Mit dem brandneuen Roubaix 2020 schickt Specialized bereits die vierte Generation seines Komfort-Racers in das wohl härteste Eintagesrennen des Jahres: Paris-Roubaix. Was kann das neue Future Shock 2.0-System, was sagt Firmengründer Mike Sinyard dazu und was hat das neue Bike mit dem Kampf der Geschlechter zu tun?

Im brandneuen Specialized Roubaix steckt reichlich Silicon-Valley-Technologie: Laut eigener Aussage ist es leichter als das Venge 2019 und aerodynamischer als das S-Works Tarmac SL6. Als Sahnehaube kommt noch das überarbeitete Future Shock-System dazu: Und voilá, man hat das angeblich fortschrittlichste Rennrad aus dem Hause Specialized.

Specialized S-Works-Roubaix Dura Ace Di2 | 7,55 kg | 10.999 €

Seit nunmehr 15 Jahren verfolgt Specialized mit dem Konzept „Smoother is Faster“ das Ziel, seine Bikes nicht nur durch Aerodynamik- und Gewichts-Tuning, sondern auch durch erhöhten Fahrkomfort schneller zu machen. Mit Erfolg: Auf Bikes, die dieses Prinzip beherzigten, konnten bereits sechs Siege bei Paris-Roubaix eingefahren werden. Das neue Roubaix soll nicht nur die großen Fußstapfen seiner Vorgänger füllen, sondern die Kontrolle des Fahrers und das damit einhergehende Vertrauen auf das nächste Level heben.

Specialized zufolge gibt es zwar viele Wege, Komfort an Bikes zu generieren, aber nicht jede eignet sich auch für Rennräder. An den meisten Rennrädern kommt beispielsweise eine nach hinten bzw. nach vorne flexende Gabel zum Einsatz. Das ist zwar der einfachste Weg, etwas Komfort in die Front zu verbauen, doch er hat einen entscheidenden Nachteil: Wenn man auf ein Hindernis trifft, bewegt sich die Gabel anschließend zurück in die Ausgangsposition und damit entgegen der Fahrtrichtung – das ist schlecht für Effizienz und Geschwindigkeit.

Das Nutzen einer Federgabel, wie man sie aus dem Mountainbike-Bereich kennt, hat den Nachteil, dass man beim Pedalieren wippt – auch hier gehen wichtige Watt verloren. Um das zu verhindern, verbaut Specialized bei Mountainbikes häufig das eigens entwickelte Brain-System, einen automatischen Federgabel-Lock-out. Am MTB wird das problemlos durch das Volumen der Reifen kompensiert. Am Rennrad hingegen sind die Geschwindigkeiten höher und das Volumen der Reifen ist ungleich geringer. Damit würde die Gabel erst einfedern, wenn man bereits am Schlagloch vorbei ist.

Wie bekommt man nun aber mehr Komfort am Rennrad und damit auch mehr Speed? Specializeds Antwort auf diese Frage ist das gedämpfte Future Shock 2.0-System.

Das Specialized Roubaix im Detail: Future Shock 2.0 und Highlight-Features

Bereits im Vorgängermodell des Roubaix 2020 brachte Specialized das Future Shock getaufte Komfort-Konzept zum Einsatz. Dieses Federelement soll das Cockpit von der Gabel entkoppeln und arbeitet daher ganz anders als Federgabeln am Mountainbike. Mit anderen Worten sitzt es über dem Rahmen und ist eine Art einfedernder Gabelschaft. Doch was genau ist der Vorteil der 2.0-Version gegenüber dem bisherigen System, das von dem „alten“ Roubaix und dem Diverge bekannt ist? Die Ingenieure aus Morgan Hill scheinen sich unseren letzten Testbericht genau angeschaut zu haben, denn die neue Entwicklungsstufe des Future Shock verfügt über einen hydraulischen Dämpfer. Damit kann man die Geschwindigkeit regulieren, mit der das System ein- bzw. ausfedert, was dem Fahrer mehr Kontrolle und Anpassungsmöglichkeiten an persönliche Vorlieben bieten soll. Eine Skala auf der Steuersatzkappe zeigt an, wie viel Dämpfung gerade eingestellt ist. Das System bietet wie sein Vorgänger eine axiale Nachgiebigkeit von 20 mm. Laut eigener Aussage wurde beim Design des Future Shock 2.0 besonders auf die Ästhetik geachtet. Kleiner Spoiler an dieser Stelle: Die Optik hat sich im Vergleich zum Vorgänger deutlich verbessert!

Ein Glück gibt es Menschen, die nicht die Physik-AG geschwänzt haben. – Mike Sinyard

Um den Komfort des Roubaix zu gleichen Teilen auf Front und Heck zu verteilen, kommt eine neue Carbon-Sattelstütze zum Einsatz. Die D-förmige Pavé-Stütze ist die erste nachgiebige Aero-Sattelstütze aus dem Hause Specialized. Ihre Compliance ist gleichmäßig über die volle Länge verteilt und soll sich durch die im Rahmen versenkte Klemmung noch besser entfalten können. Das Design der um 65 mm abgesenkten Klemmung soll so nicht nur den Komfort, sondern auch die Aerodynamik des Gesamtsystems verbessern. Die gute Nachricht ist: Die Pavé-Stütze kommt in sämtlichen Modellen zum Einsatz und ist nicht nur den Topmodellen vorbehalten.

