Ausgabe #016

Specialized Recon 3.0 Gravel-Schuhe im Dauertest

Der Specialized Recon 3.0 ist nach dem S-Works Recon das zweitteuerste Modell der Recon-Reihe und eine gute Ecke günstiger. Bedeutet das auch Verzicht auf Performance und Komfort oder kann man sich den Aufpreis fürs Topmodell getrost sparen? Wir haben den MTB-Schuh 4 Monate für euch auf dem Gravel-Bike getestet.

Specialized Recon 3.0 | 786 g (Paar, Gr. 44) | 219,90 € | specialized.com

Mit dem ursprünglichen Recon Mixed Terrain war Specialized 2015 neben Giro einer der ersten großen Hersteller für Gravel-taugliche MTB-Schuhe. Inzwischen ist die Modellpalette auf vier Modelle angewachsen – Recon 1.0, 2.0, 3.0 und S-Works Recon. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich nicht besonders stark voneinander. Im Detail gibt es jedoch spürbare Differenzen, vor allem was Schnürsystem, Sohlensteifigkeit, Profil und auch die Passform angeht. Wir haben uns das zweitteuerste und noch relativ sportliche Modell, den Specialized Recon 3.0, genauer angeschaut und getestet.

Die Pluspunkte des Specialized Recon 3.0

Angefangen bei der super schicken Optik hat Specialized beim Recon 3.0 in vielen Bereichen ganze Arbeit geleistet. Besonders sticht hier die (Innen)sohle des Schuhs hervor: Unterstützt von der gut geschnittenen Einlegesohle schmeichelt der Recon 3.0 der Fußsohle bereits beim ersten Hineinschlüpfen. Und auch auf dem Rad sind der Kontakt und Support hervorragend. Die Unterstützung im Fußgewölbe kann auf Wunsch noch mit separat erhältlichen Einlegesohlen erhöht werden. Die Sohle des Recon 3.0 ist mit einem Specialized-Steifigkeitsindex von 10 zwar immer noch steif, aber lange kein Brett, wie das S-Works-Modell (13) oder gar ein S-Works 7 Road (15). Zudem ist sie sehr gut austariert. Der Mittelfußbereich aus Carbon ist steif für maximale Kraftübertragung, während vorne ein flexiblerer Glasfaserbereich für genügend Flex sorgt, sodass sich die Zehen bewegen lassen und man relativ angenehm laufen kann. Eine sehr gute Abstimmung für sportliche Fahrer, die dennoch etwas Komfort abseits des Bikes haben möchten. Carbon STRIDE Toe-Flex nennt Specialized das und es funktioniert tadellos, wie wir bestätigen können. Auch die griffige Sohle ist sehr gut gelungen. Lange Gumminoppen im Zehen- und Fersenbereich bieten viel Grip auf losen oder matschigen Böden und breite Stollen neben den Cleats sorgen für eine große Standfläche auf entsprechenden Pedalen.

Shape und Support der Innensohle des Specialized Recon 3.0 sind hervorragend. Die Unterstützung im Fußgewölbe kann auf Wunsch außerdem mit separat erhältlichen Einlegesohlen angepasst werden.
Die Carbon-Sohle ist im Mittelfußbereich steif, besteht im Zehenbereich aber aus flexiblem Glasfaser-Gewebe. Somit ist der Recon 3.0 auf dem Pedal steif im Antritt, aber dennoch angenehm zu laufen.

Beeindruckend ist die allgemeine Robustheit des Specialized Recon 3.0. Sämtliche Materialien, egal ob Sohle oder Obermaterial, zeigen sich super abriebfest und der Schuh weist im unseren Test nach 4 Monaten auf- und abseits des Gravel-Bikes nahezu keinen Verschleiß auf. Ebenso punkten kann er bei der Fußklima-Bandbreite. Das rundum perforierte Obermaterial lässt im Hochsommer genügend Luft an den Fuß kommen bzw. entweichen, um nicht unangenehm zu werden und ist dennoch im kühlen Spätherbst noch warm genug. Apropos Spätherbst – durch die Perforierung ist der Recon 3.0 natürlich nicht besonders wasserabweisend. Während er leichtem Regen noch tapfer trotzt, kann er gegen die Pfützen-Dusche nicht mehr viel ausrichten. Dafür trocknet der Schuh im Nachgang dann auch wieder recht zügig – wobei der Fersenbereich aufgrund der Polsterung am längsten braucht.

