Wilier schickt mit dem Filante SLR Astana-Premier Tech Team Edition eine echte WorldTour-Maschine ins Rennen. Hat es mit seinem Laufrad-Upgrade, der Tubular-Bereifung und den CeramicSpeed-Komponenten an Umwerfer und Tretlager Vorteile gegenüber den vier anderen schnellsten Race-Bikes der Saison 2021? Das erfahrt ihr hier.
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Race-Bike 2021 – 5 Highend-Modelle im Test
Zugegeben: Das Wilier Filante SLR Astana-Premier Tech Team Edition sprengt den Rahmen dieses Vergleichstests ein wenig, da ihr es nicht genau in dieser Ausführung von der Stange kaufen könnt. Finden wir aber nicht schlimm – wann bekommt man schon mal ein echtes Profi-Bike vor die Nase gesetzt? In diesem Trimm mit den dicken Kettenblättern, den Vollcarbon-Laufrädern, die pro Rad nur 12 Speichen haben, und den großen CeramicSpeed-Leitröllchen sieht das Bike Ehrfurcht erregend aus. Ohne Profi-Kondition traut man sich kaum aufzusteigen. Um genau dieses Bike zu fahren, müsst ihr bei der Serienversion die Laufräder gegen die Corima 47 MCC WS+ Laufräder tauschen. Wir würden uns diesen Tausch allerdings sparen und nicht auf Tubular umsteigen, denn ohne Support-Car im Alltag wiegen die Vorteile nicht die Nachteile bei einer Panne auf. Für unser Test-Bike setzt Wilier auf die Shimano DURA-ACE Di2-Schaltgruppe mit 53/39 T-Kettenblättern und einer 11–30 T-Kassette. Für den Einsatz im Rennen mag das die richtige Wahl sein, für uns und viele von euch sind die vorhandenen Gänge aber zu schwer, sobald es etwas steiler wird. Die Schaltperformance ist erstklassig und noch etwas schneller und knackiger als bei der Konkurrenz von SRAM. Einen Powermeter haben wir am Wilier nicht vorgefunden, was bei einem Bike dieser Kategorie ärgerlich ist.
Weißes Trikot des besten Nachwuchsprofis des Giro d’Italia bei Bobshop besorgen, auf diese Maschine springen und sich fühlen wie Alexander Wlassow – wenn wir jetzt noch seine Beine hätten …
Wilier Filante SLR Astana-Premier Tech Team Edition 2021
14.500 €
Ausstattung
Sattelstütze Wilier Filante Custom Made 15 mm
Bremsen Shimano DURA-ACE BR-R9170 160/140 mm
Schaltung Shimano DURA-ACE Di2 R9170 2 x 11
Kettenblatt 53/39
Vorbau Wilier Filante Bar Integrated 100 mm
Lenker Wilier Filante Bar Integrated 420 mm
Laufräder Corima 47 MCC WS+
Reifen tires 25 mm
Technische Daten
Größe XS S M L XL XXL
Gewicht 6,7 kg
Besonderheiten
asymmetrische Gabel und asymmetrischer Hinterbau
Corima-Laufräder mit Tubular-Reifen
CeramicSpeed-Leitröllchen
CeramicSpeed-Tretlager
Das Filante SLR kommt mit einer 160-mm-Bremsscheibe vorne und einer 140-mm-Scheibe hinten. Die Bremsen packen ordentlich zu, sind gut modulierbar, aber nicht ganz so bissig wie die SRAM RED HRD-Bremsen. Die 140-mm-Scheibe am Heck ist nur für Fliegengewichte zu empfehlen; wir würden hier lieber eine 160-mm-Scheibe sehen. Das Alleinstellungsmerkmal des Bikes in diesem Test ist sein Tubular-Aufbau. Es rollt auf Corima 47 MCC WS+ Laufrädern, die wenig zum Komfort des Bikes beitragen. Darauf montiert sind Vittoria Corsa Tubular-Reifen in 700 x 28C. Sie fallen hier nur 25 mm breit aus, sorgen aber trotzdem für eine gute Vibrationsdämpfung und heben den Gesamtkomfort des Wilier damit auf ein durchschnittliches Level. Die Tubular-Bereifung sorgt zwar für das unbeschreibliche Tubular-Fahrgefühl, ist aber für den Alltag eher unpraktisch. Wer will schon ständig einen Ersatzreifen oder Dichtmilch herumschleppen? Unser Test-Bike liegt mit 6,7 kg in Größe L unter dem UCI-Limit, ist das leichteste Bike im Test und kostet mit dem Laufrad-Upgrade 14.500 €.
