Das Pinarello DOGMA F 2024 gleicht dem Vorgänger wie ein Ei dem anderen, aber was ist wirklich neu? Und wie konnten die INEOS Grenadier-Profis bei der Verfeinerung des Race-Allrounders helfen? Wir konnten das neue DOGMA F bereits in den Dolomiten testen und steile Anstiege rauf- und schnelle Abfahrten hinabjagen.

Bei der Entwicklung des neuen Pinarello DOGMA F 2024 stand eines klar im Vordergrund: die absolute Optimierung des Renn-Charakters. Wo könnte die Reise zur Optimierung besser starten als beim Profi-Team INEOS Grenadier? Schon seit Jahren setzt das englische Team auf die Bikes der italienischen Edelschmiede. Und mit den Fahrern Geraint Thomas und Egan Bernal als leichte Kletterspezialisten und Klassementfahrer sowie den Spezialisten Pidcock und Ganna ergeben sich diverse Ansprüche auf Top-Niveau. Der Race-Allround-Charakter des DOGMA F ist damit vorprogrammiert. Dazu kommen Einsparungen bei Gewicht und Aerodynamik, wie sie bei jedem neuen Race-Bike angestrebt werden.
Laut interner Rennanalysen von Pinarello und INEOS gleicht eine Reduktion der Aero-Kennziffer CDA um 0,2 % einer Gewichtsersparnis von 175 g, natürlich bezogen auf eine durchschnittliche Etappe einer der großen Rundfahrten. Und genau hier setzt Pinarello an und versucht, beide Seiten zu knacken – sozusagen ein wild kombinierter Effizienz-Gewinn aus Abspeckkur und Aero-Gewinn.

Der Teufel im Detail – Alle Änderungen am neuen Pinarello DOGMA F 2024
Auch wenn man das neue Pinarello DOGMA F optisch nicht direkt vom Vorgänger unterscheiden kann, hat sich einiges getan. Denn laut Pinarello und INEOS-Profis brauchte es nur ein wenig Feinschliff, um das DOGMA F auf den neuesten Stand zu bringen.
Die größte Änderung erfährt dabei das Carbon selbst, denn das neue Pinarello Race-Bike kommt in jeder Variante mit Torayca M40X-Carbon, einer neuen, steiferen Variante, die es ermöglicht, ähnliche Steifigkeitswerte bei geringerem Gewicht zu erzielen. Bisher gab es das nur bei den X-Light-Modellen – und natürlich bei den Bikes der Profis.
Wirkliche optische Änderungen gibt es zugunsten der Aerodynamik: Ein überarbeitetes, längeres und um 8 mm schmaleres Steuerrohr verringert die Stirnfläche und damit direkt den Luftwiderstand. Um das zu erreichen, wurde parallel die interne Zugführung überarbeitet. Dank eines ovalen Gabelschafts gelangen die Leitungen nun vor anstatt seitlich des Gabelschafts durch den oberen Steuersatz. Eine clevere Lösung, die es erlaubt, den Steuersatz zu verkleinern. Das bedeutet aber auch, dass das Bike ausschließlich mit dem Pinarello-eigenem Cockpit kompatibel ist.

Das Steuerrohr ist teilweise sogar schlanker als die Garmin Headunit.


Die wohl auffälligste Änderung versteckt sich aber im Bereich um das Tretlager. Durch eine Rotation des Unterrohrs um 3,5° nach vorn wird dieser Bereich nicht nur länger, sondern auch optisch massiver. Zudem soll der sogenannte „Aero-Keel“ nicht nur die Aerodynamik positiv beeinflussen, sondern auch mehr Steifigkeit ins Bike bringen.
Dazu gesellen sich die leicht überarbeitete, schlankere und damit natürlich aerodynamischere Gabel, eine nun vollständig integrierte Sattelstützklemme, gecoverte Ausfallenden und ein neues Cockpit. Dieses bietet aber noch mehr als die Kompatibilität mit dem ovalen Gabelschaft. Wie es gerade bei Race-Bikes in Mode ist, kommt das Cockpit mit schmaleren Hoods. Für extra Kontrolle in den Drops gibt es etwas Flare. Das hat vor allem auch den Effekt, das UCI-Verbot eingedrehter Hoods zu umgehen, denn der Winkel der STIs wird in Relation der Drops gemessen.
Ah, und eine Änderung gibt es noch, die ist Pinarello besonders wichtig und wird eigens in der Produktpräsentation erwähnt: Das Pinarello DOGMA F 2024 gibt es nur mit Scheibenbremsen!



