Manchmal begegnet man jemandem, der sofort weiß, wer man ist, was einem gefällt und wonach man sucht. Das liegt doch sicher nicht nur daran, dass man man den gleichen Hunger danach verspürt, rauszugehen, die Welt zu erkunden, versteckte Straßen, Serpentinen und Anstiege zu entdecken? Was auch immer es ist, Javier Maya, der Gründer von Pavé in Barcelona, versteht etwas davon – das Ergebnis erstreckt sich über 700 m² voll wunderbarer, geldbeutelschädigender Dinge.

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Wenn jemals jemand den Beweis erbringen konnte, dass es möglich ist, mit einem Fahrradshop die Grenzen des Handels zu sprengen und etwas wirklich Besonderes zu schaffen, dann ist das Javier Maya, hier in diesem alten Lagerhaus in einem heruntergekommenen Außenbezirk von Barcelona.

Fast fühlt es sich an, als tue man Pavé Unrecht damit, ihn in die Schublade der Bikeshops zu stecken: Wir haben es hier mit einer Community zu tun, eine, die Radfahrer durch hochwertige Produkte, Tradition und die Freude am Fahren vereint. Schon beim ersten Schritt in den Laden prasselt eine Myriade von Gefühlen auf den Besucher ein. Es ist als ob man die Seiten eines Hochglanzmagazins beträte, oder wie ein Besuch an einem vertrauten Ort, an dem alles zelebriert wird, was mit Radfahren zu tun hat.Es fühlt sich an wie nach Hause kommen.

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Es ist später Nachmittag, als wir auf dem Parkplatz vor einem unscheinbaren Gebäude im nicht gerade wohlhabenden Stadtteil El Prat de Llobregat anhalten. Ein großes Fenster lässt ahnen, was sich dahinter verbirgt, der Beginn einer begeisternden Sightseeingtour für jeden Radfahrer. Maya begrüßt uns, eifrig auf die Waren deutend, die an der Kasse ausliegen. Das Lagerhaus ist alt, erklärt er uns, es wurde 2010 geräumt, nachdem es zuvor dem Baumaschinenverleih seiner Eltern gehört hatte – derselben Firma, in der Maya ein Jahrzehnt gearbeitet hat, bevor er Pavé gründete. Die freigewordenen Räumlichkeiten wurden zum Katalysator für die Verwirklichung einer lange gehegten Idee – eine Vision, die er mithilfe des Architekten Joan Sandoval umsetzte.
Maya steckte schon als Kind knietief in allem, was mit Fahrrädern zu tun hat, und seine Wandlung im Jahr 2011 zum neuen Bikeshop-Pionier vollzog sich schleichend. „Vielleicht ist es ja gerade diese tiefe Kluft zwischen meinem früheren Job und Pavé, die das Fundament für heute bildet“, sagt er. „So ein Ort wie Pavé war lange nur eine Fantasie, der ich in meinen Träumen nachhing. Träumen kostet schließlich nichts, und diese süßen Träume waren eine sehr angenehme Medizin?“

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Auf den ersten Blick (und sofern man die namensgebende, gepflasterte Einfahrt übersieht) könnte man Pavé für einen dieser schicken Stores halten, die die üblichen und ein paar High-End-Marken führen, die gewohnte Auswahl der besten Artikel für Rennradfahrer. Doch Maya betont nachdrücklich, dass die Marken, die er ausgewählt hat, zur Pavé-Familie gehören: Sie teilen seine Philosophie und daher auch sein Ziel, alle Kundenwünsche Wahrheit werden zu lassen. Egal ob es ihnen um Performance, um Prestige oder einfach ums Vergnügen geht.

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Und tatsächlich – wenn man genauer hinsieht, bemerkt man, dass es hier nicht nur bekannte Marken gibt. Zum Beispiel entdeckt man Socken des kleinen US-Herstellers Stance, unfassbar coole Tassen und Schlafsäcke von Poler Stuff und sogar ein paar bemerkenswerte Lauf- und Radmagazine abseits des Mainstreams. Diese Magazine sind es auch, die Maya dazu verleiten, uns für den nächsten Tag zu einem 21-km-Lauf einzuladen. „Laufen?“ könnte man mit hochgezogener Augenbraue fragen, doch es ist Winter und viel Zeit haben wir auch nicht. Und ebenso wie die Freiheit auf zwei Rädern liebt Maya die Einfachheit des Laufens. Durchtrainiert ist er auch, das wird uns klar, als er ein atemberaubendes Tempo vorgibt, verzaubert von der Freiheit an der frischen Luft und dem unvergleichlichen Licht der frühen Morgensonne. Vermutlich ist er als Radfahrer noch besser, er hat dieses mörderische Rennen über die berüchtigte, 310 km lange „Mörderetappe“’ der Tour de France von 1910 gewonnen, die zwischen Bagnères-du-Luchon und Bayonne verläuft. Während wir auf wenig benutzten, staubigen Wegen in der Nähe des Hauses seiner Eltern laufen, erzählt er offen über seine Einstellung zum Marketing (die Marken müssen es richtig machen), den aktuellen Fahrrad-Boom und die Schritte, die ihn dorthin gebracht haben, wo er heute ist. Wo das ist? Genau da, wo er sein will, wo er mit Leuten seine Philosophie vom Laufen und Radfahren teilen kann, wo er Werte und Ansichten verhandeln kann.

