Schnell aussehen, schnell fahren und schnell fühlen! Mit dem Bianchi Specialissima RC soll das alles möglich sein. Das neue Race-Bike aus Italien macht mit ausladender Optik und jeder Menge High-End-Komponenten eine ziemlich große Welle. Wie rasant und grazil lässt sich damit über den Asphalt surfen?

Bianchi Specialissima RC I 6,6 kg in Größe 55 I 12.749 € I Hersteller-Website

Bianchi steht wie kaum eine andere Marke für extravagantes Italo-Design, knallharte Performance und die markante blaue Farbe „Celeste”. Und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit 1885. Viele Siege der großen Rundfahrten und viele große Radsportler fuhren auf den himmelblauen Bikes von Bianchi. Darunter die Nationalhelden Fausto Coppi und Marco Pantani. Dass Racing auch nach knapp 140 Jahren immer noch der Kern von Bianchi ist, sieht man am Portfolio der Italiener. Es gibt kaum ein Bike, das keinen Performance-Anspruch erhebt. Nachdem Bianchi mit dem neuen Oltre ein sehr spezielles aero-fokussiertes Bike auf den Markt brachte, will es mit dem neuen Specialissima nun genau in die andere Richtung schlagen. Das Bianchi Specialissima RC soll den Italienern der perfekte Allround-Racer sein. Tatsächlich liefert es mit 6,6 kg schon mal eine sehr beeindruckende Zahl auf der Waage ab. Aber kann das Race-Bike auch noch mehr als nur leicht sein?

Wirklich speziell und neu oder nur aufgewärmt? Ausstattung und Besonderheiten des Bianchi Specialissima RC

Optisch wird schnell klar, dass sich am Bianchi Specialissima etwas getan hat. Das letzte Modell stach deutlich weniger aus der Masse heraus. Das neue Design mit zusammenlaufendem Oberrohr und tief ansetzenden Sitzstreben wirkt erstmal ungewöhnlich und auch etwas sperrig. Auch die Linien und Winkel ergeben kein stimmiges, dafür eher ein auffallendes Gesamtbild. Als Allrounder muss natürlich auch ein wenig Aero sichtbar sein, das wird am Bianchi Specialissima RC allerdings durch flächige, fast schon rechteckige Rohrformen umgesetzt. Generell sieht man dem Bike schon deutlich an, dass es ziemlich sportlich ist. Für ein Bianchi ist das Bike außerdem auffällig schwarz. Die Farbe Celeste ist natürlich trotzdem mit dabei, verläuft von unten nach oben ins Schwarze und wird in den Decals nochmal aufgegriffen. Doch insgesamt tritt das Topmodell in Sachen Farbdesign eher gemächlich auf. Ein anderes Farbdesign ist in der Topausstattung nicht wählbar.

Speziell im Namen und beim Rahmen: das Bianchi Specialissima.
Unten Blau oben Schwarz: Dieser Farbverlauf ist nur beim Topmodell zu bekommen.

Eine weitere Neuerung des Bianchi Specialissima RC ist, dass fast alle Teile aus der hauseigenen Reparto-Corse-Schmiede stammen. Abgesehen von Schaltung, Bremsen und Reifen gibt es kaum ein Teil, das nicht von Bianchi selbst kommt. Besonders hervorstechend ist dabei der Reparto Corse RC-Carbonlaufradsatz. Dieser sieht nicht nur richtig schmuck aus, sondern ist sogar mit Keramiklagern ausgestattet und hat eine Felgenhöhe von 33 mm sowie 21 mm Innenmaulweite. Darauf aufgezogen sind die extrem sportlichen Pirelli P ZERO Race TT in 26 mm Breite.

