Im stetigen Innovationsdrang bringt die Rennrad-Industrie immer wieder neue Produkte auf den Markt. Dabei kann es schwierig werden, zwischen wahren Innovationen und Lösungen für nicht existente Probleme zu unterscheiden. Wir haben die bedeutendsten Trends zusammengefasst.

Quo vadis, Rennradkultur – höher, schneller, weiter? Die Hersteller scheinen sich im ewigen Kreislauf des Wettrüstens mit immer neuen Superlativen übertrumpfen zu wollen. Dabei bleibt hinter Marketingtexten und Hochglanzbildern häufig kein spürbarer Mehrwert für den Endkunden übrig. Die bisher für das Modelljahr 2019 vorgestellten Produkte lassen uns jedoch zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Das perfekte Rennrad für jeden Kunden?

„Dieser Rahmen erinnert mich irgendwie an Modell X von Hersteller Y.“ Habt ihr euch auch schon einmal dabei erwischt, ein neu vorgestelltes Bike so zu bewerten? Wenn ihr diese Frage mit „ja“ beantworten könnt, seid ihr damit nicht allein. Moderne Rahmen-Designs müssen sich sogar immer ähnlicher werden! Doch warum ist das so? Schaut man sich die neuesten Racebikes einmal im Detail an, stellt man fest, dass heruntergezogene Sitzstreben, mehr Baufreiheit für breitere Reifen, aerodynamische Rohrformen, interne Zugführungen, (semi-)integrierte Cockpit-Lösungen und Scheibenbremsen zum Standard geworden sind. Diese Standardisierungen beruhen auf drei grundsätzlichen Ursachen:

Fahrradhersteller wollen ihre Racebikes einem möglichst breiten Kundenkreis zugänglich machen. Dementsprechend sind Rennräder der neuesten Generation so vielseitig wie nie zuvor – Aerobikes werden immer leichter, superleichte Racebikes immer aerodynamischer. Mittlerweile sind so gut wie alle Modelle kompatibel mit breiteren Reifen bis zu 28 mm Breite, um für mehr Komfort zu sorgen. Denn dass Komfort oftmals Speed bedeutet, wissen mittlerweile viele Hersteller.

Der technische Fortschritt ermöglicht immer durchdachtere Detaillösungen. Somit bieten sich Konstrukteuren im Zuge der aerodynamischen Optimierungen eines Modells nie dagewesene Möglichkeiten. Eine wichtige Rolle spielt dabei das frontale Profil eines Bikes. Durch die Umsetzung integrierter Cockpits lassen sich kostbare Watt sparen. Außerdem müssen aerodynamische Bikes mittlerweile nicht mehr nur schnell sein, sondern auch dafür sorgen, dass der Fahrer sportliche Sitzpositionen länger mit mehr Komfort halten kann. Aerodynamik ist nicht länger ein Selbstzweck, sondern ein ganzheitlicher Ansatz. Da Di2-Schaltungen immer erschwinglicher werden, gehören sie mittlerweile zum gewohnten Bild auf vielen Grouprides. Wer als Hersteller aus der Masse herausstechen will, muss hier clever sein und die Shimano-Technik integrieren.

Bike-Hersteller sind durch die Richtlinien der UCI in ihrer Kreativität beschränkt. Wer ist eigentlich der Kunde – Peter Sagan oder du? Klar, einige Profi-Teams fahren Custombikes, doch wer heute ein Rennrad kauft, hat oftmals die Möglichkeit, das gleiche Rad wie die absolute Weltspitze zu fahren. Das ist Fluch und Segen zugleich. Zwar haben Endkunden Zugriff auf die neuesten Technologien, doch unterliegen sie dabei den gleichen Richtlinien wie die Profis. Damit ein Rennrad bei der Tour de France an den Start gehen darf, muss es bestimmte Standards einhalten. Bei der Konstruktion eines neuen Rahmens sind die Hersteller demzufolge derart beschränkt, dass zeitgenössische Alleskönner gewissermaßen uniform erscheinen.

