
„ID2“ – das klingt erstmal nach Ladekabel und Sprachsteuerung. Doch was Wilier da mit dem neuen Rave SLR ID2 abliefert, ist alles andere als stromlinienförmige Langeweile. Es ist bunt, laut, kompromisslos. Und es will nur eins: gewinnen. Mit dem Rave SLR ID2 bringt der italienische Traditionshersteller ein Update auf die Bühne, das nicht nur optisch an eine Neon-Rave-Party erinnert. Auch technisch geht das Bike neue Wege – und lässt alte Zöpfe wie Allroad-Kompromisse kurzerhand hinter sich.
Mit einem Preis von 9.900 € ist das neue Topmodell nicht nur 300 € günstiger als das alte Modell, sondern es kommt auch mit fetten 50-mm-Schlappen und Luft für bis zu 52 mm breite Pneus. Endlich – denn die 42 mm des Vorgängers reichten weder für Matsch noch für moderne Rennen. Ob der Racing-Monstertruck im Rave-Look auch das Zeug zum Gravel-Racing-Podium hat, haben wir für euch herausgefunden.


Pixel Green statt Hulk Green: Das Wilier Rave SLR ID2 im Detail
Erst letztes Jahr hat Wilier mit dem Wilier Verticale SLR ein grelles Statement in Hulk-Grün gesetzt – jetzt folgt die Fortsetzung in leicht abgedunkelter Form. Laut Wilier wurde es von alten Röhrenbildschirmen und Lasern auf der Rave-Tanzfläche inspiriert. Wer ein Bike mit Racing-Attitüde und Disco-Charme sucht, wird hier also fündig. 😉
Der Rahmen selbst zeigt klare Kante. Die breiten, tief angesetzten Sitzstreben sind noch markanter als beim Wilier Filante SLR, das Heck wirkt fast wie vom Rennrad übernommen. Das Unterrohr formt einen aerodynamischen Bauch – schmal und lang am Steuerrohr, breit in der Mitte, unten wieder schmaler und runder zulaufend. Eine Silhouette, die stark an das 3T Exploro RaceMax erinnert – und das nicht ohne Grund. Oben soll die schmale Stirnfläche für minimalen Luftwiderstand sorgen, während das breitere Profil unten dabei helfen soll, die Strömung gezielt um die Trinkflaschen zu lenken. Schriftzüge, Verzierungen, spiegelnde Decals auf den Miche Graff Aero 48-Laufrädern vollenden das optische Feuerwerk. Nur das Neon-Grün auf Gabel und Sitzstreben sticht farblich heraus und will nicht so recht dazupassen.



Mit nur 8,0 kg in Größe L zählt das neue Rave SLR ID2 – in Anbetracht der üppigen 50-mm-Reifen – zu den leichtesten Race-Gravel-Bikes auf dem Markt. Der Rahmen allein bringt laut Wilier gerade einmal 900 g auf die Waage.
Zum Vergleich: Ein 3T Exploro RaceMax Italia war in unserem Vergleichstest mit ähnlich breiten Reifen spürbar schwerer unterwegs. Das ROSE BACKROAD FF liegt beim Gesamtgewicht auf ähnlichem Niveau – kommt aber mit schmaleren Reifen. Im Vergleich zum Vorgänger hat Wilier beim ID2 rund 400 g zugelegt, bietet dafür aber deutlich mehr Luft für breite Pneus, mehr Steifigkeit und mehr Aero.


Während der Vorgänger noch irgendwo zwischen Allroad und Gravel balancierte, ist jetzt Schluss mit Zickzackkurs. Der Vorgänger des Rave SLR wollte vieles zugleich sein: Allroad-Rennrad und Gravel-Racer mit zwei Cockpit-Optionen und begrenzter Reifenfreiheit als Spagatlösung für Asphalt und Schotter. Ein Bike zwischen den Welten – aber ohne klares Bekenntnis zur Startlinie. Das neue Rave SLR ID2 ist jetzt ein reines Race-Gravel-Bike – gebaut für Geschwindigkeit, Effizienz und Attacken auf dem Schotter. Die Reifenfreiheit wurde auf 52 mm erweitert, die Umwerferaufnahme gestrichen, das Aero-Profil geschärft. Trotz großzügiger Reifenfreiheit und einer Menge Anschraubpunkte ist das neue Rave SLR alles andere als ein Bummelbike fürs Bikepacking und das nicht nur wegen seiner verdammt sportlichen Optik. Auch die Ausstattung ist voll und ganz auf Racing ausgelegt.