Herausragend am neuen Bianchi Specialissima RC ist natürlich auch das geringe Gewicht von nur 6,6 kg bei der Rahmenhöhe 55 cm. Das liegt zu großen Teilen an den extrem leichten Parts und der dünnen Lackierung. Der Rahmen selbst ist trotz Aero-Optimierung nicht schwerer geworden. Bei der maximalen Reifenbreite geht Bianchi mit der Zeit: Bis 32 mm breite Pneus passen rein. Unser Bianchi Specialissima RC kommt mit der Shimano DURA-ACE-Schalt-Bremseinheit. Einen Powermeter kann man für den Preis von 12.749 € erwarten und dieser ist auch mit dabei. Die STIs sind am Reparto Corse-One-Piece-Cockpit montiert, das in unserem Fall eine Lenkerbreite von 400 mm hat und komplett aus Carbon besteht. Auch große Teile des Sattelgestells, vom Bianchi RC139-Sattel und die D-Shape-Sattelstütze, sind selbstverständlich aus Carbon. Ein besonderes kleines Highlight sind die Schrauben für den Flaschenhalter, die nicht nur in einem schönen Celeste erstrahlen, sondern auch eine leichte Maserung aufweisen. Alles in allem ergibt das in puncto Ausstattung, Verarbeitung und Liebe zum Detail ein beeindruckendes Gesamtpaket.

RC von Laufrad bis Cockpit: Fast alle Anbauteile kommen aus dem hauseigenen Racing-Department Reparto Corse.
Dazu gibt es das hochwertige One-Piece-Cockpit und den leichten Laufradsatz, aber nur am Topmodell.

Modelle und Geometrie des Bianchi Specialissima RC

Zwei unterschiedliche Carbon-Varianten stehen beim Bianchi Specialissima zur Wahl. Alle Bianchi Specialissima RC- und Pro-Modelle werden mit Carbonrahmen aus High-Modulus-Fasern ausgestattet. Beim Einsteigermodell kommt ein günstigeres Carbon zum Einsatz. Alle Bianchi Specialissima-Modelle der neuesten Generation schalten elektrisch mit SRAM oder Shimano. Korrekt gelesen, kein Campagnolo im Angebot! Ein Bruch mit der eigenen Italo-Racing-Heritage? Zumindest bemerkenswert. Racer mit knappem Budget finden mit den Bianchi Specialissima COMP-Modellen ab 4.999 € einen Einstieg mit Shimano 105 Di2 Schaltung. Daneben sind noch zwei weitere Modelle mit SRAM Rival eTap und Shimano Ultegra Di2 verfügbar. Die Mittelklasse heißt Bianchi Specialissima PRO, bei ihr wird dann das höherwertige Carbon verwendet. Die zwei Modelle unterscheiden sich hinsichtlich Shimano Ultegra Di2-Schaltung und SRAM Force eTap AXS.

Fake it till you race it, sollte das Motto bei diesem Race-Bike mit dieser Geometrie auf jeden Fall lauten. Soll heißen: Auch wenn man nicht im Rennen ist, sollte man sportlich auf dem Bike sitzen.

Beim „top of the range”-Bianchi-Specialissima-RC-Bike steht dann Shimanos DURA-ACE Di2 und SRAMs Red eTap AXS zur Wahl. Daneben gibt es hier den Reparto Corse RC-Carbon-Laufradsatz und das Reparto Corse-Cockpit. Die Ausrichtung und Zielgruppe der einzelnen Modelle sind auch hinsichtlich der gewählten Übersetzung offenkundig. Unser Bianchi Specialissima RC mit DURA-ACE Di2 kommt mit 52/36-Kurbel und 11–30-Kassette. Das Specialissima COMP mit Shimano 105 Di2 Schaltung ist dagegen durch die 50/34er-Kurbel bei einer 11–34er-Kassette deutlich entspannter. Mit dieser Übersetzung kommen auch weniger fitte Racer deutlich einfacher den Pass hoch.

Bestes Gerät! Die Shimano DURA-ACE am Bianchi Specialissima RC macht einfach nur Spaß und performt auf höchstem Niveau.
Der passende Powermeter darf natürlich bei einem Race-Bike dieser Klasse nicht fehlen.

