Toskana! Löst dieses eine Wort bei euch genauso viel Sehnsucht aus wie bei uns? Woher kommt das? Nach unserem Rennrad-Vergleichstest haben wir uns mit einem Jaguar und unseren Bikes aufgemacht, um das herauszufinden. Wein, Dolce Vita und Gravel-Porn à la Strade Bianche – hier kommt die volle Ladung Toskana-Inspiration!

Die Zeit verweilt lange genug für denjenigen, der sie nutzen will. – Leonardo da Vinci

Ja, die Agenda unserer Vergleichstests ist meist so vollgepackt, dass am Anfang niemand von uns weiß, wie wir das alles schaffen wollen. Doch wer wirklich etwas erreichen will, findet immer einen Weg. Und stößt dabei teilweise auf ein interessantes Phänomen: Ist euch schon mal aufgefallen, dass ihr komplett über euch hinauswachst, wenn ihr an einem Tag mehr vorhabt, als eigentlich menschenmöglich ist? Dass euer Drive und eure Motivation einen großen Sprung machen, wenn ihr ein klares Ziel vor Augen habt – und sich die Zeit auf einmal auszudehnen scheint, wodurch wie durch ein Wunder viel mehr in einen Tag passt als sonst? Dass spontane Entscheidungen, Zufälle und Begegnungen dazu führen, dass scheinbar unmögliche Dinge möglich werden?

Genau das ist uns in der Toskana passiert: Wir haben die heißesten Rennräder des Jahres getestet, darüber diskutiert, aber noch mehr erlebt – auf dem Bike, neben dem Bike und manchmal, wenn das Weinglas zu voll war, auch ohne Bike. Plötzlich war es gar kein Problem mehr, alle Punkte auf unserer Agenda abzuhaken, plötzlich hatte sich die Zeit sogar so weit ausgedehnt, dass auf eben dieser Agenda noch viel mehr Platz war. So kam es, dass wir nebenbei noch Weingüter besucht, die bezaubernde Aussicht nach Elba genossen und in Siena auf dem berühmten Piazza del Campo angestoßen haben.

Die Bikes unserer Wahl um die Toskana zu entdecken:
SCOTT Addict eRIDE Premium und Wilier Filante SLR – beide findet ihr auch in unserem Rennrad-Vergleichstest. Und an einem Ruhetag auf dem E-Rennrad bleibt der Radcomputer natürlich entspannt zu Hause.

Tasting beim Testing

Ist es Zufall, dass wir unseren Vergleichstest in der Toskana gemacht haben, einem der besten Weinanbaugebiete weltweit? Kein Kommentar! Doch wir wollten mehr als nur Wein genießen, wir wollten auch etwas davon verstehen. Da traf es sich gut, dass unser Freund Magdy in einer Seitengasse des Marktplatzes von Massa Marittima die Enoteca Il Bacchino führt. Hier verkauft er Spitzenweine exklusiver Preisklassen – und teilt freudig sein Wissen, für das er weit über die Region hinaus bekannt ist. Wir haben uns nicht lange bitten lassen und eine Weinprobe gemacht. Braucht es mehr zum Glück als famose Gesellschaft, einen guten Tropfen und feinsten Parmesan, der den Charakter des Weins perfekt untermalt? Grazie, Magdy!

Dolce Vita alla Mamma Schmitt

Die Tenuta il Cicalino in Massa Marittima war unser temporäres GRAN FONDO-Landgut und die perfekte Basis, um sich trotz oder gerade wegen der vollgepackten Agenda auch mal in italienischer Gelassenheit zu üben. Hier versorgte uns „Mamma“ Schmitt mit italienischer Amore und deutscher Präzision aus dem Kochtopf – ortstypische Gerichte um Punkt 12.35 Uhr. Es muss nicht immer Sterneküche sein, oft liegt das Gute in der Einfachheit! Und es muss auch nicht immer eine italienische Mamma sein, wie Mama Schmitt aus dem Schwabenländle beweist! Auf unserem Gut stand nämlich die Mutter von GRAN FONDO-Gründer Robin Schmitt am Kochtopf, um uns kulinarisch exzellent zu versorgen.

Outback calling

Die spannendsten Entdeckungen macht man abseits der ausgetretenen Touristenpfade und Tourihochburgen. Schiefer Turm von Pisa oder Kathedrale von Florenz? Davon gibt es ohnehin schon Tausende Bilder. Lasst die vermeintlichen Sightseeing-Highlights links liegen, öffnet die Scheuklappen und entdeckt die Schönheit des Seins! Im hügeligen Hinterland gibt es die wahre Toskana: charakteristische Zypressenalleen, Olivenhaine, Weinreben und menschenleere Landstriche, die mit ihren verträumten Sträßchen Bike-Träume Wirklichkeit werden lassen. Dazu historische Altstädte, kleine Cafés und das verschmitzte Lächeln der Locals.

So nah und doch so fern

Piombino – raue Industriestadt, in der sich dennoch historische Elemente vom Mittelalter bis zur Neuzeit finden. Der eigentliche Grund für unseren Besuch war aber der unvergleichliche Blick, den man von der Sonnenterrasse des Piazza Bovio hoch über der Felsenküste erhaschen kann. Von hier aus ließen wir unsere Sehnsüchte bis hinüber nach Elba schweifen.

Pizza del Ciclista

In Pizzerien weitgehend unbekannt, unter Roadies berüchtigt und nicht zum Verzehr geeignet: die Pizza der Radfahrer. Trotz aller Skills steht sie leider manchmal auf dem Speiseplan eines Bike-Testers. Wohl bekomms!

