
Offene Frage stellen, denke ich mir. Bloß nicht selbst reden. Jedes Gramm Sauerstoff soll in die Beine. Doch die beginnende Anämie hemmt mein Hirn. „How’s your season going?“, presse ich gerade noch raus – und schaue nach rechts. Neben mir pedaliert Gustave Orien: ein junger französischer Gravel-Racer, der für Orbea Rennen fährt. Gustave erzählt vom Traka 360, von Wattwerten und Fueling-Strategien. Dann tritt er an – VO2max-Intervall. Der Van der Poel in mir schläft tief und fest.
Ich bleibe zurück – zwischen roten Mohnblumen und tiefen Pfützen – allein mit dem Terra Race 2026 und der Frage: Was ist eigentlich Gravel-Racing?
Ein UCI-World-Cup-Rennen? Das Traka 360? Oder gar das Traka 560? Eher Self-Supported-Adventure-Race mit Sinnkrise oder Gravel-Kriterium mit Kompressionssocken? Die Bandbreite ist gewaltig. Es gibt unzählige Varianten, sich abseits des Asphalts ordentlich die Gravel-Kante zu geben. Doch für welche Art von Racing ist das Terra Race gemacht? Der Rahmen gibt da schon mal die Richtung vor – und die heißt: lieber voll am Anschlag statt voller Anschraubpunkte.



Speed-Dating: Der erste Blick aufs Orbea Terra Race 2026
Im Gegensatz zu seinem erlebnisorientierten Namensvetter, dem Orbea Terra 2026, verzichtet das Terra Race auf Montagepunkte an der Gabel oder ein Staufach im Unterrohr – nicht, dass noch jemand auf die Idee kommt, die scharf gezeichnete Silhouette mit Bikepacking-Accessoires zu verschandeln oder gar einen Espressokocher ins Gepäck zu schmuggeln. Der Verzicht auf das ausgeschnittene Staufach soll aber vor allem die Rahmensteifigkeit erhöhen. Für ein paar Newtonmeter Torsionssteifigkeit verzichtet man doch gern auf das Extra-Tütchen Gummibärchen.
Optisch prägen flächige Übergänge am Steuerrohr sowie ein filigranes Oberrohr die Formensprache. Im Sitzrohr steckt – etwas überraschend – keine D-förmige Aero-Stütze, sondern ein klassisches Rundrohr. Ihr könnt also problemlos eine Dropper Post nachrüsten. Das Sitzrohr selbst zeigt dann aber doch Aero-Ambitionen: Bis zu den tief angesetzten Sitzstreben verjüngt es sich zu einem Kamm-Tail-Profil. Weiter unten schmiegt sich das Carbon, leicht ausgeschnitten, eng ans Hinterrad.
Im Übergang zwischen Sitzstreben und Sitzrohr ist es erneut flächig. Das Terra Race versucht gar nicht erst den Alleskönner zu spielen – es wirkt markant, ein wenig technikverliebt und in den mattierten Metallic-Lackierungen sogar ein bisschen aggressiv. Optik ist bekanntlich Geschmackssache – aber das Terra Race 2026 sieht schon im Stand irgendwie nach Sektdusche aus.

Tiefergelegt – Die Geometrie des Orbea Terra Race 2026
An der Front wartet eine Premiere: ein neues, integriertes Vollcarbon-Cockpit mit eingebauter GPS-Halterung. Es soll dem Wind noch ein paar Watt abringen – und von der entspannten Fahrt in den Hoods bis zum aggressiven Zielsprint in den Drops optimale Ergonomie in allen Rennsituationen bieten. Erhältlich ist das Cockpit in elf verschiedenen Kombinationen aus Vorbaulänge und Lenkerbreite – von 360 bis 440 mm.
Überhaupt sind die Möglichkeiten, die Ergonomie an die eigenen Bedürfnisse anzupassen – wie immer bei Orbea –, beeindruckend. Da die Rahmen im baskischen Werk lackiert und montiert werden, statt chargenweise aus Asien zu kommen, kann Orbea flexibel auf Kundenwünsche reagieren. Die Option, das Bike ohne Aufpreis zu personalisieren, ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal der Marke.



