„An Adventure a Day“ – dieses Motto ist nicht nur in der Dresdner Radszene verbreitet. Die GRAN FONDO Gastredakteure Alex und Carsten machten sich auf, den Ostblock bis ans Schwarze Meer zu durchqueren. Die Eckdaten hießen aber nicht nur Urlaub und Abenteuer, sondern bedeuteten vor allem knallharte 10 Tage à 200 km auf ihren Veloheld IconX Gravelracern. Wie das funktioniert hat, erzählt Alex hier.

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Die Idee zur Tour kam uns ziemlich spontan. Da der Herbst so schön angefangen hatte, fanden wir, es wäre mal wieder Zeit für einen kleinen Roadbike-Trip. Nachdem ich im Jahr zuvor schon einmal kurzerhand in viereinhalb Tagen von Dresden ans Mittelmeer (Triest) gefahren war, musste ein neues Ziel her. Nach zwei Bier (es war ja Offseason) und längerem Wrestlen mit Google Maps und dem Flugplan unseres Heimatflughafens Dresden stand die Entscheidung fest: Varna am Schwarzen Meer klang doch ganz lässig.

So sah nun unsere Route aus: Dresden – Podebrady (CZ) – Brno (CZ) – Cabaj (SK) – Budapest (HU) – Doboz (HU) – Ghetari (RO) – Sibiu (RO) – Pitesti (RO) – Russe (BG) (- Varna (BG))
So sah nun unsere Route aus: Dresden – Podebrady (CZ) – Brno (CZ) – Cabaj (SK) – Budapest (HU) – Doboz (HU) – Ghetari (RO) – Sibiu (RO) – Pitesti (RO) – Russe (BG) (- Varna (BG))

Da es nur noch einen guten Flug gab, buchten wir dann auch direkt, Oneway Varna–Dresden. In diesem Moment stellten wir allerdings auch fest, dass wir nur noch drei Wochen Zeit hatten und real eigentlich nur 11 Tage für den Trip selbst. Das waren 10 Tage treten und 1 Tag, um die Räder für die Rückreise flugtauglich zu bekommen. Bei knapp 2.000 km waren das pro Tag rund 200 km. In der Planung empfanden wir das noch als anstrengend, aber machbar.

Was Unterkünfte angeht, stehen Carsten und ich sehr auf Komfortabenteuer: richtig schön essen und ein gutes Bett. Es soll ja auch Spaß machen für den Körper und die Erholung bei so einem Trip sollte man ja auch nicht vergessen. Nach zwei Tagen Quälerei auf Booking-Websites hatten wir alle Übernachtungen zusammen. Für die Tage, an denen wir außerhalb größerer Ortschaften schliefen, hatten wir auch die Restaurants schon mitgebucht. Zwischen Ungarn und Bulgarien war das nicht wirklich easy, da es dort eher mehr Natur als Zivilisation gibt. Aber genau das wollten wir: verlassene Straßen, atemberaubende Landschaften.

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Jetzt ging es ans Packen. Da ein Rucksack bei solch langen Runden alles andere als komfortabel ist (Rückenschmerzen, Gesäßschmerzen, schweißnasser Rücken etc.) und sich die Oversize-Saddlebags in Kombination mit Lenkertaschen auf dem letzten Trip gut bewährt hatten, war unsere Wahl klar. Letztendlich fuhren wir mit Taschen von Fellowbags und Apidura. Die Packliste war sehr übersichtlich: 2 Schlüpfer, 3 Socken, 1 Ersatzradhose, 1 Regenjacke, 1 Paar normale Schuhe, 2 Shirts, 2 Unterhemden, 2 Langarmtrikots, 1 Primaloft-Jacke, 1 Chino, 1 Bialetti und 1 Minikocher. An Ersatzmaterial nur 2 Schläuche, 1 Kettenschloss und 1 Minitool.