Die Geometrie beim Bianchi Specialissima RC ist wie zu erwarten ziemlich sportlich ausgeprägt. Allerdings auch nicht bis auf die Spitze getrieben. Bei der Rahmenhöhe 55 cm ist das Oberrohr mit ebenfalls 55 cm zwar lang, aber nicht extrem. Auch der Reach ist mit 391 mm absolut moderat racy. Durch den nicht so langen Radstand von 988 mm setzt das Bianchi Specialissima RC mehr auf Agilität als andere Race-Bikes. Dazu kommt die geringe Steuerrohrlänge von 135 mm, die zum Tieffliegen und Tiefliegen einlädt. Die Stack-to-Reach-Ration von 1,37 wirkt deutlich sportlicher als der Rest der Geo-Daten. Am Ende reiht sich das Bianchi Specialissima in Sachen Geometrie nahtlos in die Reihe anderer Race-Bikes ein.

Größe 470 500 530 550 570 590
Oberrohr 514 mm 524 mm 535 mm 550 mm 560 mm 570 mm
Sattelrohr 420 mm 450 mm 480 mm 500 mm 520 mm 540 mm
Steuerrohr 100 mm 105 mm 120 mm 135 mm 150 mm 170 mm
Lenkwinkel 70,5° 71,5° 72° 72,5° 73° 73°
Sitzwinkel 74,5° 74,5° 74° 73,5° 73,5° 73°
Kettenstrebe 410 mm 410 mm 410 mm 410 mm 412 mm 412 mm
Tretlagerabsenkung 58 mm 58 mm 58 mm 58 mm 58 mm 58 mm
Radstand 982 mm 983 mm 984 mm 988mm 996 mm 1.005 mm
Reach 379 mm 387 mm 386 mm 391 mm 497 mm 400 mm
Stack 486 mm 494 mm 520 mm 536 mm 552 mm 571 mm

Gib mir Geschwindigkeit! Das Bianchi Specialissima RC auf der Teststrecke

Beim Betrachten des Race-Bikes fällt es dem Auge schwer, sich wieder vom Anblick des Bianchi Specialissima RC zu trennen. Nicht, weil es einem unbedingt so gut gefällt, sondern einfach weil es so speziell aussieht. Einmal Platz genommen, ist man gleich im Angriffsmodus. Attacke! Die Sitzhaltung ist wirklich sportlich, gestreckt und tief. Man sitzt tief im Bike drin, aber nicht unangenehm oder unstimmig. Aber das muss man wollen und können. Wer seine Zehen nicht mit den Fingerspitzen berühren kann, sollte lieber die Finger von so einer sportlichen Position lassen, sonst tut es einfach nur weh. Da bei uns keine Spacer verbaut waren, war es schon eine echte Tiefflugposition, vor allem im Unterlenker. Da sollte man vorher lieber nichts gegessen haben. Ausgeliefert wird das Bianchi Specialissima RC aber mit kleinem Spacerturm, was die Sache für alle normalsterblichen Racer deutlich entspannt.

Schnell bergab macht schnell richtig viel Spaß! Das liegt an der Leichtigkeit und dem spaßigen Handling des Bianchi Specialissima RC.

Das Handling ist direkt und dynamisch, was vor allem auf Abfahrten mit engen Kurven für viel Fahrspaß sorgt. Man hat immer das Gefühl, alles im Griff zu haben. Schnelle Richtungswechsel werden direkt übertragen und vom Bike angenommen und umgesetzt. Vor allem bei hohen Geschwindigkeiten und in Kombination mit den Pirelli P ZERO Race TT-Reifen – die wahrlich am Boden kleben – ergibt sich eine Art dynamische Laufruhe, die richtig viel Selbstbewusstsein vermittelt. . Überhaupt hat man mit diesem Race-Bike dauerhaft das Gefühl, in die Vollen gehen zu müssen. Langsam dahin schleichen, fühlt sich damit nicht richtig an. Sprinten und am Gashahn drehen dafür umso mehr.