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Mayas Welt drehte sich schon immer um Fahrräder und der Shop ist gewissermaßen eine Erweiterung seiner Seele. Die Bikes sind auf eine Art und Weise ausgestellt, die an eine exklusive Kunstgalerie erinnert. Alles ist klar strukturiert und aufgeräumt, und es liegen Welten zwischen dieser Präsentation und den vollgestopften Radläden aus früheren Zeiten. Jedes Produkt und jede Marke hat einen eigenen Platz. In einer Ecke dominiert Assos, dann gibt es ein paar stylish beleuchtete Kleiderstangen mit Kleidung von Sportful und POC am Eingang, eine abgetrennte Abteilung für Le Coq Sportif, De Marchi, und einen hippen, dennoch historischen Oakley-Bereich.

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Außerdem sind hinten noch eine riesige Fahrradwerkstatt, ein Café (natürlich), Bücherregale (wo sind wir hier, in einer Bibliothek?), speziell für Pavé gestaltete Weinflaschen und ein Duschraum. Nichts ist beengt, alles hat seinen Platz und man hat Raum zum Flanieren. Es lässt sich kaum leugnen – das hier ist ein perfekter Ort für die Stunden, in denen man nicht auf dem Bike sitzt.

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Falls ihr mit dem Rad kommt, seid nicht überrascht, wenn ihr Maya mit einer Radgruppe draußen antrefft. Ab März bietet er fast täglich geführte Touren an. Es gibt auch einen exklusiven Pavé-Club mit schlichten, stylishen Jerseys (na ja, eigentlich gibt es drei, wenn man den für Frauen und den mit der höchsten Exklusivität auch mitzählt). GRAN FONDO war vor einiger Zeit dabei, als Pavé eine weihnachtliche Nachtfahrt in Assos-Bekleidung veranstaltete, eine kleine Abwechslung in der typischen Trägheit kalter Winternächte. Und wieso auch nicht? Schließlich leistete ihnen dabei sogar Miguel Indurain Gesellschaft.

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Angesichts der rasenden Entwicklung des Onlinehandels war immer klar, dass Pavé einem harten Kampf entgegensehen würde – doch wie Maya als Radfahrer weiß, können sich auch härteste Anstrengungen auszahlen. Achtzehn Monate nach der Eröffnung begann der Shop, die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen, und wurde vom Guardian als einer der besten Shops der Welt bezeichnet. Das Aufsehen hat seither nicht nachgelassen.

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Im Radfahren liegt eine aufrichtige Schlichtheit, und Maya ist es gelungen, dieses Lebensgefühl einzufangen, zu verdichten, und in jeden Teil von Pavé einzubringen. Das momentane Aufkommen von langlebigen und schönen Rennradprodukten und die Entwicklung von Rädern, die Design und Funktionalität zelebrieren, hilft dabei. Doch noch mehr als das ist es der reine Spirit des Radfahrens, der in die Substanz von PAVÉ verwoben ist, ein Abbild der romantischen Vorstellungen des Mannes, der dahinter steht. Maya liebt Radfahren wirklich: „Radfahren sollte ein einfacher Sport sein, in dem das Erleben Vorrang hat vor der Performance des Materials. Doch dieser Gedanke ist heute in Gefahr, vergessen zu werden.“

Diese etwas sentimentalen Gedanken, so entdecken wir im Lauf des Interviews, sind typisch für Maya, der von den aufkommenden Scheibenbremsen an Rennrädern nichts hält und stattdessen die Meinung vertritt, dass wir für mehr Sicherheit lieber Lichter in die Bikes integrieren sollten. Für Maya lässt sich die beste Art zu fahren nicht genau definieren – schließlich sind die besten Strecken die, die man noch nicht gefahren ist. Wenn man ihn fragt, was er am liebsten mag, erzählt er von seiner Vorliebe für enge, wenig befahrene Straßen durch ruhige Dörfer, wo Scheibenbremsen und elektronische Schaltungen wie Fremde aus einer anderen Welt wirken.

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Doch was immer man von der Technologie beim Radfahren hält, Pavé ist eine erfrischende Abwechslung in der Fahrradbranche. Statt Volumen und Algorithmen der Online-Megastores findet sich hier eine Wertschätzung gegenüber Fahrrädern und allem, was damit zu tun hat, und das Erlebnis, das man hier als Kunde hat, ist unvergleichlich. Endlich ist das Konzept des Fahrradladens in etwas transformiert worden, das weit über die schmierige Werkstatt hinausgeht – wir schätzen das sehr.

Mehr Informationen findet ihr auf der Pave website.


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Text: Emmie Collinge Fotos: Klaus Kneist, Christoph Bayer