SCOTT ist selbstbewusst genug, um nicht das Top-Modell der Addict RC-Serie in diesen Vergleichstest zu schicken, sondern das Addict RC Pro. Kein Wunder, halten sich doch die Unterschiede zum Addict RC Ultimate in Grenzen. Doch reicht das, um im Vergleich mit den vier schnellsten Race-Bikes der Saison 2021 zu bestehen?
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Race-Bike 2021 – 5 Highend-Modelle im Test
Auch SCOTT ist mit dem Addict RC seit Jahren in der WorldTour unterwegs und lässt die Wünsche und Erfahrungen der Profis in die Entwicklung einfließen. Vor allem das Top-Modell der Addict RC-Serie ist daher auf Rennsport ausgelegt. In diesen Test schickten die Schweizer jedoch nicht das Addict RC Ultimate, sondern das eine Stufe darunter platzierte RC Pro. Die Unterschiede zwischen den beiden Bikes liegen in einem anderen Carbon-Layup und einer Shimano DURA-ACE Di2-Schaltgruppe anstatt der SRAM RED eTap AXS. Außerdem kommen anstatt den Zipp 303 Firecrest-Laufrädern die Syncros Capital 1.0 35 zum Einsatz. Am Ende stehen im Vergleich mit dem Top-Modell ein Mehrgewicht von knapp 100 g und eine Ersparnis von 3.500 € auf der Rechnung. Unser Test-Bike in Größe L wiegt damit 6,99 kg und kostet 8.499 €. Die elektronische Shimano DURA-ACE Di2-Schaltgruppe mit 52/36 T-Kettenblättern und 11–30 T-Kassette sorgt für schnelle und präzise Gangwechsel und eine Übersetzungsbandbreite, die den Einsatzbereich des Bikes gut widerspiegelt. Für alle, die in sehr bergigen Regionen unterwegs sind oder nicht die beste Kondition haben, empfiehlt sich aber eine Kompaktkurbel (50/34 T). Einen Powermeter findet man am SCOTT Addict RC Pro nicht.
Wer durch die Kurven jagen will wie Valentino Rossi, der findet im SCOTT Addict RC Pro sein Bike: Mit den breiten Reifen carvt es durch weite Radien wie kein anderes Rennrad im Test.
SCOTT Addict RC Pro 2021
8.499 €
Ausstattung
Sattelstütze Syncros Duncan SL Aero 20 mm
Bremsen Shimano DURA-ACE BR-R9170 160/160 mm
Schaltung Shimano DURA-ACE Di2 R9170 2 x 11
Kettenblatt 52/36
Vorbau Syncros Creston iC SL 110 mm
Lenker Syncros Creston iC SL 420 mm
Laufräder Syncros Capital 1.0 35
Reifen Pirelli P ZERO Velo 31 mm
Technische Daten
Größe XXS XS S M L XL 2XL
Gewicht 6,99 kg
Besonderheiten
einteiliges Creston iC SL Carbon-Cockpit
Direct-Mount-Bremse vorne mit Abdeckung
31 mm breite Reifen
Sandwich-Ausfallenden
Die Bremsperformance der Shimano DURA-ACE ist auf höchstem Niveau, bietet jederzeit genügend Bremskraft und gute Dosierbarkeit, ist aber nicht ganz so bissig wie die SRAM RED HRD-Bremsanlage. Auch beim SCOTT Addict RC Pro kommt mit dem Syncros Creston iC SL ein einteiliges Aero-Cockpit zum Einsatz. Es hat bei unserem Test-Bike in Größe L eine Vorbaulänge von 110 mm und eine Lenkerbreite von 420 mm. Auf den Syncros Capital 1.0 35-Laufrädern, die eine Felgenhöhe von 35 mm und eine Innenmaulweite von 21 mm haben, bauen die Pirelli P ZERO Velo-Reifen in 700 x 28C ganze 31 mm breit – die mit Abstand breitesten Reifen im Test. Das ist der Vibrationsdämpfung und dem Fahrverhalten in Kurven zuträglich, wirkt sich aber negativ auf die Effizienz aus.