Das Veloheld iconX in der Travel Version.
Unser Veloheld iconX in der Travel Version.
Bei dem Minimalstauraum an unseren Veloheld Bikes mussten manche Dinge draußen bleiben.
Bei dem Minimalstauraum mussten manche Dinge draußen bleiben.

Lets Go!

Die ersten beiden Tage durch Tschechien waren super easy. Da wir nur 50 km von der Grenze entfernt wohnen und in der Gegend öfter unterwegs sind, könnte man fast sagen, es war ein Heimspiel. Die Leute dort sind echt entspannt, Essen, Bier und Unterkünfte waren richtig gut und zudem noch günstig, die Frauen schick und die Straßen von top bis so lala. Obwohl Tschechien auf der Karte recht flach wirkt, war es ein ständiges Auf und Ab. Man könnte meinen, das ganze Land sei ein Mittelgebirge.

Amore gegen Cash ist auch in ländlichen Regionen Osteuropas ein großes Thema.
Amore gegen Cash ist auch in ländlichen Regionen Osteuropas ein großes Thema.

Auch die nächsten beiden Tage durch die Slowakei waren ziemlich angenehm. Hier wird seit 2009 mit Euro abgerechnet, wodurch die Preisunterschiede noch krasser auffielen. Wir zahlten zum Beispiel für Abendessen, Übernachtung und Frühstück keine 30 €.

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An Tag 4 ging es dann schon nach Ungarn, genauer gesagt nach Budapest. Ungarn war für uns eigentlich das bescheidenste Land: super aggro Autofahrer und Landstraßen, die aus 10 cm tiefem Sand bestanden. Dazu kamen diverse Bettflöhe, die mich ab Budapest auf unserer Reise weiter begleiteten. Na ja, so hatte ich eben immer etwas zu tun beim Treten. Nichtsdestotrotz ist Budapest eine wunderschöne und echt angesagte Stadt, außerdem gibt es auch nette Menschen in Ungarn. Zum Beispiel unsere Vermieterin in Doboz, kurz vor der rumänischen Grenze: Sie machte uns zum Abendbrot ein ungarisches Nationalgericht, ein Hefebrot mit Sauerkraut, Kassler, Zwiebel und Kartoffeln. Es wog ca. 3 kg und die alte Dame hatte noch Angst, dass es nicht reichen könnte! Mit Blick auf die durchschnittliche männliche Bevölkerung in Ungarn konnten wir sie sogar verstehen …

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Die 230 km durch die ungarische Puszta waren bis zu diesem Zeitpunkt die härtesten unserer Reise, nur flach, nur Treten, immer wieder auf 30 km langen Geraden und Straßen, die einfach nur aus Sandlöchern bestanden. Abends kamen wir auch zum ersten Mal im Dunkeln an.

Die Hauptverkehrsstraßen sind etwas anders als bei uns. Ein Glück hatten wir kein Regen!
Die Hauptverkehrsstraßen sind etwas anders als bei uns. Ein Glück hatten wir kein Regen!

An Tag 6 ging es dann endlich nach Rumänien. Mit „welcome to Romania, what do you want in Romania?“, wurden wir vom Grenzer herzlich begrüßt. Hier begann für uns das wahre Abenteuer, dachten wir zumindest, denn immerhin hatten wir vorher schon diverse Storys gehört. Attacken wilder Hunde, Feldwege als Straßen und Pferdefuhrwerke neben dicken SUVs im Verkehr. Bereits die Einfahrt war etwas skurril. Mit Überschreiten der Grenze standen die Telegrafenmasten mal eben 30° schiefer und nach 8 km hatten wir den ersten Kontakt mit dem „gemeinen Feldhund“. Am Straßenrand lauernd attackierte uns ein schäferhundähnlicher Mischling (reinrassige Hunde scheint es dort nicht zu geben), der uns etwa einen Kilometer verfolgte, während wir flüchtend davonsprinteten.

