Namen verpflichten. Wer ein Fahrrad-Modell „Roubaix“ betitelt, der besitzt entweder ein gerütteltes Maß an Selbstvertrauen oder glaubt an seine Produkte. Specialized hat bekanntlich beides, Selbstvertrauen und Glauben ans Produkt. Beim Roubaix gibt es dazu eine lange und gute Geschichte.
Dieses Rad begründete vor einigen Jahren die Kategorie der sportlichen Weiterreiter-Rennräder. Langstreckentauglichkeit, hoher Komfort und Specialized Roubaix, das passte lange perfekt zusammen und war ein Novum in einer Zeit, in der erst langsam die Kategorie der Tourenrennräder aufkam mit ihren gemäßigten Geometrien und dem ungewohnt hohen Komfort. Rennradfahren war plötzlich nicht mehr inhumanes, windschnittig optimiertes Zusammenfalten hinter dem Lenker. Auch Normalsterbliche mit Bauchansatz und Alter jenseits der 35 durften aufsteigen und ohne Schnappatmung flott, aber aufrecht durch die Welt fahren. Welch eine Befreiung! Danke Specialized, für die Erfindung des Roubaix!
Doch die Revolution frisst ihre Kinder, das wissen wir aufgeklärten Menschen. Die Geschichte ist schonungslos, mit nur wenigen Ausnahmen. Das Roubaix ist eine – allerdings auch nur eine halbe. Denn seit Langstrecken-Räder nicht mehr Tourer heißen, sondern Endurance-Bikes, hat sich die Welt der Technik und Geometrie weiter gedreht. Nicht falsch verstehen: Das Roubaix ist noch immer ein gewissenhaft konstruiertes Rad, das seine Stärken in der Stabilität und Verlässlichkeit sowie den überaus gefälligen Fahreigenschaften hat.
Doch die neuste Generation an Rennrädern will noch mehr. Bergauf müsste es eine Rakete sein, die jedes Watt ungefiltert auf den Asphalt überträgt. Auf Gravelstrecken müsste es genauso komfortabel sein wie Canyon oder Trek, die nebenbei bemerkt deutlich geringere Budgets beim Käufer aufrufen. Nicht ganz hässlich sollte das Rad zudem sein, nein, es muss sogar eine Designikone sein. Durchschnitt ist Rückschritt.
In diesem Sinne ist das Specialized Roubaix nicht mehr die Nummer 1, ihm gebührt eher der Ehrenplatz neben dem Podium. Es klettert gut, doch hinkt den Besten hinterher. Es ist äußerst fahrstabil, überzeugt auch auf Kopfsteinpflaster – mehr Fahrspaß bescherten aber andere im Testfeld. Das sogenannte Zertz, Specializeds Elastomer-Einsätze in den Sitzstreben und der Gabel zeigte nur geringe Komfortwirkung – bricht jedoch die Linien und jedem Design-Enthusiasten das Herz. Es sind mal wieder die Details, die auffielen und zu Punktabzug führten: der unglücklich gewählte Sattel (nicht serienmäßig), der bergauf oder bei schnellen Fahrten ein Rutschen auf die Sattelnase kaum möglich macht, die fremdartig anmutende Sattelstütze und die unschöne Scheibenbremsenintegration am Vorderrad – ungünstig akzentuiert durch den Paintjob.
Spezifikationen des Specialized Roubaix
Schaltung: Shimano Ultegra Di2 | 50/34, 11 – 28
Laufradsatz: Roval Rapide CL 40
Bremsen: Shimano BR-RS785
Reifen: Specialized S-Works Turbo
Gewicht: 7,94 kg
Preis: 6.599 €
Mehr Infos: specialized.com
Kleinigkeiten vielleicht, doch sie addieren sich zu einem Gesamtbild: Auch wenn das Pflaster von Roubaix immer das gleiche bleibt, so ist das Roubaix in die Jahre gekommen, ein Relaunch überflüssig.
Fazit:
Das Specialized Roubaix hat noch immer einen guten Namen, doch die Kalifornier müssen nachlegen. Denn angesichts der Konkurrenz, vor allem von Canyon, Trek und Giant, müssen die Erfinder des Ur-Endurance-Rades nachlegen – am besten mit einer neuen Revolution! Bis dahin bietet der Markt bessere Optionen.
Stärken
- ausgewogene Fahreigenschaften
Schwächen
- Etwas in die Jahre gekommen
- Zertz-Einsätze überzeugen weder optisch noch technisch
Einen Überblick über das Testfeld erhaltet ihr im Übersichtsartikel: Was ist das beste Rennrad für die Alpen? 7 Bikes im Vergleich
Alle Bikes im Test: Trek Domane SLR 7 | Merida Scultura Disc 6000 | Giant Defy Advanced Pro 0 | Cervélo C3 SRAM Force 1X | Canyon Endurace CF SLX | Argon 18 Krypton XROAD Disc
Dieser Artikel stammt aus GRAN FONDO Ausgabe #002. Für das beste Lese-Erlebnis empfehlen wir unsere interaktiven Magazin Apps für iPhone & iPad – es lohnt sich! (und ist kostenlos!)
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Text: Thomas Seidelmann, Robin Schmitt Fotos: Klaus Kneist, Noah Haxel, Robin Schmitt, Julian Mittelstädt (Postproduktion)