Größe | XXS | XS | S | M | L | XL | XXL |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Sattelrohr | 410 mm | 430 mm | 460 mm | 480 mm | 500 mm | 520 mm | 550 mm |
Oberrohr | 520 mm | 530 mm | 540 mm | 550 mm | 565 mm | 580 mm | 600 mm |
Steuerrohr | 97 mm | 102 mm | 115 mm | 135 mm | 155 mm | 175 mm | 193 mm |
Lenkwinkel | 70,5° | 71,0° | 72,0° | 72,5° | 73,0° | 73,3° | 73,3° |
Sitzwinkel | 74,5° | 74,5° | 74,0° | 73,6° | 73,3° | 73,0° | 72,5° |
Kettenstrebe | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm | 410 mm |
BB Drop | 70 mm | 70 mm | 70 mm | 70 mm | 70 mm | 70 mm | 70 mm |
Radstand | 988 mm | 994 mm | 991 mm | 992 mm | 1.000 mm | 1.008 mm | 1.023 mm |
Reach | 380 mm | 388 mm | 389 mm | 390 mm | 395 mm | 400 mm | 410 mm |
Stack | 504 mm | 511 mm | 527 mm | 548 mm | 569 mm | 588 mm | 606 mm |
Dass das SCOTT Addict RC Pro nicht die allerschärfste Rennfeile im SCOTT-Portfolio ist, merkt man in Sachen Geschwindigkeit. Es beschleunigt nicht ganz so leichtfüßig wie die Spezialisten von Trek, BMC und Wilier und liegt bei der Effizienz am Ende des Testfelds, was vor allem an den Reifen liegen dürfte, die für ein Race-Bike sehr voluminös ausfallen. Das ist zwar Jammern auf hohem Niveau, trotzdem verliert das SCOTT Addict RC Pro in flachem und welligem Terrain wertvolle Zeit auf die Konkurrenz. So reicht es trotz seiner erstklassigen Up- und Downhill-Performance nicht zu einer Bestzeit. Obwohl das Bike das schwerste im Testfeld ist, klettert es am schnellsten.
Auch im Downhill liegt es, zusammen mit dem Wilier Filante SLR, an der Spitze, was vor allem auf die hervorragenden Kurveneigenschaften der breiten Pirelli-Reifen und die hohe Präzision zurückzuführen ist. Insgesamt hat das Bike unsere errechnete Teststrecke mit einer Länge von 150 km und knapp 2.000 positiven Höhenmetern mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25,9 km/h zurückgelegt und dafür 5:47:11 h benötigt.
In puncto Handling präsentiert sich das SCOTT Addict RC Pro sehr ausgeglichen und liegt zusammen mit dem Specialized S-Work Tarmac SL7 an der Spitze des Testfelds. Es verfügt über eine hohe Laufruhe und äußerste Präzision, lenkt aber nicht so direkt ein wie die Konkurrenz von Trek, Wilier und BMC, wobei die breiten Reifen etwas entschärfend wirken. So überfordert das SCOTT auch Race-Bike-Neulinge nicht. Die gute Vibrationsdämpfung des Bikes wird vor allem von den voluminösen Reifen sowie dem Cockpit und der Sattelstütze generiert. Der Rahmen selbst ist SCOTT-typisch sehr steif. Alle gröberen Unebenheiten, die von den Anbauteilen nicht mehr abgefangen werden können, schlagen daher spürbar durch. Besonders auf ruppigen Strecken mit technischen Kurven sind dann erhöhte Steuerkünste empfehlenswert. Auf gutem Untergrund trägt der Komfort hingegen genauso zu einem guten Sicherheitsempfinden bei wie die kraftvollen Bremsen und das ausgeglichene Handling.
Tuning-Tipps: Wenn ihr ein alltagstaugliches Race-Bike sucht, lasst ihr es genau so. Wenn ihr mehr „Race“ braucht, solltet ihr schmalere Reifen montieren – zulasten des Komforts. | Powermeter montieren, um die volle Kontrolle zu haben.
Fahreigenschaften
4Agilität
- träge
- verspielt
Laufruhe
- nervös
- laufruhig
Handling
- fordernd
- ausgewogen
Fahrspass
- langweilig
- lebendig
Komfort
- straff
- komfortabel
Preis-Leistung
- schlecht
- sehr gut
Fazit
Um die Spitze dieses Vergleichstests zu erobern, ist das SCOTT Addict RC Pro bei der Laufrad-Reifen-Kombination einfach nicht konsequent genug auf Race ausgelegt. Das ist aber nicht schlimm: Was das Bike bei Beschleunigung und Effizienz in der Ebene einbüßt, holt es sich bei Richtungswechseln zurück und wird zum absoluten Kurven-König. Außerdem taugt es durch die gute Vibrationsdämpfung am ehesten für eine entspannte Sonntagsrunde auf perfektem Asphalt.