Größe | XS | S | M | L | XL | XXL |
---|---|---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 450 mm | 480 mm | 500 mm | 520 mm | 540 mm | 560 mm |
Oberrohr | 515 mm | 530 mm | 543 mm | 556 mm | 570 mm | 583 mm |
Steuerrohr | 104 mm | 119 mm | 135 mm | 154 mm | 166 mm | 181 mm |
Lenkwinkel | 70,8° | 72,0° | 72,5° | 73,0° | 73,0° | 73,5° |
Sitzwinkel | 75,2° | 74,5° | 74,0° | 73,5° | 73,0° | 72,5° |
Kettenstrebe | 407 mm | 407 mm | 408 mm | 410 mm | 411 mm | 411 mm |
Radstand | 981 mm | 984 mm | 990 mm | 997 mm | 1.002 mm | 1.006 mm |
Reach | 380 mm | 384 mm | 388 mm | 391 mm | 395 mm | 399 mm |
Stack | 505 mm | 521 mm | 538 mm | 555 mm | 571 mm | 587 mm |
Auf kein anderes Bike im Test waren wir so gespannt wie auf das Wilier Filante SLR Astana-Premier Tech Team Edition. Wie würde sich die originale WorldTour-Maschine gegen Race-Bikes von der Stange schlagen? Zusammengefasst: Es gibt Licht und Schatten. Trotz des geringen Gewichts kann es bergauf nicht ganz mit den beiden schnellsten Bikes mithalten. Der dicke Gang führt an steilen Anstiegen mit 250 W zu sehr niedrigen Trittfrequenzen, beeinträchtigt dadurch die Effizienz und lässt die Muskeln schneller ermüden. Das Wilier würde mit einer leichteren Übersetzung bergauf deutlich besser funktionieren. Seine größere Schwäche liegt allerdings in der Effizienz in flachem und welligem Gelände, die zwar nicht wirklich schlecht ist, aber bei weitem nicht auf dem Top-Niveau des Tarmac SL7 liegt.
Nachdem das Filante aus jeder Situation äußerst willig beschleunigt und ständig Tempoverschärfungen fordert, braucht es etwas mehr Input der Beine, um die Geschwindigkeit zu halten. Hier verliert das Bike die meiste Zeit, die es auch als schnellstes Bike in der Abfahrt nicht mehr aufholen kann. Dort macht es durch das Tubular-Fahrverhalten in Kurven besonders viel Spaß. Die errechnete Teststrecke mit einer Länge von 150 km und knappen 2.000 positiven Höhenmetern hat das Wilier mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25,8 km/h zurückgelegt und dafür 5:48:05 h benötigt. Bei der Präzision liegt das Bike auf Top-Niveau, lenkt allerdings sehr direkt ein. Das geht auf Kosten des Geradeauslaufs und kann vor allem auf Neulinge nervös wirken.
Tuning-Tipps: eine etwas alltagstauglichere Laufrad-Reifen-Kombination – am besten nicht Tubular | 160-mm-Bremsscheibe hinten für mehr Standfestigkeit | Powermeter montieren, um die volle Kontrolle zu haben.
Fahreigenschaften
4Agilität
- träge
- verspielt
Laufruhe
- nervös
- laufruhig
Handling
- fordernd
- ausgewogen
Fahrspass
- langweilig
- lebendig
Komfort
- straff
- komfortabel
Preis-Leistung
- schlecht
- sehr gut
Fazit
Das Wilier Filante SLR Astana-Premier Tech Team Edition zeigt in dieser Ausstattung, dass WorldTour-Bikes für WorldTour-Fahrer gemacht sind. Wer nicht mit den Beinen, der Herzleistung und den Handling-Skills eines Profis gesegnet ist, wird mit den dicken Gängen und dem spitzen Handling überfordert sein und in Ineffizienz verfallen. Wir werden für ein paar Jahre ins Trainingslager gehen, um danach wieder auf dieses beeindruckende Bike zu steigen und sein volles Potential auszuschöpfen.