Über die Shimano DURA-ACE-Schaltung muss man eigentlich keine Worte mehr verlieren. Sie ist aktuell das beste Modell auf dem Schaltmarkt. Jeder Schaltvorgang macht einfach Spaß, weil er so direkt und präzise ausgeführt wird. Fast etwas altmodisch wirken hingegen die 26 mm breiten Reifen – viele aktuelle Race-Bikes werden mit 28 mm Reifen ausgeliefert. Die schmalen Pneus tun allerdings nur der Compliance schlecht. Die ist nämlich insgesamt schon recht straff und wird dadurch nicht besser. Sobald der Asphalt etwas rauer wird, wird es auch auf dem ​​Bianchi Specialissima RC etwas ungemütlich. Dem lebhaften und leichten Fahrgefühl bringt es hingegen richtig viel. Apropos Leichtigkeit: Ein so leichtes Bike den Hang hochzuprügeln, macht einfach nur Bock. Jeder Antritt bringt einem das Gefühl, Flügel zu haben. Klar, irgendwann geht die Kraft dann auch aus und man kämpft sich den Berg hoch, aber dennoch spürt man das geringe Gewicht bei jeder Pedalumdrehung, was auch mit der sehr guten Kraftübertragung zusammenhängt. Mit der kleinstmöglichen, aber immer noch ziemlich sportlichen 30–36Übersetzung kommt man nicht immer leicht den Berg hoch. Aber generell sind ja lange, entspannte Touren nicht die Paradedisziplin des Bianchi Specialissima RC. Dafür hat es deutlich zu wenig Komfort, eine zu aggressive Geometrie und eben die falsche Übersetzung.

Bergauf muss man mit der Helden-Übersetzung von 30–36 im kleinsten Gang schon ganz schön drücken.

Bergziege, Aero-Sprinter oder tatsächlich ein Allrounder? Für wen ist das Bianchi Specialissima RC?

Bianchi selbst spricht beim Bianchi Specialissima RC von einem Allrounder-Race-Bike. Es ist natürlich fraglich, was das in der Realität bedeuten soll und ob das Wort Allrounder hier vielleicht etwas irreführend ist. Mit dem geringen Gewicht kann man damit auf jeden Fall Bergetappen ordentlich schnell fahren und Anstiege schnell hochpeitschen. Durch Aero-Optimierung ist das Race-Bike aber auch für flache Strecken geeignet. Es ist in jedem Fall bei allen performanten Einsatzzwecken gut aufgehoben. Das können Jedermann-Rennen sein oder schnelle Fondos. Um schnelle Trainingsrunden durchzuziehen, geht es sicher auch noch. Aber alles davor, also entspannte Group-Rides oder vierstündige GA1-Rides, macht irgendwann keinen Spaß mehr.

Ein guter Allrounder, aber nur für einen speziellen Einsatzzweck, ist das Bianchi Specialissima RC auf jeden Fall. Wer schnell sein will und kann, der kann mit diesem Race-Bike in die Vollen gehen.

Fazit zum Bianchi Specialissima RC

Mit dem Specialissima RC hat Bianchi dem Race-Heritage alle Ehre gemacht. Es ist ein knallhartes sportives Bike, das ruckzuck auf Speed ist und genau dann Spaß macht. Auch Ausstattung und Verarbeitung sind auf höchstem Niveau. Der Mix aus Aero-Akzenten und Gewichtsersparnis geht absolut auf und führt neben einem Geschwindigkeitsrausch zu einem sehr hohen Spaßfaktor. Durch das geringe Maß an Compliance und die ziemlich schmalen Reifen sollte der Asphalt wohl gewählt werden. Aber wenn der Untergrund stimmt, heißt es: hit the road Jack.

Tops

  • dynamisches und sehr schnelles Fahrgefühl
  • sehr hochwertige und exklusive Komponenten
  • aus dem Einheitsbrei an Race-Bikes herausstechende Optik
  • sehr wenig Gewicht trotz Aero-Optimierung

Flops

  • wenig Compliance
  • im Top-Spec nur in einer Farbe erhältlich

Mehr Infos findet ihr auf bianchi.com


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Text: Martin Staffa Fotos: Jan Richter, Peter Walker