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Bei der Weiterfahrt ins Apuseni-Gebirge merkten wir jedoch, dass alles halb so wild war. Super chillige Autofahrer, 90 % der Hunde hatten eher Schiss vor uns und Familienkutschen hatten entweder 250 PS (BMW X5) oder 1–2 PS, waren aber alle gummibereift. Wir befanden uns in Transsilvanien, ehemals Siebenbürgen und unsere erste Unterkunft war ein Berggasthof auf 1.000 m ü. d. M., der Hammer! Total ordentlich, das Abendbrot komplett selbstgemacht und die Kanne mit dem Selbstgebrannten war so groß wie die mit Wasser und sah ihr leider auch verdammt ähnlich … Die Übernachtung mit Frühstück und Abendbrot kam übrigens auf 7,50 € pro Person!

Der nächste Tag führte uns nach Sibiu (Hermannstadt), durch tolle Landschaften und diverse Roma-Dörfer. Dieser Streckenabschnitt war für uns Westeuropäer sicher die krasseste Erfahrung der Reise: Kinder, die bei 10 °C und Regen barfuß und nur im T-Shirt auf der Straße spielten und Blechhütten, die nur ein Achtel der Größe ihres Dachstuhls hatten. Andere Orte auf unserem Weg waren ehemals von deutschen Aussiedlern bewohnt und sahen mittlerweile aus, als wären sie vor 100 Jahren stehen geblieben.

In den gewöhnlichen Kleinstädten und größeren Orten sah es fast so aus, wie wir es von Deutschland gewohnt sind, klar, teilweise noch viel unsaniert und etwas einfacher, aber es gab auch diverse europäische Supermarktketten wie Lidl und Netto und überall liefen Kinder in Schuluniform herum. In Sibiu angekommen, konnte man aber glatt vergessen, dass man in Rumänien war: Mit seinen historischen Gebäuden, der liebevoll restaurierten Altstadt und pittoreske Türmchen hätten wir genauso gut auch in einer mittelgroßen Stadt im deutschen Mittelgebirge sein können. Top gepflegt, eine belebte Innenstadt mit netten Bars und Restaurants. Richtig gut, können wir nur empfehlen!

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Tag 3 in Rumänien führte uns dann zum Highlight der Tour, der Transfogarascher Hochstraße, einen 2.100 m hohen Gebirgspass der Karpaten. Am Fuße des Gebirges hatten wir auch den einzigen Twist unserer Tour. Es waren immer noch 10 °C bei Regen und ich war der Meinung, wir sollten die 1.700 m Anstieg bei diesem Wetter in Rumänien lieber nicht in Angriff nehmen. Carsten war jedoch stur wie ein Ziegenbock, sodass ich mich schließlich breitschlagen ließ. Es entpuppte sich als die beste Entscheidung, die wir hätten treffen können, denn Route B war eine Fernverkehrsstraße mit Hunderten von LKWs.

Pee with a view: Am Transfogarasch Pass hatte wir die Möglichkeit uns etwas zu erleichtern.
Pee with a view: Am Transfogarasch Pass hatten wir die Möglichkeit uns etwas zu erleichtern.
Transfogarascher Hochstraße: Einer der schönsten, längsten und höchsten Pässe Europas und wir mit den Veloheld Rädern oben drauf.
Transfogarascher Hochstraße: Einer der schönsten, längsten und höchsten Pässe Europas.

Bis zur Passhöhe war die Stimmung bei uns dank Dauerregen und unserer beiden Sturköpfe ein wenig angespannt. Doch als wir auf der anderen Bergseite mit schönstem Sonnenschein und traumhafter Aussicht belohnt wurden, lief es wieder rund. An dieser Stelle: Danke noch mal an Carsten! Die soziale Komponente sollte man nicht außer Acht lassen, wenn man seine Zeit 24/7 oder, besser gesagt, 24/10 dauerhaft zu zweit verbringt. Aber danach funktionierte es dann wieder super. Die Transfogarascher Hochstraße ist nicht ohne Grund einer der schönsten Hochgebirgspässe Europas und neben ca. 15 Hochzeiten gab es dort auf 2.100 m Höhe auch wilde Hunde. Auf der anderen Seite angekommen, beginnt die Region Walachei und, wie man so schön sagt, ist man dort wirklich mitten in der Walachei. Wir übernachteten in Pitesti, optisch für uns „the real romania“.