Italo-Disco: Die Ausstattung des Wilier Rave SLR ID2
Unser Testbike Rave SLR ID2 macht schnell klar, was Gravel-Racing für Wilier bedeutet: kompromisslose Top-Komponenten mit italienischer Handschrift. Fast alle Komponentenmarken stammen – typisch Wilier – aus dem Heimatland, nur die Schaltgruppe kommt aus Übersee: Im Herzen arbeitet eine SRAM RED XPLR AXS, die mit einer Kombination aus 10–46er-Kassette und 40er-Kettenblatt eine angenehm breite Übersetzung für welliges Terrain mit kurzen Antritten und knackigen Rampen bietet. Doch da man bei einem Rennen bekanntermaßen vor allem auf Geschwindigkeit aus ist, wünscht man sich schnell ein größeres Blatt vorne.
Wilier hat es wieder getan – kein Powermeter. Bei einem Bike für knapp 10.000 €, das klar auf die Startlinie der UCI Gravel Series zielt, wirkt das wie ein Rückfall in analoge Zeiten. Schon der Vorgänger war in unserem Race-Gravel-Vergleich ohne Leistungsmesser an der Startlinie und das ist auch hier ein echter Wermutstropfen.


Neben dem neuen Grün und zwei weiteren Farbvarianten gibt’s auch ein Wiedersehen mit dem bekannten, knalligen Lila. Das neue Rave SLR ID2 ist in insgesamt neun Ausstattungsvarianten erhältlich – verteilt auf vier Lackierungen: Pixel Green, Glitch Black, Neon Purple und Byte Cream. Die Preise starten bei 4.400 € mit mechanischer Shimano GRX-1×12-Schaltung und reichen bis 9.900 € mit kabelloser SRAM RED XPLR AXS-Gruppe.


In den günstigeren Varianten mit GRX oder Rival setzt Wilier auf ein klassisches, zweigeteiltes Cockpit und andere Laufradsätze, ebenfalls aus dem Hause Miche, allerdings weniger tief und mit einem stärkeren Fokus auf Allround-Performance. Ob auch eine SL-Variante erhältlich sein wird, ist noch unklar.



Wilier Rave SLR ID2 2026
9.900 €
Ausstattung
Sattelstütze Wilier D-Shaped
Bremsen SRAM RED AXS HRD 160/160 mm
Schaltung SRAM RED XPLR AXS 1 x 13
Kettenblatt 40
Vorbau Wilier F Bar 114 mm
Lenker Wilier F Bar 390 mm
Laufräder Miche Graff Aero 48 12 x 100 / 12 x 142
Reifen Vittoria Terreno T50 Mixed 700 x 50c
Kurbeln SRAM RED XPLR AXS 172,5 mm
Kassette SRAM RED XPLR XG-1391-E1 10-46T
Technische Daten
Größe XS S M L XL XXL
Gewicht 8,00 kg
Besonderheiten
Breite Reifenfreiheit
Breite Sitzstreben
Kein Powermeter
Die Umwerferaufnahme hat Wilier gestrichen, um Platz für breite Reifen zu schaffen und setzt damit ein klares Statement für 1x-Setups und mehr Reifenfreiheit. Das schließt aber auch alle 2x-Gruppen, wie die Shimano GRX 2×12, aus der Konfigurationsliste aus.



Das hauseigene F-Bar-Cockpit mit 114 mm Vorbau und 390 mm breitem Lenker erinnert an das optisch cleane und elegante Setup des Wilier Filante SLR. Und auch die Miche Graff Aero 48-Carbon-Laufräder passen ins Bild: Tief, schnell und mit spiegelnden Decals bieten diese besonders viel Style. Die Vittoria Terreno T50 Mixed-Reifen in üppigen 700 x 50C rollen auf diesen Felgen und bieten ordentlich Volumen für Traktion, Komfort und Reserven auf grobem Untergrund.