Erholung auf dem Weingut

Das leuchtend rote Backsteingebäude des exklusiven Weinguts Rocca di Frassinello liegt flach gedrungen auf einem von zahllosen Hügeln und ist schon von Weitem zu sehen: ein zeitgenössisches Kunstwerk der Architektur von Renzo Piano. Das Herzstück der Anlage ist der majestätische Keller, der fast schon mystisch anmutet und in seiner Form an römische Arenen erinnert. Hier reifen verschiedene Jahrgänge im Barrique und werden durch dessen Aroma veredelt. 1.100 dieser Holzfässer fasst der Keller maximal – genug für bis zu 400.000 Flaschen Wein pro Jahr. Eine davon, den exklusiven Baffonero, haben wir uns in der Frühlingssonne gegönnt. What a day to be alive! Zum Glück hat uns an diesem Tag unser Chefredakteur Ben mit dem Jaguar abgeholt. Never drink and drive – außer ihr seid geschäftlich in Taiwan und ohnehin professioneller Stuntman!

Dolce Vita oder Rennwagen? Unser Jaguar F-Pace P400

Wir lieben es, Optionen zu haben! Die besten Strecken sind für einen kurzen Tagesausflug mit dem Rennrad zu weit entfernt? Traumhaftes Siena, Zielort der Strade Bianche, und Sonnenuntergang an der Küste an einem Tag? Easy! In Momenten wie diesen haben wir die Bikes einfach auf den Radträger gepackt und entspannt den Startpunkt erreicht, ohne zuvor zwei Stunden auf der Transfer-Etappe pressen zu müssen. Unser Support-Car für die Toskana war der Jaguar F-Pace mit sportlichen 400 PS, der uns mit seiner Beschleunigung und seinem Fahrspaß mehrmals aus dem Dolce Vita der Toskana gerissen hat! Ist er also ein auto da corsa – ein Rennwagen? Nicht nur das: Er ist in leichtem Gelände geklettert, entspannt über die holprigen weißen Straßen geglitten, hat sich sportlich in Kurven gekrallt und ist schnell über die mit Schlaglöchern gespickten Autobahnen der Toskana geflogen. Dazu gab es Massagesitze für die geschundenen Roadie-Körper und ein erstklassiges Audioerlebnis – was braucht es mehr? Wäre der elegante Brite ein Rennrad, wäre er ein heißer Anwärter auf den Sieg in unserem Vergleichstest.

Goldene Erinnerungen und toskanische Wahrheiten

Hoch oben auf einem Hügel liegt die Tenuta Poggetti, historischer Sitz der Adelsfamilie Moris. Auf den fruchtbaren Böden rings um das Farmhaus wachsen neben Weinreben und Olivenbäumen auch Pinienwälder und Mandarinenbäume. Wer am Wildschweingehege des Anwesens steht, blickt bis weit hinunter ans Meer über endlose Zypressenalleen, die auf das Vermächtnis der Familie hinweisen – die Länge einer Zypressenallee korrelierte früher mit dem Wohlstand ihres Besitzers. Nach dem weiten Blick über die mit goldenen Erinnerungen an den Tag getränkte Landschaft haben wir am offenen Kamin der Tenuta den Tag und den Vergleichstest Revue passieren lassen. Wir haben das Sprichwort wörtlich genommen, tief ins Glas geschaut und die Wahrheit im hauseigenen Wein gesucht. Was wir dort unten am Boden unseres leeren bauchigen Glases gefunden haben?

Zwei Wahrheiten können sich nie widersprechen. – Galileo Galilei

Die erste Wahrheit ist, dass unsere Vergleichstests verdammt harte Arbeit sind. Bikes aufbauen, testen, diskutieren – lange Tage mit viel Laktat in den Beinen. Rücksicht auf Wochenenden? Fehlanzeige! Abends dann Daten aufbereiten, analysieren und weiter diskutieren. Intensiv, aber geil, erkenntnisreich und zuweilen brisant. GRAN FONDO-Redakteur kann ein echter Knochenjob sein, für den es viel Leidenschaft, Skills und Teamwork braucht. Die zweite Wahrheit ist, dass unsere Tests meist in den schönsten Regionen Europas stattfinden. Trotz Knochenjob wollen wir jedes Mal aufs Neue das Flair dieser Regionen aufsaugen, ihre Kultur entdecken und mit den Locals Espresso trinken. Galileo Galilei hat einmal gesagt, dass sich zwei Wahrheiten nicht widersprechen können. Wir sagen, dass diese beiden Wahrheiten nicht ohne einander existieren können. Denn nur beide zusammen ermöglichen die perfekte Symbiose aus Arbeit und – in diesem Fall – Dolce Vita der Toskana.

So ist das mit den scheinbaren Widersprüchen: Je voller der Zeitplan, desto mehr kriegt man hin. Ohne Arbeit kein Vergnügen, aber ohne Vergnügen fällt auch die Arbeit schwer. Wir fahren am liebsten Rad, doch manchmal brauchen wir ein Auto, um zu den schönsten Strecken zu kommen. Beides stimmt – und wir nehmen von beiden Wahrheiten immer genau das, was wir gerade brauchen, und nennen das Combinism. Lasst euch von dieser Story inspirieren und denkt dran: Jedes Bike, jedes Auto ist nur so gut wie das, was ihr damit erlebt. Egal ob Toskana, Taichung oder Schwabenland!


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Text: Fotos: Robin Schmitt