Tops
- ausgezeichnete Kletter-Performance – trotz voluminöser Reifen und höchstem Gewicht im Test
- gute Vibrationsdämpfung
- liebt Kurven und wird hier durch die breiten Reifen zum absoluten Carver
- Kombination aus Laufruhe und Direktheit
Flops
- geringer Eigenkomfort des Rahmens
- Abstriche bei der absoluten Race-Performance durch voluminöse Reifen
- kein Powermeter verbaut
Mehr Informationen findet ihr unter scott-sports.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Race-Bike 2021 – 5 Highend-Modelle im Test
Alle Bikes im Test: BMC Teammachine SLR01 ONE (Zum Test) | SCOTT Addict RC Pro | Specialized S-Works Tarmac SL7 (Zum Test) | Trek Émonda SLR 9 eTap (Zum Test) | Wilier Filante SLR Astana-Premier Tech Team Edition (Zum Test)
Hier wird Strecke gemacht und über lange Zeit ein hohes Tempo angeschlagen. Alles was topfeben ist oder sich zwischen super kurz, aber knackig steil und etwas länger, aber nur wenige Höhenmeter bewegt, fällt in diese Kategorie. Wer hier schnell sein will, braucht ein Bike, das vor allem mit einer ausgezeichneten Aerodynamik und höchster Effizienz überzeugen kann – denn ab 15 km/h in der Ebene ist der Luftwiderstand die größte Kraft, die zu überwinden ist. Gewicht tritt hingegen in den Hintergrund, da weder ständig neu beschleunigt wird noch gegen die Erdanziehung gekämpft werden muss. Die beste Aerodynamik des Bikes bringt jedoch nichts, wenn der Fahrer alles zunichtemacht und für viel Luftwiderstand sorgt – schließlich ist er für 75 % des gesamten Luftwiderstands verantwortlich. Um auf diesem Terrain voll aufzublühen, muss ein Rad deshalb auch bei Ergonomie und Komfort punkten, damit der Fahrer über lange Zeit eine tiefe und aerodynamische Sitzposition halten kann. Neben der Aerodynamik spielen Rollwiderstand, Komfort und Laufruhe eine tragende Rolle. Reifendimensionen und -druck sollten deshalb an den Untergrund angepasst sein, um maximale Geschwindigkeit in der Ebene und auf welligem Terrain zu ermöglichen. Ein nervöses Bike wird euch schneller ermüden lassen, da es ständig Arbeit erfordert, um auf Linie zu bleiben.↩
Je steiler der Berg, desto wichtiger wird das Gewicht des Rads im Verhältnis zur Aerodynamik. Das liegt daran, dass die Geschwindigkeit und damit der Luftwiderstand mit größeren Steigungsprozenten abnimmt, während die Erdanzieung einen umso stärker zurück ins Tal holen will. Steifigkeit an den richtigen Stellen sorgt hier im Zusammenspiel mit einer sinnvoll gewählten Übersetzung für maximale Kletter-Effizienz. Ein gutes Kletter-Bike überzeugt mit geringem Gewicht und einer Übersetzung, die euch eine runde und angenehme Trittfrequenz ermöglicht. Es lässt aber auch die Aerodynamik nicht außer Acht, da meist nach jedem Berg eine Abfahrt wartet – und was bringt die beste Zeit am Berg, wenn der ganze Vorsprung durch schlechte Aerodynamik im Downhill wieder zunichtegemacht wird?↩
Schnell einen Berg hinunter zu fahren, ist die Königsdisziplin und sowohl für Fahrer als auch für Bike die anspruchsvollste Aufgabe. Je steiler und verwinkelter die Abfahrt, desto größer sollten nicht nur die Steuerkünste des Piloten sein, auch die Anforderungen an das Bike selbst steigen in gleichem Maße. Ein gutes Downhill-Bike verbindet Aerodynamik mit einem ausgewogenen Handling. Es sollte dabei agil und gleichzeitig laufruhig sein, um schnelle Richtungswechsel zu beherrschen und bei Highspeed sicher in der Spur zu bleiben. Höchste Präzision ist dabei ebenfalls nötig, um die gewählte Linie zu treffen, ohne nachsteuern zu müssen und dadurch nervöse Momente zu schaffen. Wer schnell fährt, braucht einen guten Anker: Kräftige und gut zu dosierende Bremsen sind die Basis eines jeden guten Downhill-Bikes. Um die Bremskraft auch auf den Boden zu bringen, braucht es Reifen mit gutem Grip – auch für schnelle Kurvenfahrten sind sie unverzichtbar. Für den Grip in Kurven ist neben den Reifen auch der Rahmen selbst verantwortlich. Ist er bretthart, baut sich nur wenig Grip auf oder er bricht bei kleinsten Unebenheiten sofort ab. Eine angemessene Verwindung verhindert dies und sorgt für optimalen Kurvengrip. Doch der Grat ist schmal und allzu schnell wird ein Bike einfach nur schwammig und unpräzise.↩
In diesem Artikel stellen wir unser Bewertungssystem ausführlich vor: Hier klicken! ↩
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Text: Fotos: Valentin Rühl