Das Specialized S-Works Venge ViAS gehört zu den erfolgreichsten Aero-Rennrädern im Pro Peloton. Für das Modelljahr 2019 gibt es nicht nur einen Facelift, sondern ein komplett neues Bike. Was im neuen Specialized S-Works Venge 2019 steckt und wie die amerikanische Bikeschmiede zum Thema Scheibenbremsen am Rennrad steht, erfahrt ihr hier.

Specialized S-Works Venge 2019 | 7,1 kg | Komplettbike 10.999 € | Rahmenset 3.999 €

Getreu dem Motto #aeroiseverything präsentiert Specialized das Venge 2019 in der dritten Generation. Dabei will der neueste Sprössling aus Morgan Hill nicht nur größere aerodynamische Vorteile mit sich bringen, sondern auch leichtfüßiger und vielseitiger sein. Nachdem wir das erfolgreichste Aero-Bike der Geschichte, das Specialized Venge ViAS, bereits für euch getestet haben, waren wir gespannt auf seinen Nachfolger.

Bereits im Stand sieht das S-Works Venge 2019 schnell aus
Feinste Komponenten …
… und schöne Designdetails

Specialized Venge 2019 – Aerodynamik

Üblicherweise werden Aero-Bikes im Windtunnel geboren. Beim Specialized S-Works Venge 2019 war das jedoch anders. Die Ingenieure aus den USA machten sich als erstes daran, Rohrformen mit Hilfe einer speziellen Software hinsichtlich ihrer Aerodynamik, Steifigkeit und Gewicht zu optimieren. Nachdem diese Rohrfragmente in der sogenannten FreeFoil Bibliothek gesammelt waren, galt es diese an den geeigneten Stellen des Rahmensets zu platzieren. Laut Aussage des Specialized Aerodynamik-Experten Chris Yu ist das Design des Rahmens zwar durch Richtlinien der UCI beschränkt, die Formgebung würde jedoch auch ohne Einschränkungen nicht signifikant anders aussehen. Aufgrund der Abwägungen zwischen Aerodynamik, Steifigkeit und Gewicht seien die Rohrformen ohnehin beschränkt. Specialized zufolge bauen die hausinternen Ingenieure bereits an den Superlativen: Es gibt aktuell kein aerodynamischeres Rennrad, das leichter ist bzw. kein steiferes Bike, das weniger Luftwiderstand aufweist.

Die Formsprache des neuen Venge 2019 …
… ist geradliniger als die des Vorgängers

Die Rohrformen am 2019er Venge erinnern stark an das Profil einer Tragfläche, die im hinteren Bereich abgeschnitten wurde. Laut Specialized ist dies jedoch vielmehr eine fälschliche Assoziation als das Ergebnis umfangreicher Computersimulationen und Windkanaltests.

Beim Design des hinteren Rahmendreiecks stand das S-Works Tarmac SL6 Pate. War der Hinterbau der ersten Venge 2019 Modelle in der Entwicklungsphase zu 100 % identisch, weist er auch im nachfolgenden Serienmodell starke Ähnlichkeit zum Race-Allrounder Tarmac SL6 auf.

Der Hinterbau des Tarmac SL6 war Ausgangspunkt für die Entwicklung und wurde hauptsächlich im Bereich der Sitzstrebe angepasst

Specialized Venge 2019 – Gewicht

Das Rahmenset des neue S-Works Venge 2019, bestehend aus Rahmen, Gabel, Lenker, Vorbau, Sattelstütze, Schaltauge und Lagern, ist im Vergleich zum aktuellen S-Works Venge ViAS um 460 g leichter. Mit 960 g in Größe 56 ist der Rahmen des 2019er Venge ebenfalls leichter als der erste Scheibenbremsen-spezifische Rahmen des Tarmac SL5 der Amerikaner, welcher 1020 g wiegt. Das fahrfertige S-Works Venge 2019 bringt in Größe 56 und mit Dura-Ace Di2-Komponenten schlussendlich 7,1 kg auf die Waage.

Venge ViAS Venge 2019 Gewicht Ersparnis (g) Gewicht Ersparnis (%)
Gabel 410 g 385 g 25 g 6%
Lenker/Vorbau 547 g 440 g 107 g 20 %
Sattelstütze 200 g 175 g 25 g 13 %
Anbauteile 219 g 156 g 63 g 29 %

Specialized Venge 2019 – Geometrie

Trotz anderer Stack und Reach Abmessungen soll man auf dem S-Works Venge 2019 eine mit dem S-Works Tarmac SL6 vergleichbar sportliche Sitzposition haben. Das wird möglich, da das Venge 2019 ein Spacer-Minimum von 18 mm im Steuersatz-Konus aufweist. Beim Tarmac SL6 sorgt der 10 mm hohe Steuersatz im Zusammenspiel mit dem längeren Steuerrohr für den Ausgleich.
Die Sattelstütze des Venge 2019 ist in 300 mm oder 390 mm Länge mit entweder 0 mm oder 20 mm Versatz erhältlich. Optisch sehr elegant bringen die Amerikaner die Junction-Box der Shimano Di2-Schaltung in der Sattelstütze unter.

