteinpflaster, die einem die Augäpfel aus dem Kopf schütteln. Gestartet wird etwa 100 km östlich von Paris, Zielankunft ist im Kult-Velodrom von Roubaix – dieses Rennen ist die letzte Chance, noch ein Ausrufezeichen bei den Kopfsteinpflaster-Klassikern 2019 zu setzen!

Unsere Empfehlung: Halte dich bei diesem Rennen an belgisches Bier und Essen. Warum? Weil es an der Grenze stattfindet und viele echte flämische Radsportfans es als ihr Rennen betrachten – sorry, die Franzosen kriegen Bier und Pommes einfach nicht so hin wie die Belgier. Aber ihr Kopfsteinpflaster ist nicht schlecht. Lass dir zudem die ersten Rennabschnitte nicht entgehen und stelle sicher, dass dein Livestream nicht alle fünf Minuten unterbricht, um zu buffern. Mit den Pavés geht es zwar erst bei Rennkilometer 90 los, aber am Anfang wird Vollgas gegeben, um Ausreißergrüppchen zu bilden – spannend!

Warum Anschauen Pflicht ist: Flach, lang und fahrradzerstörend hart – dieses Rennen heißt nicht umsonst „Hölle des Nordens“. Französische und belgische Fahrer machen sich gleichermaßen fertig, um zu gewinnen. Aber das wirklich Faszinierende ist, wie erbarmungslos die Fahrer auf den Kopfsteinpflaster-Passagen durchgeschüttelt werden. Also gilt auch hier äquivalent zu Flandern: Das ist Roubaix, verdammt noch mal! Ab in die Ecke und schäm dich, wenn du nicht weißt, warum du dieses Rennen schauen sollst!

16948615058_2eee43fc4e_o-Paris Roubaix 2016 preview granfondo cycling thomson bike tours Pablo Moreno

Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als GRAN FONDO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die New-Road-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Phil Gale Fotos: Pablo Moreno / Thomson Bike Tours