Der Specialized SL 1.1 E-Rennrad-Motor ist der jüngste E-Rennrad-Antrieb im Test. Laut eigener Aussage war die Entwicklung des Systems das bislang größte Investment in der Firmengeschichte von Specialized. Hat sich all der Aufwand gelohnt?

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Der beste E-Rennrad-Motor – Die 5 wichtigsten Motoren für E-Road-Bikes im Test

Das SL 1.1-System verfügt über 35 Nm Drehmoment und ein maximales Unterstützungslevel von 100 %. Das heißt, dass der E-Antrieb im Turbo-Modus eure Leistung verdoppelt. Somit verfügt der Mittelmotor des amerikanischen Unternehmens über ähnliche Leistungsangaben wie der Ebikemotion-Nabenmotor, der mit 40 Nm und 100 % maximaler Unterstützung angegeben ist. Das war es dann jedoch mit den Gemeinsamkeiten! Der Akku des SL 1.1-Systems ist fest in das Unterrohr integriert und verfügt über eine Kapazität von 320 Wh. Bei Bedarf kann er vom Specialized-Händler ausgebaut werden. Zusätzlich bietet Specialized einen Range-Extender mit 160 Wh an, der einfach im Flaschenhalter Platz findet und kinderleicht montiert werden kann. Das Clevere dabei: Er kann wahlweise den Haupt-Akku laden, sequenziell oder auch allein ohne den integrierten Akku genutzt werden.

Bei der Beschleunigung gibt sich der Specialized-Motor sensibel und setzt direkt ein. Hinsichtlich der Verzögerung vom Pedaltritt bis zum Einsetzen des Motors zeigt sich das Specialized-System auf Augenhöhe mit den Konzepten von Bosch und Shimano. Im Eco- und Sport-Modus hält sich der Antrieb dezent im Hintergrund und liefert ausreichend zusätzliche Power, um schneller voranzukommen. Hier zeigt der E-Motor, dass er für den sportiven Einsatz bzw. für Fahrer, die das mitunter schweißtreibende Rennradgefühl auch auf dem E-Road-Bike haben möchten, entwickelt wurde. Im Turbo-Modus entwickelt der E-Antrieb dann genügend Power, damit man auch mit müden Beinen auf die Passhöhe gelangt. Es gilt jedoch auch im Turbo-Modus: 0 % Eigenleistung = 0 % Motorleistung. Das breite Drehzahlband des SL 1.1 hat unsere Tester begeistert! So schafft es das System, im Trittfrequenz-Bereich zwischen 70 und 110 rpm seine volle Leistung zu entfalten – und ist damit wesentlich breiter aufgestellt als die anderen Motoren, die sich teilweise nur bei einer rpm-Differenz von 10 bis 15 so richtig wohlfühlen. Trotz nur 35 Nm Drehmoment und der maximalen Unterstützung von 100 % (zum Vergleich: Bosch verfügt über bis zu 270%) stellt das SL 1.1-System stets genügend Power zur Verfügung und sorgt für ein echtes Grinsen!

Gleichermaßen unerreicht ist das Verhalten des SL 1.1-Systems an der magischen 25-km/h-Schwelle. Auch die E-Veteranen unseres E-MOUNTAINBIKE Magazins sind sich einig: Der Übergang von E-Support zum reinen Muskelbetrieb ist der sanfteste, den wir jemals getestet haben. Der Geschwindigkeitsübergang vermittelt Natürlichkeit wie keines der anderen Systeme im Test.

In Sachen Geräuschentwicklung ist der Specialized-Motor gleichauf mit Shimano und lässt, je nach Support-Modus, von sich hören. Im Vergleich mit dem Shimano STEPS E8000 fällt außerdem der größere Q- Faktor auf: Am Specialized-System ist er mit 181 mm um ganze 6 mm breiter. Für alteingesessene Rennrad-Fans, die jetzt auf das SL 1.1-System umsteigen wollen, könnte das einen bitteren Beigeschmack mit sich bringen.

Hinsichtlich Integration und Bedienung nimmt der Specialized-Motor eine Sonderstellung ein. Der exklusive E-Antrieb ist – zumindest bisher – nur für E-Rennräder der Marke Specialized verfügbar. Dadurch können die US-Amerikaner Motor- und Rahmenkonzepte bis ins Detail und ohne Kompromisse aneinander anpassen. Somit ergibt sich in Verbindung mit der Specialized Mission Control-App, der Turbo Connect-Unit im Oberrohr und dem Turbo Connect-Display ein in sich geschlossenes und ausgesprochen stimmiges Ökosystem. Die App verfügt über zahlreiche Funktionen wie bspw. Anpassung aller Modi, Reichweiten-Kalkulation und Routen-Tracking. Zum Wechseln der Modi muss während der Fahrt die Hand vom Lenker genommen und zum Oberrohr geführt werden. Es bleibt zu hoffen, dass Shimano die Di2-Schalthebel auch für Drittanbieter „öffnet“ und somit aufgeräumte, intuitive und vor allem sichere Lösungen für alle Anbieter zulässt.

Fazit

Das Specialized SL 1.1-System verfügt über den natürlichsten E-Motor und das stimmigste Gesamtkonzept im Vergleichstest! Der nicht spürbare Übergang bei 25 km/h und das breite Trittfrequenzspektrum suchen ihresgleichen. Wenn wir einen Testsieg vergeben würden, wäre es wohl dieser Motor! Der breite Q-Faktor und die Notwendigkeit, die Hand vom Lenker nehmen zu müssen, sind zwar nicht zu vernachlässigende Aspekte. Eine eindeutige Kaufempfehlung ist der SL 1.1 im Vergleich mit seiner Konkurrenz dennoch in jedem Fall – näher an das Rennrad-Feeling kommt kein Antrieb!

Drehmoment 35 Nm
Gewicht Motor 1,82 kg
Support-Modi 3
App-Steuerung ja

Tops

  • natürlichstes Fahrgefühl bei 25 km/h
  • sehr breites Drehzahlband
  • Zusatz-Akku-Option im Trinkflaschen-Look
  • kompatibel mit herkömmlichen GPS-Computern

Flops

  • breiter Q-Faktor
  • Hand muss vom Lenker genommen werden

Mehr Infos unter: specialized.com

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Der beste E-Rennrad-Motor – Die 5 wichtigsten Motoren für E-Road-Bikes im Test

Alle Motoren im Test: Bosch Active Line Plus | Ebikemotion X35 M1 | FAZUA Evation | Shimano STEPS E8000


Dieser Artikel ist aus GRAN FONDO Ausgabe #012

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Text: Benjamin Topf, Felix Stix Fotos: Robin Schmitt