Clever – die Di2 Junction Box ist in die Sattelstütze integriert

Beim Vorbau hat man die Wahl zwischen +/- 6° in 80 mm bis 140 mm Länge oder +/- 12° in 110 mm bis 140 mm Länge. Benchmark beim Design des neuen Vorbaus war in Sachen Steifigkeit der Zipp SL Sprint, der mit den meisten am Markt verfügbaren Lenkern kompatibel sein soll.

Die Profilierung des Oberlenkers bietet in der TimeTrial-Fahrposition Grip
Clean – volle Integration aller Kabel und Züge
Die Kompatibilität zu handelsüblichen Vorbauten ist gegeben

Der S-Works Aerofly-Lenker wird in vier verschiedenen Breiten von 380 mm bis 440 mm erhältlich sein. Der Clou: Mit dem Anschlag fürs Lenkerband wickelt man stilsicher wie die Pros.
In Sachen Reifenfreiheit haben die Amerikaner nicht gekleckert. So nimmt das Venge 2019 Reifen mit bis zu 32 mm Breite auf. Wem das zu viel ist, der kann die 26 mm breiten serienmäßig verbauten Specialized Turbo Cotton gleich montiert lassen. Diese wussten bereits in unserem Racebike Vergleichstest 2018 zu begeistern.

Schnell und sicher – der Specialized Turbo Cotton Reifen in 700 x 26 C
Größe 49 52 54 56 58 61
Sitzrohr 455 mm 480 mm 495 mm 518 mm 537 mm 567 mm
Oberrohr 508 mm 531 mm 540 mm 562 mm 577 mm 595 mm
Steuerrohr 104 mm 115 mm 133 mm 153 mm 180 mm 200 mm
Lenkwinkel 71,75° 72,5° 73° 73,5° 73,5° 74°
Sitzwinkel 75,5° 74° 74° 73,5° 73,5° 73°
Radstand 972 mm 975 mm 978 mm 991 mm 1005 mm 1012 mm
Reach 378 mm 383 mm 387 mm 398 mm 405 mm 411 mm
Stack 504 mm 517 mm 534 mm 555 mm 581 mm 602 mm

Specialized Venge 2019 – Technische Details

Es schallt noch wie der Donnerhall: Laut Chris Yu gab es beim Launch des S-Works Tarmac SL6 hausinterne Stimmen, die verlauten ließen, dass von nun an kein weiteres Modell mit Felgenbremse aus dem Haus Specialized vorgestellt werden soll. Dieser Aussage folgend ist das S-Works Venge 2019 ausschließlich mit Scheibenbremsen kompatibel. Als Montagestandard der Scheibenbremsen wurde das Shimano Flat-Mount-System gewählt. In der Standard-Spezifikation wird das Venge 2019 mit 160 mm Rotoren vorn und 140 mm Discs hinten ausgeliefert. Eine Montage von ausschließlich 140 mm großen Scheiben ist ebenfalls möglich.

160 mm Rotor in der Front …
… und 140 mm am Heck

Die Renn-Gene des Venge 2019 sollen durch die ausschließliche Kompatibilität mit elektronischen Antrieben wie Shimano Di2, SRAM eTap oder Campagnolo EPS unterstrichen werden. Ist das der Moment, in dem sich die Amerikaner gänzlich von Bowdenzügen verabschieden?
Die Roval CLX 64 Disc-Laufräder werden mit einer 142×12 mm Thru-Axle am Heck und einer 100×12 mm Achse in der Front am Bike montiert. Mit nur 67 g je Paar sind die Achsen nicht nur clean im Design, sondern auch sehr leicht.

Das Tretlager stammt, wie auch beim S-Works Tarmac SL6, aus dem Hause CeramicSpeed und weist den Specialized OSBB bzw. BB30 Standard auf. Anstelle der Dura-Ace R9150-Kurbeln verbaut Specialized hauseigene S-Works Power Cranks inklusive beidseitig messendem PowerMeter, der via ANT+ mit handelsüblichen GPS Geräten kompatibel ist.
Auf Kundenwunsch kann ein Shimano Direct-Mount-Schaltauge geliefert werden. Diese neuen Schaltaugen sind steifer als bisherige Konstruktionen und sollen somit die Schaltperformance nochmals verbessern.

Beidseitige Wattmessung …
… ab Werk im Topmodell

Specialized Venge 2019 – Test

Bringt man das Venge 2019 aus dem Stillstand auf Reisegeschwindigkeit, kann man sich nur ausmalen, was Pro Tour Größen wie Peter Sagan wohl mit diesem Bike zu leisten vermögen. Mit 1.615 g ist der Roval CLX 64 Disc-Laufradsatz nicht der leichteste Vertreter seiner Art, weiß aber durch Steifigkeit und Präzision zu überzeugen. Im Zusammenspiel mit dem sehr steifen Tretlagerbereich des Venge 2019 ergibt sich die direkteste Beschleunigung, die wir bisher in diesem Jahr testen konnten. Besonders bemerkenswert ist dabei das Sicherheitsgefühl, welches das Specialized Venge vermittelt.