Tops
- Tubular-Bereifung: sorgt für dieses ganz spezielle Fahrgefühl
- CeramicSpeed, so weit das Auge reicht
- gute Vibrationsdämpfung
- leichtfüßige Beschleunigung aus jeder Lebenslage
Flops
- Tubular-Bereifung: ist im Alltag ohne Support-Car wenig brauchbar
- neigt zur Nervosität an der Front
- kein Powermeter verbaut
Mehr Informationen findet ihr unter wilier.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Race-Bike 2021 – 5 Highend-Modelle im Test
Alle Bikes im Test: BMC Teammachine SLR01 ONE (Zum Test) | SCOTT Addict RC Pro (Zum Test) | Specialized S-Works Tarmac SL7 (Zum Test) | Trek Émonda SLR 9 eTap (Zum Test) | Wilier Filante SLR Astana-Premier Tech Team Edition (Zum Test)
Hier wird Strecke gemacht und über lange Zeit ein hohes Tempo angeschlagen. Alles was topfeben ist oder sich zwischen super kurz, aber knackig steil und etwas länger, aber nur wenige Höhenmeter bewegt, fällt in diese Kategorie. Wer hier schnell sein will, braucht ein Bike, das vor allem mit einer ausgezeichneten Aerodynamik und höchster Effizienz überzeugen kann – denn ab 15 km/h in der Ebene ist der Luftwiderstand die größte Kraft, die zu überwinden ist. Gewicht tritt hingegen in den Hintergrund, da weder ständig neu beschleunigt wird noch gegen die Erdanziehung gekämpft werden muss. Die beste Aerodynamik des Bikes bringt jedoch nichts, wenn der Fahrer alles zunichtemacht und für viel Luftwiderstand sorgt – schließlich ist er für 75 % des gesamten Luftwiderstands verantwortlich. Um auf diesem Terrain voll aufzublühen, muss ein Rad deshalb auch bei Ergonomie und Komfort punkten, damit der Fahrer über lange Zeit eine tiefe und aerodynamische Sitzposition halten kann. Neben der Aerodynamik spielen Rollwiderstand, Komfort und Laufruhe eine tragende Rolle. Reifendimensionen und -druck sollten deshalb an den Untergrund angepasst sein, um maximale Geschwindigkeit in der Ebene und auf welligem Terrain zu ermöglichen. Ein nervöses Bike wird euch schneller ermüden lassen, da es ständig Arbeit erfordert, um auf Linie zu bleiben.↩
Je steiler der Berg, desto wichtiger wird das Gewicht des Rads im Verhältnis zur Aerodynamik. Das liegt daran, dass die Geschwindigkeit und damit der Luftwiderstand mit größeren Steigungsprozenten abnimmt, während die Erdanzieung einen umso stärker zurück ins Tal holen will. Steifigkeit an den richtigen Stellen sorgt hier im Zusammenspiel mit einer sinnvoll gewählten Übersetzung für maximale Kletter-Effizienz. Ein gutes Kletter-Bike überzeugt mit geringem Gewicht und einer Übersetzung, die euch eine runde und angenehme Trittfrequenz ermöglicht. Es lässt aber auch die Aerodynamik nicht außer Acht, da meist nach jedem Berg eine Abfahrt wartet – und was bringt die beste Zeit am Berg, wenn der ganze Vorsprung durch schlechte Aerodynamik im Downhill wieder zunichtegemacht wird?↩
Schnell einen Berg hinunter zu fahren, ist die Königsdisziplin und sowohl für Fahrer als auch für Bike die anspruchsvollste Aufgabe. Je steiler und verwinkelter die Abfahrt, desto größer sollten nicht nur die Steuerkünste des Piloten sein, auch die Anforderungen an das Bike selbst steigen in gleichem Maße. Ein gutes Downhill-Bike verbindet Aerodynamik mit einem ausgewogenen Handling. Es sollte dabei agil und gleichzeitig laufruhig sein, um schnelle Richtungswechsel zu beherrschen und bei Highspeed sicher in der Spur zu bleiben. Höchste Präzision ist dabei ebenfalls nötig, um die gewählte Linie zu treffen, ohne nachsteuern zu müssen und dadurch nervöse Momente zu schaffen. Wer schnell fährt, braucht einen guten Anker: Kräftige und gut zu dosierende Bremsen sind die Basis eines jeden guten Downhill-Bikes. Um die Bremskraft auch auf den Boden zu bringen, braucht es Reifen mit gutem Grip – auch für schnelle Kurvenfahrten sind sie unverzichtbar. Für den Grip in Kurven ist neben den Reifen auch der Rahmen selbst verantwortlich. Ist er bretthart, baut sich nur wenig Grip auf oder er bricht bei kleinsten Unebenheiten sofort ab. Eine angemessene Verwindung verhindert dies und sorgt für optimalen Kurvengrip. Doch der Grat ist schmal und allzu schnell wird ein Bike einfach nur schwammig und unpräzise.↩
In diesem Artikel stellen wir unser Bewertungssystem ausführlich vor: Hier klicken! ↩
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Text: Fotos: Valentin Rühl