Das Fußklima des Specialized Recon 3.0 ist hervorragend und nahezu ganzjahrestauglich. Dank der Perforation rundum atmet er im Hochsommer genügend und ist dennoch nicht zu luftig für den kühlen Spätherbst.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Während uns das komplette Unterteil des Specialized, von Einlegesohle über die Innensohle bis hin zur Außensohle, selbst vollkommen überzeugt, haben wir mit dem Oberschuh unsere Probleme. Die Zunge ist etwas zu lang und drückt ähnlich wie beim S-Works Recon-Modell trotz leichter Polsterung an der Kante unangenehm in die Sehne zwischen Spann und Schienbein. Sie ist außerdem relativ unflexibel bzw. an der Oberseite recht griffig. So kann das Schnürsystem den Schuh nicht richtig zusammenziehen und die Last gleichmäßig verteilen. Hier muss man mit der Hand nachhelfen und zudem das Boa-System recht stark zudrehen, damit der Fuß rundum gut gehalten wird. Dabei passiert es schnell, dass die Schnürung oben zu fest ausfällt und es zu Druckstellen kommt, während die Außenseiten des Fußes nicht genügend stabilisiert werden. Leider lassen sich die L6-Ratschen nur festziehen und nicht wie mit den am S-Works-Modell verbauten S3-Ratschen in Richtung „offen“ nachjustieren. Sind sie einmal zu fest, müssen sie wieder komplett geöffnet werden, um sie zu lockern.

Die Zunge des Recon 3.0 ist leider etwas zu lang und drückt trotz leichter Polsterung an der Kante unangenehm in die Sehne zwischen Spann und Schienbein, sobald diese unter Last hervortritt.
Im oberen und mittleren Bereich kümmern sich zwei fein gerasterte BOA-L6-Ratschen um die Schnürung. Das Obermaterial des Recon 3.0 ist jedoch relativ unflexibel und griffig. So kann das Schnürsystem den Schuh nicht perfekt zusammenziehen und die Last nicht ideal rundum verteilen. Als Folge können Druckstellen im oberen Bereich des Fußes entstehen.

Hinzu kommt, dass der Klettverschluss im vorderen Teil des Schuhs aufgrund des Schnitts und des relativ festen Obermaterials nur wenig spürbare Funktion bietet. Der Fuß wird in der Realität somit nur über das BOA-System gehalten und es ergibt sich insgesamt eine relativ unausgewogene Stabilisierung des Fußes, die man während der Fahrt immer mal wieder spürt. Idealerweise sollte man einen Schuh aber nach dem Anziehen sofort vergessen können. Wir hatten gehofft, dass das Obermaterial über den Testzeitraum etwas flexibler wird und sich der Schuh dadurch nach einer gewissen Zeit an den Fuß anpasst und bequemer wird – leider vergeblich.

Der Klettverschluss im Zehenbereich bietet aufgrund des Schnitts und des relativ festen Obermaterials nur wenig spürbare Funktion. Der Fuß wird in der Realität somit rein über das BOA-System gehalten.

Diese Kritik ist natürlich stark abhängig von der Fußform und daher bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Der Specialized Recon 3.0 ist dadurch nicht per se ein schlechter Schuh, er sollte – mehr noch wie jeder andere Schuh – vor dem Kauf unbedingt ausgiebig anprobiert werden. Im Vergleich schmiegt sich das S-Works Modell unserer Erfahrung nach insgesamt etwas besser an den Fuß an und verfügt vor allem über in beide Richtungen nachjustierbare BOA-Ratschen. Die Zunge ist jedoch auch hier zu lang und im Gegensatz zum Recon 3.0 zudem an der Kante nicht gepolstert.

Fazit

Der Specialized Recon 3.0 punktet mit hervorragender Haltbarkeit, einer sehr guten Sohlen-Ergonomie und einem guten Kompromiss zwischen Steifigkeit und Komfort für sportliche Fahrer. Mit 220 € ist der Schuh jedoch kein Schnäppchen und die Passform bzw. Lastverteilung am Oberfuß ist recht speziell – unbedingt anprobieren! Wenn er an euren Fuß passt, ist er ein sehr guter Kauf, ist die Passform für euch jedoch weniger als nahezu perfekt, ist der Deal kein guter.

Tops

  • rundum sehr robuste Materialien
  • Ergonomie der Innensohle
  • steif, aber kein Brett
  • griffiges Profil
  • sehr gutes Fußklima

Flops

  • Passform bzw. Lastverteilung am Oberschuh recht speziell
  • Zunge zu lang

Tester: Andi
Testdauer: 4 Monate
specialized.com


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