Neben Cockpitbreiten, Vorbaulängen und – falls gewünscht – dem „Rise” des Lenkers, lassen sich auch Spaceranzahl, Kurbellänge und das Setback der Sattelstütze über das MyO-Programm konfigurieren. Und wer möchte, kann sich auch gestalterisch austoben: Farben, Oberflächenfinish und Dekor lassen sich individuell anpassen. Aber denkt dran: Am Ende muss es zum Regenbogen-Trikot passen.
XS | S | M | L | XL | XXL | |
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Oberrohr | 523 mm | 538 mm | 555 mm | 567 mm | 585 mm | 600 mm |
Sattelrohr | 405 mm | 440 mm | 470 mm | 505 mm | 540 mm | 575 mm |
Steuerrohr | 95 mm | 120 mm | 139 mm | 162 mm | 181 mm | 205 mm |
Lenkwinkel | 70° | 70,5° | 71° | 71° | 71,5° | 72° |
Sitzwinkel | 74° | 74° | 73,5° | 73,5° | 73° | 73° |
Kettenstrebe | 420 mm | 420 mm | 420 mm | 420 mm | 420 mm | 420 mm |
Radstand | 1.005 mm | 1.018 mm | 1.026 mm | 1.040 mm | 1.048 mm | 1.058 mm |
Reach | 375 mm | 383 mm | 389 mm | 395 mm | 402 mm | 409 mm |
Stack | 514,9 mm | 540 mm | 560,3 mm | 580 mm | 600 mm | 625 mm |
Egal, für welches Finish ihr euch entscheidet – unter dem Lack steckt immer das laut Orbea besonders leichte und steife OMX-Carbon. Der Rahmen des Orbea Terra Race 2026 wiegt damit 910 g (Größe M, unlackiert) und ist etwa 15 % leichter als der des regulären Orbea Terra 2026 (1.040 g, Größe M, unlackiert). Die Gabel schlägt mit weiteren 425 g zu Buche.
Entscheidender als das Gewicht ist jedoch die Geometrie – und die fällt beim Terra Race spürbar aggressiver aus. Rund 20 mm weniger Stack und ein leicht verkürzter Reach machen das Bike tiefer und kompakter. Auch die Kettenstreben und der Radstand schrumpfen im Vergleich zum Terra. Laut Orbea bewegt sich das Terra Race 2026 exakt im Sweetspot zwischen Agilität und High-Speed-Stability – zwei entscheidende Faktoren, wenn ihr bei der nächsten UCI-Gravel-WM nicht von Van der Poel überrundet werden wollt. Wir sind gespannt!

Werkzeuglos glücklich – Die OQUO RP50 Ltd-Laufräder
Ebenso gespannt sind wir auf eine weitere Premiere: Mit dem nagelneuen OQUO RP50 Ltd-Laufradsatz spendiert Orbea dem Terra Race 2026 die Top-Wheels der Zungenbrechermarke. OQUO gehört zur Orbea-Gruppe, ist aber ein eigenständiger Hersteller, der in der Nähe von Bilbao Laufräder fertigt – und mit der Q10-Nabe seine erste selbst entwickelte Nabe vorstellt. Bisher setzte OQUO bei seinen Top-Modellen vor allem auf Zipp-Naben. Mit der Q10 präsentieren die Basken nun ein CNC-gefrästes und lasergraviertes Schmuckstück, das nicht nur vor Ort erdacht wurde, sondern auch produziert wird.

Für den aus einem Stück gefrästen Nabenkörper verwendet OQUO eine hochfeste 7075-T6-Aluminiumlegierung. Das feinmechanische Herz der Nabe ist ein neuartiges Ratchet-System mit 45 Zähnen und einem Eingriffswinkel von 8°. Laut OQUO sorgt das für eine besonders effiziente und unmittelbare Kraftübertragung. Eine spezielle Keramikbeschichtung soll zudem die Reibung reduzieren und die Haltbarkeit erhöhen. Solche Aussagen lassen sich schwer verifizieren – aber bei einem Besuch in der Produktion konnten wir uns zumindest von der Fertigungspräzision und der Formschlüssigkeit der Bauteile überzeugen.
Der besondere Clou der Nabe ist aber ein anderer: Sie kann werkzeuglos demontiert und gewartet werden, auch der Freilauf lässt sich ohne Spezialequipment entfernen. Ein gelasertes Oberflächenfinish macht das leichte (175 g hinten, 105 g vorne) Alu-Bauteil zudem zu einem optischen Schmankerl.