Auch bei wilden Wiegetritt-Attacken, wie sie vor allem im Zielsprint auftreten, bleibt das Venge stets berechenbar und lässt sich ohne Mühe auf Kurs halten. Am besten vergleichbar ist dieses Gefühl wohl mit einem Sportwagen: Sitzt man in einem Auto, welches jenseits der 300 km/h bewegt werden kann, fühlen sich 120 km/h auch eher an wie Ortsgeschwindigkeit. Eben dieses Sicherheitsgefühl erlaubt es dem Fahrer auch im Downhill an seine Grenzen zu gehen. Davon profitieren nicht nur erfahrene Racer, sondern vor allem unerfahrene Piloten. Sportlich direkt liegt das Venge vor allem bei hohen Geschwindigkeiten auf der Straße.
Das Venge 2019 schafft es nicht nur, dem Fahrer Vertrauen zu vermitteln, sondern ist gleichzeitig ein sehr agiles Bike, das ohne jegliche Verzögerung lebendig den Lenkimpulsen folgt. So kommt auch bei engen Kurven und plötzlichen Richtungswechseln das Carvinggefühl auf. Während viele Aero-Bikes ihre Stärken vor allem im Geradeauslauf haben, fiebert man auf dem Venge 2019 jeder Kurve entgegen.

Das enorme Maß an Vertrauen ist jedoch nicht nur dem Rahmen zu verdanken. Auch die Specialized Turbo Cotton Reifen überzeugen uns einmal mehr im Praxistest. Auf der 21 mm breiten Felge des Roval-Laufradsatzes fallen die Reifenschultern angenehmen breit aus und bilden so eine U- statt einer O-Form. Das hilft bei extremen Kurvenlagen und vergrößert den Grenzbereich! Selbst wechselnde Asphalt-Bedingungen oder Nässe können die Pneus nicht an ihren Grenzbereich bringen und so bleibt stets genügend Grip, um die enorme Bremskraft der hydraulischen Shimano Dura-Ace-Scheibenbremsen auf den Boden zu bringen.

Bei nassen Straßen ist hier zwar Fingerspitzengefühl gefragt, doch im Vergleich zum eher unberechenbaren Bremsverhalten von Felgenbremsen auf Carbonfelgen lässt sich die neueste Generation der Shimano Stopper sehr intuitiv und mit äußerst wenig Kraftaufwand dosieren. Auch bei perfekten Bremsbedingungen und voller Entfaltung der Bremskraft am Vorderrad können wir kein Nachgeben der Gabel feststellen. Steckachse und Carbongabel bilden hier eine steife Basis für aggressives Anbremsen im Renneinsatz oder auf der Downhill-KOM-Jagd.

Durch das geringe Gewicht des Venge 2019 fällt einem nicht auf, dass man gerade ein Aero-Bike die Steigung hinauf pedaliert. Einzig der Antrieb mit 52/36 Kettenblättern und einer 11-28t Kassette erinnert ab einem gewissen Steigungsgrad daran, dass man für dieses Bike doch bitte die entsprechenden Beine mitbringen möchte. Es sind Details wie die Übersetzung, mit denen das Venge 2019 deutlich macht, dass es nicht für die entspannte Ausfahrt am Wochenende konzipiert ist. Dieses Bike will schnell sein und auf Speed gehalten werden. Potentiellen Eigentümern ist das jedoch wohl schon beim Anblick des Rades klar.

Wenn wir im Zusammenhang mit dem Venge 2019 von Komfort sprechen, dann meinen wir den relativen Komfort verglichen zu aerodynamisch-optimierten Racebikes wie dem SCOTT Foil, dem Canyon Aeroad Disc oder dem 3T STRADA. In dieser Kategorie ermöglicht ein hohes Level an Komfort kein stundenlanges Cruisen, sondern eine möglichst effiziente und aerodynamische Sitzposition, um am Ende Tagesschnellster sein zu können. Im Vergleich zu den vorher genannten Bikes überzeugt uns das Maß an Komfort des Venge 2019 auf ganzer Linie. Die nachgiebige Carbon-Sattelstütze und das Carbon-Cockpit finden eine clever gewählte Balance aus Stoßabsorbierung und Steifigkeit. Besonderes Feature des Lenkers ist die Profilierung auf dem extra breiten Oberlenker, welche das Abrutschen der Arme auch bei Nässe effektiv verhindert.

Specialized Venge 2019 – Fazit

Specialized stellt mit dem Venge 2019 einen Supersportler vor, der sich keine Schwächen leistet. Das pfeilschnelle Aero-Bike vermittelt ein enormes Sicherheitsgefühl im Downhill und gibt sich auch im Uphill als effizienter Racer. Diese Allround-Eigenschaften ist man von vielen Aero-Rennrädern nicht gewohnt. Abgesehen von der besseren Aerodynamik überschneidet sich das Venge 2019 in vielen Belangen mit den Einsatzbereichen des Tarmac SL6.


Mehr Infos unter: specialized.com


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Text: Fotos: Benjamin Topf, Valentin Rapp