Bei der Rahmenkonstruktion benutzten die Specialized-Konstrukteure, wie bereits beim Venge 2019, die sogenannte Free Foil Library – eine markeninterne Bibliothek von Rohrformen, die über ein optimales Gleichgewicht zwischen Komfort, Aerodynamik und Gewicht verfügen sollen. Specialized konnte so nach eigenen Angaben ein Rahmengewicht von knapp unter 900 g in Größe 56 realisieren.

Darüber hinaus haben die Ingenieure erneut auf das sogenannte Rider-First Engineering gesetzt: Bei diesem Konzept sind die unterschiedlichen Rahmengrößen so konstruiert, dass verschieden schwere Fahrer stets in den Genuss einer vergleichbaren Rahmen-Steifigkeit bzw. eines ähnlichen Komforts kommen. Diese Bauweise stemmt sich auf die Hypothese, dass größere Fahrer grundsätzlich schwerer sind. Eine Annahme, die oft zutreffen kann, aber nicht immer richtig sein muss.

Als weiteres Highlight ist die Rückkehr eines totgesagten Features zu begrüßen: Das geschraubte Innenlager kehrt zurück ans Roubaix.

Specialized Roubaix: Beyond Gender

Viele Specialized-Kunden bzw. Kaufinteressenten werden bereits etwas vom hauseigenen Fitting-System der Amerikaner gehört haben: Retül. Die in diesen Bikefittings erhobenen Daten waren die Grundlage für neueste Studien, die den Konstrukteuren von Specialized eines verdeutlicht haben: Es gibt wahrscheinlich mehr Unterschiede zwischen zwei männlichen Radfahrern als zwischen männlichen und weiblichen Bikern. Das bedeutet, dass das Geschlecht allein nicht annähernd genügend Daten zur Verfügung stellt. Demzufolge hat Specialized die Modell-Trennung in Männer und Frauen als willkürlich und veraltet abgetan. Als Konsequenz wird es im Hause Specialized ab sofort nur noch eine Produktpalette geben, jedoch mit mehr verfügbaren Größen.

Unser Roubaix ist nicht mehr nur für Männer – das Rennen sollte es auch nicht mehr sein! – Mike Sinyard

Specialized Specialized Roubaix: Größen und Geometrie

Insgesamt wird das Roubaix in elf Größen verfügbar sein. Dabei wird es alle Modelle in 44 bis 64 geben und die S-Works Teammodelle zusätzlich in 53, 57 und 59. Das Sizing dieser Teammodelle ist hinsichtlich Stack und Reach an die Bedürfnisse der Pro-Teams angepasst und daher auch nur in den Topmodellen erhältlich.

Größe 44 49 52 54 56 58 61 64
Sattelrohr 410 mm 410 mm 446 mm 465 mm 485 mm 505 mm 547 mm 568 mm
Oberrohr 512 mm 525 mm 533 mm 545 mm 563 mm 579 mm 595 mm 609 mm
Steuerrohr 90 mm 100 mm 112 mm 125 mm 143 mm 170 mm 205 mm 215 mm
Lenkwinkel 70,0° 71,5° 72.0° 72,8° 73,5° 73,5 74,0 74,0
Sitzwinkel 74,0° 74,0° 74,0° 74,0° 73,5° 73,5° 73,5° 73,0°
Kettenstrebe 413 mm 413 mm 413 mm 415 mm 415 mm 418 mm 418 mm 418 mm
Tretlager Höhe 265 mm 265 mm 265 mm 266 mm 266 mm 268 mm 268 mm 268 mm
Radstand 981 mm 982 mm 986 mm 988 mm 995 mm 1.014 mm 1.024 mm 1.033 mm
Reach 353 mm 363 mm 368 mm 376 mm 384 mm 392 mm 389 mm 404 mm
Stack 540 mm 555 mm 570 mm 585 mm 605 mm 630 mm 665 mm 675 mm

Abgesehen davon orientiert sich die Geometrie des neuen Roubaix sehr nah an der des Vorgängermodells. In Sachen Reifenfreiheit hat Specialized nachgebessert und garantiert fortan ausreichend Platz für bis zu 33 mm breite Pneus.

Größe 53 57 59
Sattelrohr 465 mm 485 mm 534 mm
Oberrohr 541 mm 562 mm 581 mm
Steuerrohr 90 mm 110 mm 125 mm
Lenkwinkel 72,8° 73,5° 74,0°
Sitzwinkel 74,0° 73,5° 73,5°
Kettenstrebe 415 mm 415 mm 418 mm
Tretlager Höhe 266 mm 266 mm 268 mm
Radstand 983 mm 994 mm 1.012 mm
Reach 381 mm 392 mm 407 mm
Stack 552 mm 574 mm 588 mm