Alles Aero, oder was?
Beim Thema Aerodynamik gibt sich das Terra Race ein wenig ambivalent. Wer Windtunnel-Daten oder Watt-Ersparniswerte für optimierte Rohrprofile erwartet, wird enttäuscht – das Orbea Terra Race 2026 war nie im Windtunnel. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht die komplette Klaviatur der Aero-Optimierung beherrscht: integriertes Cockpit, innenverlegte Züge, tailliertes Steuerrohr, 50 mm tiefe Laufräder, tiefgezogene Sitzstreben und ein Kamm-Tail-Sitzrohr mit verdeckter Sattelklemmung. Aber: Aero Features am Bike sind laut Joseba Arizaga, Road Product Manager bei Orbea, nicht alles. Seine Rechnung lautet: 80 % Fahrer, 20 % Laufräder und Front. Der Fokus liege deshalb auf der effizienten Positionierung des Fahrers – und genau hier sei das Terra Race 2026 mit seiner konfigurierbaren Geometrie besonders gut aufgestellt.
Nicht konfigurierbar ist die Tire-Clearance. Das Terra Race 2026 schluckt 45 mm breite Reifen (700 × 45C). Das entspricht dem aktuellen Standard bei Gravel-Race-Bikes. Beim Blick auf den Trend zu immer breiteren Schlappen könnte das in ein paar Jahren jedoch ein wenig dürftig erscheinen. Orbea verweist auf die großzügig bemessene Clearance und die eher konservative Freigabe – soll heißen, dass je nach Reifen-/Laufrad-Kombi wahrscheinlich auch 50-mm-Pneus in den Rahmen passen. Was auf jeden Fall passt, ist die jüngste Generation der Direct-Mount-Schaltwerke von SRAM. Der Rahmen besitzt eine UDH-Aufnahme.


Die Ausstattungsvarianten des Orbea Terra Race 2026
Der Einstiegspreis für das Orbea Terra Race liegt bei 4.999 €. Dafür bekommt ihr eine mechanische GRX-820-Ausstattung und eine klassische Vorbau-Lenker-Kombi. Ab 5.499 € schaltet ihr mit der neuen SRAM Rival XPLR elektronisch und profitiert von der 13-fach-Direct-Mount-Schalttechnologie. Darüber liegen noch Versionen mit der elektronischen GRX und der ebenfalls neuen SRAM Force XPLR. Auf dem Ausstattungsgipfel thront die von uns getestete Version mit SRAM Red XPLR. Dieses 7,7 kg leichte Setup erleichtert euch um 9.999 €. Im Vergleich zum Terra bepreist Orbea das Terra Race damit deutlich ambitionierter.
Orbea Terra Race M11eLTD 1X 2026
9.999 €
Ausstattung
Sattelstütze OC Performance XP10 Carbon 27,2 mm
Bremsen SRAM RED AXS HRD 160/160 mm
Schaltung SRAM RED XPLR AXS 1 x 13
Kettenblatt 42
Vorbau Integrated Bar and Stem OC SH-RA10 100 mm
Lenker 400 mm
Laufräder OQUO RP50 Ltd Laufräder 12 x 100 / 12 x 142
Reifen Vittoria Terreno T30 700 x 40c
Kurbeln SRAM RED XPLR AXS Powermeter 172,5 mm
Kassette SRAM RED XPLR XG-1391-E1 10-46T
Technische Daten
Größe XS S M L XL XXL
Gewicht 7,70 kg
Besonderheiten
OQUO RP50 Ltd Laufräder
Integriertes Cockpit
Das Orbea Terra Race 2026 im ersten Test
Mit meinen 186 cm Körpergröße sitze ich kompakt, aber nicht gequetscht auf dem Bike (Größe L). Die Geometrie ist sportlich, aber nicht extrem. Auch beim Griff in die Drops bleibt der Körperschwerpunkt ausbalanciert. Mit dem virtuellen Startschuss geht das Terra Race gut nach vorne. Die Beschleunigung ist Race-Bike-like. Trotz des Minimalgewichts wirkt das Terra Race dabei nicht nervös, sondern überzeugt mit entspanntem Geradeauslauf und hoher Fahrstabilität. Auf endlos langen Gravel-Roads könnt ihr mit dem Terra Race definitiv ordentlich Tempo bolzen.



Die Laufräder tragen ihren Teil dazu bei. Sie halten euch auf Speed und liefern mit einem unaufdringlichen Freilaufgeräusch den entspannten Soundtrack zur Soloflucht ins Weltmeister-Jersey. Vom leichten Seitenwind zeigten sie sich weitestgehend unbeeindruckt und überraschten mit einem hohen Komfortlevel. Die schnellen, 40 mm breiten Vittoria Terreno T30 passen zum Speed-Fokus des Terra Race, gerieten aber bei Nässe schnell an ihre Grip-Grenze. Während die Traktion im feuchten Gras noch durchaus passabel war, fehlte in nassen, teils schlammigen Kurven ein wenig Seitenhalt, um ganz nach vorne zu fahren. Zur Ehrenrettung der Reifen sei gesagt, dass wir nicht gerade bei Weltmeister-, sondern eher bei Weltuntergangswetter unterwegs waren.
Tuning-Tipp: Zwei Laufradsätze. Ein Satz mit profilierten 45 mm breiten Gravel-Reifen, ein zweiter mit 32-mm-Allroad-Reifen.