Die Geometrie des Wilier Rave SLR ID2
Die Geometrie spricht ebenfalls eine eindeutige Sprache und verspricht mit einem Stack-to-Reach von 1,47 in Größe L eine sportliche, aber nicht radikale Sitzposition. Zum Vergleich: Der Sieger aus unserem Race-Gravelbike-Vergleich 2025, das ROSE BACKROAD FF, liegt bei deutlich gestreckteren 1,41. Dazu kommen mit 421 mm recht kurze Kettenstreben und ein kurzer Radstand – Zutaten, die auf dem Papier für Wendigkeit und Antrittsstärke stehen. Wilier setzt hier auf klassische Race-Gravel-Werte, ohne in Extreme abzudriften.
Größe | XS | S | M | L | XL | XXL |
---|---|---|---|---|---|---|
Reach | 375 mm | 381 mm | 387 mm | 393 mm | 400 mm | 408 mm |
Stack | 532 mm | 546 mm | 561 mm | 579 mm | 597 mm | 617 mm |
Kettenstrebe | 419 mm | 419 mm | 421 mm | 421 mm | 423 mm | 423 mm |
Sattelrohr | 450 mm | 480 mm | 500 mm | 520 mm | 540 mm | 560 mm |
Sitzwinkel | 75,5° | 74,7° | 74° | 73,5° | 73° | 73° |
Lenkwinkel | 69,2° | 70° | 70,8° | 71,2° | 71,6° | 72° |
Oberrohr | 516 mm | 532 mm | 549 mm | 566 mm | 583 mm | 597 mm |
Steuerrohr | 107 mm | 118 mm | 131 mm | 148 mm | 166 mm | 185 mm |
Radstand | 1014 mm | 1017 mm | 1022 mm | 1031 mm | 1042 mm | 1052 mm |
Neongrüne Dance-Moves? Das Wilier Rave SLR ID2 im Test
Das neue Wilier Rave SLR ID2 sieht aus wie ein Dancefloor auf zwei Rädern – und fährt sich auch so. Das integrierte F-Bar-Cockpit überzeugt mit gelungener Ergonomie: Der 390 mm breite Oberlenker mit 420 mm in den Drops harmoniert sehr gut mit der Rahmengröße L – schmal genug für Speed auf der Geraden, breit genug für Kontrolle in den Drops. Dazu die elegant geschwungenen Unterlenker, die auch Offroad sicheren Halt bieten. Alles sitzt, alles greift – und das spürt man im Handling. Das Rave SLR ID2 lenkt messerscharf, bleibt trotz der 50 mm breiten Terreno-Reifen verblüffend verspielt und weckt sofort Vertrauen. Enge Kurven werden zur Spielwiese, Ausweichmanöver bei Highspeed gelingen intuitiv.


Und in technischen Abfahrten? Da schiebt das Rave die Komfortkarte nach: Während der Rahmen eher steif bleibt, bügeln die fetten Pneus Unebenheiten angenehm glatt. Das sorgt sowohl für Sicherheit als auch Geschwindigkeit – und diese eine Linie, die ihr sonst nie genommen hättet.

Im Wiegetritt zeigt das Wilier dann seine wahre Stärke. Der Antritt ist explosiv und direkt. Kein Zögern, kein Nachfedern. Watt rein, Vortrieb raus. Und das nicht nur auf losem Untergrund: Selbst auf Asphalt rollt das Rave für die enorme Reifenbreite erstaunlich leichtfüßig.
Gleichzeitig bleibt der Rahmen im Antritt und unter Last wunderbar steif – kein Energieverlust, volle Effizienz. Selbst die fetten Reifen laufen entgegen der ersten Vermutungen erstaunlich leicht über Gravel und Asphalt. So lässt sich nicht nur in der Abfahrt, sondern auch auf der Ebene und im Anstieg ordentlich Tempo machen, noch schöner wäre es natürlich, wenn man einen Powermeter fürs Pacing hätte. All in all macht das neue Rave SLR ID2 aber extrem viel Spaß und hält alle Versprechungen, die es in puncto Gravel-Race-Performance macht.
Tuning-Tipp: Wer ambitioniert Rennen fahren möchte, sollte über ein größeres Kettenblatt mit integriertem Powermeter nachdenken.

Für wen ist das Wilier Rave SLR ID2?
Das Rave SLR ID2 richtet sich an alle, die im Gravel-Rennen Präzision, Agilität und Leichtfüßigkeit suchen. Auf schnellen Kursen, in engen Kurven und bei jeder Attacke liefert Wilier hierfür das passende Werkzeug. Ambitionierte Fahrer, die bei Events wie The Traka oder Unbound nicht nur mitrollen, sondern vorne mitmischen wollen, bekommen mit dem ID2 eine Race-Plattform mit Ansage.
Aber auch wer nicht auf der Startliste der UCI Gravel Series steht, sondern einfach ein direktes, sportliches Gravel-Bike mit stilsicherem Auftritt sucht, wird hier glücklich. Denn trotz aller Race-DNA überrascht das Rave mit Komfort, sattem Grip und einem verspielten Charakter, der auf jeder Ausfahrt Laune macht.

Fazit
Mit dem Rave SLR ID2 liefert Wilier kein simples Update, sondern ein klares Statement: weg vom Allroad-Kompromiss, hin zur echten Gravel-Rennmaschine. Agil, präzise und überraschend komfortabel – das Bike fühlt sich in Kurven, auf schnellen Kursen und im Gelände pudelwohl. Auch wenn die Optik polarisiert, die Performance überzeugt! Einziger Wermutstropfen bleibt das fehlende Powermeter. Trotzdem: ein verdammt spaßiger Gravel-Racer mit klarer Renn-DNA.

Tops
- leichtes Gewicht
- sehr breite und griffige Pneus mit viel Reserven
- starker Antritt

Flops
- kein Powermeter am fast 10.000 € teuren Racing-Gravel-Bike
- Rahmenform ist optisch Geschmackssache
Mehr Information findet ihr unter wilier.com
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Text: Jan Fock Fotos: Jan Fock