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Auf dieser Etappe kamen wir übrigens auch wieder fast im Dunkeln an. Die letzten 60 km wurden zum kleinen Zeitfahren, nicht nur wegen der Hunde. Wir wollten einfach nicht im Dunkeln ohne richtiges Licht auf rumänischen Straßen fahren (Trainingseffekt: 100 %). Tag 9 ging dann weiter quer durch die Walachei bis nach Russe in Bulgarien. Es gab eigentlich nicht viel Besonderes, bis auf ein paar Ölpumpen wie in Texas und Bauern, die Tierkadaver einfach am Straßenrand abschütteten – teilweise etwas ungewöhnlich für Mitteleuropäer. Die Straßen waren alle echt okay, ab und zu ein paar wirklich tiefe Löcher und diverse Gravelroads, aber auch hier hat die EU einiges geleistet. Die Freude darüber sieht man in jedem Ort: Jedes Ortsschild besteht zur Hälfte aus der EU-Flagge.

Mit Russe waren wir dann in Bulgarien, das sich von Rumänien nicht wahnsinnig unterschied, aber deutlich stärker von Russland geprägt war. Am meisten ist uns aufgefallen, dass es in Bulgarien wieder Jugendliche gab. In Rumänien dagegen sahen wir fast nur Kinder oder alte Menschen. Mit Tag 10 endete unser Trittfest abrupt. Da es wieder einmal regnete und kalt war, wir nicht mehr sitzen konnten, die Hände keinen Lenker mehr anfassen wollten und Carstens Knie kurz vorm Aus standen, entschieden wir uns, dem Begriff „Komfortabenteuer“ ein Update zu verschaffen. Wir fuhren die letzten 200 km mit dem Zug, was in Bulgarien auch ein Abenteuer sein kann, aber ein sehr günstiges.

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Nach 10 Tagen voller Eindrücke, die wir aufgrund ihrer puren Masse kaum verarbeiten konnten, war es ein geiles Gefühl, das Ziel endlich erreicht zu haben. Da wir völlig unvoreingenommen losgefahren waren, konnte uns auch nichts schockieren und es ist auch nichts geschehen, was uns hätte schockieren können. Was wir gelernt haben: Plane nie 200 km am Tag und schon gar nicht bei solchen Streckenbedingungen, wie wir sie vorgefunden haben! Ich denke, die Bilder sprechen Bände. Das hat dann schon wieder nichts mit Komfortabenteuer zu tun und ist für weniger trainierte Menschen auch sehr grenzwertig. Da man doch verhältnismäßig langsam unterwegs ist, erlebt und sieht man aber super viel auf dem Rad. Und der schönste Nebeneffekt einer solchen Tour ist die Form, die 14 Tage nachher anschlägt! Leider etwas zu spät für diese Saison.

Geschafft! Endlich mit unseren Velohelm ICON X am Schwarzen Meer angekommen, auch wenn wir die letzte Etappe mit dem Zug gefahren sind.
Geschafft! Endlich am Schwarzen Meer angekommen, auch wenn wir die letzte Etappe mit dem Zug gefahren sind.


Kurzum – es war der Hammer! So viel zu erleben, nette Menschen zu treffen und die Welt zu sehen, das ist unser Antrieb. Wir würden sofort wieder starten und haben den Plan für den nächsten Trip bereits in unseren Köpfen.


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Text & Fotos: Alex Stark & Carsten Maiwald