Italienisches Design – Dezent oder aufdringlich?
Pinarello DOGMA F – Eleganz oder Protz? Am Design des wohl bekanntesten italienischen Race-Bikes scheiden sich die Geister. Und das wird sich vorerst auch nicht ändern, denn das neue Modell sieht dem Vorgänger zum Verwechseln ähnlich. Die geschwungene ONDA-Gabel, das kleine Bürzel hinter der Sattelstütze und das geknickte Oberrohr machen das DOGMA F im Bike-Kosmos einzigartig und unverwechselbar, positiv wie negativ.
Auch farblich versucht sich Pinarello abzuheben. Mit 6 verschiedenen Farben, teils in matt oder glänzend, gibt es einige Lackierungen, die geradezu mit dem Licht zu spielen scheinen. Je nach Sonnenrichtung und Blickwinkel erstrahlen die Bikes in unterschiedlichen Tönen und Farbkombinationen. So funkelt auch unser Test-Bike in mattem Luxter Blue, einem Blau-Lila-Gemisch mit schwarzen Akzenten in Carbon-Raw.



Das Pinarello DOGMA F im Detail
Pinarello Dogma F 2024
Ausstattung
Gabel Pinarello Onda
Sattelstütze Pinarello Seatpost D-Shaped
Bremsen Shimano DURA-ACE Di2 R9200 160/140 mm
Schaltung Shimano DURA-ACE Di2 R9200 2 x 12
Vorbau Talon Ultra Fast 120 mm
Lenker Talon Ultra Fast 420 mm
Laufräder DT Swiss ARC 1400 12 x 100/12 x 142 mm Through Axle
Reifen Continental GP 5000 s TR 700 x 28c 28
Kurbeln Shimano DURA-ACE R9200 172,5 mm
Kassette Shimano DURA-ACE R9200 11-30T
Technische Daten
Größe 43 46 50 51 53 54 55 56 57 59 62
Unser Test-Bike in Größe 56 ist Pinarello-typisch mit den besten Komponenten ausgestattet. Shimano DURA ACE Di2 (ohne Powermeter), Princeton Peak 4550-Laufräder und One Piece Carbon-Cockpit. Dazu Continental GP 5000 S Tubeless-Reifen in 28c und eine 3D-gedruckten Titan-Sattelklemme. Ohne Pedale und Flaschenhalter kommt ein vergleichbares Bike in Größe 53 auf 6,77 kg.
Bleibt nur noch die Frage nach dem Preis. Das Startgebot liegt hier bei 14.500 € für ein komplettes Bike. Mehr wollen die Italiener „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht preisgeben. Was genau hinter der Verschlossenheit steckt, bleibt unklar, vielleicht aber der Versuch, Pinarello mit „Preis auf Anfrage“ noch weiter ins Luxussegment zu rücken. Ein DOGMA F sieht das Pinarello Marketing-Team auf jeden Fall bereits jetzt als Statussymbol.


Die Geometrie des Pinarello DOGMA F 2024
Alt bewährt – auch in der Geometrietabelle des Pinarello DOGMA F 2024 ist die einzige Änderung schnell entdeckt. Allein der Rake der Gabel wächst von 43 auf 47 mm an. Das verspricht mehr Sicherheit und noch höhere Geschwindigkeiten auf Abfahrten sowie ein besseres Handling in Kurven. Eine Änderung, die wohl vor allem Tom Pidcock zugutekommt. Das gewohnt Race-orientierte Bike gibt es in 11 Größen, so soll sich für jeden Typ die ideale Größe finden lassen. Probleme bei der Größenwahl wie bei anderen Herstellern gibt es bei Pinarello nicht.
Größe | 43 | 46 | 50 | 51 | 53 | 54 | 55 | 56 | 57 | 59 | 62 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Oberrohr | 500 mm | 515 | 525 mm | 535 mm | 545 mm | 550 mm | 557 mm | 565 mm | 575 mm | 587 mm | 620 mm |
Sattelrohr | 425 mm | 450 mm | 465 mm | 585 mm | 500 mm | 510 mm | 520 mm | 525 mm | 540 mm | 560 mm | 600 mm |
Steuerrohr | 102 mm | 109 mm | 114 mm | 119 mm | 128 mm | 136 mm | 147 mm | 154,5 mm | 168 mm | 204 mm | 244 mm |
Lenkwinkel | 69,5° | 70,5° | 71,4° | 72° | 72,5° | 72,8° | 72,8° | 73,2° | 73,7° | 73,4° | 73,4° |
Sitzwinkel | 74,4° | 74,4° | 74° | 73,7° | 73,7° | 73,4° | 73,4° | 73° | 73° | 72,4° | 72° |
Kettenstrebe | 407 mm | 407 mm | 407 mm | 407 mm | 407 mm | 408 mm | 408 mm | 409 mm | 409 mm | 409 mm | 411 mm |
Tretlagerabsenkung | 67 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 67 mm | 67 mm |
Reach | 351,1 mm | 365,4 mm | 372,2 mm | 378,2 mm | 385,6 mm | 385,3 mm | 389,2 mm | 390,8 mm | 396,7 mm | 393,4 mm | 410 mm |
Stack | 502 mm | 517,3 mm | 525,2 mm | 532,1 mm | 542,4 mm | 551 mm | 561,5 mm | 570,1 mm | 584,8 mm | 613,2 mm | 651,6 mm |
Das neue Pinarello DOGMA F 2024 im ersten Test
Auf den ersten Metern des Test-Rides in den Dolomiten sticht vor allem ein Eindruck hervor: solide. Und nicht als typisch deutsche Bezeichnung für eine mittelmäßige Leistung, nein, das Pinarello DOGMA F besticht durch eine Steifigkeit, wie man sie nur in wenigen Bikes zu spüren bekommt. Mühelos wandelt es Kurbelumdrehungen in Vortrieb um. Dabei macht es keinen Unterschied, ob bei 10 % Steigung am Berg oder im Sprint aus der Kurve – das DOGMA F liegt satt auf der Straße und macht genau das, was es soll: Es geht stur und zügig nach vorn.
Unter dieser Race-Ausrichtung leidet allerdings die Compliance. Hart an der Grenze, passt sich das DOGMA F noch gut ins Race-Segment ein, doch die Zeiten harter Race-Bikes wähnten wir eigentlich in der Vergangenheit. Einzig die 28c breiten Tubeless-Reifen retten das Fahrgefühl etwas und filtern Vibrationen und Unebenheiten heraus. Viel mehr geht aber nicht, denn mit 30 mm maximaler Reifenfreiheit ist das DOGMA F zwar gut aufgestellt, aber trotzdem etwas konservativ angesichts des aktuellen Trends zu breiteren Reifen.