Don´t blame the bike – Es liegt nicht am Terra Race, wenn ihr abgehängt werdet
Auf trockener Strecke überzeugte das Terra Race dann wieder mit unerschütterlicher Traktion und Effizienz im Antritt. Egal, ob Wiegetritt oder Aero-Tug – das Terra Race verwandelt mühsam produzierte Watt nicht in lateralen Flex, sondern in direkten Vortrieb. Das macht viel Spaß – und ein bisschen süchtig. Die Torsionssteifigkeit ist bei jeder Attacke spürbar.
Weniger spürbar sind unangenehme Vibrationen. Sie verschwinden weitgehend unbemerkt im Kohlefaser-Layout. Für ein Race-Bike ist das Terra Race 2026 insgesamt durchaus kommod unterwegs. Das integrierte Cockpit war dabei für meinen Geschmack sogar etwas zu nachgiebig und flexfreudig.


Das Einlenkverhalten des Terra Race 2026 ist gutmütig und präzise, jedoch nicht herausstechend agil. Mit einem Lenkwinkel von 71° ist das Bike auch tendenziell eher auf Fahrstabilität als auf Direktheit ausgelegt. Winklige Trails sind somit eher nicht die Domäne des Terra Race 2026. Wir hatten leider noch nicht die Möglichkeit (und die Beine), das Terra Race wirklich artgerecht im Rennen über die Piste zu prügeln, aber der erste Eindruck sagt: Falls ihr bei einem schnellen Hardpack-Race das Treppchen verpasst, heißt der Schuldige nicht Terra Race 2026 – das Bike generiert genug Vortrieb, um ganz nach vorn zu fahren.
Und die SRAM Red XPLR? Die ist so souverän, dass man sie fast vergisst. Schnelle Gangwechsel – auch unter Last – und eine Bandbreite (10–46), die euch selbst dann nicht im Stich lässt, wenn euch das Laktat schon aus den Ohren quillt. Das Beste sind und bleiben in unseren Augen aber die Bremsen. Die kraftvolle, gut dosierbare 1-Finger-Bremsperformance aus den Hoods eröffnet eine ganz neue Griffoption. Ein Finger an der Bremse heißt: Vier Finger am Lenker – und das bedeutet vor allem auf ruppigen Abfahrten spürbar mehr Kontrolle.



Für wen ist das Orbea Terra Race 2026?
Fester Hardpack, komprimierter Schotter oder auch mal entspannter Asphalt – je schneller es wird, desto wohler fühlt sich das Terra Race. Wer auch abseits der Straße nicht auf echtes Race-Bike-Feeling verzichten möchte oder bei High-Speed-Gravel-Rennen aufs Podium fahren will, findet im Orbea Terra Race 2026 einen echten Gleichgesinnten. Auch der Gedanke, das Terra Race mit einem zweiten Laufradsatz zu einem souveränen Allroad-Bike umzurüsten, hat durchaus Charme.
Für Adventure- oder Bikepacking-Races ist das Terra Race allerdings nicht ausgelegt und auch nicht konzipiert. Und auch wer Lust hat, mit seinem Gravel-Bike Trails zu shredden, wird schnell an seine Grenzen stoßen – da gibt es fähigere und vor allem vielseitigere Bikes wie z. B. das ebenfalls nagelneue Orbea Terra 2026.
Fazit zum Orbea Terra Race 2026
Geometrie und Preisgestaltung sind eigentlich schon eine klare Ansage: racer only! Das Orbea Terra Race 2026 ist für die Wenigsten eine klare Kaufempfehlung – dafür ist es schlicht und ergreifend nicht vielseitig genug. Die Antrittsstärke, die High-Speed-Stabilität und nicht zuletzt der Look mit den unzähligen Personalisierungsoptionen triggern aber auch bei uns Normalos den Bestellreflex. Und das Beste: Das Terra Race ist mindestens so schnell, wie wir uns fühlen.

Tops
- High-Speed-Stability
- Antritts- und Traktionsstärke
- Personalisierbarkeit

Flops
- Flex im integrierten Cockpit






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Text: Nils Hofmeister Fotos: Iván Arribas, Antton Miettinen, Nils Hofmeister