Zeig mir dein Rennrad und ich sag dir, wer du bist!

Wir alle sind verschieden – im besten Fall spiegelt sich die Individualität eines jeden von uns im Bike wider. Dabei bietet die Fahrradindustrie mehr Möglichkeiten als je zuvor, sei es die selbst gewählte Lackierung oder die individuelle Zusammenstellung der Anbauteile. Die Tuning-Möglichkeiten erscheinen grenzenlos. Auch integrierte Bauteile der Rennräder von heute lassen sich in hohem Grad anpassen. So lassen sich beispielsweise die neuesten Aero-Cockpits mancher Modelle auch mit dem Lieblingslenker kombinieren.

Auch wenn die Kompatibilitätsprobleme noch nicht gänzlich gelöst sind, die Liste an erhältlichen Bike-Zubehörteilen wird immer länger. Dabei müssen Custom-Aufbauten nicht immer so viel kosten wie ein Mittelklassewagen. Oftmals können bereits geringe Anpassungen ein Bike zu deinem Bike machen.

Zusätzlich bieten innovative Verfahren auch Herstellern von Bekleidung und Accessoires die Möglichkeit, ihre Produkte ausgefallener und integrativer zu gestalten. Der stilbewusste Racer von heute bekommt zur Sonderlackierung auch die passende Brille und das zugehörige Kit.

Wo ist eigentlich Mr. Weight-Weenie?

Nachdem die Fahrradindustrie Carbon für sich entdeckt hat, schienen für lange Zeit Kennwerte wie Gewicht und Steifigkeit unumstößliche Optimierungsziele zu sein. Jedes Modell musste leichter und steifer sein als sein Vorgänger. Eine Entwicklung, die darin ausartete, dass Rennräder mit den besten Laborwerten in der Praxis nahezu unfahrbar waren und Mr. Weight-Weenie auf seinem 4,7 kg superleichten Rad zwar den Anstieg hinaufgerast ist, doch im Downhill aus der Kurve flog, weil die Reifen seines supersteifen Rades den Bodenkontakt verloren. Glücklicherweise scheint dieser Zenit überschritten: Die innovativsten Bikes 2019 werden mitunter sogar schwerer als ihre Vorgänger. Aber sie werden abgesehen vom Gewicht vor allem komfortabler und damit zugänglicher für die breite Masse. Wenn wir ehrlich sind, wird ein Großteil von uns nie an einem Rennen teilnehmen. Und ist es genau deswegen nicht äußerst erfreulich zu sehen, dass ein modernes Rennrad auch mal an einem Sonntag ins Café ausgeführt werden kann, weil es eben nicht nur um Leistung, sondern vor allem um Spaß geht?

Die neue Volkssportdisziplin der Rennradfahrer?

Wer noch vor fünf Jahren den Begriff „Gravel“ gehört hat, konnte damit nicht wirklich viel anfangen. Binnen weniger Entwicklungszyklen hat sich jedoch aus dem vermeintlich inhaltslosen Marketingbegriff eine eigenes Grundverständnis im Rennradsegment entwickelt. Inhaltlich fließt der Begriff eher über, als dass es an (Be-)Deutungen mangelt – und das ist auch gut so, schließlich findet unter dem Begriff Gravel jeder Graveller seine Definition von Gravel. Versteht ihr? 2019 kann der Gravel-Aficionado aus einer riesigen Produktpalette wählen. Dabei ist vom sportlichen Allroad-Renner bis zum abenteuergierigen Arbeitstier alles vertreten. Das heißt leider auch, dass sich die Grundidee der Gravel-Bewegung gerade in einer Art Hypersegmentierung zu verwässern scheint. Wer einen wirklichen Alleskönner möchte, muss künftig noch genauer hinschauen. Aber um jetzt mal das halb volle Glas zu sehen: Dem erfahrenen Gravel-Fan wird so immerhin ein breites Spektrum an Auswahlmöglichkeiten geboten.

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