Unerwartet verhält sich das Arbeitsgerät von Abfahrtskönig Tom Pidcock aber ausgerechnet in dessen Paradedisziplin. Zwar setzt die Lenkung Lenkimpulse direkt und ohne Zicken um und sorgt für ausgezeichnete Kontrolle in Abfahrten, die hohe Direktheit verlangt aber auch einiges an Konzentration und Fahrkönnen auf der Ebene und bei Müdigkeit. Dazu kommt das nachlaufende Heck, zusammen mit der verspielten Front eine Kombination, die so nicht richtig passt. In schnellen und wendigen Abfahrten bremst das Heck aus und erfordert extra Fahrkönnen und Mut, um das Bike mit Schwung in die Kurve zu drücken und um enge Serpentinen zu ziehen.
Wirklich sehr gut ist dagegen das Cockpit gelungen, mit Flare in den Drops gibt es Sicherheit und Halt, ob in Abfahrten, Kurven oder Sprints. Die passgenaue Computerhalterung wirkt dagegen wenig durchdacht und an dem so detailverliebten Bike irgendwie fehl am Platz. Ohne Verstellmechanismus lässt sich der Winkel nicht ändern, und so zeigt die Headunit zwangsläufig nach oben. Das lässt das Pinarello DOGMA F nicht nur nach älterem Semester aussehen, sondern macht wahrscheinlich auch den ein oder anderen Aero-Gain (marginal) zunichte.

Für wen ist das Pinarello DOGMA F 2024
Das Pinarello DOGMA F ist ein legendäres Bike, das hohe Erwartungen erfüllen muss – und diese sogar steigert. Da helfen die INEOS-Profis, das italienische Design und Mythen um die Preisgestaltung, um die Marke Pinarello nur weiter anzureichern und Begehrlichkeiten zu wecken.
Doch als Race-Bike muss es auch richtig schnell bewegt werden können, und das kann das DOGMA F in jedem Fall. Dank steifem Rahmen und erstklassiger Ausstattung besteht das Bike in den meisten Situationen, sozusagen ein Race-Allrounder, wie Pinarello das DOGMA F seit Generationen klassifiziert. Für die progressivsten Einsätze, wirklich breite Reifen, rasante Abfahrten und beschädigten Asphalt gibt es aber weiterhin Spezialisten und vielseitigere Bikes.
Klar bleibt aber auch, wer Pinarello kauft, kauft vor allem ein Designobjekt und Statussymbol.

Fazit zum Pinarello DOGMA F 2024
Das neue Pinarello DOGMA F 2024 folgt dem Trend zu breiteren Reifen und schmaleren Cockpits mit Flare, bleibt dabei aber konservativ und reizt das Mögliche nicht ganz aus. Dazu kommen eine ordentliche Gewichtsersparnis und kleine Aero-Änderungen. Mit der unausgewogenen Downhill-Performance, dem steifen Rahmen und einer nicht ganz ausgereiften Computerhalterung ist aber nicht alles perfekt. Auch die Preisgestaltung wirft Fragen auf. So lässt sich die Exklusivität, ganz im Sinne von Eigentümer LVMH, sicher steigern – das schränkt die Zielgruppe aber auch etwas ein.
Mehr Infos findet ihr auf pinarello.com

Tops
- einzigartiges Design
- clevere Integration der Leitungen mit ovalem Steuerrohr
- sehr effizientes Fahrgefühl

Flops
- ausgeglichene Bergab-Performance
- Pinarello-Pricing auf Anfrage
- Computerhalterung steht im Wind

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Text: Calvin Zajac Fotos: Pinarello, Calvin Zajac